Es lebt sich so schön fremdbestimmt

malewitsch-suprematismusEin Beitrag zur Blogparade „Human Resources / Fremd- Selbstbestimmung in unserer Arbeitswelt“ des Lenbachhauses.

Leben Sie selbstbestimmt? Oder würden Sie Ihr Leben und Arbeiten als fremdbestimmt bezeichnen?

Für alle, die Selbstbestimmung für sich in Anspruch nehmen, wage ich zu behaupten, dass ihr Leben und ihre Arbeit zu einem unvermutet großen Teil fremdbestimmt sind. Wie das?

Thomas Sattelberger, Arbeitsexperte, sagt in einem sehr aufschlussreichen und sehr lesenswerten Interview: „Wenn heutzutage über Mitarbeiter in Unternehmen geredet wird, wird immer noch von „Personalkörper“ gesprochen, von „Belegschaften“ oder „Beschäftigten“, allesamt so schreckliche Passivkonstruktionen…“.

Er gibt zu bedenken, dass wir an Formulierungen wie „er wird beschäftigt“ oder „ er nimmt sich Arbeit“ gewöhnt sind. Dabei sollten wir doch einmal darüber nachdenken, dass der Mensch seine Arbeitskraft gibt. Sein Wissen zur Verfügung stellt. Das ist eine weitaus aktivere Sichtweise auf Mitarbeiter.

Hier möchte ich auf die Individualpsychologie nach Alfred Adler hinweisen. Für Adler ist der Menschen ein Individuum und unteilbares Ganzes. Er sieht Denken, Fühlen und Handeln als Einheit (im Gegensatz zu Freud, bei dem sich Teile der Persönlichkeit eines Menschen gegenseitig bekämpfen). Ganz zentral ist bei Adler die Aussage, dass ich als Mensch für mein Handeln eigenverantwortlich bin. Ich kann mein Denken, Fühlen und Handeln ändern. Ich muss mich nicht als Spielball fühlen. Ich muss nicht unter ungünstigen Arbeitsbedingungen leiden. Ich muss nicht meine Kinder schlagen. Ich muss nicht meine Mitarbeiter zusammenbrüllen. Ich muss nicht unter einem neurotischen Chef leiden. Ich muss nicht stehlen….

„Was??“ fragen Sie vielleicht. „Aber die äußeren Umstände! In dieser Situation kann man nicht anders!“

Wirklich nicht?

Es ist doch sehr leicht, Verantwortung auf andere zu schieben: „Sie reizen mich…sie sind dumm … die anderen haben Schuld“. Argumentationen dieser Art sind uns so vertraut, dass wir sie nicht anzweifeln, sondern schon eher den Gedanken ungeheuerlich finden, wonach wir selbst verantwortlich für unser Denken, Fühlen und Handeln sind: für unseren Ärger, Wut, Verzweiflung, Angst, Einsamkeit, Hilflosigkeit usw.

Da kommen ein paar Prinzipien sehr gelegen: „… das ist halt so…das wurde schon immer so gemacht“. Aber wer darin denkt, „wird gedacht“. Da sind wir wieder im Passiv. Aktiv wäre: etwas zu hinterfragen oder in Zweifel zu ziehen. Selbst denken: Da beginnen Selbstverantwortung und Selbstbestimmung. Da beginnt Veränderung. Da beginnt Sinn.

Und wo Sinn ist, haben Chaos und Irritation, Auslöser für psychische Probleme und Burnout, keinen Platz. Unter diesen Auswirkungen leiden die Menschen zunehmend und besonders der Begriff des Burnouts ist in letzter Zeit häufig in den Medien zu finden. Wie bereits erwähnt: dem ist niemand ausgeliefert. Selbst denken und für sich Verantwortung zu übernehmen sind wichtige Schritte für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten. Die Kernaussage meines Beitrags zu dieser Blogparade möchte ich in dem Satz zusammenfassen:

„Ich bin selbstverantwortlich für ein selbstbestimmtes Leben und Arbeiten.“

 

Bild: “Suprematismus”, von Kasimir Malewitsch, 1915, St. Petersburg / Russisches Museum. Digitale Quelle: www.artigo.org

Quelle: http://games.hypotheses.org/1643

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Die Auswirkung des Lustprinzips auf Crowdsourcing

wasserfallDie Überschrift könnte suggerieren, dass es sich bei dem Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung um einen reinen Spaßfaktor handelt. Den ganzen Tag Lachen und Freude – im Ernst, das wäre für jeden zuviel und ist so nicht gemeint.

