Otto von Bolschwing oder You’ll never get lost

Fast wäre er uns im dunklen Meer der Geschichte entkommen: Otto von Bolschwing. 1910 geboren, studierte er an der London School of Economics, wollte aber doch mehr am Rad der Weltgeschichte drehen. 1932 trat er der NSDAP und der SS bei und hatte, nachdem ihn auf seinen Geschäftsreisen in den Nahen Osten der Mitarbeiter des dortigen Deutschen Nachrichtendienstes und SD-Verbindungsmann, Dr. Reichert, 1935 kennengelernt hatte und über diesen eine Verbindung zum Sicherheitsdienst des SS (SD) angebahnt worden war, ausführlich über Palästina berichtet.

In Berlin wurden die Bindungen an den SD enger; Bolschwing schrieb weitere Memoranden, u. a. im Januar 1937, überschrieben „Zum Judenproblem”. Darin empfahl er unter anderem gegen die konstatierte „Auswanderungsmüdigkeit” der deutschen Juden: “Das wirksamste Mittel, um den Juden das Sicherheitsgefühl zu nehmen, ist der Volkszorn, der sich in Ausschreitungen ergeht. Trotzdem diese Methode illegal ist, hat sie, wie der ‘Kurfürstendamm-Krawall’ zeigte, langanhaltend gewirkt.”

Seine Verbindungen zum SD, insbesondere zum sogenannten Judenreferat, in dem Eichmann arbeitete, blieben exzellent. Anfang 1940 wurde er SD-Verbindungsmann in Rumänien und unterstützte 1941 den Putsch der radikal-antisemitischen und extrem gewalttätigen Eisernen Garde gegen den Militärdiktator Antonescu. Der Putsch mißglückte, nicht zuletzt weil Antonescu von Hitler gestützt wurde, und Bolschwing mußte Rumänien verlassen. 1942 war er noch in einen Korruptionsfall innerhalb des SD verwickelt, konnte jedoch zum Ende des Krieges nach Österreich fliehen, und dort gelang es ihm, Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst zu knüpfen.

Hier verlor sich bislang seine Spur. Doch nun erfahren wir mehr dank der New York Times, die soeben einen geheimen Bericht aus dem US-Justizministerium aus dem Jahr 2006 veröffentlichte. Dem zufolge wurde Bolschwing zunächst 1946 Agent der Organisation Gehlen und von dort 1949 vom CIA übernommen, obwohl seine SD-Aktivitäten und Zusammenarbeit mit Eichmann bekannt waren.

Schwierigkeiten allerdings ergaben sich, als Grossbahn, so sein CIA-Deckname, in die USA einreisen wollte. Sollte er im Visaantrag seine NSDAP-, SS- und SD-Mitgliedschaft verschweigen? Der CIA war sich uneinig: Während die einen für eine Falschangabe plädierte, auch um Bolschwing in den USA gegebenenfalls erpressen zu können, war andere dafür, korrekte Angaben zu machen. Offenkundig erreichte der CIA beim State Department, dass Bolschwing dennoch einreisen konnte, und sorgte dafür, dass seine Einwanderungsakte als geheim eingestuft wurde. Als er 1959 seine US-Staatsbürgerschaft beantragte, verschwieg er seine NS-Vergangenheit.

Doch blieb er nicht unentdeckt. Das 1979 gegründete Office of Special Investigation (OSI), das eingewanderte Deutsche und andere Europäer daraufhin untersuchen, ob sie an den Verbrechen des NS-Regimes beteiligt waren, und für ihre Ausweisung sorgen sollte, hatte auch Bolschwing im Visier. OSI-Vizedirektor Martin Mendelsohn fragte bei der CIA an, ob diese Bolschwing geraten habe, seine NS-Vergangenheit zu verschweigen, ob sie über seine Tätigkeit als SD-Agent Bescheid wußte und ob er in den USA weiter für die CIA gearbeitet. Die Antwort der CIA war gewunden: Sie sei sich nicht sicher, ob sie über alle Information verfügt habe, als Bolschwing seine Einreise in die USA beantrage habe, und obwohl die CIA-Zentrale angewiesen habe, dass Bolschwing die Visafragen wahrheitsgemäß beantworten solle, sei nicht klar, ob diese Anweisung ihn erreicht habe. In den USA selbst sei er nicht mehr für den CIA tätig gewesen. Zudem sei seine Akte verloren gegangen.

