Ausstellung „Barbara Klemm. Fotografien 1968 – 2013“

Cover Ausstellunskatalog
Barbara Klemm bei der Verleihung des Max Beckmann-Preis im Februar 2010 in der Paulskirche Frankfurt. Foto: Dontworry/commons.wikimedia.org (CC)

Barbara Klemm bei der Verleihung des Max Beckmann-Preis im Februar 2010 in der Paulskirche Frankfurt.
Foto: Dontworry/commons.wikimedia.org (CC)

Seit dem 16. November 2013 ist im Martin-Gropius-Bau die Ausstellung „Barbara Klemm. Fotografien 1968 – 2013“ zu bewundern. Die von der renommierten Fotografin eigens konzipierte retrospektive Werkschau ihres Schaffens kann noch bis zum 9. März gesehen werden und sei dem interessierten Publikum somit wärmstens empfohlen.

Barbara Klemm zählt sicherlich zu den bedeutendsten Fotojournalisten der Bundesrepublik. Mehr als 40 Jahre war sie für die FAZ tätig und viele ihrer Aufnahmen sind mittlerweile wichtige zeithistorische Dokumente. Ihr wohl berühmtestes Foto entstand 1973 in Bonn und zeigt Leonid Breschnew und Willy Brand während eines Gespräches, umgeben von Beratern, Dolmetschern und Presseleuten. Der erste offizielle Besuch eines sowjetischen Staatschefs in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg war ein Meilenstein im Annährungsprozess von Ost und West, und Barbara Klemm macht den Betrachter zum Zeugen dieser Szene. Ein weiteres Belegexemplar für den besonderen Instinkt der Fotografin zeigt einen jungen Mann mit Bauarbeiterhelm auf einer Demonstration vor der Frankfurter Universität 1969. Dass dieser Demonstrant 30 Jahre später einmal deutscher Außenminister sein würde, konnte Klemm damals natürlich nicht wissen. Nichtsdestotrotz stellt dieses Foto heute eine einmalige historische Quelle dar.

Die Ausstellung umfasst etwa 300 Exponate aus fünf Jahrzehnten und setzt 1968 ein. Barbara Klemms Spektrum reicht von politischen Ereignissen, über Alltagssituationen aus aller Welt bis hin zu eindrucksvollen Porträts berühmter Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur. Dabei treibt die Fotografin weniger die Sensationslust oder die Jagd nach dem ultimativen Schnappschuss an, als vielmehr Neugier und Gespür für den einen ausdrucksstarken Moment, der ein Foto einzigartig macht. Damit gehört Barbara Klemm zu den wenigen Vertretern ihres Metiers, die aus dem Fotojournalismus ihre eigene Kunst entwickelt haben.

 

Eine Rezension der Ausstellung und des Katalogs „Barbara Klemm, Fotografien 1968–2013“. Mit Beiträgen von Durs Grünbein und Hans-Michael Koetzle, Wädenswill 2013, von Philipp Springer,  findet sich auf H-Soz-u-Kult, kurze Filmsequenzen zur Fotografin und ihrem Werk können auf YouTube angeschaut werden:

arte Journal, Barbara Klemm, Bilder aus fünf Jahrzehnten

Barbara Klemm – Leica Hall of Fame Award 2012

Deutsche Welle , Die Fotografin Barbara Klemm | euromaxx

Städel Museum, Kunst nach 1945: Barbara Klemm

 

 

 

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/02/13/ausstellung-barbara-klemm-fotografien-1968-2013/

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Meta geht immer

Nicht-Bloggen ist ein selbstverstärkender Prozess, habe ich gemerkt. Je länger man die Finger vom Bloggen lässt, desto schwieriger wird es, wieder damit anzufangen. Da meine Blogpause jetzt schon fast ein halbes Jahr andauert, ergreife ich hier vielleicht den letzten Strohhalm, überhaupt nochmal ins Geschäft zu kommen, indem ich über das nicht-Bloggen schreibe.

Es ist ja nicht so, als wenn ich es nicht versucht hätte. Ein paar Themen waren mir schon eingefallen, zwei Posts hatte ich sogar schon relativ weit ausformuliert. Warum es dennoch nicht funktioniert hat, weiß ich nicht recht. Möglicherweise liegt es daran, dass man die Sicherheit verliert, wenn man eine Zeit lang ausgesetzt hat. Ist das überhaupt relevant, was ich da schreibe? Habe ich tatsächlich genug Wissen über das Thema zusammengetragen? Müsste ich mich nicht noch eingehender informieren, bevor ich mich öffentlich dazu äußere? Ist das nicht total langweilig, wie ich die Sache angegangen bin? Wo steckt der Clou? Ich brauche noch einen Clou!

