Evolution der Informationsinfrastruktur – Kooperation zwischen Bibliothek und Wissenschaft
Zum zehnjährigen Bestehen der Abteilung Forschung und Entwicklung (F&E) der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen ist ein Sammelband mit dem Titel “Evolution der Informationsinfrastruktur – Kooperation zwischen Bibliothek und Wissenschaft” erschienen. Das Werk resümiert entlang ausgewählter Meilensteine die Arbeit im vergangenen Jahrzehnt. Dabei begibt es sich auf die Spuren des Wandels im Leitbild wissenschaftlicher Bibliotheken. Der Sammelband wird herausgegeben von Dr. Heike Neuroth, Prof. Dr. Norbert Lossau und Prof. Dr. Andrea Rapp.
Gemeinsam mit Partnern aus der Wissenschaft wurden zahlreiche, wegweisende Projekte auf dem Gebiet der digitalen Forschung vorangebracht. Dieser Pionierarbeit in der deutschen Bibliothekslandschaft wird in 19 Aufsätzen von über 30 Autorinnen und Autoren nachgegangen.
Das Buch ist beim vwh-Verlag in Kooperation mit dem Universitätsverlag Göttingen erschienen. Sie können die digitale Open Access-Fassung für nicht-kommerzielle Zwecke hier herunterladen: http://dx.doi.org/10.3249/webdoc-39006.
Eine gedruckte Fassung des Buches kann beim vwh-Verlag für 24,90€ bestellt werden.
Eine Dokumentationsseite zur Tagung anlässlich des zehnjährigen Bestehens der Abteilung F&E ist unter diesem Link verfügbar.
ISBN: 978-3-86488-043-8 DOI-URL: http://dx.doi.org/10.3249/webdoc-39006
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3012
Das niederländische CLARIAH startet
Nachdem in Österreich die Verschmelzung von den Projekten zum Aufbau von digitalen Forschungsinfrastrukturen DARIAH (Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities) und CLARIN (Common Language Resources and Technology Infrastructure) bereits vollzogen wurde, geschah dies jetzt auch in den Niederlanden. Unter dem Namen CLARIAH (Common Lab Research Infrastructure for the Arts and Humanities) arbeiten nun beide Projekte zusammen.
Ziel ist es digitale Tools zu Verfügung zu stellen, um innovative Forschung in den Geisteswissenschaften zu ermöglichen. Die CLARIAH-Infrastruktur bietet Forschenden zudem Zugang zu großen digitalen Datensammlungen sowie nutzerfreundlichen Anwendungen um die Daten zu analysieren. Tools wie Daten sollen langfristig nachnutzbar sein – für alle geisteswissenschaftlichen Disziplinen, z.B. Linguistik, Geschichtswissenschaft, Archäologie, Medienwissenschaft, …
Auf der ESFRI (European Strategy Forum on Research Infrastructures) Roadmap sind DARIAH und CLARIN die einzigen Projekte im Bereich der Geisteswissenschaften.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3004
Karl Lutz: Fotos aus dem 1. Weltkrieg (Auswahl)
Ein kleiner Einblick in die Ergebnisse der Digitalisierung der Fotos von Karl Lutz aus dem 1. Weltkrieg. Die Vorlagen sind leider nicht immer in einem guten Zustand, anders als vielfach im 2. Weltkrieg hat der Fotograf seine Aufnahmen nicht (rückseitig z.B.) datiert oder Orte/Personen genannt. Anzunehmen ist hier als Region in jedem Fall aber das Oberelsaß (Frontgebiet). Fotos: Bestand 192-20 Nr. 4.
Abschied vom Geschichtsbewusstsein?
In der Geschichtsdidaktik gibt es offenbar wieder ein verstärktes Interesse an Fragen der Theorie. Das zeigt nicht nur die Gründung eines neuen Arbeitskreises in der Konferenz für Geschichtsdidaktik, das zeigen vor allem auch die Publikationen, die in den vergangenen Wochen und Monaten in diesem Blog-Journal erschienen sind. Christian Heuer fordert in einem provokativen und zugleich äußerst anregenden Beitrag, tradierte Begriffe und Konzepte infrage zu stellen. Diese Forderung beziehen einige Geschichtsdidaktiker offenbar auch auf die Zentralkategorie Geschichtsbewusstsein. Steht sie damit grundsätzlich zur Disposition?
