„Mitunter kamen die lateinischen Weisheiten ihm bequem.“ So Golo Mann in seiner Wallenstein-Biographie über den Protagonisten (S. 408). Und tatsächlich findet man über das gesamte Werk verteilt immer wieder Zitate aus der Korrespondenz des Feldherrn, in der entsprechende Sentenzen auftauchen. „Amor et dominium non patitur socium“, räsonnierte Wallenstein über die damaligen Machtkonstellationen, besonders mit Blick auf Schweden. „Fronte capillata est, post haec occasio calva“ war sein warnender Satz an die Vertreter Stralsunds, den Widerstand gegen die kaiserliche Belagerungsarmee nicht mehr allzu lange aufrecht zu halten. Was ist nun mit diesen lateinischen Sprüchen anzufangen?
Für den Biographen Mann bietet es zunächst die Möglichkeit, eine weitere Facette der Persönlichkeit Wallensteins zu beleuchten. Der oft als dämonisch, kalt und berechnend dargestellte Feldherr hatte eben auch seine Schrullen, und dazu gehörte offenbar die Eigenheit, den alltäglichen Schriftverkehr mit ein wenig Bildungssubstrat zu unterfüttern. Wallenstein hatte, wie es sich für einen Adligen gehörte, ein wenig studiert und auch eine Cavalierstour absolviert, die ihn bis Italien geführt hatte. Gleichwohl wird man ihm sicher nicht gerecht, wollte man in dieser Manier nur ein Protzen mit angelernten lateinischen Sprüchen sehen. Natürlich war er im Kreise der Reichsfürsten ein Emporkömmling, doch seine Akzeptanz konnte und wollte er mit diesen Latinismen nicht erhöhen. Vielmehr tat der Herzog von Friedland das, was allgemein verbreitet war: Lateinische Einsprengsel finden sich in der Korrespondenz des 17. Jahrhunderts allenthalben.
Daß die Kanzleien dieser Zeit längst von Schreibern bevölkert waren, die eine solide Ausbildung genossen hatten, dabei nicht nur in der klassischen Literatur bewandert waren, sondern auch Latein als Idiom der Gelehrten beherrschten, ist keine Neuigkeit. Hier fällt aber auf, daß auch im Schriftverkehr der Militärs lateinische Sentenzen häufig auftauchten. Natürlich waren die Offiziere ganz überwiegend Herren von Stand, und viele von ihnen hatten ähnlich wie Wallenstein eine gewisse Bildung genossen. Doch die Feldkorrespondenz, die im Alltag des Kriegs entstand und ihn reflektierte, bot kaum Anlaß für geistige Feinsinnigkeiten. Das hinderte die Offiziere nicht, in ihren Schriftstücken immer wieder lateinische Versatzstücke einzuflechten. Dies gilt auch für einen Kommandeur wie Pappenheim, dessen Bild in der Literatur vor allem das des draufgängerischen Kavalleristen ist. (Vor einiger Zeit hab ich einmal die andere, gelehrte Seite Pappenheims nachzuzeichnen versucht.)
Über diese gelehrten Anflüge einiger Militärs hinaus ist aber auch zu beobachten, wie sehr die Briefschaften in diesen Jahren von lateinischen Ausdrücken und Halbsätzen geprägt waren. Für Philologen und Germanisten nicht überraschend, doch frage ich mich, inwieweit nicht auch Historiker aus dieser Beobachtung Erkenntnisse ableiten können. Lassen sich bestimmte Wendungen häufig erkennen? Aus welchen literarischen oder lexikalischen Bereichen sind diese Latinismen entnommen: vor allem aus der Jurisprudenz, der Theologie, der Geschichtsschreibung oder auch der Dichtung? Und gibt es bestimmte thematische Kontexte, in denen derartige Versatzstücke auftauchen? Mir selbst sind keine Arbeiten dazu bekannt (vielleicht habe ich Forschungen übersehen?), aber mir erscheint die Mühe lohnenswert, Untersuchungen in dieser Richtung voranzutreiben.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/142