Beim Twittern hatte ich ein ähnliches Erlebnis – nachdem ich mich für eine Weile etwas zurückgezogen hatte, musste ich auch erst wieder langsam hineinfinden. Und so ist auch hier meine Hoffnung, dass alles wieder gut wird. Ich habe nämlich mal gerne gebloggt. Und hiermit vielleicht den ersten Schritt in eine güldene Blogzukunft getan. Und jetzt schnell auf “veröffentlichen” klicken, bevor die Zweifel zu stark werden. :)

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/1018

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Listening to Gain Knowledge

Podcasts have become a really easy way to gain new knowledge, and to hear experts speaking on their topic of choice without having to leave home.

For all, interested in hearing something new, here are some of my favorites:

Stimmen der Kulturwissenschaften – a podcast in German, where scholars of cultural studies talk about their projects

In Our Time (with Melvyn Bragg) – a BBC 4 radio weekly podcast, where Melvyn Bragg discusses with usually three guests any topic you can imagine

The JuntoCast – a monthly podcast about Early American history

And let’s not forget all the treasures you can find on ITunesU – I particular enjoy this course on Early Modern England as well as this course on European Civilization 1648-1945.

What are your favorites?

Quelle: http://csarti.net/2014/02/listening-to-gain-knowledge/

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Vorträge zur Ausstellung “Baustelle Gotik” in Freiburg

Anlässlich des 500-jährigen Jubiläums der Chorweihe der Weihe des Hochchors des Freiburger Münsters findet derzeit in Freiburg die Ausstellung Baustelle Gotik statt. Das gemeinsame Projekt von Augustinermuseum, Münsterbauhütte und dem Museum für Stadtgeschichte will “Mittelalterliches Bauen in allen Facetten – von der Planung über die Organisation bis hin zur technischen Realisierung und Finanzierung” erfahrbar machen. Dazu werden Exponate aus den Städtischen Sammlungen, der Münsterbauhütte und auswärtige Leihgaben im Augustinermuseum ausgestellt, im Museum für Stadtgeschichte wird die Rezeption des Münsters vom 16. Jahrhundert bis heute thematisiert und am Chor des Münsters sind Tafeln angebracht, die Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen am Bauwerk vorstellen.Blick_in_die_Ausstellung_1

Neben zahlreichen thematischen Führungen wird die Ausstellung auch durch eine kleine Vortragsreihe begleitet (Flyer des Begleitprogramms), die vom Freundeskreis Augustinermuseum organisiert wird.

In deren Rahmen finden die folgenden vier Vorträge statt. Die Kosten betragen jeweils 10 € und schließen den Ausstellungsbesuch mit ein.

Do 13.2., 18.30-20.30 Uhr
Die mittelalterlichen Planzeichnungen des Freiburger Münsterturms
Prof. Dr. Hans W. Hubert, Kunstgeschichtliches Institut der Universität Freiburg

Do 13.3., 18.30-20.30 Uhr
Internationale Vernetzung und Technologietransfer. Die mittelalterlichen Bauhütten
und ihre Technik
Prof. Dr. Barbara Schock-Werner, Dombaumeisterin a.D., Köln

Do 24.4., 18.30-20.30 Uhr
Das Freiburger Münster als Universitätskirche
Prof. Dr. Dieter Speck, Universitätsarchiv und Uniseum Freiburg

Do 22.5., 18.30-20.30 Uhr
Hans Niesenberger von Graz. Baumeister am Freiburger Münsterchor
Dr. Anne-Christine Brehm, Fakultät für Architektur am Karlsruher Institut
für Technologie.

Spannend wird sicher gleich der erste Vortrag, der auch auf die Frage eingehen dürfte, wer als Baumeister des Freiburger Münsterturms zu gelten hat. Der Karlsruher Architekturhistoriker Johann Josef Böker hat wahrscheinlich zu machen versucht, dass Erwin von Steinbach, Ende des 13. Jahrhunderts Werkmeister am Straßburger Münster, auch den Freiburger Turm entworfen hat (vgl. Artikel in der Badischen Zeitung). Bereits auf einer Tagung zum Freiburger Münster im Jahr 2010 wurde diese These heftig diskutiert und kritisiert.