„Was ist denn Geschichtsbewusstsein?“
Wirft man einen Blick auf die Argumente der Kritiker, dann gibt es scheinbar drei Gründe, die die Kategorie des Geschichtsbewusstseins in Misskredit bringen. Das erste Argument ist ein pragmatisches. „Was ist denn“, so fragt Christoph Pallaske hier in diesem BlogJournal „– kurz und knapp auf den Punkt gebracht – Geschichtsbewusstsein?“ Einerseits sind diese Frage und der mit ihr verbundene Wunsch nach praxisrelevanten „verbindlichen Antworten“ nachvollziehbar. Andererseits lebt Wissenschaft nun einmal von Kontroversen, nicht von endgültigen Antworten. Und zentrale Kategorien lassen sich wohl auch deshalb nicht kurz und knapp auf den Punkt bringen, weil sie dazu einfach zu komplex sind. Unabhängig davon wäre es allerdings zielführend, wenn sich die Geschichtsdidaktik stärker um die Synthese unterschiedlicher Geschichtsbewusstseinstheorien bemühen würde. Zugleich gibt es einen Bedarf an weiterer Differenzierung und psychologischer bzw. neurowissenschaftlicher Fundierung. Und nicht zuletzt müsste die Geschichtsdidaktik über die Systematik ihres Kategoriengefüges insgesamt neu nachdenken.1 Das zweite Argument ist ein empirisches und trotz bemerkenswerter Fortschritte in den vergangenen Jahren nach wie vor relevant. Immer noch sind einschlägige Geschichtsbewusstseinstheorien nicht oder nur teilweise empirisch validiert; immer noch mangelt es an plausiblen Operationalisierungen; immer noch sind Studien zur Entwicklung und Graduierung von Geschichtsbewusstsein rar gesät bzw. in ihren Befunden widersprüchlich; immer noch wissen wir viel zu wenig darüber, wie Lehrerinnen und Lehrer reflektiertes Geschichtsbewusstsein erfolgreich fördern können. Für die geschichtsdidaktische Empirie bleibt also auch in Zukunft viel zu tun.2 Das dritte Argument schließlich betrifft die theoretischen Prämissen. Bärbel Völkel hat hier vor Kurzem die These aufgestellt, die Kategorie des Geschichtsbewusstseins (und im Zusammenhang damit die der Geschichtskultur) sei unzeitgemäß, denn sie bedeute „stets auch, ethnozentrisch zu denken“.
Eine nach wie vor aktuelle Kategorie
Dieses Argument mag diskursstrategisch effektiv sein, überzeugend ist es nicht. Jörn Rüsen, auf den Bärbel Völkel Bezug nimmt, hat sich in seiner Historik erneut für Geschichtsbewusstsein und Geschichtskultur als zentrale Kategorien der Geschichtsdidaktik ausgesprochen.3 Er sieht zwar das Problem des Ethnozentrismus, plädiert aber dafür, „an der Menschheitsdimension der Geschichtskultur [und damit zugleich des Geschichtsbewusstseins, H.T.] festzuhalten“ und auf diese Weise „die monozentrische Perspektivierung des ethnozentrischen Denkens“ aufzubrechen. Ganz ausdrücklich spricht Rüsen sogar vom „Polyzentrismus der einen Welt“.4 Und Karl-Ernst Jeismann, dessen Beiträge an Relevanz nichts verloren haben, aber zum Teil überraschenderweise nicht rezipiert werden,5 schrieb bereits 1988: „Geschichtsbewußtsein [...] macht die Kommunikation verschiedener Personen oder Gruppen, Völker oder Religionen möglich, ja, erforderlich und erweist sich […] als ein tendenziell ,weltbürgerliches‘ Bewußtsein“.6 Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die Kategorie des Geschichtsbewusstseins nicht weitaus zeitgemäßer ist als ihre teilweise unzeitgemäße Rezeption.
Emanzipation als Alternative?
