Inschrift – Handschrift – Buchdruck. Medien der Schriftkultur im späten Mittelalter


Bericht über den interdisziplinären Sommerkurs am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald (21.-27. September 2014)

Uppe · nye(n) · ia//res · aue(n)/de · des · leste(n) · daghes · des · iars/

der · bord · (christ)i · M · cd · lxii · wart · sla/ghe(n) · her · hinrik rubenow ·

doctor · in · / beide(n) · regte(n) · v(n)de · borgh(er)meister · hyr

Foto: Falk Eisermann

Transkriptionsübung am Rubenowstein (St. Marien, Greifswald). Foto: Falk Eisermann

Wow – heute hat der Sommerkurs erst begonnen und schon ist die erste Inschrift entziffert und richtlinienkonform transkribiert! Wir sind in der St. Marien-Kirche in Greifswald. Uns fröstelt, das trübe Wetter lässt wenig Licht in den sakralen Raum. Bewaffnet mit einer Taschenlampe, einer Anleitung zur Transkription von Inschriftentexten und Schreibmaterial stehen wir als Kleingruppe im Halbdunkel vor dem Rubenowstein von 1463.1 Es gilt, seine Inschrift zu entschlüsseln – und erstaunlicherweise gelingt es, gerade in der Gruppe und mit konstruktiver Diskussion über Buchstaben, Kürzungszeichen und Textverlust.

Schon jetzt fühle ich mich wie eine Entdeckerin und dieses Gefühl hat den ganzen Kurs hindurch getragen, besonders aufgrund einer wunderbaren fachlichen Leitung, einer bereichernden interdisziplinär ausgerichteten Teilnehmergruppe und anschaulichen Praxisphasen wie der gerade skizzierten.

21 Stipendiatinnen und Stipendiaten aus den unterschiedlichsten mediävistischen Disziplinen von der Kunstgeschichte über die Philosophie bis hin zur Musikwissenschaft oder der Mathematik hatten im September 2014 die Chance, spätmittelalterliche Inschriften, Handschriften und Inkunabeln in Theorie und Praxis genauer in den Blick zu nehmen.

Unter der engagierten Leitung von Dr. Christine Magin (Die deutschen Inschriften des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Arbeitsstelle Greifswald), die kräftig von ihren studentischen Hilfskräften unterstützt wurde, führten die Experten in ihren jeweiligen Fachgebieten die Teilnehmenden an ihre schriftlichen Medien heran. Für die Theoriephasen, den öffentlichen Abendvortrag und den Workshop stellte das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald seine Räumlichkeiten und seine gute Küche zur Verfügung. Auch weitere Teile der Organisation und der Finanzierung wie der Transfer nach Rostock, die Unterkunft in einem Studierendenwohnheim oder das opulente Abschiedsessen wurde von der wissenschaftlich unabhängigen Einrichtung übernommen. Es darf durchaus als bemerkenswert erachtet werden, dass die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung Essen, aber auch die Sparkasse Vorpommern und die Gesellschaft von Freunden und Förderern der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald e.V. die Kosten dieses erlebnisreichen Sommerkurses getragen haben, so dass eine Teilnahme für keinen Stipendiaten zu einer Frage des privaten Budgets wurde.

Doch nun zum Inhaltlichen: Inschrift – Handschrift – Buchdruck. Begibt man sich im Frühjahr auf die Suche nach Sommerkursen, nimmt man in den letzten Jahren ein vermehrtes Angebot und Interesse wahr, in die Arbeit mit Handschriften oder Urkunden sowohl paläographisch als auch kodikologisch einzuführen.2 Eine breite Mischung aus den verschiedenen Formen schriftlicher Überlieferung, wie sie der Greifswalder Sommerkurs anbot, ist deshalb neu und vielversprechend. So führt gerade die mittelalterliche Epigraphik, ähnlich wie andere Hilfswissenschaften auch, an so mancher deutschen Universität ein echtes Schattendasein. Ähnliches gilt für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Wiegendrucken.

Das Programm war entsprechend der Auseinandersetzung mit drei verschiedenen Schriftmedien dicht gedrängt, aber für die zur Verfügung stehende Zeit gelungen:

  • Sonntag, 21.9.:          Anreise, Begrüßung und Abendessen
  • Montag, 22.9.:          Inschriften
  • Dienstag, 23.9.:        Handschriften, Abendvortrag
  • Mittwoch, 24.9.:       Inkunabeln
  • Donnerstag, 25.9.:   Exkursion nach Rostock (Inschriften, Handschriften, Inkunabeln)
  • Freitag, 26.9.:           Workshop, gemeinsames Abschiedsessen
  • Samstag, 27.9.:         Zusammenfassung und Evaluation

Eine ausgewogene Mischung aller drei Schriftkulturen wurde dadurch erreicht, dass von den drei Arbeitstagen jeweils ein Tag pro Medium reserviert war. Eine theoretische Einführung am Vormittag wurde am Nachmittag durch einen Praxisteil vertieft, problematisiert und abgerundet. Am vierten Tag konnte man im Rahmen einer Exkursion nach Rostock das gesammelte Wissen an dortigen Handschriften, Inkunabeln und Inschriften erproben. Die Sommerschule wurde am vorletzten Tag ergänzt um einen Workshop, der neun Teilnehmenden als Nachwuchswissenschaftler/innen die Möglichkeit bot, ihre eigenen Forschungsprojekte vorzustellen und zu diskutieren. Alle anderen Teilnehmenden hatten unterdessen während der vier Theorie- und Praxistage Referate übernommen. Der letzte Tag diente schließlich dem Abschluss der Sommerschule und einer ausführlichen Auswertung.

