Warum sollten Archive worüber wie bloggen? Oder: Die Herausführung der Archive aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit.

 

(Ein Beitrag zur Blogparade anlässlich des zweiten Geburtstages von siwiarchiv)

Natürlich ist es vermessen, für das Thema Archive und Bloggen einen der ganz großen Sätze der deutschen Geistesgeschichte zu bemühen. Einerseits. Andererseits lässt sich mit Blick auf den digitalen Auftritt der Archive durchaus eine selbstverschuldete Unmündigkeit von Kant’schen Dimensionen konstatieren: Unmündigkeit meint hier das Unvermögen, sich der immensen Möglichkeiten der digitalen Welt zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, weil die Ursache derselben nicht am Mangel der Möglichkeiten, sondern an der Entschließung und dem Mut liegt, sich dieser Medien zu bedienen. Wir erleben gegenwärtig einen derartig allumfassenden Medienbruch, wie er wohl zuletzt mit der Erfindung des Buchdrucks zu erleben gewesen war, aber so richtig ist das bei den Archiven nicht angekommen. Gut, die Mail hat weithin den Brief ersetzt und die Homepage (wenn auch keineswegs allerorten) die gedruckten Flyer und Beständeübersichten. Und die ganz Mutigen sind jetzt sogar schon bei Facebook dabei. Aber die Konzepte hinter diesen neuen, den sozialen Medien sind kaum einmal rezipiert, geschweige denn umgesetzt worden: Interaktivität, Kommunikation, Offenheit, Vernetzung. Archive haben es geschafft, ihren analogen Arbeits- und Denkstrukturen ein digitales Mäntlein umzuhängen ohne aber ihre Arbeit digital zu definieren. Das ist misslich, langfristig wird daran aber kein Weg vorbeiführen. Und allerspätestens dann wird es eine Basis in der digitalen Welt brauchen. Und an dieser Stelle kommt die obige Frage ins Spiel: Warum sollten Archive worüber wie bloggen?

Archive sollten bloggen, um wahrgenommen zu werden.

Archive sind wie schwarze Löcher. Man weiß wenig über sie. Das gilt für den Großteil der Bevölkerung, die in einem Archiv allenfalls eine bibliotheksähnliche Einrichtung mit alten Dokumenten in unzugänglichen Kellerräumen vermutet. Das gilt für Behörden, denen häufig genug nicht klar ist, dass ihre eigenen Altakten nicht in den Papiermüll, sondern in ein Archiv gehören. Das gilt selbst für fortgeschrittene Nutzer, die wohl eher das vorhandene Archivgut als quasi gottgegeben nutzen als die Überlieferungsbildung nachzuvollziehen. Alle diese Gruppen müssen Archive als hermetisch abgeschlossene Räume wahrnehmen, deren Innenleben ihnen nur soweit offenbart wird, wie es für das sporadische Miteinander unvermeidlich ist. Das gilt aber auch für die Archivarinnen und Archivare, also für die Fachöffentlichkeit. Natürlich nicht in dem Sinne, dass man nicht weiß, was Archive im Allgemeinen machen, sondern in dem Sinne, dass man nicht weiß, was denn die Archivarinnen und Archivare andernorts im Speziellen denn so machen. Ich habe als nordrhein-westfälischer Archivar keine Ahnung, was denn die Kolleginnen und Kollegen in, sagen wir, einem bayerischen Staatsarchiv oder einem mecklenburg-vorpommerischen Kommunalarchiv machen. Und das, obwohl ich mir sehr sicher bin, dass wir vielfach vor ähnlichen Fragen und gleichen Problemen stehen. Wir haben aber kein reguläres Medium, um unsere Fragen publik zu machen, unsere Überlegungen zu teilen, unsere Lösungen zu entwickeln. Selbst als Kollege kann ich nicht hinter die fensterlose Mauer schauen, mit der sich Archive nicht nur physisch umgeben. Ein Blog löst diese hermetische Abschottung auf. Mit einem Blog können Archive ihre Arbeit begleiten und transparent machen. In einem Blog könnte man – zumindest ausschnittsweise – verfolgen, was Archive umtreibt. Über ein Blog lassen sich Zielgruppen erreichen, die vielleicht Interesse an Arbeit und Beständen eines Archivs haben, gegenwärtig aber keine Informationen vermittelt bekommen. Archive sind einzigartige Einrichtungen am Schnittpunkt von Verwaltung, Kulturpflege und Wissenschaft und verfügen (nach Prantl) sogar über „Systemrelevanz“. Ihre Bedeutung steht und fällt mit ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Wahrgenommen aber wird man zunehmend über soziale Medien – und Blogs sind das soziale Medium schlechthin, um Inhalte in den digitalen Raum zu vermitteln.