Unabhängig davon kann man natürlich über Alternativen nachdenken. Bärbel Völkel erinnert in diesem Zusammenhang an Annette Kuhns emanzipatorische Geschichtsdidaktik. Man muss die scharfsinnige Kritik, die die Protagonisten anderer Konzepte an Kuhns anspruchsvollem Ansatz geübt haben,7 nicht unbedingt teilen. Man kann aber die Frage stellen, ob es sich bei der Emanzipations-Kategorie um eine echte Alternative handelt. Zum einen hat Peter Schulz-Hageleit bereits vor 15 Jahren den Vorschlag gemacht, das Verhältnis zwischen Geschichtsbewusstsein und Emanzipation nicht als Gegensatz zu beschreiben, sondern komplementär zu fassen.8 Wäre es im Anschluss an diese Überlegung nicht naheliegend, Emanzipation – verstanden als eine Form kritischer Sinnbildung – als einen bestimmten Modus historischen Denkens in Rüsens und Jeismanns Konzept des Geschichtsbewusstseins zu integrieren? Zum anderen sollte man darüber nachdenken, ob es disziplinpolitisch überzeugend ist, Geschichtsbewusstsein als Zentralkategorie der Geschichtsdidaktik nicht nur zur Diskussion (das ist zweifelsohne sinnvoll, dazu regen Christian Heuer und andere zu Recht an), sondern grundsätzlich zur Disposition zu stellen. Denn immerhin hat die Kategorie Geschichtsbewusstsein nicht nur den entscheidenden Vorteil, dass sie fachspezifisch ist,9 sie ist auch international anschlussfähig,10 und sie ist nach der Irritation, die die geschichtsdidaktische Kompetenzdebatte nicht nur bei vielen Lehrerinnen und Lehrern ausgelöst hat, vielleicht die einzige tragfähige kategoriale Brücke zwischen Theorie und Praxis, zwischen Wissenschaft und Unterricht. In Deutschland jedenfalls gibt es im Moment kaum ein Bundesland, das in seinen Lehrplänen für das Fach Geschichte ohne die Kategorie Geschichtsbewusstsein auskommt. Ganz im Gegenteil – in den meisten Lehrplänen spielt sie eine zentrale Rolle.
Literatur
- Jeismann, Karl-Ernst: Geschichtsbewußtsein als zentrale Kategorie der Geschichtsdidaktik. In: Gerhard Schneider (Hrsg.): Geschichtsbewußtsein und historisch-politisches Lernen, Pfaffenweiler 1988 (= Jahrbuch für Geschichtsdidaktik, Bd. 1), S. 1-24.
- Rüsen, Jörn: Historik. Theorie der Geschichtswissenschaft, Köln 2013.
- Schulz-Hageleit, Peter: Emanzipation und Geschichtsbewußtsein. Anregungen für die Wiederaufnahme und Fortsetzung einer Diskussion. In: Arnold, Udo u. a. (Hrsg.): Stationen einer Hochschullaufbahn. Festschrift für Annette Kuhn zum 65. Geburtstag, Dortmund 1999, S. 52-61.
Externe Links
- Centre for the Study of Historical Consciousness (The Historical Thinking Project): http://www.cshc.ubc.ca/ (zuletzt am 5.2.14)
- Forschungsprojekt FUER (zur Förderung und Entwicklung von reflektiertem Geschichtsbewusstsein): http://www.fuer-geschichtsbewusstsein.de/ (zuletzt am 5.2.14)
Abbildungsnachweis
© Coyau, Wikimedia Commons. Versailles, salon de la guerre, Clio écrivant l’histoire du Roi, von Antoine Coysevox.
Empfohlene Zitierweise
Thünemann, Holger: Abschied vom Geschichtsbewusstsein? In: Public History Weekly 2 (2014) 5, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-1266.
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SdK 67: Ramón Reichert über die Macht der Vielen
Der Medienwissenschaftler Ramón Reichert untersucht digitale Medienkulturen und hat vor kurzem das Buch “Die Macht der Vielen. Über den neuen Kult der digitalen Vernetzung” veröffentlicht. Darin geht es ihm um eine Zeitdiagnose, in der er beschreibt, wie die digitale Kommunikation neue Formen der Subjektivierung etabliert. Zwar kommt es zu einer Aufwertung kollektiver Partizipation, doch schwankt ihre Bewertung in einem breiten Spektrum zwischen Euphorie und Dystopie. Je nachdem, ob wir vom Internet als Freiheitstechnologie sprechen oder den Kontroll- und Steuerverlust beklagen. Wir reden unter anderem über Kulturen der Selbstregulierung, die durch digitale Vernetzung eine neue Qualität erreicht haben, etwa mit der Quantifed Self-Bewegung und neuen Formen der Katalogisierung des Selbst. Außerdem sprechen wir darüber, warum die Frontend-Euphorie nach Snowden zum Problem wird und wieso “Die Macht der Vielen” nicht “Die Unmacht der Vielen” heißt.
Linkliste: Ramón Reichert, Die Macht der Vielen. Über den neuen Kult der digitalen Vernetzung (transcript), Michael Jackson: The Mask Project, Critical Code Studies, Countersurveillance (Wikipedia), Panopticon (Wikipedia), Internet Eyes (Futurezone), Quantified Self (Wikipedia), Geert Lovink, Edward Snowden (Wikipedia), DIY-Kultur (Wikipedia)
[...]
