China-News: Eine Zeitungsmeldung vom 28. April 1734

Welche Meldungen aus/über China finden sich in den Zeitungen Europas? ‘Sensationen’ oder ‘Merkwürdigkeiten’? Nachrichten über Naturkatastrophen? Über Erfahrungen von Europäern in China? Die Suche nach diesen Nachrichten, die häufig eher Kürzestmeldungen sind, gleicht der Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen. Aber … seit einigen Wochen bietet ANNO (Austrian Newspapers Online) die Möglichkeit der Volltextsuche in ausgewählten Titeln. Die Volltextsuche ist im Beta-Stadium, derzeit sind “knapp 200.000 Zeitungsausgaben mit knapp 2 Millionen Seiten von 1704-1872″ [1] durchsuchbar.  Zur Qualität heißt es:

Der Volltext basiert auf OCR-gelesenen Daten. Bei OCR (Optical Character Recognition) handelt es sich um ein automatisiertes Verfahren, weshalb es in manchen Texten zu einer sehr hohen Fehlerdichte kommen kann. Die Suche gestaltet sich oft etwas anders als etwa bei manuell abgetippten Texten. [...].[2]

Wienerisches Diarium 28.4.1734

Wienerisches Diarium 28.4.1734 | ANNO

Das lädt zum Experimentieren ein – denn unterschiedlichen Transkriptionen (wie etwa ‘Pecking’ oder ‘Pekin’ neben ‘Peking’ für Beijing 北京), sind bei der Arbeit mit Texten, die vor dem Zweiten Weltkrieg publiziert wurden, selbstverständlich. Aber Versuche (oder eher Spielereien – denn mehr ist es noch nicht – mit “ſ” (langem ‘s’)/”f” oder “ß”/”B” oder “C”/”S” etc. sind viel spannender, denn: Afien ift fuper.[3] ”

Sucht man “Chinese”, so ist der erste Treffer 1734 – April – 28: Wienerisches Diarium[4] – Seite 4.

Werfen wir einen Blick auf den Text – ein Klick auf das entsprechende Icon rechts oben zeigt den OCR-Text((Wienerisches Diarium Num. 34 (28.4.1734), 3f. Online: ANNO)).

Die kurze Meldung ist nicht besonders spannend – sie bringt zwei unterschiedliche Themen: Erdbeben in Beijing 1733 (und in den 3 Jahren davor) und den Krieg gegen die ‘Tartar(e)n’.

Zu den Erdbeben: Der Catalog of Damaging Earthquakes in the World (Through 2010) des International Institute of Seismology and Earthquake Engineering, Building Research Institute listet für die Zeit zwischen 1730 und 1733 eine Reihe von Erdbeben in China, darunter auch das Dongchuan 東川-Beben (Prov. Yunnan) vom 2.8.1733 (Stärke 7.8), aber nur wenige für den Raum Beijing.

  • 1730 Winter: China: Shandong – Stärke 5
  • 1730.09.30: China: Beijing – Stärke 6.5
  • 1731.11.30: China: Beijing – Stärke ? – 100000 Tote

Das Beben von 1730 hatte  schwere Schäden verursacht, das vom 30.11.1731 wohl 100000 Todesopfer gefordert.

Mit dem ‘Krieg gegen die Tartar(e)n’ ist wohl der Feldzug gegen die Dzungaren in der Yongzheng 雍正-Ära (1722-1735 ((Der Yongzheng 雍正-Kaiser Yinzhen  (1678-1735, regierte 1722-1735) hatte – wie schon sein Vater, der Kangxi-康熙-Kaiser Xuanye 玄燁 (1654-1722, regierte 1661-1722) vor ihm – versucht, die Position Chinas in der Äußeren Mongolei mit militärischen Mitteln zu sichern. Trotz der drückenden Übermacht der Qing-Streitkräfte konnten sich die zwar kleinen, aber sehr mobilen Verbände der Dzungaren zunächst behaupten, es gelang ihnen sogar, die Qing an den Rand der Niederlage zu bringen. Erst ein ‘Überläufer’, der sich auf die Seite der Qing-Dynastie geschlagen hatte, besiegte die Dszungaren.

Aber das ist hier eigentlich nebensächlich – es geht um Digitalisate und Volltext(e).

 OCR-Text Transkription
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 Tartarn würde in dortigen gegenden auch
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 sich zoo. Tartarn / unter allerhand vor,
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 dadurch die gantze Chinesische Armee et-
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welcher denen Tartarn in die H[ae]nde ge
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zerhauen worden.

Das blaßorange markierte Wort ‘Chinese’ liefert den Treffer in der Volltextsuche, das blaßblau markierte ‘Chinesern’ wird nicht erkannt, denn da steht im OCR-Text ‘Chineftw’. Gleiche Typen auf einer Seite (also demselben Papier) knapp untereinander, kein Schatten (wie das in der jeweils inneren Spalte im Bereich des Möglichen wäre). Der Befund überrascht wenig – und es ließen sich vermutlich zahllose ähnliche Beispiele finden BTW: Das blassgrün markierte ‘Pecking’ wird bei einer Suche nach ‘Peking’ ebenfalls nicht gefunden, ein Blick in den OCR-Text zeigt warum: Dort steht ‘Ptckng’.

Big Data zum Greifen nahe?
Oder doch nicht?

  1. S. ANNO Suchhilfe
  2. S. ANNO Suchhilfe <abgerufen am 8.7.2013.>
  3. S. auch: Im Netz der (un)begrenzten Möglichkeiten.
  4. Das Wienerische Diarium war quasi der Vorgänger der Wiener Zeitung, es erschien 1703 bis 1779, ab 1780 erscheint das Blatt als Wiener Zeitung.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/796

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China-News: Eine Zeitungsmeldung vom 28. April 1734

Welche Meldungen aus/über China finden sich in den Zeitungen Europas? ‘Sensationen’ oder ‘Merkwürdigkeiten’? Nachrichten über Naturkatastrophen? Über Erfahrungen von Europäern in China? Die Suche nach diesen Nachrichten, die häufig eher Kürzestmeldungen sind, gleicht der Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen. Aber … seit einigen Wochen bietet ANNO (Austrian Newspapers Online) die Möglichkeit der Volltextsuche in ausgewählten Titeln. Die Volltextsuche ist im Beta-Stadium, derzeit sind “knapp 200.000 Zeitungsausgaben mit knapp 2 Millionen Seiten von 1704-1872″ [1] durchsuchbar.  Zur Qualität heißt es:

Der Volltext basiert auf OCR-gelesenen Daten. Bei OCR (Optical Character Recognition) handelt es sich um ein automatisiertes Verfahren, weshalb es in manchen Texten zu einer sehr hohen Fehlerdichte kommen kann. Die Suche gestaltet sich oft etwas anders als etwa bei manuell abgetippten Texten. [...].[2]

Wienerisches Diarium 28.4.1734

Wienerisches Diarium 28.4.1734 | ANNO

Das lädt zum Experimentieren ein – denn unterschiedlichen Transkriptionen (wie etwa ‘Pecking’ oder ‘Pekin’ neben ‘Peking’ für Beijing 北京), sind bei der Arbeit mit Texten, die vor dem Zweiten Weltkrieg publiziert wurden, selbstverständlich. Aber Versuche (oder eher Spielereien – denn mehr ist es noch nicht – mit “ſ” (langem ‘s’)/”f” oder “ß”/”B” oder “C”/”S” etc. sind viel spannender, denn: Afien ift fuper.[3] ”

Sucht man “Chinese”, so ist der erste Treffer 1734 – April – 28: Wienerisches Diarium[4] – Seite 4.