Archive sollten bloggen, um digital sprachfähig zu sein.

Das Internet ist ein gigantischer universaler Diskursraum. Im Internet bewegen sich Millionen von Menschen, die über Millionen von Themen diskutieren. Natürlich gehört auch Geschichte dazu und damit sind auch Archive berührt. Partizipieren können Archive aber nicht an einer einzigen dieser Diskussionen. Archive sind nämlich digital nicht sprachfähig. Ihre einzige Möglichkeit, ihren Interessenten im virtuellen Raum etwas mitzuteilen, ist die Homepage – ein hierarchisches und statisches Medium, dessen Struktur jeglichen Kommunikationsakt auf das einseitige Verkünden sakrosankter Verlautbarungen reduziert. Eine Homepage ist damit für die Präsentation persistenter Informationen prädestiniert, etwa für E-Texte oder Online-Findmittel inkl. Digitalisate. Ein soziales Medium ist sie allerdings nicht, sie erlaubt kein Miteinander, keinen Austausch, keinen Diskurs. Will man mit seinen Nutzern in einen Dialog eintreten, so kann nicht die Homepage das Medium der Wahl sein, wohl aber das Blog. Ein Blog verkündet keine unveränderlichen Fundamentalinformationen, sondern ist Teil eines allgegenwärtigen kontinuierlichen Diskurses, etwa über archivische, historische und kulturelle Themen. Mit einem Blog kann ein Archiv aktuelle Arbeiten, markante Themen oder spezifische Probleme an einen interessierten Adressatenkreis vermitteln. Mit einem Blog macht ein Archiv ein Gesprächsangebot: Es berichtet von seinen Aufgaben und Projekten, die Nutzer reagieren auf die gebotenen Informationen. Blogbeiträge werden rezipiert und mit Blogbeiträgen andernorts beantwortet. Manches wird Zuspruch ernten, anderes Widerspruch. Nutzerinteressen werden ersichtlich, Nutzerressourcen erschlossen, Nutzerbindungen geschaffen. Ein Blog führt Archiv und Nutzer in einem gemeinsamen Diskursraum zusammen. Wo die Homepage der Balkon ist, von dem ein Ausrufer die wichtigsten Informationen verkündet, da ist das Blog der Tisch, an dem Gesprächspartner auf Augenhöhe zusammenfinden und über ihre Anliegen diskutieren.

Archive sollten bloggen, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Niemand kann ernsthaft annehmen, dass das Internet, das Social Web, das Semantic Web nur eine Zeiterscheinung sein werden. Ganz im Gegenteil: Digitalisierung und Virtualisierung werden weiter zunehmen. Geschehen wird das auch und gerade dort, wo Archive tätig sind: im Bereich der Informationsdienstleistung. So werden bereits in den nächsten Jahren Millionen von Digitalisaten online vorliegen und die Nutzung von Archiven auf eine neue Grundlage stellen. Nutzer werden Archiven zunehmend virtuell begegnen. Solche veränderten Nutzungsgewohnheiten werden aber auch neue Strukturen bedingen, um miteinander zu kommunizieren. Archive brauchen nicht nur leistungsfähige Präsentationsplattformen (z.B. Archivportale), sie brauchen auch Kommunikationskanäle, um ihren Nutzern begleitende Informationen näher zu bringen. Die sozialen Medien eignen sich wunderbar, um den Kontakt zwischen Archiven und Nutzern herzustellen. Manche von ihnen sorgen für die Vernetzung (z.B. Facebook, Twitter), andere aber transportieren die Inhalte, insbesondere nämlich Blogs. Wer dieses Prinzip heute nicht versteht, wird es schwer haben, morgen seine Adressaten zu erreichen. Dabei sind Blogs (wie auch allen anderen soziale Medien) keineswegs die Zukunft, sie sind bereits die Gegenwart. Zukunft sind sie lediglich für die deutschen Archive, die sich ihrer Möglichkeiten bis jetzt noch nicht gewahr worden sind. Gerade deshalb sind die Pioniere gar nicht genug zu loben, die einer konservativen Branche den Weg zu neuen Medien und Möglichkeiten bereiten – alles Gute, siwiarchiv, auf viele weiter Jahre!

