Booksprint #CoScience: erste Einblicke hinter die Kulissen

booksprintGemeinsam in wenigen Tagen ein Buch schreiben:  geht das? Auf Einladung von Lambert Heller und dem Open Science Lab der Technischen Informationsbibliothek (TIB) fuhr ich an diesem Montag nach Hannover, um dort mit weiteren zwölf Wissenschaftler/innen (siehe unten) innerhalb von wenigen Tagen ein Handbuch zu verfassen zum Thema “CoScience: Forschen und Publizieren mit dem Netz”. Thema und Art der Entstehung entsprechen sich hier. Ein Experiment für uns alle, so viel stand fest.

Die ersten beiden Tagen, in denen ich vor Ort mitgearbeitet habe, sind gerade vorbei, der Sprint geht aber noch weiter. An Tag drei schreiben wir an verteilten Orten virtuell auf der eingerichteten kollaborativen Plattform weiter. Zeit jedoch, für ein kurzes Zwischenresümee sowie für erste Einblicke hinter die Kulissen dieses Booksprints.

Ein Buch entsteht – oder was schreiben wir noch gleich?

Los ging es am Montag Morgen mit einer Vorstellungsrunde. Nicht alle kannten sich, manchen war man bisher nur virtuell begegnet. Auch das eine neue Erfahrung: Zusammenarbeit von Personen, die sich nicht kennen und trotzdem versuchen werden, einen einheitlichen “Sound” für ein Buch zu finden. Dann die Frage nach der Ausrichtung des Buches: Während Titel und Thema mit dem Stichwort “CoScience” vorgegeben waren, stand die Struktur des Buches zur Diskussion. Sehr gut gefiel mir dabei, dass dies ergebnisoffen und damit tatsächlich kollaborativ und nicht anhand von vorgegebenen Parametern geschah. Schnell einigten wir uns darauf, dass es ein Handbuch werden sollte, eine Art Nachschlagewerk oder Hilfestellung, in erster Linie für den wissenschaftlichen Nachwuchs sowie für all diejenigen, die mit den neuen kollaborativen Werkzeugen forschen und publizieren möchten und einen Überblick über das große Angebot, Anleitungen dazu und Beispiele benötigen. Das Ganze natürlich kurz und knackig, denn es ist ein Booksprint und wir haben kaum Zeit.

Also wenig Meta, aber viel Praxis. Nur, was genau wollen wir schreiben? Eine Art Kochbuch vielleicht? Oder ein Tag im Leben der Forscherin X, die verschiedene Aufgaben erledigt, wobei unterschiedliche Tools zum Einsatz kommen? Wie bekommt man beim kollaborativen Schreiben, bei dem man gleichzeitig an verschiedenen Ecken arbeitet, einen roten Faden hin? Spätestens hier wurde deutlich, dass es zwei Arten von Booksprintern gibt: die, die gleich loslegen und schreiben wollen im Vertrauen, dass dann schon etwas dabei herauskommt, und diejenigen, die erst Struktur und Planung möchten, weil das Schreiben dann schneller geht. Ich gebe zu, dass ich zur letzteren Fraktion gehöre.

Dieser Prozess der Festlegung der wichtigsten Parameter (Sprache des Buches, Länge der Beiträge etc.) geschah im Pad, in dem auch durchaus eifrig über Metathemen (sowie Essen und Trinken) diskutiert wurde. Um Themencluster zu bilden, verließen wir dann jedoch den digitalen Raum und schrieben unsere Vorschläge: auf Kärtchen! Ein interessanter Mix an Methoden also, um zu einer Gliederung bzw. zu Themenbereichen zu kommen. Warum auch nicht, erlaubt ist, was funktioniert.

booksprint2Danach ging es endlich ans Schreiben: Die ersten Entwürfe entstanden in Pads, wo es zu der typischen Mischung aus farblichen Textstücken kam. Diese wurden dann auf die Plattform übertragen, ein Wiki-ähnliches Werkzeug eingerichtet vom Open Science Lab. Den Nachmittag verbrachten wir schreibend, zumeist in kleinen Gruppen an einem Thema. Das Buch entstand von den Rändern her, zerfaserte dabei allerdings auch. Schrieben wir überhaupt ein Buch, oder war es doch ein Wiki? Ein Gedanke, den die Software vielleicht nahe legte. In der ersten Manöverkritik am Abend versuchten wir, uns noch einmal das Spezifische am Thema – also CoScience -, am Booksprint, an der Kombination der Autoren vor Ort vor Augen zu führen. Was ist das Besondere an diesem Buch? Wie kann man verhindern, dass wir nicht ein Wiki schreiben, nur schlechter als das große Vorbild, weil in kurzer Zeit entstanden?

In der weiteren Manöverkritik am nächsten Tag einigten wir uns nach eingehender Diskussion darauf, den Artikeln eine gemeinsame Struktur zu geben. Den “echten” Sprintern dauerte diese Diskussion natürlich zu lange, sie wollten schreiben. Aber wir Sprint-Planer waren glücklich, dass unser Handbuch dadurch ein eigenes Gesicht bekam und die anschließende Redaktion der Beiträge leichter fiel (bilde ich mir zumindest ein).