 

Über- und Unterforderung

Worum es eigentlich geht, ist die Herausforderung, die für den Einzelnen weder zu leicht noch zu schwierig sein sollte. Über- und Unterforderung bedeutet Stress. Im Extremfall kann man bei quantitativer Überforderung in den Burnout geraten. Das leuchtet ein. Aber Unterforderung soll Stress sein? Jawohl! Diese Form der Unterforderung, wird mit Boreout bezeichnet. Menschen, die an ihrem Arbeitsplatz nicht genügend zu tun haben oder zu leichte Aufgaben zu bewältigen haben, leiden unter denselben Stresssymptomen wie die, die sich vor zuviel Arbeit nicht retten können. Das klingt paradox. Aber Fehler kann man machen, weil der Arbeitsanfall einfach zu groß ist und Zeitdruck besteht, oder weil man die Arbeit völlig lustlos mit einem gähnenden Gefühl der Langeweile erledigen soll. Bei beiden Formen kann es zu Persönlichkeitsveränderungen kommen, die z.B. in einer Depression enden können. (Es gibt noch weitere Auswirkungen, aber ich möchte nicht zu detailliert auf diese beiden Krankheitsbilder eingehen.)

Das ideale Anforderungsniveau

Ideal ist deshalb eine Aufgabe, die fordert, ohne zu über- oder zu unterfordern. Ist man dann ganz bei der Sache, also nicht mit sich selbst sondern den Dingen um sich herum beschäftigt, kann es zum Flow kommen. In diesem Zustand vergisst man die Zeit und erlebt ein Gefühl großer Sorgenfreiheit, weil sich unser Bewusstsein mit unserem Tun verbindet. Ein Grund dafür ist unsere Aufmerksamkeit: Sie wird auf ein begrenztes Reizumfeld fokussiert. Arbeitsergebnisse werden unwichtig. Auch das ist verständlich: würde man bei der Bearbeitung einer Aufgabe ständig daran denken, ein ganz bestimmtes Ergebnis erzielen zu müssen, würde man sein eigenes Handeln stärker kontrollieren. Csikszentmihalyi beschreibt das treffend wie folgt: „Was gewöhnlich im Flow verlorengeht, ist nicht die Bewußtheit des eigenen Körpers oder der Körperfunktionen, sondern lediglich das Selbst-Konstrukt, die vermittelnde Größe, welche wir zwischen Stimulus und Reaktion einzuschieben lernen.“

Gamification und Flow

Gamification, die Anreicherung einer Anwendung mit Features, die diese zu einem Spiel machen, ist derzeit ein großes Thema. Sicher ist es so, dass durch den Spielspaß die Anwendung eine höhere Attraktivität erhalten soll. Dadurch bleiben die Nutzer etwas länger bei der Stange. ARTigo ist hier als Beispiel für eine gamifizierte Crowdsourcing-Anwendung zu nennen. Ziel ist es, Tags für die Verschlagwortung der Bilddatenbank zu erhalten. Und „Verschlagwortung“ hört sich nicht gerade sexy an. Also warum nicht ein Spiel daraus machen?