Werfen wir einen Blick auf den Text – ein Klick auf das entsprechende Icon rechts oben zeigt den OCR-Text((Wienerisches Diarium Num. 34 (28.4.1734), 3f. Online: ANNO)).

Die kurze Meldung ist nicht besonders spannend – sie bringt zwei unterschiedliche Themen: Erdbeben in Beijing 1733 (und in den 3 Jahren davor) und den Krieg gegen die ‘Tartar(e)n’.

Zu den Erdbeben: Der Catalog of Damaging Earthquakes in the World (Through 2010) des International Institute of Seismology and Earthquake Engineering, Building Research Institute listet für die Zeit zwischen 1730 und 1733 eine Reihe von Erdbeben in China, darunter auch das Dongchuan 東川-Beben (Prov. Yunnan) vom 2.8.1733 (Stärke 7.8), aber nur wenige für den Raum Beijing.

  • 1730 Winter: China: Shandong – Stärke 5
  • 1730.09.30: China: Beijing – Stärke 6.5
  • 1731.11.30: China: Beijing – Stärke ? – 100000 Tote

Das Beben von 1730 hatte  schwere Schäden verursacht, das vom 30.11.1731 wohl 100000 Todesopfer gefordert.

Mit dem ‘Krieg gegen die Tartar(e)n’ ist wohl der Feldzug gegen die Dzungaren in der Yongzheng 雍正-Ära (1722-1735 ((Der Yongzheng 雍正-Kaiser Yinzhen  (1678-1735, regierte 1722-1735) hatte – wie schon sein Vater, der Kangxi-康熙-Kaiser Xuanye 玄燁 (1654-1722, regierte 1661-1722) vor ihm – versucht, die Position Chinas in der Äußeren Mongolei mit militärischen Mitteln zu sichern. Trotz der drückenden Übermacht der Qing-Streitkräfte konnten sich die zwar kleinen, aber sehr mobilen Verbände der Dzungaren zunächst behaupten, es gelang ihnen sogar, die Qing an den Rand der Niederlage zu bringen. Erst ein ‘Überläufer’, der sich auf die Seite der Qing-Dynastie geschlagen hatte, besiegte die Dszungaren.

Aber das ist hier eigentlich nebensächlich – es geht um Digitalisate und Volltext(e).

 OCR-Text Transkription
[S.3] Mm »st hier bmft «tK Ptckng / des )( » haupv 
[S. 4] Haupt, stadt in China / unter dem -offen
 Marti» des vorigen l?zz. jahres des in,
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 dann die anzahl deren dabey auf manchen
 lky art umgekommenen Personen sich gegen
 2. Millionen beliefe. Der krieg gegen die
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[S. 3] Man hat hier briefe aus Pecking / der 
[S.4] Haupt=stadt in China / unter dem 20sten 
Martii des vorigen 1733. jahres des in-
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zerhauen worden.

Das blaßorange markierte Wort ‘Chinese’ liefert den Treffer in der Volltextsuche, das blaßblau markierte ‘Chinesern’ wird nicht erkannt, denn da steht im OCR-Text ‘Chineftw’. Gleiche Typen auf einer Seite (also demselben Papier) knapp untereinander, kein Schatten (wie das in der jeweils inneren Spalte im Bereich des Möglichen wäre). Der Befund überrascht wenig – und es ließen sich vermutlich zahllose ähnliche Beispiele finden BTW: Das blassgrün markierte ‘Pecking’ wird bei einer Suche nach ‘Peking’ ebenfalls nicht gefunden, ein Blick in den OCR-Text zeigt warum: Dort steht ‘Ptckng’.

Big Data zum Greifen nahe?
Oder doch nicht?

  1. S. ANNO Suchhilfe
  2. S. ANNO Suchhilfe <abgerufen am 8.7.2013.>
  3. S. auch: Im Netz der (un)begrenzten Möglichkeiten.
  4. Das Wienerische Diarium war quasi der Vorgänger der Wiener Zeitung, es erschien 1703 bis 1779, ab 1780 erscheint das Blatt als Wiener Zeitung.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/796

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Ein Bild sagt mehr … (VIII): Alexander, The costume of China (1805)

Die Macartney Mission (1792-1794) sollte – unter Leitung von George Macartney (1737-1806[1] )
W. Alexander: The Costume of China (1805)

W. Alexander:
The Costume of China (1805)
Internet Archive

Zur Mission gehörte neben Diplomaten, Übersetzern, dem Arzt und Bediensteten auch die Maler Thomas Hickey (offiziell als ‘Maler’ (‘painter’)[2] und  William Alexander (offiziell als ‘Zeichner’ (‘draughtsman’)[3] ).

William Alexander (1767-1816) arbeitete nach seiner Rückkehr einige seiner Studien und Skizzen für eine Ausstellung in der Royal Academy aus; seine Zeichnungen illustrierten dann den offiziellen Bericht der Mission[4] und er veröffentlichte zunächst einige der auf der Reise entstandenen Arbeiten in Views of Headlands, Islands, &c. taken during a voyage to, and along the eastern coast of China, in the years 1792 & 1793, etc. (London: W. Alexander 1798).

1805 erschien The Costume of China, containing forty-eight coloured engravings (London: Miller 1805)[5], als Teil  einer Reihe The Costume of …[6].Darin wird jeweils eine ganzseitige Abbildung mit einer kurzen Beschreibung kombiniert.

Unter den 48 Darstellungen finden sich Porträts von chinesischen Beamten, die der Mission beigeordnet worden waren, Bilder von Soldaten und Schauspielern in Kostüm und Maske, Darstellungen von Körperstrafen, Ansichten von Booten und Schiffen, Landschaften und Bauten und Chinesinnen und Chinesen in Alltagsszenen.  Während diese Darstellungen sehr ‘bunt’ sind, bleibt ein Bild fast monochrom.
Der Titelkupfer zeigt ein kleines Bauwerk mit zweistufigemWalmdach, das auf einer Plattform steht. Links auf der Plattform steht ein Gefäß, aus dem eine dicke Rauchsäule aufsteigt.
Am Fuß des Podests liegen unter anderem Waffen und eine Fahne mit (angedeuteten) Schriftzeichen, die die nicht zu entziffern sind.
Im Hintergrund – in sehr großer Entfernung von dem eigenartigen Baumwerk – ist ein Schiff auf dem Wasser zu sehen, dahinter eine ‘chinesische’ Landschaft.

An dem Bild sind einige Elemente merkwürdig/bemerkenswert:

  • Das Walmdach werden von Säulen getragen, von denen eine von Blattwerk umrankt wird.
  • Auf der unteren Stufe des Dachs sind die Grate mit deutlich erkennbaren Drachenfiguren geschmückt, auf der obereren mit nur eben angedeuteten Wächterfiguren (yánshòu 檐獸  oder zǒushòu  走獸 oder dūnshòu 蹲獸). Diese Figuren schmückten in der Ming-Zeit (1368-1644) und Qing-Zeit (1644-1912) die kaiserlichen Paläste sowie Amtsgebäude in ganz China, aber auch an den Toren/Durchgängen der Großen Mauer.  Die Zahl der Figuren variiert je nach Rang – je höher der Rang, desto mehr Figuren hatte die Prozession.
  • Dem Duftrauchbrenner (xiānglú 香爐) scheint der Deckel zu fehlen, die Rauchsäule selbst ähnelt eher der aus einem Fabriksschlot denn der aus einem Räuchergefäß.[7]
  • Die Schriftzeichen auf der Fahne sind – obwohl Alexander ein sehr aufmerksamer Beobachter war – nicht zu entziffern.

