Vnterschiedliche Wunderwerck

Eine Flugschrift aus dem Jahr 1626, wie sie in diesen Jahren und Jahrzehnten durchaus üblich ist. Eine Sammlung von Nachrichten ganz unterschiedlicher Art, vor allem aber über politische und militärische Ereignisse: Vorneweg die neuesten Entwicklungen vom oberösterreichischen Bauernaufstand, dann militärische Ereignisse in der Grafschaft Mark, wo spanische Truppen operierten, Aktionen der holländischen Flotte vor der flandrischen Küste, weitere Neuigkeiten von Tilly und dem dänischen König, aber auch aus dem Veltlin, aus Piemont, Turin, Mailand, Venedig und vom französischen Hof.

Dazwischen notiert diese Flugschrift allerdings auch eine Reihe von Merkwürdigkeiten, die sich an verschiedenen Orten ereignet haben: Ausführlich wird die Wunderheilung einer Magd beschrieben, die jahrelang von Hexen geplagt wurde und gelähmt war; erwähnt wird weiterhin eine Pferdeschwemme, die sich in Blut verwandelt habe, berichtet wird aber auch von schönen weißen Rosen, die man auf Apfelbäumen gefunden hat, während man andernorts Birnbäume fand, die zwar schon haselnußgroße Früchte trugen, und dennoch erneut zu blühen anfingen. Der Passus endet mit den Worten: „was alles diß bedeuten wird / haben wir zu erwarten / GOtt der Allmächtige wende es zum besten / vnd beschere vns den lieben Frieden / vmb JEsu Christi willen / Amen.“

Es gab sicher ein Bedürfnis nach Informationen aus der Welt des Politischen; was an den Höfen und in den Feldlagern passierte, wollte man schon erfahren. Doch was sollte man sich für einen Reim auf diese „Wunderwerck“ machen? Letztlich herrschte eine große und wachsende Verunsicherung, die sich auch mit Endzeiterwartungen verknüpfen konnte. Daß die Welt aus dem Lot geriet, schien nicht zuletzt an den die Alltagserfahrungen übersteigenden Ereignissen deutlich zu werden, die immer wieder zu beobachten waren. Oftmals wurden diese Anomalien sehr eindeutig als Warnhinweise gewertet, daß göttliche Strafen für die Sündhaftigkeit der Welt drohten. Eine solche moralische Wendung wurde in dieser Flugschrift nicht vollzogen, dafür erschienen die Zeichen offenbar nicht eindeutig genug. Aber unbestritten schien, daß man allein von Gott Rettung und Frieden erwarten könne.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/334

Weiterlesen

Digitalisierte Quellen – Segen oder Fluch für die universitäre Lehre?

In diesen Tagen beginnt das neue Semester, in dem ich eine Veranstaltung zum Dreißigjährigen Krieg anbiete. In den Mittelpunkt werde ich wie üblich eine intensive Quellenlektüre stellen. Auf diese Weise möchte ich grundsätzliche Probleme dieser Zeit und mögliche historische Herangehensweisen exemplifizieren. Das Angebot an verfügbaren Quellen für diese Epoche ist mehr als üppig: Eine lange Wissenschaftstradition hat vorzügliche Quelleneditionen auf den Weg gebracht; zu den gedruckten Sammlungen kommen seit einigen Jahren Digitalisate der zeitgenössischen Publizistik in geradezu unübersehbarer Menge. Eigentlich ein Traum für jeden, der sich mit dieser Zeit beschäftigt. Und doch ist mir, gerade mit Blick auf die universitäre Lehre, nicht sonderlich wohl dabei.

Denn der Effekt, den ich damit in der Seminarsituation erziele, ist nicht frei von Enttäuschungen: Die Studierenden fremdeln sehr mit dem Frühneuhochdeutschen, und bevor sie überhaupt die Schwierigkeit der Sprache erfahren, müssen sie die Hürde der Fraktur überwinden. Dabei geht es oftmals so mühsam zu, daß es weniger ein Lesen als vielmehr ein Decodieren wird. Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort. Bei den in dieser Zeit nicht unüblichen syntaktischen Ungetümen verliert man schnell den Sinnzusammenhang. Am Ende sehe ich bei den Teilnehmern oftmals viel Frustration.