Gamification und Flow gehören aber nicht zwangsläufig zusammen. Sicher kommt es durch Gamifizierung, wie etwa der Jagd nach Punkten durch eine Wettkampfsituation – vielleicht noch Zeitdruck – zu einer gewissen inneren Spannung beim Nutzer. Und möglicherweise kommt er dadurch in den Flow. Aber weit wichtiger als eine Wettkampfsituation ist das Anspruchsniveau der Aufgabe. Dies zeigt die folgende Rangfolge, in der Csikszentmihalyi 8 Gründe beschreibt, die „Aktivität erfreulich machen“. Untersucht wurden dabei Kletterer, Komponisten, Tänzer, Schachspieler und Basketballspieler:

  1. Lust an der Aktivität und an der Anwendung von Können,
  2. die Aktivität selber: das Muster, die Handlung, die darin liegende „Welt“,
  3. Entwicklung persönlicher Fähigkeiten und Fertigkeiten,
  4. Freundschaft, Kameradschaft,
  5. Wettbewerb, sich mit anderen messen,
  6. sich an eigenen Idealen messen,
  7. Ausleben von Gefühlen,
  8. Prestige, Achtung, Ruhm.

Am wichtigsten ist also die Aufgabe selbst, erst danach auf Platz 4, wird das Erleben von Gemeinschaft und auf Platz 5 die Wettbewerbssituation als attraktiv empfunden. Prestige und Ruhm, extrinsische Faktoren, liegen auf dem letzten Platz.

Die Gefahr von zuviel Flow: Sucht

Flow enthält Suchtpotential: Durch Gewöhnung kann man davon abhängig werden, so dass der Alltag daneben grau und eintönig wirkt. Bei zu starker Spezialisierung können Personen nur bei bestimmten Aufgabenstellungen in den Flow kommen. Alles andere wird als langweilig empfunden. Das ist durchaus bedenklich, denn Sucht setzt eine Abwärtsspirale in Gang. Wer hier an süchtige Computerspieler denkt, liegt nicht falsch. Aber auch ganz ehrenwerte berufliche Tätigkeiten beinhalten ein flowbasiertes Suchtpotential. Csikszentmihalyi hat hierzu Chirurgen befragt. Sie verglichen die Tätigkeit des Operierens mit einem Rausch. Einer der Befragten erzählte, wie er nach vielen Jahren ohne Ferien mit seiner Frau in den Urlaub fuhr. Bereits nach zwei Tagen, die beide mit Besichtigungen zugebracht hatte, fühlte er sich ruhelos und meldete sich beim örtlichen Krankenhaus. Den Rest seines Urlaubs verbrachte er mit Operieren.

Spaß bei der Arbeit ist das eine. Aber wenn sie zur Sucht wird, können die daraus resultierenden Folgen wie Alkoholismus, Familienzerrüttung und Selbstmord Leben gefährden und zerstören.

Was bedeutet das vorher Gesagte für Crowdsourcing?

  • Zunächst einmal sollte das ideale Anforderungsniveau beachtet werden. Eine Anwendung, die langweilt oder die Anwender überfordert, führt zu niedrigen Nutzerzahlen. Und wer es einmal ausprobiert hat und abgesprungen ist, kommt so schnell nicht wieder.
  • Ideal wäre, wenn der Anwender etwas lernen kann. Seine Fähigkeiten und Fertigkeiten verbessern kann, wie es ja weiter oben in der Aufzählung heißt.
  • Gamifizierung bietet die Möglichkeit, die Anwendung für die Nutzer erfreulich und genussvoll gestalten zu können. Aber: Eine Gamifizierung ist nicht alleiniger Garant für eine gelungene Anwendung.
  • Auch die Umsetzung des Gemeinschaftsgedankens ist ein Beitrag, eine Crowdsourcing-Anwendung attraktiv zu gestalten.
  • Die Umsetzung des Wettbewerbsgedankens ist ebenfalls ein gutes Element.
  • Wenn die Anwendung die Emotionen der Anwender anspricht, dann ist das ebenfalls ein Baustein für den Erfolg.

Deutlich wird hierbei, dass nicht ein Feature allein die Anwendung erfolgreich macht, sondern es auf eine gut abgestimmte Komposition ankommt.

