Ferdinand Freiherr von Richthofen (1833–1905)[1] war voll des Lobes über Martino Martini, SJ (1614-1661)[2]:
In der That hat die ganze chinesische Missionsgeschichte des siebzehnten Jahrhunderts unter ihren hunderten von Sendboten einen einzigen Geographen aufzuweisen. Dies war Martin Martini, und er ist selbst während des achtzehnten Jahrhunderts nicht überboten, kaum erreicht worden. Nicht ein einziger Missionar vor und nach ihm hat so geflissentlich seine Zeit auf die Kenntnis des Landes verwendet, wie er.”[3]
Matini veröffentlichte 1655 seinen Novus Atlas Sinensis ((Zu den zahlreichen Ausgaben/Übersetzungen des Novus Atlas Sinensis s. [Peter van der Krogt/Cornelis Koeman:] Koeman’s atlantes Neerlandici. 2. The folio atlases published by Willem Jansz. Blaeu and Joan Blaeu. New ed., comp. by Peter van der Krogt (‘t-Goy-Houten : HES Publ. 2000) pp. 295-315. Links zu einigen Digitalisaten → Bibliotheca Sinica 2.0.)). Das Werk enthält 17 Karten[4]und etwa 170 Seiten Beschreibungen. Richthofen meinte dazu:
Es ist die vollständigste geographische Originalbeschreibung von China, welche wir besitzen. Die Nachwelt hat wol über einzelne Gegenden sehr viel Besseres geliefert und auf compilatorischem Weg ist in unserer Zeit weit Vollständigeres über das ganze Land geschrieben worden; aber niemand hat Aehnliches in solcher Ausdehnung auf Grund eigener Beobachtungen gegeben, nicht weil es an reisenden Missionaren, sondern weil es unter denen, welche das Land in grösserem Umfang sahen, stets an Beobachtern der Natur gefehlt hat. Ueber die Beschreibung hinausgehend war Martini der erste, welcher nicht nur eine eingermassen correcte Gesammtkarte von China, sondern einen Atlas von Provincialkarten veröffentlicht hat. Allerdings sind sie nicht das Resultat eigener Aufnahmen, sondern beruhen, wie Martini offen zugesteht, auf chinesischen Originalen. Aber auch diese waren längst den Missionaren zugänglich gewesen, jedoch nicht von ihnen benutzt worden, und Martini ist der Vater der geographischen Kenntnisse von China geworden, indem er den Atlas herausgab. Auch wäre wol dazu kaum ein Anderer fähig gewesen; denn man musste die chinesischen Karten verstehen, um sie in geeigneter Weise verwerthen und berichtigen zu können, und dazu wiederum in erster Linie Geograph sein und das Land aus eigener Anschauung kennen.[5]
Novus Atlas Sinensis. By Martino Martini [Public domain], via Wikimedia Commons Ttitelversion 2:26B
Martini benutzte für seinen Atlas chinesisch Quellen, darunter eine Kopie eines (Manuskript)Atlas des Zhu Siben 朱思本 (kompiliert 1311/12) mit Anmerkungen aus dem Guangyutu 廣與圖 des Luo Hongxian 羅洪先 von 1555. Der Atlas, der bei Blaeu in fünf Sprachen – Latein, Französisch, Niederländisch, Deutsch und Spanischj – erschien, enthielt:
- ein Vorwort mit Erläuterungen Martinis zur Arbeit mit den chinesischen Quellen
- eine Karte von China (in den Grenzen der Ming-Zeit)
- Beschreibungen jeder der 15 Provinzen, jeweils mit einer Karte der jeweiligen Provinz)
- eine Beschreibung von Japan mit einer Karte
- einen “Catalogus Longitudinum ec Latitudinum” (Liste von Orten mit geographischen Koordinaten)
- ein Supplement “De Regno Catayo Additamentum Iacobus Golius Lectori”
- “De Bello Tartarico Historia”, die Beschreibung der Eroberung Chinas durch die Mandschuren, die zuerst 1654 in Antwerpen erschienen war, ergänzt durch einen Brief von Francisco Brancaro, datiert Shanghai, 14.11.1651.
Blaeu, Willem Janszoon; Blaeu, Joan ; Blaeu, Joan [Hrsg.]; Martini, Martino [Hrsg.]; Golius, Jacobus [Hrsg.]: Novvs Atlas, Das ist, Weltbeschreibung: Mit schönen newen außführlichen Land-Taffeln in Kupffer gestochen, vnd an den Tag gegeben: Novus Atlas Sinensis Das ist ausfuhrliche Beschreibung des grossen Reichs Sina ([Amsterdam], [1655])
UB Heidelberg (Lizenz: Creative Commons-Lizenz cc-BY-NC-SA) | Titelversion 2:26A
Er erschien separat und wurde als sechster Band dem Theatrum Orbis Terrarum beigefügt, unterschieden nur durch den Titelkupfer. Später wurde der Novus Atlas Sinensis mit anderen Texten und Karten zu Asien zu Band 10 des Atlas Maior verbunden.
Die einzelnen Ausgaben[6] unterscheiden sich in der Aufmachung , in vielen Fällen fehlt ein Titelblatt i.e.S. und es gibt ‘nur’ einen Titelkupfer in zwei Variationen. Die Version 2:26A hat ein leeres Feld für den (Reihen-)Titel, die Version 2:26B ist ein ‘typischer’ Titel der jesuitischen China-Literatur.[7]
Gemeinsam ist beiden Versionen, dass auf dem Titel wenig Chinesisches zu sehen ist: Die Putti im Vordergrund halten eine Karte von China hoch, der Globus, mit dem die Gruppe im Vordergrund in der Mitte spielt, zeigt ganz Ostasien.
Titel und Widmung sind in die geöffnete Tür rechts im Bild eingefügt – wobei unklar bleibt, auf welcher Seite dieser Tür zu China sich der Betrachter befindet …
―
- Zur Biographie: Uta Lindgren: „Richthofen, Ferdinand Paul Wilhelm Dieprand Freiherr von“, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 543-544 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118745085.html.
- “Martin Martini” in: Louis Pfister: Notices biographiques et bibliographiques sur les jésuites de l’ancienne mission de Chine (1552-1773) Tome I, XVIe et XVIIe siècles (Shanghaï: Impr. de la Mission catholique 1932) 256-262.
- Ferdinand Richthofen: China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien. Bd. 1 (Berlin: Reimer 1877) 674
- Scans: National Library of Australia
- Ferdinand Richthofen: China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien. Bd. 1 (Berlin: Reimer 1877) 676
- Übersicht: [Peter van der Krogt/Cornelis Koeman:] Koeman’s atlantes Neerlandici. 2. The folio atlases published by Willem Jansz. Blaeu and Joan Blaeu. New ed., comp. by Peter van der Krogt (‘t-Goy-Houten : HESPubl. 2000) pp. 295-315.
- Zu den Versionen: Koeman, Atlantes Neerlandici. 2, 296.