SdK 67: Ramón Reichert über die Macht der Vielen
Soziologischer Monatsrückblick Januar 2014
Der erste Monat im neuen Jahr verging beim Soziologiemagazin schneller als gedacht, doch an Entschleunigung ist bei uns derzeit nicht zu denken. Mit der Veröffentlichung unseres neuen Call4Papers zum Thema “Emotionen: Wie sozial sind unsere Gefühle?” am 17.01.2014 ist der … Continue reading
Grenzen überschreiten – Digitale Geisteswissenschaft heute und morgen
Der dritte Workshop des Einstein-Zirkels Digital Humanities Berlin dreht sich dieses Mal nicht primär um die theoretische Definition der Digital Humanities. Vielmehr wird es um die Vielfalt der gelebten Praxis gehen, wie sich diese im Berliner Raum entwickelt hat und wie die Zukunftsaussichten aussehen. Unter dem Titel „Grenzen überschreiten“ werden die Bedingungen für ein inter-disziplinäres und inter-institutionelles Gespräch zwischen Projekten und Institutionen geschaffen, die zur Etablierung digitaler Werkzeuge und Methoden in den Geisteswissenschaften und angrenzenden Bereichen beitragen.
60+
Das Ergebnis des im Dezember 2013 lancierten Call for Posters zeigt schon, dass es tatsächlich tatsächlich darauf ankommt, sie zu vernetzen, denn: Die geisteswissenschaftlichen Nutzer digitaler Methoden gibt es ganz offensichtlich in Berlin und Umland bereits in vielfältiger Weise. Über 60 Beiträge wurden eingereicht, die nahezu vollständig die Berliner geisteswissenschaftliche Landschaft abdecken. Präsentieren werden sie sich am 28. Februar in drei Kategorien:
- Institutionen und Infrastrukturen
- Werkzeuge und Dienstleistungen sowie
- Projekte.
Während Institutionen und Infrastrukturen sich an besonders exponierter Stelle durchgehend mit ihrem Poster vorstellen werden, werden Werkzeuge und Dienstleistungen sowie Projekte feuerwerkartig in einminütigen Minivorträgen im Rahmen von zwei Slam-Sessions beleuchtet, um Besuchern eine Orientierung in der Menge der präsentierten Inhalte zu verschaffen.
Aufbau, Umbau und Ausbau
Für den Nachmittag wird zu Formaten zurückgekehrt, die Geisteswissenschaftlern/innen vertrauter sein werden. In einer Keynote wird Prof. Kurt Fendt das von ihm am MIT geleitete Hyperstudio und die Spannbreite dort bestehender Projekte vorstellen, aber auch seine Gedanken zu Erfolgen und Misserfolgen teilen und was wir für Berlin daraus lernen können.
Abgerundet wird der Workshop schließlich mit einer prominenten Podiumsrunde: Entscheidungsträger großer Institutionen diskutieren unter der Moderation von Matthias Spielkamp über die Zukunft der digitalen Projekte in den Berliner Geisteswissenschaften. Die Einzigartigkeit der Berliner Landschaft an Hochschulen, Museen, Bibliotheken und Archiven gibt den Rahmen für eine vielversprechende Debatte.
Melden Sie sich an!
Veranstaltet durch die Freie Universität und die Humboldt-Universität, getragen durch die Einstein-Stiftung, setzt sich diese Veranstaltung zum Ziel, den Dialog zu (er)öffnen. Dieser Dialog wird nicht zuletzt – wie die anderen Workshops des Einstein-Zirkels zuvor – davon leben, welche Fragen und Antworten das Publikum mitbringt. Darum melden Sie sich am besten gleich an unter: http://www.digital-humanities-berlin.de/workshop-registrierung
Auf zahlreiche Besucher freuen wir uns!
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2997
Eva Bendl: „Herzensbildung“ statt nur „Verstandesbildung“. Historische Museen in der Zeit der Weimarer Republik. Workshop Weimar / Institutionengeschichte
Promotionsprojekt: ‘Geschichtsbilder in historischen Museen’
Abstract.