Weitere Artikel dieser Serie:

  1. Auftakt zur Artikelreihe: Was macht Crowdsourcing erfolgreich?
  2. Crowdsourcing: Definition und Prozessbeschreibung
  3. Die Auswirkung von Kontrolle und Orientierung auf Crowdsourcing
  4. Die Auswirkung von Gemeinschaft auf Crowdsourcing
  5. Die Auswirkung von Selbstwerterhöhung auf Crowdsourcing
  6. Die Auswirkung von Lustgewinn und Unlustvermeidung auf Crowdsourcing

Literatur:

Csikszentmihalyi, Mihaly: Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile: im Tun aufgehen. Stuttgart 2000, 8. Auflage

Bild: „Eine Tour zu den japanischen Wasserfällen“ von Katsushika Hokusai, 1833-34, Honolulu, Honolulu Academy of Arts. Digitale Quelle: www.artigo.org

Quelle: http://games.hypotheses.org/1550

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Die Auswirkung des Selbstwertes auf Crowdsourcing

MeissonierHaben Sie schon einmal jemanden von Ihrem neuen Vorhaben erzählt und Ihr Gesprächspartner hat abgewunken und gleich mehrere Einwände gehabt? Vorher waren Sie euphorisch, danach völlig ernüchtert? Folge: Sie werden mit diesem Menschen so schnell nicht wieder über neue Pläne sprechen. Möglicherweise werden Sie in Zukunft eher versuchen, ihn zu meiden.

Können Sie sich noch an die Rückgabe der Klausuren in der Schule erinnern? Als sie in absteigender Reihenfolge zurückgegeben wurden? Die guten zu erst und dann die immer schlechteren. Haben Sie auch einmal als einer der letzten Ihre Klausur zurückerhalten? Wie haben Sie sich dabei gefühlt? Folge: Schlechte Noten verursachen Angst. Mit Angst kann man nicht lernen, das hat die Neuropsychologie festgestellt. Aber leider wird hieraus schnell eine Spirale, die sich schnell nach unten dreht: Schlechte Noten, Beschämung in der Schule durch den Lehrer (beispielsweise die o.g. Prozedur der Rückgabe), Eltern schimpfen. Wollen das Beste. Streichen den nachmittäglichen Sport:“ Ab jetzt gibt es kein Fußball mehr: Du gehst jetzt zur Nachhilfe.“ Mehr Stress. Es wird immer enger. Mehr Angst. Die Wahrscheinlichkeit, in Zukunft bessere Noten zu schreiben, sinkt. Einsatz von Psychopharmaka. Selbstwert im Keller. Eine mögliche Strategie des schlechten Schülers: Zusammenschluss mit anderen schlechten Schülern. In der Clique wird der größte Schmarrn gemacht. Eltern und Lehrer schimpfen (weiterer Selbstwertverlust), aber innerhalb der Gruppe der Schlechten geben sie sich dafür Anerkennung (Selbstwerterhöhung).

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie mit der Bedienung eines Gerätes oder einer Software nicht zurechtkommen. Alle anderen scheinen es zu können, nur Sie nicht. Komisch oder? Folge: Sie benutzen die Software nicht mehr. Sie bitten jemand anderen, es für sich zu tun:“ Ich kann das nicht. Ich bin viel zu ungeschickt dazu“. Falls es sich um Hardware handelt: Sie kaufen sich ein anderes Gerät.

Sozialpsychologisch kann das mit dem Attributionsfehler erklärt werden: Im Hinblick einer den Selbstwert schützenden Funktion neigen wir dazu, eigene Erfolge uns selbst, Misserfolge externen Ereignissen zuzuschreiben. Fatalerweise suchen wir aber gerade im Umgang mit dem Computer Fehler in der Bedienung bei uns selbst. Don Norman beschreibt das Phänomen wie folgt: „Ich beobachte oft, wie Menschen im Umgang mit mechanischen Geräten, Lichtschaltern und Sicherungen, Computer-Betriebssystemen und Textverarbeitungsanlagen, sogar Flugzeugen und Kernkraftwerken Fehler machen – manchmal gravierende. Unweigerlich haben die Leute ein schlechtes Gewissen und versuchen entweder, den Fehler zu vertuschen, oder sie klagen sich selbst an wegen „Dummheit“ oder Tolpatschigkeit“. Ich habe es oft schwer, die Erlaubnis zum Zuschauen zu erhalten. Niemand läßt gern einen anderen zusehen, wie er sich „dumm“ anstellt. Ich weise darauf hin, daß es sich um ein fehlerhaftes Design handelt und daß andere denselben Fehler machen. Aber wenn die Aufgabe einfach oder trivial erscheint, dann suchen die Leute die Schuld bei sich! Es ist, als ob sie auf perverse Weise stolz darauf wären, sich selbst für mechanisch inkompetent zu halten.“