Montag, 22. September 2014: Inschriften

Die Arbeitswoche begann, nach einem gelungenen Start am Vorabend bei einem gemeinsamen Kennenlernen in ungezwungener Atmosphäre, mit einer theoretischen Einführung in die spätmittelalterliche Epigraphik. Diese übernahm Dr. Jan Ilas Bartusch von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Neben der Organisation und der Arbeitsweise der DI,3 wies er darauf hin, wie schwierig eine eindeutige Definition für Inschriften zu geben ist,4 genauso wie eine klare Einteilung von Inschriften problematisch sein kann. Konkret wurde es bei der Vorstellung von Inschriftenträgern (Grabmäler mit Bezug zur Grabstätte, Grabmäler zur Memoria aber auch Glocken), der Fertigungsmethode (vertieft oder erhaben geschlagene Buchstaben u.v.m.), der Form bzw. Schrift und natürlich besonders des Inhalts und der Funktion von Inschriften. Den beschränkten Platz nutzte man ähnlich wie bei den Handschriften auch durch die Einführung von Kürzungssystemen, deren Grundlagen wir für den Nachmittag und den Praxisteil brauchen würden. Ebenso erhielten wir eine Einführung in die Wiedergabe der Inschriftentexte nach den Standards der DI.

Derart gut gerüstet arbeiteten wir am Nachmittag an den Inschriften der Kirchen St. Marien und St. Nikolai in Greifwald. Unterstützt wurden wir dabei von Dr. Christine Magin und Jürgen Herold, die beide in der Inschriftenstelle in Greifswald arbeiten und die hiesigen Inschriften bearbeitet haben. Wie bereits in der Einleitung dieses Beitrages beschrieben, haben wir uns in St. Marien in Kleingruppen auf Entdeckertour begeben und einen Gedenkstein, zwei Grabplatten und eine Wandmalerei transkribiert. In St. Nikolai profitierten wir zusätzlich davon, dass viele Grabplatten im Bodenbelag der Kirche noch erhalten sind.

Foto: Gunthild Storeck

So manches Grabmal steht heute in einer Abstellkammer. Den Kopf drehen muss man zum Transkribieren einer Umschrift aber auf jeden Fall. Foto: Gunthild Storeck

bild 4 eisermann

Grabplatte in St. Marien, Greifswald. Foto: Falk Eisermann

bild 3 zech

Transkription einer Wandmalereiinschrift. Foto: Kristin Zech

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zur Einstimmung auf die Thematik des nächsten Tages, die Handschriften, hatten wir in St. Nikolai weiterhin die Möglichkeit, die Bibliothek des Geistlichen Ministeriums zu besichtigen und einige Schätze selbst zu begutachten. Im Bestand befinden sich 1900 Bände mit 3099 Titeln, darunter 104 Handschriftenbände, insbesondere aus den Klöstern der Dominikaner und Franziskaner. Besonders interessant war für uns der vierbändige Bibelkommentar, der von Katharina Rubenow, der Witwe des Greifwalder Bürgermeisters und Universitätsgründers Heinrich Rubenow, der uns im Gedenkstein in St. Marien bereits begegnet war, an das Schwarze Kloster der Dominikaner vermacht worden war.

bild 5 zech

Bibliothek des Geistlichen Ministeriums. Greifswald, St. Nikolai. Foto: Kristin Zech

Dienstag, 23. September 2014: Handschriften

bild 6 pickenhan

Konferenzraum im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg. Foto: Jens Pickenhan

Dr. Christoph Mackert (Universitätsbibliothek Leipzig, Handschriftenzentrum) und Dr. Jürgen Geiß-Wunderlich (Staatsbibliothek zu Berlin, Abteilung Handschriften) führten im Konferenzraum des Wissenschaftskollegs an diesem Vormittag in die Handschriftenkunde ein.

Dieser Theorieteil war für eine Vielzahl, wenn auch nicht für alle Teilnehmenden eine Wiederholung oder Auffrischung, was zum einen mit dem Schwerpunkt der Forschungsinteressen vieler Teilnehmender bei den Handschriften zu tun hat, zum anderen aber auch durch die höhere Ausbildungsdichte dieser Thematik an den Hochschulen begründet sein mag. Nichtsdestotrotz war die Theorieeinheit hochkarätig besetzt. So bietet Christoph Mackert im Handschriftenzentrum der Universitätsbibliothek in Leipzig selbst regelmäßig Sommerkurse zum systematischen Erlernen der Handschriftenarbeit an. Jürgen Geiß-Wunderlich ist zudem ein guter Kenner der Handschriften Greifswalds, die er auch für die Manuscripta Medievalia beschrieben hat. Formate, Lagenaufbau, Beschreibstoffe, Wasserzeichenkunde, Layout und Beschriftung, Buchschmuck sowie Einbandkunde waren Themen an diesem Morgen. Auch der Einfluss des Sammelkontextes und der Besitzer auf die Herangehensweise an Handschriften wurde herausgestellt. Ebenso die Bedeutung makulierter Texte, die zumeist recycelt von Buchbindern für Spiegelbeklebungen oder Falzverstärkungen genutzt wurden.5

Am Nachmittag besuchten wir die Universitätsbibliothek in Greifswald. Hier konnten wir in einem Arbeitsraum 11 Handschriften vom 13.- 16. Jahrhundert ansehen. Es handelte sich um eine bunte Auswahl: Eine mathematische, eine philosophisch-aristotelische und eine humanistische Sammelhandschrift, ein Gebetbuch, das Weseler Stadtrecht oder auch eine Motettensammlung. Leider war eine eigenständige Arbeit an den Originalen nicht möglich, da die Auflagen der Universitätsbibliothek dies nicht zuließen – ein Wehrmutstropfen dieses Sommerkurses.

Der Abend klang aus bei einem öffentlichen Abendvortrag von Prof. Dr. Felix Heinzer (Freiburg) zum Thema „Das verlorene Paradies – Blicke auf den ‚Hortus deliciarum‘ Herrads von Hohenburg“ mit anschließendem Empfang, den das Alfried Krupp Wissenschaftskolleg ausrichtete.