Das Bild passt nicht so recht zu den übrigen Darstellungen, die dokumentarischen Charakter haben – denn wirkt wie eine Collage von things Chinese: Bauwerke, Räuchergefäß, Waffen, etc.

  1. Zur Biographie: Roland Thorne, ‘Macartney, George, Earl Macartney (1737–1806)’, Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004; online edn, May 2009 [http://www.oxforddnb.com/view/article/17341, accessed 28 June 2013]; DOI: doi:10.1093/ref:odnb/17341) – die Beziehungen zwischen Großbirtannien und China neu ordnen. Großbritannien wollte Handelserleichterungen, unter anderem durch eine ständige Vertretung in Beijing 北京, die Überlassung eines Handelsstützpunkts auf einer Insel des Zhoushan 舟山-Archipels, wo Händler sich dauerhaft niederlassen, ihre Waren stapeln und Schiffe ausrüsten konnten, und die Senkung der Zölle in Guangzhou 廣州. Diese Erwartungen erfüllten sich nicht, die Mission scheiterte kläglich – was sich in den zahlreichen gedruckten Berichten allerdings nicht so drastisch anhörte. ((Zur Macartney-Mission: Robert A. Bickers (ed.): Ritual and Diplomacy: The Macartney Mission to China, 1792–1794 (London: British Association for Chinese Studies 1993); James L. Hevia: Cherishing Men from Afar: Qing Guest Ritual and the Macartney Embassy of 1793 (Durhma: Duke Univ. Pr. 19959 – dazu die Rezension: Joseph W. Esherick: “Cherishing Sources from Afar.” Modern China Vol. 24, No. 2 (1998): 135–61 [http://www.jstor.org/stable/189414] bzw. Hevias Antwort: James L. Hevia: “Postpolemical Historiography: A Response to Joseph W. Esherick.” Modern China Vol. 24, No. 3 (1998): 319-327 [http://www.jstor.org/stable/189407] und Eshericks Reaktion: Joseph W. Esherick: “Tradutore, Traditore: A Reply to James Hevia.” Modern China Vol. 24, No. 3 (1998): 328-332 [http://www.jstor.org/stable/189408].
  2. Zu Hickey (1741-1824): John Ingamells, ‘Hickey, Thomas (1741–1824)’, Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004 [http://www.oxforddnb.com/view/article/13208, accessed 28 June 2013]; DOI: doi:10.1093/ref:odnb/13208.
  3. Zur Biographie: Richard Garnett, ‘Alexander, William (1767–1816)’, rev. Heather M. MacLennan, Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004 [http://www.oxforddnb.com/view/article/337, accessed 28 June 2013]; doi:10.1093/ref:odnb/337.
  4. George Staunton: An Authentic Account of an Embassy from the King of Great Britain to the Emperor of China [...] (London 1797) – Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  5. William Alexander: The costume of China, illustrated in forty-eight coloured engravings (London: W. Miller 1805) – Digitalisate: Bibliotheca Sinica 2.0.
  6. Vgl. dazu die Anmerkungen bei Mason: Punishments of China.
  7. Vgl. dazu die Abbildung in Staunton, An Historical Account of the Embassy to the Emperor of China … (1797) Tafel zwischen S. 212 und 213.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/763

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Ein Bild sagt mehr … (VII): Mason: The Punishments of China (1801)

Johan Nieuhof hatte im 17. Jahrhundert eine Form von Standard für die Darstellung Chinas etabliert: ‘exotische’ Formen, ‘exotische’ Kleidung, ‘exotisches’ Dekor – dem der Augenzeugen-Bonus Autorität verlieh. Mit den verstärkten Ambitionen Großbritanniens, Handelsbeziehungen mit China zu etablieren, setzte eine neue Phase intensiver Beschäftigung mit China ein. Die Gesandtschaft unter Macartney (1792) sollte Handelsbeziehungen etablieren und den Zugang zum chinesischen Markt öffnen. Eines der Mitglieder dieser Gesandtschaft war der  Maler William Alexander (1767-1816), der die Reise in Skizzen dokumentieren sollte.
Die Zeichnungen, die er auf der Reise durch China anfertigte, illustrierten den Reisebericht von George Staunton[1] und wurden vom Verleger William Miller 1805 unter dem Titel The Costume of China[2] noch einmal auf den Markt gebracht. Damit griff Miller einen Titel wieder auf, den er wenige Jahre vorher schon für einen anderen Band mit Skizzen aus China verwendet hatte – damals für einen Band, der auf Bildern chinesischer Maler basierte.

George H. Mason (fl. um 1800) hatte einige Jahre in China gelebt und die Bilder wohl aus Guangzhou 廣州 nach England gebracht[3]. Die Genrebilder wurden mit Erklärungen in englischer und französischer Sprache versehen[4].

A culprit before a magistrate. Digital ID: 1565308. New York Public Library

“A culprit before a magistrate.” (1804)
Digital ID: 1565308. New York Public Library

Während Masons The Costume of China den ersten Band einer ganzen Reihe ähnlicher Bände bildete (u.a. zu Russland, zur Türkei und zu Österreich), steht Masons zweiter Titel zu China singulär: Ein Jahr nach The Costume of China brachte Miller The Punishments of China (1801)[5]. Gezeigt werden – ohne Hintergrund – Gerichtsszenen und die Anwendung von Folterinstrumenten, jeweils ergänzt durch kurze erklärende Texte.

Diese für den europäischen Betrachter eigenartig anmutende Form der Präsentation trägt dazu bei, China als fremdartig und die chinesische Justiz als besonders grausam darzustellen. Damit wird das nach Reed das Bild vom grausamen Chinesen verstärkt[6]. Eric Hayot sieht Darstellungen als Reaktion auf die gescheiterte Macartney-Mission[7].

Der Ursprung der Bilder ist ungeklärt, Marcia Reed vermutet, dass es sich um Massenware für den Export handelt[8] – Aquarelle, die in Studios in Guangzhou produziert wurden und von Ausländern gekauft und nach Europa gebracht wurden.