Beispiel Arbeitsplatz

Belohnung ist etwas Positives und stärkt den Selbstwert. Wie werden Mitarbeiter in Unternehmen belohnt? – Mit Gehaltserhöhungen, Prämien oder Boni. Man weiß heute, dass die positive Wirkung einer zusätzlichen Geldleistung durch den Arbeitgeber nur kurz anhält und sich der Angestellte sehr schnell daran gewöhnt. Der Normalzustand ist bald wieder erreicht. Dabei gibt es eine Möglichkeit, Mitarbeiter zu guter Leistung anzuspornen, die gratis ist: Wertschätzung. Das ist sogar Beraterfirmen wie McKinsey bekannt. Die drei besten „noncash motivators“ sind demnach: Lob und Anerkennung durch den direkten Vorgesetzten, Aufmerksamkeit, sowie die Möglichkeit, Projekte in Eigenverantwortung ausführen zu können.

Das sind nur ein paar wenige Beispiele, aus denen hervorgehen dürfte, dass wir Menschen die Bestrebung haben, unseren Selbstwert zu erhöhen. Diese Situationen suchen wir. Situationen, in denen ein Selbstwertverlust droht, versuchen wir zu vermeiden. Und zwar immer, überall und jederzeit. Das kann man auch mit Crowdsourcing in Bezug setzen:

Crowdsourcing und der Selbstwert

Internetbasiertes Crowdsourcing ist technologiegestützt und basiert auf der freiwilligen Teilnahme der Nutzer. Zugegeben, die folgenden Features stützen häufig mehrere der vier genannten Bedürfnisse. Ich betrachte Sie aber hier hauptsächlich unter dem Aspekt des Selbstwertes. Die Aufzählung erhebt nicht den Anspruch, vollzählig zu sein; sie soll einen Denkanstoß und ein Gefühl dafür vermitteln, mit welchen Features der Selbstwert innerhalb einer Crowdsourcing-Anwendung angesprochen wird:

  • Eine fehlerfrei funktionierende sowie intuitiv und leicht zu bedienende Anwendung. Das hört sich banal an. Wer aber keine bugfreie und einfache Anwendung hinkriegt, darf sich alle weiteren Überlegungen sparen, denn der Nutzer kann mit einem einzigen Klick jederzeit abspringen.
  • Stellt die Plattform ein Diskussionsforum zur Verfügung, dann muss hier auf eine gute Netiquette und auf Fairness Wert gelegt werden.
  • „Nonfinancial motivators“, also Anerkennung. Bei ARTigo wäre das die Einladung eines besonders fleißigen Taggers durch den Museumsdirektor.
  • Feedback über den Betrag der Hilfeleistung des Nutzers.
  • Aufmerksamkeit: Bei Problemstellungen vielleicht ein Interview mit dem Nutzer, der die Lösung entdeckt hat. Wie ist er darauf gekommen? Etc.
  • Verteilungsgerechtigkeit: besonders bei Crowdsourcing-Initiativen, die von Unternehmen ausgehen, muss den Teilnehmern vermittelt werden, ob sie die Teilnahme als Ausbeutung oder faires Geschäft sehen.
  • Prozessgerechtigkeit: Wie fühlen sich Teilnehmer behandelt? Fühlen sie sich wichtig genommen und wertgeschätzt? Oder eher bedeutungslos? Auch dieser Eindruck entscheidet über die Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme an einem Crowdsourcing-Projekt.
  • Wieviel Sinn vermittelt die Tätigkeit? Nach Martin Seligmann geht man einer sinnhaften Beschäftigung um ihrer selbst willen nach. Da kann kommen was will, man bleibt dabei. Zudem trägt Sinn direkt zum Wohlbefinden bei. Das hat wiederum positive Auswirkungen, u.a. auf den Selbstwert.