Mittwoch, 24. September 2014: Buchdruck

In die Welt der Wiegendrucke (etwa 1454 bis zum 31.12.1500) entführten an diesem Vormittag Dr. Falk Eisermann und Dr. Oliver Duntze (beide Staatsbibliothek zu Berlin, Abteilung Inkunabeln). Nach eine Vorstellung des Gesamtkatalogs der Wiegendrucke6, kurz GW, der eine Bibliographie aller Druckausgaben (ca. 30.000) des 15. Jahrhunderts umfassen wird, wurde es technisch: Wir erhielten eine Einführung in Typenherstellung, Satz und Druck und konnten verschiedene Stufen der Typenherstellung durch mitgebrachtes Material noch eindrücklicher verstehen lernen. Es wurde zudem deutlich gemacht, dass Drucker, Verleger und Verkäufer in dieser frühen Phase des Buchdrucks oftmals ein und dieselbe Person waren, und beleuchtet, wie wichtig sowohl eine Anbindung an eine leistungsfähige Papiermühle wie auch an gute Abnehmer (Klöster, Schulen uvm.) war.

Im Hinblick auf eine Verbindung zu den beiden anderen Schiftkulturen war die Paläotypie noch einmal besonders spannend. Denn der Wiegendruck griff auf verschiedene mittelalterliche Schriftenarten – wie die Antiqua (besonders für antike und humanistische Literatur) oder die Bastarda (besonders für volkssprachliche Texte) mit all ihren regionalen Unterschieden – zurück.

bild 7 pickenhan

Arbeit an Inkunabeln in der UB Greifswald. Foto: Jens Pickenhan

Da die Hälfte aller Inkunabeln nicht firmiert ist, also keine Angaben zum Drucker und zum Druckort liefert, werden Druckereien in der sogenannten Typenbestimmung über Drucktypen ermittelt. Die Idee der Typenbestimmung systematisiert haben die Engländer Henry Bradshow und Robert Proctor im 19. Jahrhundert über eine Bestimmung der Kegelhöhe der Typen, gemessen auf jeweils 20 Zeilen. Hinzu kommt das ‚Typenrepertorium der Wiegendrucke‘ (TW) von Konrad Haebler vom Beginn des 20. Jahrhunderts, das Typen nach der Form der Majuskel M klassifiziert. Die Ermittlung über die sogenannte Proctor-Haeblersche Methode wird bis heute angewandt. Das Typenrepertorium Haeblers wird dabei laufend durch die Abteilung Inkunabeln der Staatsbibliothek zu Berlin ergänzt und in einer Datenbank aktualisiert.

Am Nachmittag ging es ans praktische Arbeiten mit Inkunabeln der UB Greifswald und des Geistlichen Ministeriums. Ein besonderer Schwerpunkt lag hier auf dem Thema „Ablass und Wiegendruck“. So stellten Ablassbriefe, aber auch ein Traktat zum Ablass für Verstorbene (Modus subveniendi defunctis in purgatorio existentibus; GW M25064), einen Gegenstand unserer Untersuchungen und unserer thematisch wie anhand des Materials motivierten Diskussionen dar.

Donnerstag, 25. September 2014: Exkursion nach Rostock

Die Exkursion nach Rostock bedeutete Praxisanwendung pur. Wir besuchten die Universitätsbibliothek Rostock, die es uns ermöglichte, endlich eigenständig mit den Handschriften und Inkunabeln zu arbeiten – was wir dankbar annahmen.

bild 8 eisermann

Foto: Falk Eisermann

bild 9 pickenhan

Foto: Jens Pickenhan

 

 

 

 

 

 

 

Am Nachmittag erkundeten wir das Kloster zum Heiligen Kreuz mit seiner Kirche sowie die Kirche St. Marien. Überall stießen wir auf Inschriften, auch der besonderen Art, so in einem Altarbild, auf einem Taufbecken oder als Ablassinschrift außen an der Kirche (St. Marien).

bild 10 zech

Kirche des Klosters zum Heiligen Kreuz, Altarbild. Foto: Kristin Zech.

bild 12 pickenhan

Foto: Jens Pickenhan

 

bild 11 eisermann

St. Marien, Rostock, Taufbecken. Foto: Falk Eisermann

bild 13 eisermann

St. Marien, Rostock, Ablassinschrift außen. Foto: Falk Eisermann.

 

Insgesamt war die Exkursion nach Rostock ein rundum gelungener Abschluss des inhaltlichen Teils samt vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten des an den Tagen zuvor Erlernten.


Freitag, 26. September 2014: Workshop

Der Workshoptag stand ganz im Zeichen der Forschung einzelner Teilnehmender:

Christina Henss (Zürich): Wahrnehmung und Darstellung nichtchristlicher Räume in Mandevilles Reisen

Hanna Schäfer (Trier): Das Journal des Jean Aubrion und dessen Fortsetzung durch Pierre Aubrion

Lisa Böttcher (Berlin): Medizin in der mittelalterlichen sächsischen Franziskanerprovinz – Exemplarische Studien zu Konventsbibliotheken und Heilkunde

Claudia Heiden (Rostock): Das Antiphonar aus dem St.-Annen-Kloster in Lübeck

Dorette Werhahn-Piorkowski (Marburg): Die päpstlichen Kanzleiregeln im frühen Buchdruck

Caren Reimann (Berlin): Italienische Buchdrucker um 1500 – Matteo Capcasa und der venezianische Frühdruck

Rostislav Tumanov (Hamburg): Das Kopenhagener Stundenbuch

Elmar Hofman (Münster): Struktur und Funktion mittelalterlicher Wappenbücher

Gunthild Storeck (Berlin): Geometrie zwischen Universität und Handwerk: Transformation mathematischen Wissens in mittelalterlicher Volumenmessung

bild 14 eisermann

Foto: Falk Eisermann

Am Samstag, 27. September 2014 schließlich fanden am Vormittag der Abschluss und die Auswertung des Sommerkurses statt. Die Rückmeldungen sowohl der Teilnehmenden als auch der Organisatoren fielen sehr positiv aus. Dafür gibt es gute Gründe:

Die Zusammenführung von Inschriften, Handschriften und Inkunabeln in einem Sommerkurs ist abschließend als innovativ und durch die enge und grundlegende Verflechtung dieser Schriftquellen als überzeugend und fruchtbar zu beurteilen. Für kommende Sommerkurse dieser Art ist der einzig offen bleibende Wunsch, den drei Schriftkulturen zeitlich etwas mehr Raum zu geben.