 

  1. [George Leonard Staunton/George Macartney/Erasmus Gower:] An authentic account of an embassy from the King of Great Britain to the Emperor of China [...] Taken chiefly from the papers of His Excellency the Early of Macartney, Knight of the Bath, His Majesty’s Embassador Extraordinary and Plenipotentiary to the Emperor of China; Sir Erasmus Gower, Commander of the Expedition, and of other Gentlemen in the several departments of the Embassy. By Sir George Staunton, Baronet … In Two volumes, with engravings …; beside a folio Volume of Plates. (London: Printed by W. Bulmer and Co. For G. Nichol. 1797). Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  2. Digitalisat → Bibliotheca Sinica 2.0.
  3. Zu Aquarellen, die für den Export produziert wurden s. Craig Clunas: Chinese Export Watercolours (London: Victoria & Albert Museum, Far Eastern Series 1984).
  4. George Henry Mason: The Costume of China, illustrated by sixty engravings: with explanations in English and French. (London: W. Miller 1800) [ESTC Citation No. T97026].
  5. George Henry Mason/Dadley (graveur): The punishments of China. Illustrated by twenty-two engravings, with explanations in English and French (London: Printed for William Miller 1801) [Digitalisat → Bibliotheca Sinica 2.0]; 2. Auflage 1804.
  6. Marcia Reed: “A Perfume Is Best from Afar: Publishing China for Europe.” In: China on Paper. European and Chinese Works form the Late Sixteenth to the Early Nineteenth Century. Ed. by Marcia Reed and Paola Demattè ( Los Angeles: Getty Research Institute 2007), 9-28, hier 22.
  7. S. dazu das Kapitel “The Compassion Trade: Punishment, Costume, Sympathy.” in: Eric Hayot: The Hypothetical Mandarin: Sympathy, Modernity, and Chinese Pain (Oxford/New York et al.: Oxford University Press 2009)  60-94.
  8. Marcia Reed: “A Perfume Is Best from Afar: Publishing China for Europe.” In: China on Paper. European and Chiense Works form the Late Sixteenth to the Early Nineteenth Century. Ed. by Marcia Reed and Paola Demattè ( Los Angeles: Getty Research Institute 2007), 9-28, hier 22. Vgl. auch: Antonia Finnane: Changing Clothes in China. Fashion, History, Nation (London: Hurst & Company 2007) 27.

Quelle: http://de.hypotheses.org/71955

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Frühe Stimmen über die chinesische Schrift (I)

Kaum etwas hat die Phantasie der Europäer so nachhaltig beflügelt wie Überlegungen zur chinesischen Schrift: Mutmaßungen zu ihrem Ursprung und zur  Anzahl der Schriftzeichen finden sich dabei ebenso wie die Frage, ob die ‘Charaktere’ nun ‘Bilder’ im Wortsinn oder ‘Symbole’ wären.[1]  Das Thema taucht in den meisten Texten auf, die sich mit China beschäftigen, die Erklärungen sind zum Teil faszinierend bis abstrus, zum Teil aber auch sehr (zu)treffend. In loser Folge hält die Serie ‘Frühe Stimmen’ Notizen bei der Lektüre von Texten über China aus dem 16.-18. Jh. fest.

In der ersten deutschen Übersetzung von  González de Mendozas Historia, die Johann Kellner 1589 unter dem Titel Ein Neuwe/ Kurtze/ doch warhafftige Beschreibung deß gar Großmächtigen weitbegriffenen/ bißhero vnbekandten Königreichs China, seiner fünffzehen gewaltigen Prouincien, vnsäglicher grosser vnd vieler Stätt, Fruchtbarkeit, … grossen Reichthumbs … Kriegsmacht … dergleichen in keiner Histoiren … in der weiten Welt jemals befunden veröffentlichte[2] heißt es im Kapitel “Von den Buchstaben vnd Charactern / welche die in China gebrauchen [...]” (p. 125-129):

Zukommen nun auff den ersten Puncten / sage ich / wiewol jhrer wenig seind / die nicht schreiben vnd lesen vnter jhnen können / so haben sie doch kein A b c oder Alphabet von Buchstaben / wie wir haben / sondern schreiben alle Ding mit Figuren / die sie in langer Zeit lernen mit grosser M[ue]he / dann es hat ein jedes Wort sein eygen Zeichen. [...] (p. 125)


Ein Neuwe/ Kurtze/ doch warhafftige Beschreibung deß gar Großmächtigen weitbegriffenen/ bißhero vnbekandten Königreichs China (1589) [Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, urn:nbn:de:hbz:061:1-8774]

Hier wird der sogenannte ‘Monosyllabismus’ des Chinesischen beschrieben, dessen Ursprung Gustav Ineichen auf die Schriften der Jesuiten im 16. Jahrhundert zurückgeführt hat.[3]. Tatsächlich gilt im Chinesischen die Regel ein Schriftzeichen = eine Silbe, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass es nur einsilbige Wörter gibt …

Zur Anzahl der Schriftzeichen heißt es:

[...] Figuren / deren seind mehr dann sechstausend alle vnterschiedlich / vnd k[oe]nnen sie aber behende schreiben / wie man auß der Erfahrung gesehen hat / bey vielen dieser Nation / die t[ae]glich in dei Insuln Philippinas kommen / vnnd sich daselbst verhalten. (p. 125)

Wie der Verfasser auf die Zahl 6000 kommt ist, bleibt offen – denn schon das älteste Zeichenwörterbuch, das Shuōwén jiězì 說文解字 (um 1)00 n. Chr.)[4] enthält 9.353 Schriftzeichen (plus 1163 Varianten), das Kāngxī zìdiǎn 康熙字典 (1716)[5] – das zweite große Zeichenlexikon – enthält insgesamt rund 47.000 Schriftzeichen, das derzeit umfangreichste gedruckte Zeichenlexikon, das Zhōnghuá zìhǎi 中华字海 (1994), enthält rund 87.000 verschiedene Schriftzeichen und Varianten.[6]

Zur Schreibrichtung heißt es:

Sie schreiben anders / da[nn] wir im Brauch hab[en]/ dann sie schreiben die Zeilen von oben herab vnter sich sehr gleich vnd strack / vnd heben widerwertig an / nemlich von der Rechten zur Linken. (p. 126)

Bis ins frühe 20. Jahrhundert -war die Schreibrichtung in der Regel senkrecht von oben nach unten, die Zeilen (oder eher Spalten)  waren von rechts nach links angeordnet.

Zu Beschreibstoffen und Schreibwerkzeug heißt es:

Sie hab[en] grosse Meng Papier / welches leichtlich gemacht ist auß Tuch von Rohrn / das ist wolfeiles Kauffs / gleich wie auch die getruckten B[ue]cher / man kan aber nur auff einer Seit[en] darauff schreiben / da[nn] es gar d[uenn]e und rein ist. Sie brauch[en] der Federn zum schreib[en] nit wie wir thun / sonder etlich Rohr mit einem klein[en] Federlein an der Spitzen. (p.127)

Chinesische (Schreib-)Papiere waren überwiegend leicht (verglichen mit den in Europa verbreiteten Büttenpapieren. Da bei dem dünnen Papier Tusche und Druckerschwärze durchschlugen, wurden die Blätter einseitig beschrieben und bedruckt. Für Bücher wurden die bedruckten Blätter so gefaltet, dass die unbeschriebene Seite innen liegt, die gefalteten Blätter wurden gestapelt und auf der offenen Seite zusammengenäht.[7]

Chinesische Schreibpinsel (máobǐ 毛笔) haben meist einen Griff aus Bambus und einen kleinen Pinselkopf. Diese Pinsel sind sind deutlich elastischer als die im Westen gebräuchlichen Malerpinsel. Damit der Pinsel in einer haarfeinen Spitze ausläuft, die sich bei jedem Anheben neu bildet,  wird Haar von Ziege oder Hase um einen Kern aus Wieselhaar gebunden. Über die Art, wie der Pinsel geführt wird, äußert sich der Verfasser nicht[8] …

BTW: Georg Lehner hat auf De rebus sinicis hat eine Serie zu den Vier Schätze des Studierzimmers (I) begonnen – dort findet sich auch ein Bild dieser ‘vier Schätze’.))