Fazit:

Das Bestreben nach Erhöhung des Selbstwertes und Vermeidung von Selbstwertverlust begleitet uns auch bei der Arbeit am und mit dem Computer. Nutzer legen ihren Selbstwert nicht vor dem Schreibtisch nieder (und auch nicht die weiteren Bedürfnisse, um die es in dieser Artikelreihe geht). Programmierern ist das meist gar nicht erst bekannt. Es gibt an den Unis zwar den Bereich der Human Computer Interaction (HCI), der lehrt, wie man menschengerechte Software herstellt, aber die Masse der angehenden Software-Entwickler verfügt hier – wenn überhaupt – nur über rudimentäres Basiswissen, was eindeutig nicht ausreicht.

Mit HCI allein ist es aber nicht getan: Der Nutzer möchte ernst genommen werden, ein freundlicher, wertschätzender Umgangston in Foren ist ein absolutes Muss. Für eine Umgebung, in der sich der Nutzer wohl fühlt, damit er seine Kenntnisse und Fähigkeiten in das Crowdsourcing einbringen kann, braucht es Mitarbeiter, die mit Erfahrung und Fingerspitzengefühl eine solche Umgebung zu schaffen vermögen.

Weitere Artikel dieser Serie:

  1. Auftakt zur Artikelreihe: Was macht Crowdsourcing erfolgreich?
  2. Crowdsourcing: Definition und Prozessbeschreibung
  3. Die Auswirkung von Kontrolle und Orientierung auf Crowdsourcing
  4. Die Auswirkung von Gemeinschaft auf Crowdsourcing
  5. Die Auswirkung von Selbstwerterhöhung auf Crowdsourcing
  6. Die Auswirkung von Lustgewinn und Unlustvermeidung auf Crowdsourcing

Bild: “Le rieur” von Ernest Meissonier, 1865, Compiègne/Musée National du Château de Compiègne et Musée du Second Empire. Digitale Quelle: www.artigo.org

Quelle: http://games.hypotheses.org/1539

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Projektskizze: “Wütende Gemeinschaften. Die Kultivierung von Emotionen in der Musikkultur von Punk bis Grunge”

Mit dem Aufkommen der Punkmusik und -kultur Mitte der siebziger Jahre erhielt ein neues Phänomen Einzug in die Geschichte der Populärmusik: öffentlich zur Schau gestellte und intensiv ausgelebte Wut. Davon ausgehend lässt sich eine Entwicklung musikalischer Stilrichtungen erkennen, in denen das Transportieren und teils extrovertierte Ausleben ablehnender, anklagender Emotionen unerlässlicher, wenn nicht zentraler Bestandteil ist. Die Entstehung von Punk markiert damit, nicht allein musikhistorisch, einen Wendepunkt, von dem aus sich bis heute eine Vielzahl von Genres und KünstlerInnen der expressiven Darstellung von Wut, Zorn oder Hass als zentralem Element ihres Schaffens widmen (bspw. Punk, Hardcore, Heavy Metal oder Grunge).

Zusammenhängend mit der Entwicklung einer „wütenden Musikkultur“ bildeten und bilden sich Gemeinschaften, die auf verschiedene Weise und in verschiedenen Kontexten mit einer Vielzahl von Praktiken mit Musik und KünstlerInnen interagieren. Dabei ist davon auszugehen, dass in den Konstitutionsprozessen dieser Gemeinschaften, beispielsweise in Peer‐Groups, Emotionen eine tragende Rolle zukommt – unabhängig davon, ob sie situativen Charakter wie bei Konzerten haben oder langfristige Beziehungen darstellen. Die nähere Untersuchung dieses Zusammenspiels von Musik, Emotionen und Gemeinschaft im Kontext einer „wütenden Musikkultur“ in Deutschland und Großbritannien stellt den zentralen Aspekt dieses Projekts dar.