Ich kann nicht verhehlen, daß auch meinerseits Frustration aufkommt. Denn meine unerschütterliche Naivität läßt mich immer wieder glauben, daß die Studis sich schon durchbeißen werden, daß sie es irgendwann einfach wissen wollen und daß ihre Zähigkeit am Ende siegt. Dann würden wir nicht nur über verwechselte Binnen-f und ‑s reden, sondern endlich auch zum historischen Inhalt kommen – auf den es ja eigentlich ankommt.

Am Ende muß ich oftmals sehr viel an Analyse und Ergebnissen in die Lerngruppe hineingeben, um überhaupt inhaltliche Fortschritte zu erzielen. Damit läßt sich leben. Aber der Reiz, sich selbst mit zeitgenössischen Druckwerken auseinanderzusetzen, scheint nicht mehr wirklich zu verfangen. Wo ist die Faszination geblieben, nicht nur wissenschaftliche Editionen inklusive umfassender Erläuterungen zu lesen, sondern sich selbst ganz unmittelbar auf die Drucke dieser Zeit einzulassen? Mein Eindruck ist, daß es über die Jahre immer schwieriger wird, die Faszination für diese historische Epoche anhand von Druckwerken zu vermitteln.

Ja, jetzt spricht der alte Mann: Früher war alles besser! Mir selbst gefällt diese Rolle überhaupt nicht, aber was ist da zu tun? Klar, ich kann meine Didaktik überprüfen, und tue mich auch nicht schwer damit, grundlegende Kenntnisse zu Schrift und Druck der Frühmoderne zu vermitteln: Dann muß man eben einige Schritte zurückgehen, von mir aus auch Ansprüche zurückschrauben. Was ich in diesem Kontext aber wirklich bedaure, ist, daß darüber die Zeit für die inhaltliche historische Analyse nur so dahinschmilzt. Die Möglichkeiten, sich im Schrifttum des 17. Jahrhunderts geradezu zu suhlen, waren für einen Historiker nie besser als heute. Und doch scheint es – zumindest in der universitären Lehre – schwieriger denn je geworden zu sein. Oder sehe ich hier einfach zu schwarz?
(Keine Sorge, die Veranstaltung werde ich wie gewohnt durchziehen …)

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/327

Weiterlesen

Die Generalstaaten als Kriegstreiber? Eine Flugschrift aus dem Jahr 1640

Im Jahr 1640 dauerte der Krieg schon mehr als zwanzig Jahre. Immer häufiger und stärker wurde in der Publizistik eine Friedenssehnsucht artikuliert. Aber auch die Frage, wie es zu diesem langwierigen Krieg kam, wurde immer öfter gestellt. Diesem Aspekt wandte sich auch die in diesem Jahr gedruckte „Trewhertzige vnd wolgemeynte Ermahnung / Eines Alten Teutschen Landsknechts“ zu.  Über die Debatte zu den Kriegsursachen hinaus wollte die Flugschrift vor allem die vielen Söldner aufklären, die bei den Feindes des Heiligen Römischen Reiches in Kriegsdiensten standen. Letztlich appellierte der Text an den Patriotismus der aus den deutschen Landen stammenden Söldner und forderte sie auf, die Dienst für fremde Kriegsherren zu quittieren, den kaiserlichen Pardon anzunehmen und am besten gleich in des Kaisers Kriegsdienste einzutreten (S. 19 f.).

Wer oder was hatte also den Krieg gegen das Heiligen Römische Reich, gegen das geliebte Vaterland deutscher Nation (siehe S. 1) befördert? Die Antwort in der Flugschrift war durchaus weitschweifig, berührte moralische Kategorien wie Geiz, Regier- und Ruhmsucht, aber auch die konfessionelle Problematik und die Frage der „Teutsche[n] Freyheit“ (S. 3), fand dann aber vor allem und wenig überraschend in Frankreich und Schweden die Hauptverantwortlichen. Interessant ist, daß ebenso die Generalstaaten als kriegstreibende Kraft genannt wurden.