Blick_in_die_Ausstellung

Weitere Vorträge zum Freiburger Münsterturm gab es dieses Jahr in der Freiburger Samstagsuni. Zahlreiche dieser Vorträge sind mittlerweile als Podcast verfügbar, darunter der Vortrag vom Schweizer Kunsthistoriker Peter Kurmann über Langhaus und Turm des Freiburger Münsters und von Peter Kalchthaler über das Werden der Ausstellung Baustelle Gotik.

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Update: Das Augustinermuseum hat uns freundlicherweise zwei Bilder der Ausstellung zur Verfügung gestellt

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/278

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Hot Property, Cool Storage, Grey Literature

 

Are you still listening to the promises that interconnectedness would abolish all hierarchies, that that mythical entity, “The Web,” would dissolve all boundaries, providing everything for everyone, a promised digital realm within immediate reach? All one had to do, so the claim went, was to be creative yet highly disciplined, and permanently online with everyone else, all of us using the new, smart programmes. 

 

“A single liquid fabric of interconnected words and ideas”

This is the sermon of the digital revolution that has been preached for almost thirty years—in manifold forms, persistently couched in the same phrases, no matter whether personal computers or the Web 2.0 are concerned, or indeed science communication. The old information elites were crumbling, a Californian counterculture manifesto proclaimed in 1988: “The kids are at the controls.” 1 The farewell to the private documents of the Gutenberg Galaxy, as Norbert Bolz asserted in 1993, was also a “a farewell to hierarchy, category, and sequence”2; all that counted now were “authorless texts, written while being read.” From the turn of the millenium, weblogs and discussion platforms were welcomed with the same fantasies of redemption. In an article about Google’s new digitisation projects, published in The New York Times in 2006, writer and Internet activist Kevin Kelly was perfectly sure that all texts, past and present, and in all languages, would within a few years be transformed into “a single liquid fabric of interconnected words and ideas” available to everyone, at any time, everywhere.3

Prophecy and Speaking in Tongues

What makes prophecies so readily exchangeable is that they come from the past. They are heavily contaminated with history, above all with religious vocabulary. Cyberspace thereby becomes a self-administered paradise, in which we feel nestled, at long last, in the community of believers. Cyberspace, we know, includes a speaking in tongues. The same is equally true of its gloomy alternatives: a digitally-induced end of the world, caused by stultification and distraction, a sinful flood of images and information overload. It seems far from simple to discuss the possibilities, limits, and constraints of the new channels without resorting to esoteric kitsch and pessimistic penitential sermons. Yet even a cursory glance back reveals that previous technologies were embraced with similar hopes. In 1912, Thomas Alva Edison prophesied that books would become superfluous in the future because films would convey all human knowledge. Alvin Toffler popularised the notion of information overload in 1970, in the age of the golf ball typewriter; a few years earlier, writing about the photocopier, Marshall McLuhan had cheerfully trumpeted that authors were now their own publishers.4

Science Communication, Self-Managed

The photocopier, as a cheap reproduction technology, had brought forth new forms of communication in the sciences between the late 1960s and the early 1980s. Today, these forms are called “grey literature”: informal micro-publications, self-typed and stapled brochures, documentation and manifestoes published in small print runs, from a few dozen to several hundred copies depending on the context and the occasion. Some of these publications became regularly appearing journals and periodicals whereas most, however, were very short-lived. Contemporary historians are familiar with these bodies of material: it is hardly possible to write the history of protest movements (and universities) in the second half of the twentieth century without recourse to these sources. And yet their sheer mention makes university archivists knit their brows: produced on cheap material, designed for ready use, these collections present documentalists with a highly practical problem: disintegration. “Grey literature,” with its unruly diversity, its ultra-small print runs, and its relentless transformation, was not only a medium of communication but also one of disappearance. In the age of blogs, discussion platforms, and social media, this sounds familiar. Curiously, “grey literature” remains unmentioned in discussions on the future of scientific publishing, even though it was intimately related both to the communities of prosumers, who were authors and readers at one and the same time, and to serious scientific articles and books. The message for those seeking the immediate precursors of the digital channels in the sciences, with their topical, informal, and tentative references: here they are.