Empirisch richtet sich der Fokus des Projekts vor allem auf Selbsterzeugnisse der zu untersuchenden Szenen, darunter Fanzines, Interviews, Musikvideos oder Performances. Anhand der Identifizierung und Analyse von szenespezifischen Praktiken und Diskursen soll untersucht werden, wie bestimmte Formen von Emotionalität in diesen (sub-)kulturellen Kontexten geprägt beziehungweise hervorgebracht werden und welche Rolle diese Emotionen bei der Konstitution von Gemeinschaften spielen. Das theoretische Fundament der Arbeit bilden vor allem Auseinandersetzungen mit Fragen der Subjektivierung und neuere Ansätze der historischen Emotionsforschung.

Die zentralen Fragestellungen des Projekts lauten:

Wie wird aufgrund der musikalischen und performativen (Re‐)Präsentation von wütenden Emotionen die Entstehung von (emotionalen) Gemeinschaften initiiert? Welche Rolle spielen andere Emotionen, die im assoziativen Umfeld von Wut rangieren (Aggressivität, Hass, Zorn etc.) bei der Konstruktion von Gemeinschaften im Kontext einer „wütenden Musikkultur“?

Das Dissertationsprojekt wird im Rahmen der Forschungsgruppe “Gefühlte Gemeinschaften? Emotionen im Musikleben Europas” am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung bearbeitet. Betreuer sind Dr. Sven-Oliver Müller (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung) und PD Dr. Jochen Bonz (Universität Bremen).

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/428

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Motivation durch Belohnung?

Unser Gehirn reagiert auf Belohnungen. Allerdings anders, als wir uns das gemeinhin vorstellen. Ein Satz wie: „Wenn du das und das tust, bekommst du 5 Euro“ bewirkt in der Regel eher das Gegenteil von dem, was man erreichen möchte. Und da sind wir schon beim Punkt. Eine Belohnung dafür auszusetzen, damit jemand etwas tut, was man gerne von ihm möchte, funktioniert nicht wirklich.

Hierzu gibt es viele und große Studien. Beispielhaft möchte ich zunächst folgende Studie von Lepper, Greene und Nisbett (1973) aufführen: Vorschulkinder, die gerne malten und zeichneten, wurden in drei Gruppen eingeteilt. Der ersten Gruppe wurde eine Belohnung fürs Malen und Zeichnen versprochen. Der zweiten Gruppe wurde nichts versprochen, sie erhielt nach dem Malen eine unerwartete Belohnung. Der dritten Gruppe wurde nichts versprochen und erhielten auch nichts. Zwei Wochen später sollten die Kinder erneut malen und zeichnen. Dabei stellte man fest, dass die Kinder der ersten Gruppe weniger Zeit dafür aufwendeten als die Kinder der zweiten und dritten Gruppe, die sich nur wenig unterschieden. Außerdem wurden die Bilder nach vorher festgelegten Kriterien beurteilt. Die Bewertung ergab, dass das qualitative Ergebnis der Kinder der ersten Gruppe unter dem der anderen beiden Gruppen lag.

Aus Studien wie dieser kann man schließen, dass erwünschtes Verhalten aufgrund von extrinsischer Belohnung abnehmen kann. Ja, eine Tätigkeit, die vorher Spaß machte, wird dadurch verdorben. Warum ist das so? Wir Menschen sind grundsätzlich motiviert. Wären wir das nicht, würde es uns nicht geben. Eine Tätigkeit, die wir gerne machen, und für die wir plötzlich eine materielle Verstärkung erhalten, muss wohl ziemlich blöd sein, wenn es dafür schon Geld gibt. Also machen wir das fortan nicht mehr (oder weniger).

Durch weitere Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Art der Belohnung von Bedeutung ist. Materielle Belohnungen wie Geld korrumpieren und wirken sich auf intrinsische Motivation negativ aus. Dagegen wirkt sich Lob verstärkend aus. Demnach ist verbale extrinsische Verstärkung geeignet, ein bestimmtes Verhalten zu fördern.

Genauso haben Boni eher eine negative als positive Wirkung. Die Leistung ist bei einem hohen Bonus im Vergleich zu mittleren und eher niedrigeren Boni am schlechtesten, weil ein hoher Bonus den Druck erhöht. Dadurch nimmt die Risikobereitschaft zu und die Leistung ab.