Einen besonderen Reiz machte der Kurs gerade in der Auseinandersetzung mit den zahlreich und gut erhaltenen Originalquellen der mecklenburg-vorpommerschen Region aus. Es erlaubte vielen der Teilnehmenden den Erstkontakt mit der Ostseeregion, gerade in wissenschaftlicher Hinsicht. Die gelungene Kooperation der Inschriftenstelle in Greifswald mit dem Alfried Krupp Wissenschaftskolleg ist für zukünftige Sommerschulen daher besonders wünschenswert.

Download (im pdf/a Format)

Zitationsvorschlag: Kristin Zech: Inschrift – Handschrift – Buchdruck. Medien der Schriftkultur im späten Mittelalter. Bericht über den interdisziplinären Sommerkurs am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald (21.-27. September 2014), in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 10. März 2015, http://mittelalter.hypotheses.org/5435 (ISSN 2197-6120).

  1. DI 77, Greifswald, Nr. 143 (Jürgen Herold, Christine Magin), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di077g014k0014300 (Aufruf vom 21.2.2015).
  2. Vgl. die entsprechenden Berichte hier auf dem Mittelalterblog.
  3. Deutsche Inschriften; ein interaktives Forschungsvorhaben, das seit den 1930er Jahren besteht: www.inschriften.net.
  4. So schreibt Rudolf M. Kloss in seiner Einführung in die Epigraphik des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Darmstadt ²1992, bei einer Inschrift könne es sich nicht um einen schriftlichen Nachlass auf dem Beschreibstoff Papier oder Pergament handeln. Bartusch wies auf die Schwierigkeit hin, dass es aber beispielweise Altarbilder mit Pergamentinschriften gebe.
  5. Oftmals handelt es sich um ein liturgisches Schrifttum. Unter www.cantusdatabase.org ist es möglich, solche Fragmente zu lokalisieren.
  6. http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de/. Seit 2003 gibt es ihn online; aktueller Bearbeitungsstand: bis Buchstabe „H“.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5435

Weiterlesen

35. Wie uns die Jungen Altes sungen oder Vom Elend des Geschichtsfernsehens

Neue alte Geschichten aus dem 19. Jahrhundertdeutsch

„Deutsch!“ schallt es nachdrücklich aus den Fernsehlautsprechern. „Deutsch! Deutsch! Deutsch!“ In einer Möchtegern-Rammstein-Rums-Manier, die nach Stahl und Schwulst und Schweiß und Leder und überhaupt nach allem schmeckt, was man leichthin mit Deutsch!-Land verbinden könnte, wummert ein schleppender und dumpf stampfender Beat der Band „Die Prinzen“ immer dann los, wenn die Geschichtsdokumentation „Deutschland-Saga“ ihren Anfang nimmt. Drei Folgen dieser Reihe liefen bereits im Herbst 2015, drei weitere folgen nun im Frühjahr 2015.

Man hat von dieser Sendung schon eine ganze Menge verstanden, wenn man den solcherart musikalisch unterlegten Vorspann sieht. Da fährt Christopher Clark – Australier, Deutschland-Experte und Cambridge-Professor, wie regelmäßg betont wird – in einem roten Käfer-Cabriolet durch eine künstliche Erlebnisparklandschaft, in der Abziehbildchen von Repräsentanten deutscher Geschichte herumstehen, vom Neandertaler über Martin Luther bis zu Bismarck und dem Gartenzwerg. In etwas mehr als 20 Sekunden wird ein Dieter-Thomas-Heck-artiger Schnelldurchlauf durch die deutsche Geschichte geboten, und die Zuschauerschaft kann sich historisch gleich zu Hause fühlen, wenn hier lauter Themen offeriert werden, die sie ohnehin schon kennt.

Vor allem aber wird schon hier der Ansatz einer historischen Erzählung deutlich, die sich durch drei Aspekte auszeichnet: erstens Identität, zweitens Kontinuität, und das Ganze drittens gepaart mit dem zuweilen recht verzweifelten Versuch, eine Prise frischer und frecher Darstellungsmittel darüber zu streuen (deswegen: roter Käfer-Cabrio!). Die Chose mutet nicht zuletzt deswegen so bekannt an, weil sie – und das ist das Hauptproblem – einmal mehr in nur leicht abgewandelter Form die Nationalisierungsdiskurse des 19. Jahrhunderts aufwärmt. Da werden frisch, fromm, fröhlich, frei die ganz großen Linien gezogen, von den ‚Deutschen‘ der Steinzeit bis zu den Deutschen der Jetztzeit, da wird eine Substanz ‚deutschen Wesens‘ vorausgesetzt, die jedem gestandenen Nationalisten wahre Freude machen könnte (auch wenn diesem bei der darstellerischen Umsetzung wohl der nötige gravitätische Ernst fehlen würde), und da werden unterschiedslos tausende von Jahren mit all den Differenzen, wie sie sich in sämtlichen Lebensbereichen finden, in einem einzigen Paket zusammengeschnürt und mit dem Siegel „deutsch!“ versehen, so dass es am Ende völlig gleichgültig ist, ob wir uns im Frühmittelalter oder im 19. Jahrhundert befinden.