A Revolution Gone Grey

The lesson learned? Well, the new media provide no redemption, nor do they spell the end of the world. Fast digital transmission channels, and their constant refinement, do not abolish their slow, analog, paper-bound precursors. Never before have printed articles and books been as necessary as today, as filters for attaining stable outcomes: highly frequented “hot” media of digital communication—such as this one—support and promote “cooler” storage, which ensures longer storability and shelf life. Hence constant reference to print publications is made in digital formats. The same can be said of online scientific publications, as of every usable Wikipedia entry. And really good blogs become—books. Hello, digital revolution: is there anyone out there? Only collected volumes, as we all know, are read by no one. And yet they continue to multiply.

 

 

References

  • Groebner, Valentin. Wissenschaftssprache digital: Die Zukunft von gestern (Constance: Constance University Press, 2014) [forthcoming].
  • idem. “Nach der Megabit-Bombe,” Mittelweg 36 22 (2013) 4, pp. 29-37.
  • idem. Wissenschaftssprache: Eine Gebrauchsanweisung (Constance: Constance University Press, 2012).

External Links

 


Image credits
© Andreas Kiener (http://andreaskiener.ch) 2013, with the kind support of Data Quest AG (http://www.dataquest.ch)

Translation (from German)
by Kyburz&Peck, English Language Projects (www.englishprojects.ch)

Recommended citation
Groebner, Valentin: Hot Property, Cool Storage, Grey Literature. In: Public History Weekly 2 (2014) 6, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-1413.

Copyright (c) 2014 by Oldenbourg Verlag and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

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Heißes Zeug, kühle Speicher, graue Literatur

 

Können Sie sie noch hören, die Verheißungen von der Abschaffung aller Hierarchien durch die Vernetzung? Auflösung aller Grenzen, alles für alle, das gelobte Land Digitalien in unmittelbarer Reichweite: Wenn wir nur kreativ genug sind, aber hoch diszipliniert, und mit den neuen smarten Programmen andauernd zusammen mit allen anderen online.

 

“A single liquid fabric of interconnected words and ideas”

Das ist die Predigt von der digitalen Revolution, die seit fast dreißig Jahren wiederholt wird – in unterschiedlichen Formen, aber mit den gleichen Vokabeln, egal ob es um Personalcomputer geht oder um das Web 2.0, und um Wissenschaftskommunikation sowieso. Die alten Informationseliten seien dem Untergang geweiht, verkündete 1988 ein kalifornisches Gegenkultur-Manifest: “The kids are at the controls.”1 Der Abschied von den privaten Dokumenten der Gutenberg-Galaxis, so Norbert Bolz 1993, sei auch ein “Abschied von Hierarchie, Kategorie und Sequenz”2; jetzt zählten nur noch die “autorenlosen Texte, die sich gleichsam im Lesen schreiben”. Weblogs und Diskussionsplattformen sind von der Jahrtausendwende an mit den gleichen Erlösungsfantasien begrüßt worden. Und Kevin Kelly, Publizist und Netzaktivist, war sich 2006 ganz sicher: Alle Texte der Welt aus Vergangenheit und Gegenwart und in allen Sprachen, schrieb er in der “New York Times” über Googles neue Digitalisierungsprojekte, würden binnen weniger Jahre “in a single liquid fabric of interconnected words and ideas” verwandelt und allen zur Verfügung stehen, jederzeit und überall.3

Prophetie und Zungenreden

Die Prophezeiungen sind deswegen so austauschbar, weil sie aus der Vergangenheit kommen. Sie sind schwer kontaminiert mit Geschichte, und zwar mit religiösem Vokabular. Der Cyberspace wird dabei zum selbstverwalteten Paradies, in dem man endlich geborgen sein wird in der Gemeinde der Gläubigen, Zungenreden inbegriffen. Dasselbe gilt für ihre düsteren Varianten: Digitaler Weltuntergang durch Verdummung und Zerstreuung, durch sündhafte Bilderflut und information overload. Offenbar ist es gar nicht so einfach, ohne esoterischen Kitsch und pessimistische Bußpredigten über die Möglichkeiten, Grenzen und Zwänge der neuen Kanäle zu reden. Dabei zeigt schon ein kurzer Blick zurück, dass ältere Technologien mit ähnlichen Hoffnungen begrüßt worden sind. Thomas Alva Edison hat 1912 prophezeit, Bücher würden in Zukunft ohnehin überflüssig, weil alles menschliche Wissens durch Filme vermittelt werden würde. Den Begriff information overload hat Alvin Toffler 1970 populär gemacht, im Zeitalter der Kugelkopfschreibmaschine; und Marshall McLuhan hat angesichts des Fotokopierers noch ein paar Jahre früher vergnügt trompetet, ab jetzt sei jeder Autor sein eigener Verleger.4