Das Promotionsprojekt ‘Geschichtsbilder in historischen Museen’ richtet den Blick auf Deutungen und Vorstellungen der Vergangenheit, die in historischen Museen zum Ausdruck kommen, und fragt nach der Art und Weise der Darstellung von Geschichte im musealen Kontext. Welche Ideen, Wünsche und Bedürfnisse stecken hinter den Vergangenheitsdeutungen und -vorstellungen der Museumsgestalter und in welcher Weise prägten sie die Museumspräsentation? Welche zeitgenössischen Konzepte wirken sich auf den Umgang mit Artefakten und deren Kontextualisierung in Museumsführern, Reden und Zeitungsartikeln aus? Welche Überlegungen oder Konflikte spielten bei der Neugestaltung von Museen eine Rolle? Grundlegend ist hierbei die These, dass die Art der Thematisierung von Geschichte im Museum auf der Deutungsmacht von Individuen und Gruppen beruht, deren Geschichtsbilder und die mit ihnen verbundenen Wertvorstellungen, Denkweisen und Identitätsdefinitionen dort zum Ausdruck kommen und wiederum Einfluss nehmen auf die Geschichtsbilder und Einstellungen der Besucher.
Die Untersuchung konzentriert sich auf den Typ des historischen Museums. In den meisten Fällen gelten diejenigen Museen als historische, deren Sammlungen nicht aus einer bestimmten Art von Objekten besteht; stattdessen wird die Sammelaktivität historischer Museen überwiegend topographisch eingegrenzt, so dass sie Informationen zur Geschichte eines Ortes oder eines Raumes vermitteln. Zu den historischen Museen gehören also Stadt- und Regionalmuseen, sowie Landes- und Nationalmuseen. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts etablierte sich außerdem der Begriff ‘Heimatmuseum’ für kleine, lokal und regional ausgerichtete Museen. Um die Vergleichbarkeit der untersuchten Museen zu gewährleisten, erscheint es sinnvoll, das Untersuchungsgebiet sozialräumlich einzuschränken. Bayerisch-Schwaben bzw. der bayerische Kreis Schwaben und Neuburg wurde als Untersuchungsraum ausgewählt, da die Region schon früh eine hohe Dichte an Museen besitzt. Sie entstanden überwiegend nach der Reichsgründung in den 1880er Jahren. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in denen deutschlandweit eine Gründungswelle von Museen festgestellt werden kann, war die Museumslandschaft in Schwaben bereist weitgehend erschlossen und es wurden vielfach Neugestaltungen der Museen vorgenommen. Im Rahmen des Promotionsprojektes soll in erster Linie die Gründung und die Veränderung der Museen im Mittelpunkt stehen, die im Kreis Schwaben und Neuburg im Verlauf des 19. Jahrhunderts entstanden sind. Zu ihnen zählen das Maximiliansmuseum in Augsburg, sowie die Museen in Dillingen, Kaufleuten, Kempten, Lauingen, Lindau, Memmingen, Neuburg, Nördlingen und Obergünzburg.
Um Geschichtsbilder in musealer Präsentation aufzudecken, muss zunächst nachvollzogen werden, wie die Dauerausstellungen der Museen seit ihrer Gründung gestaltet waren. Hier ergeben sich einzelne Gestaltungshorizonte, die davon abhängen, zu welchen Zeitpunkten eine Neugestaltung der jeweiligen Museen stattfand. Hinweise auf frühere Anordnungsprinzipien liefern sowohl Publikationen als auch Archivdokumente, wie Ausstellungskataloge, Zeitungsartikel, Besprechungen der Museen, Veröffentlichungen der Museen und Kuratoren, Eröffnungsreden, Jubiläumsschriften, Broschüren und Konzeptpapiere oder Stadtratsberichte. Besonders aufschlussreich sind Museumsführer. Vereinzelt finden sich auch Fotographien in Publikationen oder Akten. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich von der jeweiligen Gründungsphase der Museen im 19. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Auch die Wiedereröffnung einiger Museen Anfang der fünfziger Jahre wird noch einbezogen.
Für die Zeit der Weimarer Republik soll insbesondere der Einfluss des seit der Jahrhundertwende immer populärer werdenden Heimatmuseumskonzepts auf die historischen Museen in den Blick genommen werden. Wie veränderten sich die musealen Objektpräsentationen und die Art und Weise, wie über sie gesprochen und geschrieben wurde? Welchen Einfluss hatten die Beamten des Münchner Landesamts für Denkmalpflege auf die Museen in Schwaben und mit welcher Agenda brachte sich der Schwäbische Museumsverband in die regionale Museumsarbeit ein? Welche Rolle spielten Stammesvorstellungen und das Volkstumskonzept bei der Vergangenheitsinterpretation in den Museen? Der Blick auf die Geschichtsdarstellung in historischen Museen soll dabei Aufschluss geben über aktuelle Bedürfnisse, Weltbilder und Perspektiven der bürgerlichen Honoratioren, die maßgeblich die Gestaltung der historischen Museen beeinflussten.
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