  1. Zu satirischen Auswüchsen vgl. das Beispiel im Beitrag Fachchinesisch.
  2. Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  3. Gustav Ineichen: “Historisches Zum Begriff des Monosyllabismus im Chinesischen”. In: Historiographia Linguistica, Vol. 14, Number 3 (1987), pp. 265-282.
  4. Chinese Text Project: 《說文解字 – Shuo Wen Jie Zi》.
  5. Online-Version: http://www.kangxizidian.com/.
  6. Vgl. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged. (Harvard-Yenching Institute Monograph Series, 52; Cambridge, Mass/London: Harvard University Asia Center 2000 p. 46.
  7. In europäischen Bibliotheken wurden Bücher oft neu gebunden, wobei die traditonelle Bindung abgeschnitten wurde – und mitunter die Falze geöffnet wurden.
  8. Vgl. dazu die Bemerkungen zum Porträt des Alvaro Semedo.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/716

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Bibliotheca Sinica 2.0

Vor einigen Tagen ging der 2500. Eintrag der Bibliotheca Sinica 2.0[1] online -  Zeit für eine Zwischenbilanz, was seit dem ersten Beitrag, der am 17. Januar 2010 online ging, geschah …

BS_2

Eines der Bilder aus dem Header der Bibliotheca Sinica 2.0 | Foto: Monika Lehner *)

Am Anfang stand ein Berg von Zetteln & Notizen, Listen & Tabellen – teils handschriftlich in Mappen, Notizbüchern, Journalen, teils in zahllosen Dateien unter mehr oder weniger sinnvollen Namen abgespeichert – als Nebenprodukte von Jahren (bzw. inzwischen Jahrzehnten) der Beschäftigung mit westlichem Wissen über China in gedruckter Form.

In diesen Listen standen (Kurz-)Titel und die Signaturen dazu – aus der Universitätsbibliothek Wien, der Österreichischen Nationalbibliothek und aus der Bibliothek des Österreichischen Staatsarchivs. In zahllosen Gesprächen nach Vorträgen und Präsentationen bei Workshops und Konferenzen tauchte immer wieder dieselbe Frage auf: Und wo haben Sie/hast du diesen oder jenen Titel gefunden? Die Anwort löste häufig Verblüffung aus, denn die Bestände der Wiener Bibliotheken zur frühen westlichen Beschäftigung mit China waren (und sind wohl auch heute noch) weitgehend unbekannt.

2003 wurde – eigentlich zum Eigengebrauch, um ‘leere Kilometer’ zu sparen – aus dem Zettelberg eine einzige Tabelle mit Basisdaten :

  • Autor
  • Titel
  • Erscheinungsort
  • Verlag
  • Erscheinungsjahr
  • Signatur(en)

Etwa zeitgleich kam die Veröffentlichung von Katalogen/Inventaren zur China-Literatur vor 1939  in der Forschungsbibliothek Gotha [2] und in der Universitätsbibliothek Leipzig[3].

Eine gedruckte Version erschien im Lichte dieser Veröffentlichungen wenig zweckmäßig[4] – und so entstand die Idee, die Bibliographie online zu stellen. Im April 2004 ging die erste Version der ‘Wiener China-Bibliographie 1477-1939′ online – statische Webseiten, die den Standort/die Standorte des jeweiligen Werks farbkodiert anzeigten – mit gut 2000 Titeln. Das sah damals so aus:

Screenshot WCB (2004)

Screenshot: Wiener China-Bibliographie 1477-1939 (2004)

Die Bibliographie wuchs, der Aufbau änderte sich im Lauf der Zeit nur wenig, was die Wartung der Seiten mühsamer machte und dazu zwang, nach neuen Lösungen zu suchen. Gleichzeitg wurde die ‘berühmte’ Tabelle erweitert um Links zu frei zugänglichen Digitalisaten[5]. Denn die Wiener Bibliotheken waren zwar wahre Schatzkammern der frühen westlichen China-Literatur, aber keine der Wiener Bibliotheken hat(te) Early English Books Online oder Western Books on China up to 1850[6]. Trotzdem wurden mehr und mehr der Titel digital zugänglich -  Internet Archive, GDZ, MDZ, VD 18 digital, HATHI Trust, Laures Rare Books etc. Das Einpflegen der Links hätte die Aktualisierung der Bibliographie noch aufwändiger gemacht hätte.

Die Lösung war ein Blog, der einen eingängig(er)en Namen brauchte, denn der Ausgangspunkt war zwar das (nach wie vor wachsende) Verzeichnis der Wiener Bestände, aber eben nicht nur, denn zum Verzeichnis der China-Literatur vor 1939 sollten Links zu frei zugänglichen Digitalisaten kommen.. Im Dezember 2009 wurde aus der “Wiener China-Bibliographie 1477-1939″ die die Bibliotheca Sinica 2.0 - mit einer sehr bewussten Anspielung auf großes Vorbild: Henri Cordier:  Bibliotheca sinica. Dictionnaire bibliographique des ouvrages relatifs à l’Empire chinois (Paris: E. Leroux 1878-1895)[7]

Im Dezember 2009 wanderten die Listen – zunächst ohne große Veränderungen – in ein WordPress-Blog, während die Links in der berühmten Tabelle immer mehr wurden. Ab Januar 2010 gab es erste Versuche, Links in Blogbeiträgen unterzubringen, ab April 2010 begann der Dauerbetrieb: Seit dem 8.4.2010 gibt es täglich zumindest einen neuen Post – und das sind inzwischen mehr als 2500 Beiträge mit Titeln aus dem Zeitraum 1477-1939 mit Links zu Digitalisaten in mehr als 120 verschiedenen Repositorien, Archiven und Bibliotheken.

Bibliotheca Sinica | Posts

Bibliotheca Sinica | Erscheinungsdaten

Die Digitalisate sind (wie an anderer Stelle schon angerissen) von von unterschiedlichst)er Qualität. Das Spektrum reicht von schwer/kaum lesbaren Scans von Ausdrucken von Mikrofilmen bis zu Farbbildern mit Zoom und OCR – The Art of Google Books gibt nur einen kleinen Einblick in die Höhe- oder Tiefpunkte der Massendigitalisierung – in der Bibliotheca Sinica 2.0 finden sich daher wo immer möglich mehrere Möglichkeiten bzw. kommen neue Digitalisate dazu.

Auch wenn wenig/nicht kommentiert wird, wird die Bibliographie genutzt – und die Zugriffszahlen entwickeln sich (für ein absolutes Nischen-Angebot) gut: etwa 150 single user und etwa 500-800 pageviews, viele kommen über den RSS-Feed. oder Twitter @BS_2.

*)  “Ta au sze ma kia kuoh 大奧斯馬家國”  [Beizeichnung für Österreich-Ungarn] (Ausschnitt aus: Karl von Scherzer, Fachmännische Berichte über die österreichisch-ungarische Expedition nach Siam, China und Japan (1868-1871). Im Auftrage des k. k. Handelsministeriums redigiert und herausgegeben (Stuttgart: Julius Maier 1872), S. VIII.))