Und natürlich: Sapere aude!

 

 

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1244

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Getty: Art & Architecture Thesaurus als Linked Open Data verfügbar

lod_getty_logoDas Getty Research Institut stellt seit Ende letzter Woche sein Vokabular zu Art & Architecture (AAT) als Linked Open Data zur Verfügung. Der Art & Architecture Thesaurus beinhaltet über 250,000 Begriffe zu Kunst- und Architekturgeschichte, Stilen und Techniken. Er steht unter der Open Data Commons Attribution License (ODC BY 1.0) und kann unter vocab.getty.edu heruntergeladen werden.
In den nächsten eineinhalb Jahren sollen die weiteren drei Getty-Thesauri als LOD folgen: The Getty Thesaurus of Geographic Names (TGN)®, The Union List of Artist Names®, and The Cultural Objects Name Authority (CONA)®

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3127

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„Was es weiter darin geben wird, muß die Zeit lehren“. Der rheinische Adlige Cornelius Joseph von Geyr kommentiert Napoleons Feldzug in Spanien


Archiv Burg Müddersheim, Akten, Nr. 35, Konvolut III, Band 5, pag. 49.

„[…] Nachdem der König von Portugal [Prinzregent Johann VI.] war nach Brasilien abgegangen, hat der große Kayser Bonaparte Portugal eingenohmen, auch eine Armee nach Madrit, wo Unruhen ausgebrochen waren, abgeschickt, wornach der alte und junge König von Spanien [Karl IV. und sein Sohn Ferdinand VII.] ihr Recht zur Krone dem Kayser Bonaparte abgetretten haben. Dieser ernante darauf seinen Bruder Joseph (bisheriger neuer König von Neapel, auf dessen Stelle der gnädige Murat, Schwager des Kaysers, König von Neapel wurde) zum König von Spanien. Die Spanier aber waren mit diesem nicht zufrieden. Es entstande eine Empörung in Spanien, und die Spanier schlugen die Frantzosen bis an ihre Grentze zurück. Hierauf sammelte Bonaparte im Herbst eine Armee von 4 bis 500 000 Mann und schluge die Spanier und Engländer, welche sich ihnen zugesellt und die Franzosen aus Portugal vertriben hatten, allenthalben; nahm Anfangs Dezember Madrid ein und triebe die Engeländer aus Spanien. Was es weiter darin geben wird, muß die Zeit lehren. […]“.

 

002_rechts_1808

Zur Quelle

Im Journal des Cornelius Joseph von Geyr wird der Eintrag für das Jahr 1808 von einem Ereignis bestimmt: Dem Krieg auf der Iberischen Halbinsel. In diesem langwierigen, zermürbenden und gewalttätigen Krieg erlebt die französische Armee ihre erste Niederlage zu Land – der Mythos ihrer Unbesiegbarkeit zerbricht. Napoleon selbst sah in dem missglückten Spanienfeldzug später die Hauptursache für den Niedergang des Empire.

 

Zitiert

Gudrun Gersmann, Hans-Werner Langbrandtner (Hg.), Im Banne Napoleons. Rheinischer Adel unter französischer Herrschaft. Ein Quellenlesebuch, Essen 2013 (Schriften der Vereinigten Adelsarchive im Rheinland e.V., 4), S. 140.

 

Quelle: http://naps.hypotheses.org/636

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zehn Fragen, zehn Antworten

Seit geraumer Zeit kursiert eine Web-Version des Kettenbriefs in der Blogosphäre. Tinowa warf heute zum ersten Mal ein solches Stöckchen in Form von zehn Fragen zu uns nach Fulda. Ausnahmsweise, und nur weil du es bist, liebe Tine, mache ich mit. Theoretisch kann ich mir danach neue Fragen ausdenken und diese an zehn andere Blogger weiterschicken. Bei der Theorie soll es aber auch bleiben. 1. Wie organisierst Du Dein Schreiben im Blog? Zuerst lege ich den Titel, die Kategorien, die Schlagworte und das Artikelbild […]