Wissenschaftskommunikation selbstorganisiert

Der Kopierer als billige Vervielfältigungstechnik hat aber zwischen den ausgehenden 1960ern und den späten 1980ern tatsächlich neue Formen von Wissenschaftskommunikation entstehen lassen. Sie werden heute “graue Literatur” genannt: Informelle Mikropublikationen, selbst abgetippte und geheftete Broschüren, Dokumentationen und Manifeste in kleinen Auflagen; je nach Kontext und Anlass zwischen wenigen Dutzend und einigen hundert Stück. Einige dieser Publikationen wurden zu regelmäßig erscheinenden Zeitschriften; die allermeisten waren extrem kurzlebig. Zeithistorikern sind diese Bestände gut vertraut: Die Geschichte der Protestbewegungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (und der Universitäten) ist ohne Rückgriff auf diese Quellen kaum zu schreiben. Ihre bloße Erwähnung lässt aber auf der Stirn von Universitätsarchivaren interessante Falten erscheinen: Auf billigen Materialien zu raschem Gebrauch produziert, sind sie heute vor allem ein dokumentarisches Problem – sie zerfallen. Die “graue Literatur” mit ihrer wilden Vielfalt, den Kleinstauflagen und ihrer ununterbrochenen Veränderung war nicht nur ein Medium der Kommunikation, sondern auch eines des Verschwindens. Im Zeitalter von Blogs, Diskussionsplattformen und sozialen Medien klingt das vertraut. Merkwürdigerweise wird die “graue Literatur” nirgends erwähnt, wenn es um die Zukunft des wissenschaftlichen Publizierens geht. Dabei war sie aber eng an die Gemeinschaften von prosumers gekoppelt, die Autoren und Leser in einer Person waren, und ernsthaften wissenschaftlichen Aufsätzen und Büchern oft eng verbunden. Wer für die digitalen Kanäle im wissenschaftlichen Bereich mit ihren Bezügen auf Aktuelles, Informelles und Provisorisches und dem oft polemischen Tonfall direkte Vorläufer sucht: Hier sind sie.

Ergraute Revolution

Lektion? Keine Erlösung durch die neuen Medien, und auch kein Weltuntergang. Die schnellen digitalen Übertragungskanäle mit ihrem ununterbrochenen Aufdatieren schaffen ihre langsamen analogen Vorgänger auf Papier nicht ab, im Gegenteil. Noch nie waren gedruckte Aufsätze und Bücher so notwendig wie heute, nämlich als Filter für stabile Resultate: Hochfrequente “heiße” Kommunikationsmedien – wie dieses hier – alimentieren und fördern “kühlere” Speicher mit längerer Haltbarkeit. Deswegen wird in den digitalen Formaten auch ununterbrochen auf Papierpublikationen verwiesen. Das gilt für wissenschaftliche Netzpublikationen ebenso wie für jeden brauchbaren Wikipedia-Eintrag. Und aus richtig guten Blogs werden – Bücher. Hallo, digitale Revolution, ist da jemand? Nur Sammelbände, das wissen wir, liest wirklich niemand. Trotzdem sind sie immer noch da.

 

Literatur

  • Groebner, Valentin: Wissenschaftssprache digital. Die Zukunft von gestern, Konstanz 2014 [im Druck].
  • ders.: Nach der Megabit-Bombe. In: Mittelweg 36 22 (2013) 4, S. 29-37.
  • ders.: Wissenschaftssprache. Eine Gebrauchsanweisung, Konstanz 2012.

Externe Links

 



Abbildungsnachweis
Per touchpad ins Paradies: Werbeplakat eines Computerladens auf dem Comic-Festival “Fumetto”, 2013 / © Andreas Kiener 2013, mit freundlicher Unterstützung der Firma Data Quest AG

Empfohlene Zitierweise
Groebner, Valentin: Heißes Zeug, kühle Speicher, graue Literatur. In: Public History Weekly 2 (2014) 6, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-1331.