Differenzierungen unterrühren

Da ist es wenigstens offen und konsequent, wenn die Reihe sich selbst als „Saga“ bezeichnet. Denn das Mythische kommt hier wahrlich nicht zu kurz, wenn es sich auch beständig mit dem Deckmäntelchen der Geschichtswissenschaftlichkeit bedeckt. Anhand alt bekannter Themen – Staat, Kultur, Natur – werden Beispiele in einen Topf geschmissen und mit einem Hochgeschwindigkeitsquirl nicht länger als nötig verrührt, bis ein schwarz-rot-goldener Brei herauskommt. Christopher Clark versucht zwar immer wieder bei den Kommentaren, die er direkt in die Kamera spricht, Anstrengungen zur Differenzierung zu unternehmen, indem er betont, dass es gerade die Unterschiede und die Vielfalt Deutschlands seien, die ihn faszinierten. Diese zarten Pflänzchen historischer Diversität werden aber unmittelbar im Anschluss durch eine nationale Gesamterzählung wieder platt gemacht.

Überhaupt gibt es eigentlich nur einen Grund, weshalb es sich lohnt, diese Sendung anzusehen – und das ist der „Moderator“, wie die Rollenzuweisung im Abspann lautet. Als Professorendarsteller, den eine solche Geschichtsdokumentation zwangsläufig zu benötigen scheint, macht Christopher Clark seine Arbeit wirklich gut. Auch wenn seine fachlichen Qualitäten kaum benötigt werden, so erweist er sich als hervorragender Entertainer und Schauspieler – und Sänger! Die Szenen, in denen er vor die Kamera tritt, gehören zu den wenigen wirklichen Hinguckern dieser Produktion. Nicht nur, dass er dem Ganzen eine gewisse ironische Note und aufgrund seiner Nationalität auch eine recht hilfreiche verfremdende Perspektive zu geben vermag.

Wiederholungszwang

Ansonsten ist es aber ein geradezu unheimlicher, um nicht zu sagen unverschämter Widerholungszwang zweiter Ordnung, der in dieser Serie ausgeübt und eingeübt wird. Nicht nur, dass inhaltlich die fadesten Nationalitätsdiskurse des 19. Jahrhunderts wiederholt werden, darüber hinaus kopiert sich das Geschichtsfernsehen hier selbst, weil zu den einzelnen Themen zumeist Spielszenen verwendet werden, die bereits älteren Sendungen entstammen. Und diese Form der Zweiterverwertung erfährt dann noch eine zusätzliche Rückkopplungsschleife in den einzelnen Folgen selbst, weil manche Szenen gleich mehrfach verwendet werden. So fährt Madame de Staël wiederholt in ihrer Kutsche durch dieses Deutsch!-Land, und zwar immer dann, wenn man in der Erzählung eine etwas verfremdende Außenperspektive benötigt. Da stellt sich dann schon die Frage, ob sich die Themen dieser Reihe einem eigenständigen Konzept verdanken oder vor allem unter dem Gesichtspunkt ausgesucht wurden, ob bereits entsprechendes Material in den fernseheigenen Archiven lagerte, das problemlos wiederverwertet werden konnte.

Einen gesonderten Abzug in der B-Note bekommt die Musikredaktion, die zwar notorisch witzig sein möchte, dabei aber durchgehend plump wirkt. Die Völkerwanderung mit einer Coverversion von Dylans „Blowin‘ in the wind“ zu untermalen, die Fahrten Mark Twains auf dem Neckar mit „Wasn’t born to follow“ von den Byrds anzureichern oder das Thema deutscher Fürsten im 18. Jahrhundert als Mäzene für Künstler und Schriftsteller mit „Hey Big Spender“ lautstark zu kommentieren, wirkt aufdringlich. Auch da muss der Moderator rettend dagegen halten, wenn er auf dem Rhein Schubert-Lieder anstimmt oder sich singend beim Leipziger Thomaner-Chor einreiht.

Auf der Suche nach den Televisionären

Wenn in jüngerer Zeit wiederholt und zu Recht gefordert wird, im Fernsehen intelligentere Geschichten zu erzählen, uns als Zuschauer mehr zu fordern, so wie dies in den gut gemachten und in den Feuilletons dieses Landes immer wieder gelobten amerikanischen oder skandinavischen Fernsehserien geschieht (Breaking Bad, House of Cards, True Detectives, Borgen), dann stellt sich die Frage, ob Nämliches nicht auch für dokumentarisches Fernsehen gelten darf. Insbesondere das allseits beliebte und regelmäßig mit hohen Einschaltquoten aufwartende deutsche Geschichtsfernsehen hat sich in seiner jüngeren Vergangenheit erfolgreich darum bemüht, seinen Ruf gründlich zu ruinieren. Nicht nur weil es mit den immer gleichen Themen, den immer gleichen Darstellungsmitteln und den immer gleichen Auseinandersetzungen mit der akademischen Geschichtswissenschaft aufwartet – sondern vor allem weil es die immer gleichen Narrative bemüht. Die sind so verlässlich und so vorhersehbar wie öffentlich-rechtliche Vorabendserien.

Nota bene: Mir geht es hier überhaupt nicht darum, für historische Dokumentationen einen größeren Einfluss der Geschichtswissenschaft zu fordern. Dafür wäre dieses Format völlig fehl am Platz. Im Gegenteil: Ähnlich wie sich die Geschichtsschreibung um Darstellungsformen bemühen sollte, die nicht einfach nur den Status quo repetieren, sollte es doch auch gerade für das Geschichtsfernsehen eine Herausforderung sein, etablierte Pfade zu verlassen und Geschichte(n) einmal anders zu erzählen – insbesondere dann, wenn diese Pfade bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen.

Dann wäre es beispielsweise möglich, das deutsch!-nationale Muster einmal zu verabschieden, um stattdessen Geschichten zu erzählen, die sich an ganz anderen Instanzen orientieren, die beispielsweise anhand von Verkehrsmitteln, Sportbetätigungen, Schönheitsidealen oder Naturauffassungen tatsächlich einmal wesentlich stärker die Vielfältigkeiten und Differenzierungen in den Mittelpunkt rücken, anstatt eine krude Identitätsbildung zu forcieren.