So klar dem OSI war, dass Bolschwing falsche Angaben bei seiner Einreise und dem Antrag auf Staatsbürgerschaft gemacht hatte, so schwierig war der Fall, weil Bolschwing immer geltend machen konnte, im Einvernehmen mit der CIA gehandelt zu haben. Dennoch versuchte das OSI, seine Ausweisung zu erreichen. Der Fall wurde publik und fand entsprechendes Echo in der Presse. „California Man Accused of Nazi Crimes”, meldete die Los Angeles Times am 28. Mai 1981.

Zwar gelangen dem OSI weitere rechtliche Schritte zur Ausweisung Bolschwings. Doch ehe es dazu kam, wurde Bolschwing krank und starb mit 72 Jahren im März 1982 - ohne sich je für seine Beteiligung an der Verfolgung der europäischen Juden verantworten zu müssen.

Michael Wildt

Quelle: http://www2.hu-berlin.de/deutsche-geschichte/index.php?option=com_wordpress/wp-atom.php

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Otto von Bolschwing oder You’ll never get lost

Fast wäre er uns im dunklen Meer der Geschichte entkommen: Otto von Bolschwing. 1910 geboren, studierte er an der London School of Economics, wollte aber doch mehr am Rad der Weltgeschichte drehen. 1932 trat er der NSDAP und der SS bei und hatte, nachdem ihn auf seinen Geschäftsreisen in den Nahen Osten der Mitarbeiter des dortigen Deutschen Nachrichtendienstes und SD-Verbindungsmann, Dr. Reichert, 1935 kennengelernt hatte und über diesen eine Verbindung zum Sicherheitsdienst des SS (SD) angebahnt worden war, ausführlich über Palästina berichtet.

In Berlin wurden die Bindungen an den SD enger; Bolschwing schrieb weitere Memoranden, u. a. im Januar 1937, überschrieben „Zum Judenproblem”. Darin empfahl er unter anderem gegen die konstatierte „Auswanderungsmüdigkeit” der deutschen Juden: “Das wirksamste Mittel, um den Juden das Sicherheitsgefühl zu nehmen, ist der Volkszorn, der sich in Ausschreitungen ergeht. Trotzdem diese Methode illegal ist, hat sie, wie der ‘Kurfürstendamm-Krawall’ zeigte, langanhaltend gewirkt.”

Seine Verbindungen zum SD, insbesondere zum sogenannten Judenreferat, in dem Eichmann arbeitete, blieben exzellent. Anfang 1940 wurde er SD-Verbindungsmann in Rumänien und unterstützte 1941 den Putsch der radikal-antisemitischen und extrem gewalttätigen Eisernen Garde gegen den Militärdiktator Antonescu. Der Putsch mißglückte, nicht zuletzt weil Antonescu von Hitler gestützt wurde, und Bolschwing mußte Rumänien verlassen. 1942 war er noch in einen Korruptionsfall innerhalb des SD verwickelt, konnte jedoch zum Ende des Krieges nach Österreich fliehen, und dort gelang es ihm, Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst zu knüpfen.

Hier verlor sich bislang seine Spur. Doch nun erfahren wir mehr dank der New York Times, die soeben einen geheimen Bericht aus dem US-Justizministerium aus dem Jahr 2006 veröffentlichte. Dem zufolge wurde Bolschwing zunächst 1946 Agent der Organisation Gehlen und von dort 1949 vom CIA übernommen, obwohl seine SD-Aktivitäten und Zusammenarbeit mit Eichmann bekannt waren.

Schwierigkeiten allerdings ergaben sich, als Grossbahn, so sein CIA-Deckname, in die USA einreisen wollte. Sollte er im Visaantrag seine NSDAP-, SS- und SD-Mitgliedschaft verschweigen? Der CIA war sich uneinig: Während die einen für eine Falschangabe plädierte, auch um Bolschwing in den USA gegebenenfalls erpressen zu können, war andere dafür, korrekte Angaben zu machen. Offenkundig erreichte der CIA beim State Department, dass Bolschwing dennoch einreisen konnte, und sorgte dafür, dass seine Einwanderungsakte als geheim eingestuft wurde. Als er 1959 seine US-Staatsbürgerschaft beantragte, verschwieg er seine NS-Vergangenheit.