Copyright (c) 2014 by Oldenbourg Verlag and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

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Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-6/heisses_zeug/

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aventinus interna Nr. 7 [12.02.2014]: Umfrage zur Konzeption und Ausrichtung von “aventinus. Studentische Publikationsplattform Geschichte”

Gegenwärtig befindet sich “aventinus” in einer Phase der Neuausrichtung, die sich nicht zuletzt durch die Etablierung der Mitteilungsreihe aventinus studiosa zeigt. Um diese Neuausrichtung möglichst nah an den Nutzern zu orientieren, bitten wir an dieser Stelle um Teilnahme an unserer Umfrage. http://bit.ly/1fhxrTj

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/02/4946/

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Die Institutsstreichungen in Leipzig: Zufall oder Folge einer wirtschaftsorientierten Hochschulpolitik?

In diesen Wochen ist der Protest über die Schließung von Klassischer Archäologie und Theaterwissenschaften an der Universität Leipzig laut. Am 20.1.2014 machte das Rektorat über eine Pressemeldung die Streichungen öffentlich. Natürlich werden die Kürzungen nachdrücklich bedauert, aber die schulterzuckende Alternativlosigkeit ist zwischen den Zeilen heraus zu lesen.

Neben diesen Sparmaßnahmen werden in der physikalischen Chemie noch 4 Stellen und insgesamt 12  Azubistellen gestrichen.

Natürlich müssen die öffentlichen Haushalte sparen und aus Sicht vieler Bundesländer sollen sich die Universitäten daran beteiligen. Dieser Zwang hat in den letzten 15 Jahren dafür gesorgt, dass der sogenannte akademische Mittelbau fast verschwunden ist und stattdessen befristet Beschäftigte mit Halbjahres- oder allerhöchstens Zweijahresverträgen Lehre, Forschung und zum Teil auch Verwaltung bestreiten.

Nach Schätzungen der GEW wird etwa ein Drittel der Lehre von Lehrbeauftragten übernommen. Lehre, die mit einer Aufwandsentschädigung von 1000 bis 1050 € im Semester! vergütet wird. Lehre zum Spottpreis.

Nun sind die Universitäten an einem Punkt, an dem ihnen keine Wahl bleibt, als ganze „Muskelgruppen“ zu amputieren. Ist das so? Oder haben die Verantwortlichen in Wissenschaftsministerien, Rektorenkonferenz, Wissenschaftsrat usw. nicht den Umbau des Wissenschaftsbetriebes so gesteuert, dass es auf solche Streichungen hinausläuft?

Schlagworte der Wissenschaftspolitik der letzten 15 Jahre waren „Leistungsfähigkeit“, „Wettbewerb“, „Zukunftsfähigkeit“, „Professionalisierung der Management- und Leitungsfunktionen“, sogar von „hoher volkswirtschaftlichen Rendite“ ist die Rede. [1] Das Problem ist, dass es Fächer gibt, die keine „volkswirtschaftliche Rendite“ versprechen.

Ebenfalls ein Schwerpunkt der letzten 15 Jahre Hochschulpolitik war die Fokussierung auf Drittmittelfinanzierung. Natürlich beteiligen sich Bund und Länder an der Mittelvergabe über Forschungsfördertöpfe usw., aber eine der größten Drittmittelgeber ist die deutsche Wirtschaft. So hat Frau von Schorlemer eine Pressemitteilung herausgegeben, in der sie bekannt gibt, dass der Freistaat Sachsen vom Institut der Deutschen Wirtschaft für seine Ingenieurs-Ausbildung gelobt wird. Und so wundert auch nicht, dass die TU-Dresden von den Sparmaßnahmen der Landesregierung ausgenommen wird.

Nun könnte man sagen, dass in Mitteldeutschland drei Institute für klassische Archäologie zu viel seien, schließlich werden dort Akademiker ausgebildet, die zu lange volkswirtschaftlich Unnötiges studieren und auf dem Arbeitsmarkt schwer vermittelbar sind. Also wäre es doch besser, wenn es weniger von solchen Lehrstühlen gäbe.

Die aktuellen Institutsstreichungen von klassischer Archäologie und Theaterwissenschaft sind nur konsequent, wenn man die Schwerpunktsetzung der  Hochschulpolitik der letzten 15 Jahre betrachtet.

Vom Humboldtschen Bildungsideal hat sich die deutsche Hochschulpolitik längst verabschiedet. Es wird allerdings gern auf Festakten zitiert, auf denen die Partner aus großen Unternehmen in der ersten Reihe sitzen. Das heißt, nicht dass sie dort nicht sitzen dürften, sondern nur, dass die Freiheit der Wissenschaft auch die Freiheit von Wirtschaftlichkeit und ökonomischen Interessen sein muss.

[1] Einen sehr guten Artikel dazu hat Felix Grigat verfasst, der auf academics.de erschienen ist.