Quelle: http://medienbildung.hypotheses.org/5892

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Katholiken brauchen Differenz. Eine Erklärung für Matussek, Meisner und Mosebach

Nein, hier geht es nicht um die so dumme wie hitzige Diskussion, ob sich der WELT-Autor und papsttreue Intellektuelle Matthias Matussek zu Recht oder zu Unrecht sein neues Büro rosa anstreicht. Hier geht es um etwas Wichtiges: Um den Katholizismus und dessen drohenden Untergang. Um was auch sonst in diesem Blog, der sich mit der “Geburt” der ersten Katholiken auseinandersetzt? In der Tat liegen Leute wie Matussek und der Schriftsteller und Essayist Martin Mosebach (“Häresie der Formlosigkeit”) mit ihrer Kritik an den katholischen Reform- und Modernisierungsbestrebungen richtig. Nur völlig anders, als die beiden glauben. Katholizismus definiert sich über die Distinktion. Ohne die Kultur der permanenten Grenzziehung wäre er wahrscheinlich toleranter, demokratischer und jugendlicher. Ein begrüßenswertes Ziel der Kirchenreform! Doch fallen die alten Unterscheidungsmerkmale der Katholiken weg, hören sie auf, als solche zu existieren. Denn historisch gesehen sind nur diejenigen katholisch, die den Unterschied und ihre Alleinstellumgsmerkmale wortmächtig in die Welt (bzw. WELT) tragen. Was sagen Matussek und Mosebach, in deren Reihe man auch den ehemaligen Papst Benedikt XVI. oder Kardinal Meisner stellen kann? Sie beharren auf der bekannten und typisch katholischen Tradition in den Ritualen, in der Ausstattung des Sakralraums, in der kirchlichen Lebensethik. Sie warnen vor einer Angleichung an […]

Quelle: http://catholiccultures.hypotheses.org/1991

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Historische Speisekarten aus der Sammlung der Stadtbibliothek Dijon (Mittwochstipp 31)

Speisekarten sind zugegeben eine exotisch anmutende Quelle für Historiker. Seit ihrem Aufkommen im 19. Jahrhundert sind sie indes zu einer fast selbstverständlichen Begleiterscheinung bei privaten wie öffentlichen Festessen, Arbeitsessen oder Staatsempfängen geworden. Sie illustrieren damit nicht nur die Vielfalt der … Continue reading

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/2068

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Gesellschaftliche Aspekte der Informationstechnologie, Vorlesungsreihe Graz März/April/Mai 2014

http://tugtc.tugraz.at/wbtmaster/coursePublic.htm?706009 Die Vorträge von Wissenschaftlerhn verschiedener Fachrichtungen können im Internet mitverfolgt werden. Es werden diverse Aspekte der Interaktion von Gesellschaft und modernen Technologien beleuchtet, wobei das Spektrum von den Perspektiven des Web 4.0, dem Einsatz neuer Medien in afrikanischen Ländern, klassischen E-Learning-Themen bis zu gesellschaftskritischen Aspekten reicht. Via E-Learning-Blog [24.02.2014], http://elearningblog.tugraz.at/archives/6951

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/02/4975/

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Archivwesen: Kommunalarchiv Minden stellt Digitalisate in Wiki-Commons online

http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Documents_from_the_Kommunalarchiv_Minden Ein Vorbild für andere nicht nur kommunale Archive ist das Bereitstellen von Digitalisaten in Wikipedia. Das Mindener Archiv geht hierbei mit gutem Beispiel voran und hat auch eigene Lizenztemplates entwickelt. Das Kommunalarchiv beteiligte sich vertreten durch einzelne seiner Mitarbeiter in der Vergangenheit beispielsweise auch am GenWiki (e.g. http://wiki-de.genealogy.net/Minden/Adressbuch_1857) Via Archivalia [21.02.2014], http://archiv.twoday.net/stories/706565667

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/02/4971/

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Ausstellung: Geschichte und Politik zwischen 1914 und 1989 in DDR-Comics