Den Moderator kann man dann auch gerne behalten.


Einsortiert unter:Geschichtsfernsehen, Geschichtskultur, Geschichtsmedien Tagged: Christopher Clark, Deutschland-Saga

Quelle: https://achimlandwehr.wordpress.com/2015/03/10/35-wie-uns-die-jungen-altes-sungen-oder-vom-elend-des-geschichtsfernsehens/

Weiterlesen

Okto über Wienerberger ZiegelarbeiterInnen

In Zusammenhang mit der Ausstellung zu den Wiener Ziegelböhm (vgl.) steht eine heute (10.3.2015, 20:15-21:00) auf Okto ausgestrahlte Dokumentation, die auch online abrufbar sein wird:

Wien und die Ziegelböhm - Zur Alltaggsgeschichte der Wienerberger ZiegelarbeiterInnen
In dem von wohnpartner produzierten Film kommen ZeitzeugInnen zu Wort, die als letzte „Ziegelböhm-Generation“ von ihrem Leben am Wienerberg und dem Nachwirken der Erfahrungen ihrer Vorfahren erzählen. Die Geschichte der Wienerberger ZiegelarbeiterInnen reicht bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück und ist unmittelbar verknüpft mit der Entstehung des modernen Wiens und dessen Charakter als Schmelztiegel der Kulturen.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022405415/

Weiterlesen

Konrad Grünenberg VIII: “Faksimile” und Original am Beispiel der Stillfried-Ausgabe

Wie so viele Wappenbücher ist auch das des Konrad Grünenberg einerseits kompliziert überliefert, andererseits vor allem über ein älteres Faksimile bekannt. Bei älteren, gemalten Faksimiles muss man grundsätzlich mit Artefakten rechnen, und sei es nur der Emendation der Wappendarstellungen. Im Stillfried-Faksimile ist es vor allem die neue Anordnung der Blätter, die das “Faksimile” vom Original unterscheidet, egal, ob man mit Letzterem die Vorlage im Zustand zur Zeit der Faksimilierung meint oder den “Urzustand” von Grünenbergs eigenem Exemplar des Wappenbuch: Die Reihenfolge der Blätter entspricht weder der Berliner Handschrift (wie sie Stillfried vorlag), noch der dortigen älteren Foliierung, noch einer plausiblen Rekonstruktion, wie eine eventuelle (verlorene) Originalfassung, die älter als die erhaltenen Handschriften ist, ausgesehen haben könnte. Das Faksimile enthält aber auch noch ein paar andere Artefakte, deren Existenz man weder dem Stillfried-“Faksimile” noch den anderen Editionen entnehmen kann, weshalb sie hier auch mit Abbildungen belegt werden. Die Artefakte sind keine “Fehler”, sondern eindeutig Absicht. So war Stillfried der Überzeugung, dass der Berliner Codex das Original des Wappenbuchs sei, und dass dieses 1483 abgeschlossen worden sei. So lautet die interne Datierung der Berliner und nur der Berliner Handschrift, die allerdings nachweislich falsch ist; wie alle anderen Handschriften auch enthält der Berliner […]

Quelle: http://heraldica.hypotheses.org/2720

Weiterlesen

Dissertationsprojekt: Integration und Herrscherrepräsentation am Münchener Hof unter Kurfürst Karl Theodor von Pfalzbayern 1777-1799 (Anja Lochbrunner, München)

Der europäische Fürstenhof, verstanden als der Personenkreis aller Amtsträger im Haushalt der Herrscherfamilie einschließlich des mit Ehrentiteln versehenen adeligen Gefolges, blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein eine zentrale Institution im politischen sowie gesellschaftlich-kulturellen Leben des jeweiligen Territoriums. Hier traf sich die Elite des Landes, um Zugang zu den höchsten Staatsämtern zu bekommen und der Fürst nutzte den Hof als Rahmen, um sich zu inszenieren und seine Herrschaft zu legitimieren. Ende des 18. Jahrhunderts waren die Höfe im Alten Reich allerdings infolge der Aufklärung vor allem wegen der hohen Ausgaben für die Hofhaltung in die Kritik geraten und es hatte sich ein neues Herrscherbild vom Fürsten als „erstem Diener des Staates“ durchgesetzt. Wenn die Hofhaltung deshalb auch nicht, wie in der historischen Forschung lange behauptet, an Bedeutung verlor, musste sich der Hof in dieser Zeit doch, etwa durch eine allgemeine Reduzierung der demonstrativen Prachtentfaltung, die für die Hofkultur des Barock charakteristisch gewesen war, an diesen Wandel anpassen.

Vor diesem Hintergrund untersuche ich im Rahmen meiner Dissertation für den Münchener Hof unter der Regierung Kurfürst Karl Theodors (1777 – 1799), ob und wie sich die gesell- schaftspolitische Funktion dieser zentralen staatlichen Einrichtung in der Spätaufklärungs- und Revolutionsepoche verändert hatte. Da Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz nach dem Erbfall Kurbayern mit seinen angestammten Ländern vereinigte und mit einem Teil seines Mannhei- mer Hofstaats nach München übersiedelte, geht es dabei zum einen um die Bedeutung des zusammengelegten Hofes für die Integration der gesellschaftlichen Elite des neuen Gesamt- staates. Zum anderen wird die Praxis der Herrschaftsrepräsentation am Münchener Hof in den Blick genommen, die für Karl Theodor angesichts einer für die Frühe Neuzeit ungewöhnlich starken Opposition gegen seine Politik in Bayern von besonderer Wichtigkeit sein musste.