Außerdem wurde gezeigt, dass ein hoher Bonus nur bei einfachen mechanischer Tätigkeit einen positiven Effekt hat, während sich bei geistigen Tätigkeiten ein geringerer Bonus positiv auswirkt.

Richtig zu motivieren ist gar nicht so leicht, wie man sehen kann. Tom Sawyer brachte seine Freunde dazu, für ihn den Zaun zu streichen, indem er herausstellte, wie viel Spaß es mache und welche Ehre es sei. Spaß und Ehre, wer will das nicht? Für den 30 Meter langen Zaun seiner Tante Polly hat es gereicht. Ob solch eine Methode allerdings dauerhaft funktionieren würde, ist fraglich.

Siehe auch Manfred Spitzer bei BR-alpha: http://www.br.de/fernsehen/br-alpha/sendungen/geist-und-gehirn/geist-gehirn-belohnung100.html

Quelle: http://games.hypotheses.org/318

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Warum finden wir ein Bild schön?

Wir alle verfügen über innere Bilder. Wenn wir an etwas denken, erscheint es häufig vor unserem inneren Auge, begleitet von angenehmen oder weniger angenehmen Gefühlen oder Gedanken.

Unsere innere Bilderwelt besteht zunächst aus dem Selbstbild, das wir von unserer eigenen Person haben, dann aus dem Menschenbild, das wir von den anderen um uns herum haben, und schließlich ist das Weltbild zu nennen, das wir von den größeren Zusammenhängen, in denen wir uns bewegen und leben, haben [1].

Wie entstehen diese Bilder in uns? Sie entwickeln sich aus Erfahrungen, die wir in unserem Leben machen. Das beginnt schon im Mutterleib mit den ersten Tast- und Geschmackserfahrungen. Richtig viele Erfahrungen sammeln wir dann nach der Geburt. Tut uns etwas gut, dann wollen wir das wiederholen und nochmal machen. Mögen wir etwas nicht, dann weigern wir uns und lehnen es ab. Das ist individuell verschieden, denn jeder hat seine eigenen Erfahrungen und damit seine eigenen Bilder. Indem wir etwas ablehnen und wiederholen, bewerten wir die Dinge und Bilder in uns. Bewerten heißt auch, dass wir sie mit einem Gefühl belegen. Somit sind alle Bilder automatisch bewertet und mit Emotionen verknüpft [2].

Ich frage mich, was das Gemälde eines Künstlers anderes als ein inneres Bild ist? Natürlich wurde aus diesem inneren ein äußeres Bild, indem es der Maler auf die Leinwand aufbrachte, sonst könnten wir es ja nicht sehen. Wobei sein inneres Bild nicht das Motiv selbst, sondern die Wahl des solchen ist. Dazu kommen der Pinselstrich und die Farbwahl, also der Ausdruck. Wenn zehn Maler vor demselben Motiv stehen und es malen, dann kommen zehn verschiedene Bilder dabei heraus: zehn verschiedene gemalte innere Bilder.

Beim Betrachten von Bildern in einem Museum begegnen sich die innere Bilderwelt des Künstlers und die innere Bilderwelt des Betrachters. Je nachdem, welche Berührungspunkte beide Bilderwelten haben, werden Gefühle im Betrachter geweckt, wie z.B. Freude, Ergriffenheit, Bewunderung oder Ablehnung und Irritation. Diese Berührungspunkte sind der Knackpunkt: Sie entscheiden nicht nur über Gefallen und Nichtgefallen, sondern auch über den Grad der Emotion, den wir beim Anschauen eines Gemäldes empfinden. Das ist meine Erklärung, warum wir ein Bild schön finden. Wobei meine Erklärung auch ein Bild ist.

[1] Gerald Hüther: Die Macht der inneren Bilder. Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Göttingen 2011

[2] Manfred Spitzer: Das Wahre, Schöne, Gute. Brücken zwischen Geist und Gehirn, Stuttgart 2009

Quelle: http://games.hypotheses.org/47

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