In der DDR kannte sie jeder: die Comiczeitschriften ATZE und MOSAIK. Mit monatlichen Auflagen in Millionenhöhe gehörten sie zum Alltag von Generationen. Von 1955 bis 1975 zogen die MOSAIK-Helden der Digedags, später dann die Abrafaxe in jahrmarktsbudenbunten Abenteuern durch die Zeitalter und Kontinente. Dabei folgten ihre Schöpfer nicht nur der eigenen künstlerischen Fantasie, sondern waren einem erstaunlich bildungsbürgerlichen Anspruch verpflichtet. Das von 1955 bis 1991 erschienene Magazin ATZE hingenen wurde von Comics mit politischem Hintergrund dominiert.

aus: Atze 6/1988

Die Ausstellung im Kunstverein Tiergarten Berlin zeigt, wie Geschichte und gesellschaftliche Entwicklung in einem für kommunistische Diktaturen ungewöhnlichem Medium interpretiert wurden. Erstmals überhaupt wurde das Prinzip der angestrebten kompletten „Durchherrschung“ aller Lebensbereiche am Beispiel der kulturellen Sphäre diskutiert: Text und Bild der Comics hatten mit der Darstellung geschichtlicher oder zeithistorischer Ereignisse in allen anderen DDR-Medien übereinzustimmen. Entsprechend entfaltet sich anhand von Bildern, Objekten und Fotografien vor dem Besucher die Ikonografie des Sozialismus.

aus: ATZE 7/1977, S. 5

In der Ausstellung werden Motive aus den Comics neben die medialen Vorlagen der Grafiker gestellt. Im Fall von ATZE adaptierte man z.B. sowjetische Filme oder DEFA-Produktionen mit politischen Inhalten wie der Oktoberrevolution, führenden Politikern wie Ernst Thälmann oder historischen Ereignissen wie dem Mauerbau. Lebensgroße Figuren wie z.B. von DDR-Präsident Wilhelm Pieck machen die Orientierung an Heiligendarstellungen und religiöser Ikonografie deutlich.

Das „MOSAIK-Kollektiv“ orientierte sich dagegen vorwiegend an populärwissenschaftlichen Werken und Bildbänden beispielsweise zur Erdgeschichte, Geographie, Technik- und Industrieentwicklung. 1959/60 erleben die Digedags Abenteuer auf dem erdähnlichen Planeten Neos. Dort ist die schöne neue Zukunftswelt nach der Vollendung von Walter Ulbrichts ehrgeizigem Wirtschaftsprogramm bereits Wirklichkeit geworden.

aus: ATZE 12/1975, S. 5

Großformatige Comicpanels stehen in der Ausstellung in Korrespondenz zu Modellen ihrer prägnantesten Motive: Dazu gehören das erste und einzige in der DDR entwickelte Düsenpassagierflugzeug oder das ehrgeizige Projekt einer Einschienenbahn, das am Beispiel eines PIKO-Spielzeugmodells vorgestellt wird. Auch die doppelseitige Comic-Zukunftsphantasie des Flughafens Berlin-Schönefeld vom Februar 1960 wird manchen Besucher von heute nachdenklich stimmen.

Nach offizieller Kritik an zuviel Klamauk wandte sich MOSAIK der Technikgeschichte zu, wobei insbesondere die akribische Transformation historischer Bildvorlagen aus Geschichte und Kunst, z.B. nach Georgius Agricola oder William Hogarth, in ein zeitgenössisches Bildvokabular besticht. Auf vielfältige Weise öffnet die Ausstellung ein Panorama von historischen, kunstgeschichtlichen und wissenschaftlichen Referenzen und verdeutlicht, wie zentral auch die zunächst sich an junge Menschen richtenden Publikationen der DDR-Comics ATZE und MOSAIK im Kontext politischer Programmatik und Propaganda zu begreifen sind.

Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunstmuseum Dieselkraftwerk Cottbus und der Galerie der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und wurde kuratiert von Dr. Thomas Kramer (Berlin). Sie wurde ermöglicht aus Mitteln der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Eröffnung:
Galerie Nord, Turmstraße 75, 10551 Berlin am 28. Februar um 19 Uhr.

Es sprechen:
Dr. Ralf F. Hartmann, Kunstverein Tiergarten
Dr. Matthias Rößler, Präsident des Sächsischen Landtags
Rainer Eppelmann, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Dr. Thomas Kramer, Kurator

Ausstellung: 29.2. – 29.3.2014, Di – Sa, 13-19 Uhr

Quelle: http://pophistory.hypotheses.org/1175

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