Dazu wurden zunächst anhand von Hofkalendern, Besoldungs- und anderen Verwaltungsakten die Mitglieder des Münchener Hofstaats prosopografisch erfasst. Eine Analyse der Herkunft ausgewählter Gruppen des Personals zeigt, inwieweit Bewohner der einzelnen Landesteile und Angehörige der verschiedenen Stände am Hof integriert waren. Größe, Sozialstruktur und organisatorische Veränderungen des Hofstaats während der Regierungszeit Karl Theodors lassen außerdem darauf schließen, welche Ziele er als aufgeklärter Fürst mit seiner Hof- haltung verfolgte. Auf dem Workshop “Die höfische Gesellschaft im 18. Jahrhundert. Zwischen Regierung, Repräsentation und Integration” werden erste Erkenntnisse zu diesem Themenkomplex vorgestellt.

Im zweiten Teil der Arbeit wird die Rolle des Münchener Hofes für die Herrschaftslegitimation Karl Theodors anhand der Gestaltung ausgewählter repräsentativer Ereignisse des Hoflebens untersucht. Dabei werden öffentliche Auftritte im religiösen und kulturellen Alltag des Hofes, etwa Gottesdienstbesuche des Kurfürsten mit seinem Gefolge, ebenso behandelt wie Feierlichkeiten bei besonderen dynastischen Anlässen wie dem 50-jährigen Regierungs- jubiläum Karl Theodors. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch Reisen des Herrschers, auf denen er mit einem Teil des Hofstaats an verschiedenen Orten innerhalb seiner Länder Präsenz zeigte. Diese Untersuchung stützt sich neben Verwaltungsakten zur Organisation der Ereignisse vor allem auf Beschreibungen in der Publizistik und den Berichten der auswärtigen Gesandten in München. Zusätzlich sollen private Korrespondenzen und Nachlässe einiger hofnaher Persönlichkeiten unterschiedlicher Herkunft ausgewertet und so die Wahrnehmung des Hoflebens aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet werden.

 

Zum Workshop “Höfische Gesellschaft im 18. Jahrhundert”

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/3483

Weiterlesen

Exhibitionisten im #wissensspeicher

Nach Mareike Königs Vortrag “Blogs als Wissensorte der Forschung”, wurde auf der Tagung Die Zukunft der Wissensspeicher: Forschen, Sammeln und Vermitteln im 21. Jahrhundert -  ausgerichtet von der Gerda Henkel Stiftung und dem Konstanzer Wissenschaftsforum am 5. und 6. März in Düsseldorf – eine lebhafte Diskussion geführt; leider viel zu kurz, wie ich fand. Es begann eine Art Blog-Bashing, das in späteren Vorträgen von verschiedenen Rednern mit kurzen Seitenhieben fortgesetzt wurde.

courbetBeispielhaft möchte ich die Aussage von Prof. Ulrich Gotter von der Universität Konstanz nennen, der wissenschaftliches Bloggen mit Exhibitionismus gleichsetzte. Also bin ich wohl eine Exhibitionistin. Da es meine Art nicht ist, gegen solche Aussagen mit entblößtem Oberkörper á la Pussycat Riot die Bühne zu stürmen, verwende ich hierzu lieber mein Blog – das empfinde ich als standesgemäßer. Denn dies scheint der Ort meiner wissenschaftlichen Exhibition zu sein.

Wie ich zum Bloggen kam

Als „Ich-will-mich-der-Öffentlichkeit-nicht-aussetzen-Internet-Nutzerin“ besuchte ich 2012 die Tagung „Weblogs in den Geisteswissenschaften“. Mein Doktorvater, Prof. Hubertus Kohle, hielt dort einen Vortrag und gehört außerdem zum Wissenschaftlichen Beirat von de.hypotheses. Da dachte ich: „Gehste hin. Machste ‘n guten Eindruck.“ Ich hatte niemals die Absicht, ein Blog zu eröffnen, da hätte ich mich ja in die Öffentlichkeit stellen müssen. Ih gitt!

Der Nutzen meines Blogs

Im Laufe der Veranstaltung wurde mir klar, welche Möglichkeiten sich durch das Bloggen für mich bieten würden und drei Wochen später hatte ich mein Blog bei hypotheses eröffnet. So schnell kann ein Sinneswandel gehen. Handeln beginnt immer im Kopf und zwar mit Denken. Die Schublade, mich nicht in die Öffentlichkeit stellen zu wollen ging zu und ein neues Kapitel begann: das des Bloggens.

Ich weiß nicht, wie ich ohne Blog die Einarbeitungszeit durchgestanden hätte. Im ersten Jahr schrieb ich jede Woche einen Artikel, danach etwas weniger, aber dennoch regelmäßig. Es motivierte mich, lasen doch sicher der ein oder die andere mit. Genau das ist wichtig, zumal ich als externe Promovendin nicht direkt an den Wissenschaftsbetrieb angeschlossen bin. Durch das Blog bin ich Mitglied einer wissenschaftlichen Community und das spornt an und tut gut!

Aufwand und Nutzen

Einen Artikel zu verfassen braucht Zeit, aber die investiere ich in mich, in mein Wissen. Was könnte ich also nützlicheres für mich tun? Es scheint so, als hätte nur die Öffentlichkeit etwas von meinen Texten, aber zunächst bin es immer ich, die einen Wissensgewinn aus der intensiven Beschäftigung mit einem Thema zieht – und dann erst die anderen.

Wer noch mehr Gründe für das Bloggen sucht: Auf dem Redaktionsblog von hypotheses hatte ich vor einiger Zeit dazu einen Artikel verfasst Warum sollte ich als Wissenschaftler/in bloggen?

Meine Meinung

So, und das alles hat nichts mit Exhibitionismus zu tun. Hätte es das, dann gälte es für das Publizieren von Büchern oder in Zeitschriften ebenfalls. Denn worin liegt der Unterschied?

Ich für meinen Teil kann Bloggen nur empfehlen. Schreiben Sie mir über die Kommentarfunktion gerne Ihre Motivation für das Bloggen. Argumente gegen das Bloggen können Sie hingegen für sich behalten – die interessieren mich nicht.