 

 

  1. Die Bibliotheca Sinica 2.0 trägt Links zu frei zugänglichen Digialisaten von westlichsprachigen Büchern über China aus der Zeit zwischen 1477 und 1939 zusammen und ist ein Projekt von Georg Lehner und Monika Lehner, das ohne Förderungen entsteht.
  2. Britta Woldering: Katalog des ostasienbezogenen Bestandes der Forschungsbibliothek Gotha (= Erfurder Reihe zur Geschichte Ostasiens: Lehr und Forschungsberichte 1; Erfurt: Lehrstuhl for Ostasiatische Geschichte 2000) – Online [pdf].
  3. Thomas Jansen: China-Literatur in der Universitätsbibliothek Leipzig: 1500-1939. Eine systematische Bibliographie. Bd. 1: Werke in westlichen Sprachen (mit Gabriele Schlesinger, Richard Teschke and Katharina Zinn). Bd. 2: Sinica (mit Richard Teschke).  (Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2003). Vgl. dazu meine Rezension in Oriens Extremus 44 (2003/04), 286-290 [Rezensionen (pdf online frei zugänglich].
  4. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass Spezialbibliographien für einschlägige Fördergeber keine wissenschaftliche Leistung darstellen und daher nicht förderungswürdig sind.
  5. ‘Frei’ heißt im konkreten Fall: ohne dass der User technische Hürden überwinden müsste – d.h. die Nutzung von US-Proxys etc. ist nicht notwendig.
  6. Zuerst Mikrofiche-Ausgabe (IDC 1987), jetzt auch als Online-Version bei Brill.
  7. Zweite Auflage 1904-1908 [Digitalisate der 1. Auflage und der 2. Auflage → Bibliotheca Sinica 2.0]; Reprint: Henri Cordier, Bibliotheca Sinica. Dictionnaire bibliographique des ouvrages relatifs à l’empire chinois. [Six volumes bound in three] (Staten Island : Maurizio Martino n.d. [1997]).

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/692

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Geschichte Chinas im Bild: Fotosammlungen im Netz (II)

Die Fotografen, die das China des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts in ihren Aufnahmen festhielten, waren Diplomaten (wie Auguste François oder Alfons Mumm von Schwarzenstein[1], NaturwissenschaftlerInnen, AbenteurerInnen und MissionarInnen.Die Aufnahme der ersten Jahre und Jahrzehnte zeigten überweigend das Leben in den Vertragshäfen und in deren näherer Umgebung. Mit der zunehmenden Erschließung des Landes (und im Kontext der Bemühungen um Eisenbahnkonzessionen) reisten Diplomaten und Konsuln ins Landesinnere. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Fotografieren einfacher (und erschwinglicher9 und so begannen auch Missionarinnen und Missionare, ihren Alltag zu dokumentieren.

In den letzten Jahren wurden einige Sammlungen erschlossen und (zumindest teilweise) digitalisiert, wenngleich noch viele verborgene Schätze in Bibliotheken und Archiven auf Bearbeitung und Erschließung warten.

Su Yuanchun and Auguste Francois

Su Yuanchun and Auguste Francois (1898) | via Wikipedia Commons

Nota bene: Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wird nach und nach ergänzt und erweitert.

Zum Teil 1 der Fotosammlungen.

 

  1. Mumms Tagebuch in Bildern findet sich im Teil 1 dieser Sammlungen von Sammlungen.
  2. Danke für den Hinweis!

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/641

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Geschichte Chinas im Bild: Fotosammlungen im Netz (I)

Die ersten Fotografen in China kamen im frühen 19. Jahrhundert nach Macau (Aomen 澳門). Um die Mitte des 19.Jahrhunderts gründeten westliche Fotografen erste Studios in den Vertragshäfen, ihre ( chinesischen) Assistenten machten ihnen bald Konkurrenz und brachten die Fotografie in alle Teile des Landes. Am Ende des 19. Jahrhunderts gab es in den meisten größeren Städten Fotostudies, wo sich chinesische Familien zu ‘besonderen Anlässen’ proträtieren ließen. Westliche und chinesische Fotografen dokumentierten den Alltag (z.B. Aufnahmen von John Thomson. s.u.), bewaffnete Konflikte (z.B. die Aufnahmen von Felice Beato) und porträtierte führende Persönlichkeiten der chinesischen Politik.[1]

In den letzten Jahren wurden einige Sammlungen erschlossen und (zumindest teilweise) digitalisiert, wenngleich noch viele verborgene Schätze in Bibliotheken und Archiven auf Bearbeitung und Erschließung warten[2] ).

Nota bene: Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wird nach und nach ergänzt und erweitert.

Belvedere of the God of Literature, Summer Palace

Felice Beato: Belvedere of the God of Literature, Summer Palace (1860) [Public domain], via Wikimedia Commons

  • Robert Capa: China. 1938. Sino-Japanese War. (© International Center of Photography) Magnum Photos
  • University of Southern California Digital Library International Mission Photography Archive (IMPA) – Fotos (ca 1860 – ca. 1960) aus Sammlungen katholischer und protestantischer Missionen/Missionsgesellschaften in Deutschland, Frankreich Großbritannien, Norwegen, der Schweiz und den Vereinigten Staaten – aus verschiedenen Regionen, darunter China
  • LIFE photo archive (hostet by Google) – Schwerpunkt auf Pressefotos aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Fortsetzung folgt …

  1. Zur Geschichte der Fotografie in China u.a. Jeffrey W. Cody (ed.)/Frances Terpak (ed.): Brush and Shutter: Early Photography in China [Katalog zur Ausstellung "Brush & Shutter: Early Photography in China",  J. Paul Getty Museum, February 8–May 1, 2011] (Getty Publications; Getty Research Institute 2011), zur Arbeit mit frühen Aufnahmen aus China u.a. Regine Thiriez, ‘Creating a user’s guide on early photography in China’, p. 6 <http://pnclink.org/annual/annual1999/1999pdf/thiriez.pdf> [Zugriff: 10.5.2013]; Régine Thiriez: Barbarian Lens: Western Photographers of the Qianlong Emperor’s European Palaces. (London: Routledge 1998).
  2. Das Presbyterian Church Archives Research Centre, New Zealand, hat eine Sammlung von rund 120.000 Fotos ab 1861 – bisher teilweise katalogisiert, leider noch nicht digitalisiert.
  3. Thomson selbst veröffentlichte 200 seiner Aufnahmen aus China u.a. in Illustrations of China and Its People (4 Bände, London 1873-1874) und Through China with a Camera (1898).

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/633

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Ein Bild sagt mehr … (V): Confucius Sinarum Philosophus

Confucius sinarum philosophus, sive, Scientia sinensis latine exposit (1687) ist eine annotierte Übersetzung von drei der Vier Bücher (sishu 四書) ins Lateinische. Der Band fasst die Arbeiten zahlreicher europäischer China-Missionare zusammen, die zum Teil in separaten Ausgaben erschienen waren; das Vorwort ist von Philippe Couplet (1623-1693) unterschrieben, stammt allerdings zumindest teilweise aus der Hand von Prospero Intorcetta (1626–1696), die Übersetzungen sind unter anderem von Christian Wolfgang Herdtrich (1625–1684) und François de Rougemont (1624-1676). [1]

Der Band enthält

Confucius Sinarum Philosophus

Confucius sinarum philosophus, sive, Scientia sinensis latine exposita (1687)
Internet Archive

  • eine Widmung an Ludwig XIV in Briefform
  • eine Karte von China (die 15 Provinzen der Ming-Zeit)
  • eine umfangreiche Einleitung, die Angaben zur Entstehung des Werkes enthält
  • eine Vita des Kong Qiu 孔丘 (vermutlich  551-479 v. Chr.) der Meister Kong (Kongzi 孔子) genannt wurde – woraus im Westen Konfuzius/Confucius wurde
  • die Übersetzungen von drei der “Vier Bücher”
    • eine Übersetzung von Daxue 大學 (“Das große Lernen”)
    • eine Übersetzung der Lunyu 論語 (“Gespräche”)
    • eine Übersetzung von Zhongyong 中庸 (“Mitte und Maß”)[2]
  • Couplets Tabulae Chronologicae Monarchiae Sinicae, eine tabellarische Geschichte Chinas in 2 Teilen, Teil 1 von 2952 v. Chr. bis zur Zeitenwende, Teill 2 bis ins Jahr 1683.