Dazu siehe auch die “Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems” herausgegeben vom deutschen Wissenschaftsrat 2013.

Zur Petition des Deutschen Archäologen-Verbandes e.V.

Blindes Sparen nach dem Zufallsprinzip: Streichung der Klassischen Archäologie in Leipzig auf archaeologik

Kommentar zu den Zielvereinbarungen zwischen dem Rektorat und dem sächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst auf dem extra ins Leben gerufenen Protestblog ausgegraben

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/929

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Strategien der Herrschaftssicherung. Karl der Große und seine »Untertanen«

von Matthias Becher

Karl der Große entwickelte im Laufe seiner Regierungszeit immer weiter reichende Vorstellungen über sein Verhältnis zu seinen »Untertanen«. Zu Anfang setzte er eher auf die Loyalität der ihm ohnehin verbundenen Adelskreise und erreichte mit ihrer Hilfe seine ersten kriegerischen Erfolge. Mit zunehmender Zeit aber strebte er eine eindeutige Definition dieser Beziehung an. Als Reaktion auf den Aufstand des thüringischen Grafen Hardard forderte er 789 erstmals einen allgemeinen Treueid ein. Karls Kaiserkrönung führte zu einer neuen Vereidigung, und zwar auf das nomen Cesaris. Inspiriert von seiner neuen Stellung intensivierte er den Treuegedanken und verband ihn mit der angestrebten Reform seines Reiches. Er erwies sich damit als ein Herrscher, der nicht einfach nur mit seiner Stellung und seinem Titel zufrieden war, sondern auch sehr klare Vorstellung von der Regierung seines Reiches und der Stellung seiner Untertanen besaß.

Quelle: http://charlemagne.hypotheses.org/119

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Vom Essen und Trinken in China (III): China in der “Kulturgeschichte des Essens und Trinkens”

Die lose Serie zum Essen und Trinken in China kommt – nach einer allgemeinen Einleitung und einem Beitrag zu den Stäbchen – natürlich nicht an der “Kulturgeschichte des Essens und Trinkens”[1] von Gert von Paczensky und Anna Dünnebier vorbei. Bei der Lektüre wird man – anders als bei Werken, die sich ausschließlich der chinesischen Küche widmen[2] – schon von vornherein auf eine Fülle von Verbindungen, Parallelen und Ähnlichkeiten zwischen Entwicklungen in China und anderen Teilen der Welt aufmerksam gemacht. Im Zusammenhang mit “heißen” und “kalten” Speisen etwa (S. 539-541) wird auch auf ähnliche Theorien bei Hippokrates und bei dessen “neuzeitlichen” europäischen Nachfolgern eingegangen.

An mehreren Stellen des Buches ziehen die beiden Autoren zudem Parallelen zwischen den Entwicklungen und Leistungen der chinesischen und der französischen Küche/Kochkunst/Gastronomie: seien es die ältesten erhaltenen Herdstellen (Zhoukoudian bei Beijing und Terra Amata bei Nizza, jeweils eine halbe Million Jahre alt; vgl. S. 17), sei es im Zusammenhang mit ihrer Bewunderung für Paul Bocuse und die französische Gastronomie, “die auf ihrem höchsten Niveau allen anderen außer vielleicht der chinesischen überlegen ist” (S. 572). Auch die Pionierrolle beider Länder für die Enstehung von Restaurants wird vermerkt, wären diese doch “nur an zwei Stellen der Welt entstanden [...] in China im 10. und in Frankreich im 18. Jahrhundert” (S. 145; zu Restaurants in China auch S. 151-153).

Im Zusammenhang mit chinesischen Kochbüchern erwähnen die Autoren neben den Ausführungen des Liji 禮記 (d. i. “Buch der Riten”, S. 59)  unter anderem die von Yuan Mei 袁枚 (1716-1798) verfasste”Speiseliste des Gartens des Beliebens” (Suiyuan shipu 隨園食譜 beziehungsweise Suiyuan shidan 隨園食單)[3]