Doch blieb er nicht unentdeckt. Das 1979 gegründete Office of Special Investigation (OSI), das eingewanderte Deutsche und andere Europäer daraufhin untersuchen, ob sie an den Verbrechen des NS-Regimes beteiligt waren, und für ihre Ausweisung sorgen sollte, hatte auch Bolschwing im Visier. OSI-Vizedirektor Martin Mendelsohn fragte bei der CIA an, ob diese Bolschwing geraten habe, seine NS-Vergangenheit zu verschweigen, ob sie über seine Tätigkeit als SD-Agent Bescheid wußte und ob er in den USA weiter für die CIA gearbeitet. Die Antwort der CIA war gewunden: Sie sei sich nicht sicher, ob sie über alle Information verfügt habe, als Bolschwing seine Einreise in die USA beantrage habe, und obwohl die CIA-Zentrale angewiesen habe, dass Bolschwing die Visafragen wahrheitsgemäß beantworten solle, sei nicht klar, ob diese Anweisung ihn erreicht habe. In den USA selbst sei er nicht mehr für den CIA tätig gewesen. Zudem sei seine Akte verloren gegangen.

So klar dem OSI war, dass Bolschwing falsche Angaben bei seiner Einreise und dem Antrag auf Staatsbürgerschaft gemacht hatte, so schwierig war der Fall, weil Bolschwing immer geltend machen konnte, im Einvernehmen mit der CIA gehandelt zu haben. Dennoch versuchte das OSI, seine Ausweisung zu erreichen. Der Fall wurde publik und fand entsprechendes Echo in der Presse. „California Man Accused of Nazi Crimes”, meldete die Los Angeles Times am 28. Mai 1981.

Zwar gelangen dem OSI weitere rechtliche Schritte zur Ausweisung Bolschwings. Doch ehe es dazu kam, wurde Bolschwing krank und starb mit 72 Jahren im März 1982 - ohne sich je für seine Beteiligung an der Verfolgung der europäischen Juden verantworten zu müssen.

Michael Wildt

Quelle: http://www2.hu-berlin.de/deutsche-geschichte/de/blog/archives/45

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historicum.net – Newsletter Nr. 11 (2010)

historicum.net Newsletter Nr. 11 (2010) 2. November 2010 :::::::::::::::::::::::: SCHULUNG DER BAYERISCHEN STAATSBIBLIOTHEK ZU E-MEDIEN GESCHICHTE Die Fachkoordination Geschichte der Bayerische Staatsbibliothek lädt Sie herzlich ein zu einer Einführung in ihr elektronisches Angebot zu den geschichtlichen Fächern (Sondersammelgebiet Geschichte) am Donnerstag, 4. November 2010 von 15 bis 16 Uhr im Schulungsraum im EG ein. Präsentiert [...]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2010/11/807/

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«Deins, meins, unseres. Kulturen des Urheberrechts»

Am netzpolitischen Kongress «Gesellschaft digital gestalten» von Bündnis90/Die Grünen in Berlin hielt am letzten Freitag Prof. Dr. Reto Hilty vom Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum einen Vortrag mit dem Titel «Deins, meins, unseres. Kulturen des Urheberrechts», der im Netz (wir waren ja nicht dabei, sondern am eigenen Workshop) bereits viel Lob geerntet hat. Da Hilty einige [...]

Quelle: http://weblog.histnet.ch/archives/4794

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Analoge Kaffeekränzchen in Basel?

Während wir uns noch mit den MP3-Dateien herumplagen, hat Kollege Schneider aus Hannover schon in die Tasten gegriffen und einen ersten Bericht über den gestrigen Workshop ins Netz gestellt. Wofür ihm herzlich gedankt sei. Die Diskussion ist somit eröffnet und – wie bereits am Workshop erwähnt – die Dokumentation folgt in Bälde.

Quelle: http://weblog.histnet.ch/archives/4789

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Nouveau comptes rendus sur infoclio.ch

En 2009, infoclio.ch s'est associé avec le système de rédaction historique H-Soz-u-Kult et son rédacteur pour la suisse, le prof. Peter Haber.

Dans notre rubrique comptes rendus, nous publions des recensions de livres d'histoire parus en Suisse ou sur la Suisse.

Voici quelques-uns parmi les derniers comptes rendus parus sur notre site, extraits de la Revue historique neuchâteloise (RHN).

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Quelle: http://www.infoclio.ch/de/node/22479

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Workshop «Geschichtswissenschaften und Web 2.0» in Basel

Für Kurzentschlossene sei nochmals auf den Workshop am Freitag in Basel zum Thema Geschichtswissenschaften und Web 2.0 verwiesen. Der Eintritt ist frei. Teil I: Theorie Geschichtswissenschaften und Web 2.0 (Moderation PD Dr. Peter Haber) 09.45 Begrüssung 10.00 Einführungsreferat von PD Dr. Peter Haber (Universität Basel) 10.30 Hauptreferat von Prof. Dr. Manfred Thaller (Universität zu Köln) [...]

Quelle: http://weblog.histnet.ch/archives/4767

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