 

Digitale Bildquelle: www.artigo.org

Künstler: Gustave Courbet
Titel: L’Origine du monde
Ort: Paris, Musée d’Orsay
Datierung: 1866

Quelle: http://games.hypotheses.org/1919

Weiterlesen

Deutsche Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg. Zwischen privater und professioneller Praxis

Workshop Deutsche_Kriegsfotografie

Workshop Deutsche_Kriegsfotografie

 

Der Zweite Weltkrieg ist trotz der zeitlichen Distanz von fast 75 Jahren wie kein anderer Krieg in der deutschen Erinnerungskultur präsent. Es handelt sich um ein historisches Ereignis, das bis in die heutige Zeit auf individueller wie kollektiver Ebene von allen Generationen mit ganz bestimmten Bildern assoziiert wird. Diese ausgeprägte visuelle Dimension der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg hängt unmittelbar mit dessen historischer Situierung im beginnenden „Visuellen Zeitalter“ zusammen.

Einerseits lieferten professionelle Fotografen im staatlichen Auftrag Aufnahmen, durch die ein einheitlich konstruiertes Bild des Krieges für die Öffentlichkeit entstehen konnte. Die eigens dafür in den „Propagandakompanien“ (PK) zusammengefassten Berufsfotografen begleiteten die Einheiten der Wehrmacht und der Waffen-SS und erstellten Material für die Kriegsberichterstattung in den deutschen und neutralen Medien. Ihre vorrangige Prämisse war dabei die gezielte Modellierung einer virtuellen Kriegsrealität, eines gewollten Bild des Krieges, das den Zielen und Zwecken der Staats- und Wehrmachtführung entsprach und der deutschen Öffentlichkeit vermittelt werden sollte.

Andererseits wurden durch die zahlreichen privat fotografierenden Soldaten sehr viele individuelle Bilder des Krieges konstruiert. Durch diverse technische Neuerungen begünstigt, erreichte das Fotografieren auch im privaten Gebrauch einen Höhepunkt und entwickelte sich in den 1920er-Jahren zu einem alle Gesellschaftsschichten durchdringenden Phänomen. Es zeigte sich, dass Amateure und Knipser gerade auch in der Ausnahmesituation Krieg weiter fotografierten und in ihren Aufnahmen zwischen soldatischer Alltagsfotografie, touristischem Blick und bellizistischer Sensationsfotografie oszillierten. Dabei gestalteten die Soldaten, bewusst wie unbewusst, ihren ganz privaten Bilderkosmos.

Die fotografische Dokumentation der beteiligten deutschen Soldaten soll in der Veranstaltung aus verschiedenen Blickwinkeln (Produktion, Distribution, Rezeption usw.) betrachtet werden, um anschließend einen Vergleich zwischen professioneller und privater Praxis zu versuchen. Der konzipierte Workshop hat damit das Ziel, Dependenzen, Ähnlichkeiten und Differenzen der privaten und professionellen deutschen Kriegsfotografie im Zweiten Weltkrieg aufzuzeigen.

Armin Kille, Tristan Schäfer, Thomas Lienkamp

 

Programm

Freitag, 13.03.2015, 13:00 – 17:30
13:00 Begrüßung
13:15 Einführung – PD Dr. Jens Jäger (Köln)
13:30 Dr. Bernd Boll (Freiburg): Dokument oder Propaganda? Quellenkritische Anmerkungen zum Foto- und Filmmaterial der deutschen Propagandatruppen 1938-1945
14:05 Diskussion
14:35 Pause (15 Min.)
14:50 Dr. Petra Bopp (Hamburg): Das „Millionenheer der Amateurphotographen“ im Zweiten Weltkrieg. Produktion, Distribution und Rezeption von Fotokonvoluten der Wehrmachtsoldaten 1939-1948
15:25 Diskussion
15:55 Pause (35 Min.)
16:30 Prof. Dr. Rolf Sachsse (Saarbrücken): Von „wertvoller Blockadebrecherarbeit“ zum Wunsch, „mit Gewehr und Kamera dienen zu dürfen“. Notizen zur Verschränkung von professioneller und amateurhafter Fotografie im Zweiten Weltkrieg
17:05 Diskussion
17:35 Ende

Samstag, 14.03.2015, 10:00 – 16:30
10:00 Begrüßung / Vorstellungsrunde
10:25 Tristan Schäfer (Köln): Amateurfotografische Fotoalben deutscher Wehrmachtsoldaten zwischen Weltanschauung, Selbstmitteilung und Erinnerung | 10:45 Diskussion
11:10 Pause (10 Min.)
11:20 Armin Kille (Köln): Der Krieg erzählt in Bildern. Fotografien deutscher Soldaten in Feldpostbriefen und Kriegstagebüchern. Ein Fallbeispiel | 11:40 Diskussion
12:05 Olli Kleemola (Turku, Finnland): Sich wiederholende Bilder des Krieges? |12:25 Diskussion
12:50 Pause (60 Min.)
13:50 Thomas Lienkamp (Köln): Die Fotoproduktion der „Heeres-Propagandakompanie 689“. Ein Werkstattbericht | 14:10 Diskussion
14:35 João Franzolin (Flensburg): Die Geschichte der Zeitschrift „Die Wehrmacht” (1936-1944): Publikationsaspekte, Personal, Berichterstattung und Propaganda | 14:55 Diskussion
15:20 Pause (20 Min.)
15:40 Sebastian Kindler (Berlin): Der Einsatz von PK-Fotografen im Krieg gegen die UdSSR. Das Beispiel Benno Wundshammer | 16:00 Diskussion
16:25 Verabschiedung
16:30 Ende

Der Workshop findet statt im Anna-Maria von Schürmann-Raum (3.229), Historisches Institut, im Gebäude Philosophikum (Albertus-Magnus-Platz, 50923 Köln) auf dem Campus der Universität zu Köln.

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/03/07/deutsche-kriegsfotografie-im-zweiten-weltkrieg-zwischen-privater-und-professioneller-praxis/

Weiterlesen