Dem Leser wird vor Augen geführt, dass es in China traditionell wenig Nahrungstabus gab (S. 309). Der Verzehr von Käse wurde lange Zeit abgelehnt, da man diesen als “verfaulte schleimige Absonderung aus den Eingeweiden eines Tieres” (S. 396) sah. Während festgehalten wird, dass in China und in Korea nach wie vor Hundefleisch gegessen wird (S. 555) und im südchinesischen Guangzhou “süße Käfer als Konfekt” (S. 558) gereicht werden, werden Ratten ausdrücklich im Zusammenhang mit “Notnahrung” erwähnt (S. 427). Ausführlich widmen sich die Autoren dem Thema Hunger – sowohl den Hungersnöten des kaiserlichen China (S. 408 f.) als auch der Hungerkatastrophe der Jahre 1959-1961, bei der “nicht weniger als 30 Millionen Menschen umgekommen sind.” (S. 442)

Die im 11. Jahrhundert erfolgte Einführung neuer Reissorten aus Südostasien, die statt einer nun zwei Ernten pro Jahr erlaubte, bezeichnen die Autoren als “grüne Revolution” (S. 472) – um die Zeitenwende hatte Reis als “das Getreide der Wohlhabenden” (S. 39) gegolten. Daran kann man auch die weite Verbreitung von Nudeln, (gefüllten) Teigtäschchen und -bällchen ermessen (S. 386). In diesem Zusammenhang räumen die beiden Autoren auch mit dem weitverbreiteten Irrtum auf, dass die Nudeln erst von Marco Polo nach Europa gebracht worden wären (S. 560 f.)

Die technischen Voraussetzungen für das Kochen – wie Herd und Wok (S. 383-386) – werden ebenso thematisiert wie Fragen der Etikette (S. 359-362, 369 und 378), die Veränderungen für die Esskultur durch die Einführung von Tischen und Stühlen anstelle der vorher benutzten Matten (S. 339 f.) sowie die Bedeutung der Essstäbchen (S. 348-351). Auch die Geschichte der Konservierung von Nahrungsmitteln wird von den Autoren erörtert. Seit der Antike waren auch in China während des Winters große Lager mit Eisblöcken angelegt worden, um dann während der warmen Jahreszeit verderbliche Speisen zumindest eine Zeitlang aufbewahren zu können (S. 392), auch chinesisches “Sauerkraut” (S. 131 und 398) wird wiederholt erwähnt. Die Bedeutung des Salzes für die kulinarische und kulturelle Tradition Chinas wird jedoch fast mit Stillschweigen übergangen – lediglich das im 11. Jahrhundert entwickelte Tiefbohrverfahren zur Gewinnung unterirdischer Salzlake wird erwähnt (S. 103).

Wie schon der Titel verrät, kommt natürlich auch das Trinken in diesem Band nicht zu kurz. Neben einer ausführlichen Würdigung des Tees (S. 518-529) wird wiederholt das Thema Alkohol und Alkoholkonsum angesprochen: Neben dem Hinweis, dass Ostasiaten jenes Gen fehle, das für den schnellen Abbau von Alkohol im Blut sorgt (S. 179), erfahren wir Näheres über die Bierkultur im traditionellen China (S. 196 und 200-202) und dass China “ein Sonderfall in der Weingeschichte” (S. 220) sei, da Weintrauben erst sehr spät für die Weinherstellung verwendet wurden. Dafür war das Angebot an Reisschnäpsen reichlich: für das 13. Jahrhundert sind für die damalige Hauptstadt, das heutige Hangzhou, 54 Varianten bezeugt. (S. 237)

Am Schluss dieser Nachlese soll einer der von den Autoren bemühten chinesischen Gewährsleute zu Wort kommen. Der Gelehrte, Literat und Kalligraph Huang Tingjan 黃庭堅 (1045-1105) mahnte bereits zu bewusster Ernährung: “Ißt man den ganzen Tag lang, ohne sich über die Herkunft der Speisen im Klaren zu sein, so ist man ein Dummkopf.” (S. 360)

  1. Gert von Paczensky, Anna Dünnebier: Kulturgeschichte des Essens und Trinkens (München: btb Taschenbuch, 1997 [zuerst München: Knaus 1994]). Vgl. dazu die “Stimmen zu “Leere Töpfe, volle Töpfe – die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens”
  2. Vgl. zuletzt etwa Thomas O. Höllmann: Schlafender Lotos – trunkenes Huhn. Kulturgeschichte der chinesischen Küche (München 2010).
  3. Suiyuan 隨園, der “Garten des Beliebens” in Nanjing war das Anwesen von Yuan Mei. Die Autoren verweisen auf: Wolfram Eberhard: Die chinesische Küche. Die Kochkunst des Herrn von Sui-yüan, Sinica, Jg. 1940, S. 190-228.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1017

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