Die Erfahrung des kollaborativen Schreibens

Gemeinsam mit Lambert arbeitete ich vorwiegend am Kapitel Wissenschaftskommunikation und hier vor allem an den Teilen Bloggen und Twitter (klar). Wer schon mal gemeinsam zeitgleich an einem Text gearbeitet hat, wird diese Form des kollaborativen Schreibens zu schätzen wissen: Es ist schön und in gewisser Weise beruhigend zu sehen, wie der Text an vielen Stellen gleichzeitig wächst. Für uns Einzelkämpfer Wissenschaftler, die wir oftmals alleine an Texten arbeiten, ein motivierendes Erlebnis. Überhaupt sitzt man beim kollaborativen Schreiben nicht alleine mit seinem Text da: Rückmeldungen gibt es über Anmerkungen und Kommentare, kleine Fehler, die anderen auffallen, werden sofort ausgebessert, Ergänzungen vorgenommen, so dass der Text auch durch andere stetig in Bewegung ist. Beim Booksprint, so wie er hier die ersten zwei Tage durchgeführt wurde, gibt es zudem den Vorteil, dass die Co-Autoren im gleichen Raum sitzen und man sich jederzeit unterhalten und Einzelfragen diskutieren kann. Dies kann man über einen Chat sicherlich auch tun, jedoch ist die spezielle Art, mit der digitale  Methoden gemeinsam im analogen Raum eingesetzt werden, ein besonderes Erlebnis, vielleicht mit einem Tweetup vergleichbar.

Einige neue Fragen, die mit dem kollaborativen Schreiben entstehen, müssen beantwortet werden: Was bedeutet ein Begriff wie “Autor”, wenn man zu viert einen Text schreibt, einige viel schreiben, andere nur hier und da ein Komma ergänzen? Reicht dafür die Unterscheidung zwischen “Autor” und “Beiträger” (Contributor)? Was passiert, wenn der Text in einer zukünftigen Version so verändert wird, dass ich als Autorin mit dem Inhalt nicht mehr einverstanden bin?

Eine interessante Erfahrung ist auch der Zeitmangel beim Booksprint. Es muss schnell gehen, eine Schreibblockade kann man sich nicht erlauben. Vielleicht verhindert das Format, das soetwas überhaupt entsteht: Die Zeit ist so sehr reduziert, dass jeder Einwurf “aber dies fehlt und das hättet Ihr noch” ohnehin deplaziert wirken würde. So schreibt man einfach befreit darauf los, ein bisschen, wie beim Bloggen manchmal. Und der Zeitmangel hat in unserem Fall auch bewirkt, dass alle konzentriert arbeiteten. So wurde beispielsweise kaum getwittert, was mich, ehrlich gesagt, durchaus erstaunt hat.

Wie geht es weiter?

Dies ist wohlgemerkt nur ein Zwischenbericht. Der Booksprint läuft noch, eine Evaluation wird es sicherlich noch geben. Das Buch soll als Print- und Online-Ausgabe erscheinen und wird beim Konferenzforum Future Talk der CeBIT (Halle 9, Stand F44) am 11. März 2014 um 13.30 Uhr vorgestellt. Damit soll das Projekt jedoch nicht abgeschlossen sein, vielmehr soll das Handbuch danach zu einer liquid-Publication und nach seiner schnellen Entstehung durch die Fachcommunity ständig erweitert und aktualisiert werden. Dafür werden in Kürze Autoren gesucht!

Inwiefern die Methode auf andere Themen, beispielsweise historische, übertragbar ist, bleibt offen. Ich könnte mir vorstellen, dass man im Bereich der Geschichtswissenschaft ein Booksprint nach einer gemeinsamen Tagung veranstaltet und damit ein neues Format für die obsolet werdenden Tagungsbände schafft. Das müsste man vielleicht einfach mal ausprobieren.

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Weitere Informationen

Nachtrag vom 17.6.2014: Hier geht’s zum Handbuch: http://handbuch.io/w/Handbuch_CoScience

Booksprint #CoScience, vom 3.-5. März 2014.

Autor/innen vor Ort:  Ina Blümel, Stefan Dietze, Martin Fenner, Sascha Friesike, Christian Hauschke, Christian Heise, Lambert Heller, Robert Jäschke, Mareike König, Martin Mehlberg, Janna Neumann, Heinz Pampel, Marco Tullney. Von Zuhause arbeitet Daniel Mietchen mit.

Über den Booksprint im Blog der TIB: http://blogs.tib-hannover.de/tib/2014/02/07/book-sprint-coscience/

Pressemitteilung TIB: CeBIT 2014: TIB präsentiert das Open Science Lab, http://www.tib-hannover.de/de/die-tib/aktuelles/aktuelles/id/496/.

Twitter: #CoScience

Ergänzungen (22.4.2014)

Markus Trapp, Book Sprint CoScience – Gemeinsam forschen und publizieren mit dem Netz, in: Text und Blog, 12.3.2014, http://textundblog.de/?p=5845.

Lambert Heller, Video und erste Lessons Learned: Der Book Sprint #CoScience geht ins Web und auf der CeBIT weiter, in: TIB Blog, 13.3.2014, http://blogs.tib-hannover.de/tib/2014/03/11/video-und-erste-lessons-learned-der-book-sprint-coscience-geht-ins-web-und-auf-der-cebit-weiter/#comment-27606.

Video über das Schreiben (ohne Ton): TIB|Open Science Lab #BookSprint #CoScience, http://www.youtube.com/watch?v=ftCm6rY2INs&feature=youtu.be.

Video über das Projekt, incl. Vorstellung auf der Messe (mit Ton): TIB|Open Science Lab: Booksprint #CoScience, http://www.youtube.com/watch?v=Hp4v-fz185Y&feature=youtu.be

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2108

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