Der Vita des Kong Qiu ist eine Illustration vorangestellt, die zum Archetyp westlicher ‘Konfuzius’-Abbildungen wurde. Die Darstellung zeigt eine überlebensgroße stehende Figur in Frontalansicht vor einer Bibliothek.

Die Figur wird durch die Legende unterhalb des Bildes als “孔伕子 CVM FU TSE” identifiziert – und für den des Chinesischen kundigen durch die Schriftzeichen an der Rückwand (s.u.). Sie ist in wallende Gewänder mit fast bis zum Boden reichenden Ärmeln gehüllt und hält in den Händen Hand ein hu 笏 (auch huban 笏板 oder shouban 手板), eine lange, schmale Bambustafel, die von Beamten bei Audienzen benutzt wurde. Die Gesichtszüge sind wenig asiatisch, besonders auffällig ist der üppige Vollbart.

Die Bibliothek entspricht der in Europa vertrauten Form, die dargestellten Bücher sind dicke, auf Bünde geheftete, in Leder gebundene Folianten, die teils in den Regalen stehen, teils liegen. Chinesische Bücher wirken auf den europäischen Betrachter weniger beeindruckend und wenig repräsentativ – es sind überwiegend kleinere Formate/Hefte in der seit dem 16. Jh. verwendeten sog. “Japanbindung” (xianzhuang 綫裝). Da die Hefte weiche Einbände haben, werden werden mehrere Hefte in einem steifen Umschlag (einfacher Wickel-Umschlag oder Schachteln – jeweils mit Knebelverschlüssen) zusammengefasst.

Auf dem Giebel wird diese Bibliothek bezeichnet – in Schriftzeichen 國學, mit Transkription ‘qúĕ hiŏ’ (guoxue) und Übersetzung “Gymnasium Imperii”. Hinter der Figur des Kong Qiu sind an einem langen Tisch Schreiber an der Arbeit. Einzelne Regalböden sind beschriftet, auf den Brettern in Transkription, über den Büchern ‘schweben’ Schriftzeichen.

Links von oben nach unten:

  • 書經 Xu-Kim  (Shūjīng - “Buch der Urkunden”)
  • 春秋 Chun Cieu (Chūnqiū – “Frühlings- und Herbst-Annalen)
  • 大學 ta hio (Dàxué – “Das große Lernen”)
  • 中庸 chum yum (Zhōngyóng – “Mitte und Map”)
  • 論語 Lun yu (Lùnyǔ – “Gespräche”)

Rechts von oben nach unten:

  • 禮記 Li Ki (Lǐjì – “Aufzeichnungen über die Riten”)
  • 易經 Ye Kim (Yìjīng – “Buch der Wandlungen”)
  • 繋辭  Hi Cu (Xici – “Abhandlungen zu den Urteilen”)
  • 詩經 Xi Kim (Shījīng – “Buch der Lieder”)
  • 孟子 mem cu (Mèngzǐ – “Menzius”)

Von dem erst in der Han-Zeit entstandenen Xici abgesehen, sind das die Sìshū Wŭjīng 四書五經, die “Vier Bücher und Fünf Klassiker”, vor 300 v. Chr. entstandenen Texte, die den konfuzianischen Kanon bilden.[3]

Unterhalb der Bücherregale stehen jeweils neun dreieckige Gedenktafeln (páiwèi 神位) mit den Großjährigkeitsnamen (zi 字) von einigen Schülern des Kongzi[4], die teilweise in den Schraffuren fast untergehen – zu erkennen sind u.a. links (von vorne): 子魯 Zilu (i.e. Ran Ru 冉孺), 孟子 Mengzi, 子貢 Zigong (i.e.  Duanmu Ci 端木賜) und 子遲 Zichi (i.e. Fan Xu 樊須).

An der Rückwand, die zu einem Garten geöffnet scheint, stehen große Schrifzeichen, die – zusammen gelesen – einen Hinweis auf den Dargestellten geben: 仲尼天下先師 Zhong Ni, tianxia xianshi (“Zhongni, der erste Lehrer der Welt”). Zhongni 仲尼 war der Großjährigkeitsname (zi) des Kong Qiu, xianshi 先師 “erster Lehrer” ist eine häufige Bezeichnung für ihn.[5]

Statue des Kong Qiu im Beijing Kongmiao 北京孔庙 Foto: Georg Lehner 2011

Statue des Kong Qiu im Beijing Kongmiao  北京孔庙 (2011)
Foto: © Georg Lehner

Von den Schriftzeichen abgesehen, hat die Darstellung wenig ‘Chinesisches’ – und doch ähnelt diese wohl früheste Darstellung des ‘Konfuzius’ der auch heute noch in China vertrauten Darstellung des Kong Qiu.

 

  1. Zum Entstehungskontext und zur Veröffentlichung vgl. das Kapitel “Printing Confucius in Paris” in: Nicholas Dew: Orientalism in Louis XIV’s France (Oxford: Oxford University Press 2009) 205-233. Digitalisate von Confucius Sinarum Philosophus → Bibliotheca Sinica 2.0
  2. Es fehlt somit das vierte der Vier Bücher,  Mengzi 孟子 (“Mencius”) – die Übersetzung von Mengzi erschien 1711 in den Sinensis Imperii Libri Classici Sex des François Noël. Dazu David E. Mungello: “The First Complete Translation of the Confucian Four Books in the West”. In: International Symposium on Chines e-Western Interchange in Commemoration of the 400th Anniversary of the Arrival of Matteo Ricci, S.J. in China (Taipei 515-1983), vgl. Werner Lühmann, Konfuzius in Eutin. Confucius Sinarum Philosophus – Die früheste lateinsiche Übersetzung chinesischer Klassiker in der Eutiner Landesbibliothek (=Eutiner Bibliothekshefte 7, Eutin: Eutiner Landesbibliothek 2003) 45 f.
  3. Vier Bücher: Daxue 大學 (“Das große Lernen”), Lunyu 論語 (“Gespräche”), Zhongyong 中庸 (“Mitte und Maß”),  Mengzi 孟子 (“Mencius”); Fünf Klassiker: Shijing 詩經 (“Buch der Lieder”), Shujing 書經 (“Buch der Urkunden”), Liji  禮記 (“Aufzeichnungen über die Riten), Yijing 易經 (“Buch der Wandlungen”), Chunqiu 春秋 (“Frühlings- und Herbstannalen”).
  4. Nach Sima Qian hatte Kongzi Tausende von Schülern, doch nur 77 meisterten die Lehren, einige dieser Schüler werden in den Lunyu genannt.
  5. Lühmann (2003) 35 übersetzt “Der mittlere Ni”.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/607

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Ein Frontispiz sagt mehr als … (IV): Martino Martini, Novus Atlas Sinensis (1655)

Ferdinand Freiherr von Richthofen (1833–1905)[1] war voll des Lobes über Martino Martini, SJ (1614-1661)[2]:

In der That hat die ganze chinesische Missionsgeschichte des siebzehnten Jahrhunderts unter ihren hunderten von Sendboten einen einzigen Geographen aufzuweisen. Dies war Martin Martini, und er ist selbst während des achtzehnten Jahrhunderts nicht überboten, kaum erreicht worden. Nicht ein einziger Missionar vor und nach ihm hat so geflissentlich seine Zeit auf die Kenntnis des Landes verwendet, wie er.”[3]

Matini veröffentlichte 1655 seinen Novus Atlas Sinensis ((Zu den zahlreichen Ausgaben/Übersetzungen des Novus Atlas Sinensis s.  [Peter van der Krogt/Cornelis Koeman:]  Koeman’s atlantes Neerlandici. 2. The folio atlases published by Willem Jansz. Blaeu and Joan Blaeu. New ed., comp. by Peter van der Krogt   (‘t-Goy-Houten : HES Publ. 2000) pp. 295-315. Links zu einigen Digitalisaten → Bibliotheca Sinica 2.0.)). Das Werk enthält 17 Karten[4]und etwa 170 Seiten Beschreibungen. Richthofen meinte dazu:

Es ist die vollständigste geographische Originalbeschreibung von China, welche wir besitzen. Die Nachwelt hat wol über einzelne Gegenden sehr viel Besseres geliefert und auf compilatorischem Weg ist in unserer Zeit weit Vollständigeres über das ganze Land geschrieben worden; aber niemand hat Aehnliches in solcher Ausdehnung auf Grund eigener Beobachtungen gegeben, nicht weil es an reisenden Missionaren, sondern weil es unter denen, welche das Land in grösserem Umfang sahen, stets an Beobachtern der Natur gefehlt hat. Ueber die Beschreibung hinausgehend war Martini der erste, welcher nicht nur eine eingermassen correcte Gesammtkarte von China, sondern einen Atlas von Provincialkarten veröffentlicht hat.  Allerdings sind sie nicht das Resultat eigener Aufnahmen, sondern beruhen, wie Martini offen zugesteht, auf chinesischen Originalen. Aber auch diese waren längst den Missionaren zugänglich gewesen, jedoch nicht von ihnen benutzt worden, und Martini ist der Vater der geographischen Kenntnisse von China geworden, indem er den Atlas herausgab. Auch wäre wol dazu kaum ein Anderer fähig gewesen; denn man musste die chinesischen Karten verstehen, um sie in geeigneter Weise verwerthen und berichtigen zu können, und dazu wiederum in erster Linie Geograph sein und das Land aus eigener Anschauung kennen.[5]

Martini: Novus Atlas Sinensis

Novus Atlas Sinensis. By Martino Martini [Public domain], via Wikimedia Commons Ttitelversion 2:26B

Martini benutzte für seinen Atlas chinesisch Quellen, darunter eine Kopie eines (Manuskript)Atlas des Zhu Siben 朱思本 (kompiliert 1311/12) mit Anmerkungen aus dem Guangyutu 廣與圖 des Luo Hongxian 羅洪先 von 1555. Der Atlas, der bei Blaeu in fünf Sprachen – Latein, Französisch, Niederländisch, Deutsch und Spanischj – erschien, enthielt:

  • ein Vorwort mit Erläuterungen Martinis zur Arbeit mit den chinesischen Quellen
  • eine Karte von China (in den Grenzen der Ming-Zeit)
  • Beschreibungen jeder der 15 Provinzen, jeweils mit einer Karte der jeweiligen Provinz)
  • eine Beschreibung von Japan mit einer Karte
  • einen “Catalogus Longitudinum ec Latitudinum” (Liste von Orten mit geographischen Koordinaten)
  • ein Supplement “De Regno Catayo Additamentum Iacobus Golius Lectori”
  • “De Bello Tartarico Historia”, die Beschreibung der Eroberung Chinas durch die Mandschuren, die zuerst 1654 in Antwerpen erschienen war, ergänzt durch einen Brief von Francisco Brancaro, datiert Shanghai, 14.11.1651.

UB Heidelberg

Blaeu, Willem Janszoon; Blaeu, Joan ; Blaeu, Joan [Hrsg.]; Martini, Martino [Hrsg.]; Golius, Jacobus [Hrsg.]: Novvs Atlas, Das ist, Weltbeschreibung: Mit schönen newen außführlichen Land-Taffeln in Kupffer gestochen, vnd an den Tag gegeben: Novus Atlas Sinensis Das ist ausfuhrliche Beschreibung des grossen Reichs Sina ([Amsterdam], [1655])
UB Heidelberg (Lizenz: Creative Commons-Lizenz cc-BY-NC-SA) | Titelversion 2:26A

 

 

Er erschien separat und wurde als sechster Band dem Theatrum Orbis Terrarum beigefügt, unterschieden nur durch den Titelkupfer. Später wurde der Novus Atlas Sinensis mit anderen Texten und Karten zu Asien zu Band 10 des Atlas Maior verbunden.

Die einzelnen Ausgaben[6] unterscheiden sich in der Aufmachung , in vielen Fällen fehlt ein Titelblatt i.e.S. und es gibt ‘nur’ einen Titelkupfer in zwei Variationen. Die Version 2:26A hat ein leeres Feld für den (Reihen-)Titel, die Version 2:26B ist ein ‘typischer’ Titel der jesuitischen China-Literatur.[7]

Gemeinsam ist beiden Versionen, dass auf dem Titel wenig Chinesisches zu sehen ist: Die Putti im Vordergrund halten eine Karte von China hoch, der Globus, mit dem die Gruppe im Vordergrund in der Mitte spielt, zeigt ganz Ostasien.

Titel und Widmung sind in die geöffnete Tür rechts im Bild eingefügt – wobei unklar bleibt, auf welcher Seite dieser Tür zu China sich der Betrachter befindet …

  1. Zur Biographie: Uta Lindgren: „Richthofen, Ferdinand Paul Wilhelm Dieprand Freiherr von“, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 543-544 [Onlinefassung]; URL: http://www.deutsche-biographie.de/pnd118745085.html.
  2. “Martin Martini” in: Louis Pfister: Notices biographiques et bibliographiques sur les jésuites de l’ancienne mission de Chine (1552-1773) Tome I, XVIe et XVIIe siècles (Shanghaï: Impr. de la Mission catholique 1932) 256-262.
  3. Ferdinand Richthofen: China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien. Bd. 1 (Berlin: Reimer 1877) 674
  4. Scans: National Library of Australia
  5. Ferdinand Richthofen: China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien. Bd. 1 (Berlin: Reimer 1877) 676
  6. Übersicht: [Peter van der Krogt/Cornelis Koeman:]  Koeman’s atlantes Neerlandici. 2. The folio atlases published by Willem Jansz. Blaeu and Joan Blaeu. New ed., comp. by Peter van der Krogt   (‘t-Goy-Houten : HESPubl. 2000) pp. 295-315.
  7. Zu den Versionen: Koeman, Atlantes Neerlandici. 2, 296.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/448

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