So wurde festgehalten, daß die Generalstaaten den „Evangelischen Churfürsten vnnd Ständen directè oder indirectè etwas behülfflich gewesen … vnd von anfänge dieser Kriege vnd Zerrüttung allen guten Vorschub gethan“ (S. 6). Verdächtig erschien im weiteren, daß die „Holländer keinen Fürsten / sondern nur eines Fürsten Schatten vnnd Bilde sucheten“ (S. 10 f.) – die ständestaatliche Option erschien an sich schon als ein Skandalon, ja kurz darauf wurde der „Haß der Fürstlichen Regierung [d.h.gegen die fürstliche Regierungsform] vnnd die Liebe zur Democratischen Policey“ geradezu als Leitmotiv generalstaatischer Politik identifiziert (S. 13). Dies habe sich schon beim generalstaatischen Engagement für die Städte Braunschweig (1615) und auch Magdeburg gezeigt; später wurde der schädliche Einfluß auf die Hansestädte erwähnt (S. 14 f.). An anderer Stelle behauptete der Text, daß die Generalstaaten sogar das Erzstift Köln „vom Reich abziehen vnnd jhrem Stat einvorleiben woll[t]en“; hier sei es ihnen darum gegangen, eine „Stim“ zu bekommen (offenbar also die Kurstimme), um damit im Reich „ordnen vnd beschliessen“ zu können (S. 13, diese Episode wurde allerdings auf 1596 datiert).

Nein, es ist keine gezielt anti-niederländische Publizistik, vielmehr habe ich mich hier bewußt auf die Passagen konzentriert, in denen die Generalstaaten angeklagt werden. Gleichwohl erscheint mir bemerkenswert, daß in einer Phase des Kriegs, in der Frankreich und Schweden eindeutig und offen die politischen wie militärischen Hauptgegner des Kaisers und seiner Verbündeten waren, eben auch die Generalstaaten als politischer Faktor in diesem Konflikt nicht übersehen wurden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/309

Weiterlesen

Kriegserfahrungen am Rhein

Am 16. und 17. September fand an der Bonner Universität die Herbsttagung der Abteilung für Rheinische Landesgeschichte statt. Unter dem Thema „Krieg und Kriegserfahrung am Rhein. Der Westen des Reiches im langen 17. Jahrhundert, 1568-1714“ kamen ganz unterschiedliche Aspekte zur Sprache, die sich nicht nur auf der Zeitschiene vom Achtzigjährigen Krieg bis zum Spanischen Erbfolgekrieg bewegten, sondern auch regional fast den gesamten Verlauf des Rheins abdeckten. Selbstverständlich wurden immer wieder auch Beispiele aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs angesprochen; einige wenige Beobachtungen möchte ich hier vorstellen.

Ganz allgemein erwies sich der zeitliche Zuschnitt der Tagungskonzeption als sehr reizvoll, als sich bestimmte Phänomene im Kriegsalltag über die gesamte Epoche hinweg verfolgen ließen. Gerade was das Verhältnis zwischen den Soldaten und der Bevölkerung angeht, blieben die Erfahrungshorizonte über die Jahrzehnte hinweg sehr konstant – vielleicht keine große Überraschung, wenn man davon ausgeht, daß auch die militärischen Organisationsformen und besonders ihre Mängel (konkret das nie zu bewältigende Problem der Logistik) in dieser Zeitspanne weitgehend identisch blieben.

Auf das Fortwirken der Hochzeitsmetapher, die vor allem durch den Untergang Magdeburgs 1631 traurige Berühmtheit erlangt hatte, wies Astrid Ackermann hin. So sei in der Publizistik, die die Einnahme Breisachs durch Bernhard von Weimar im Jahr 1638 kommentierte, eine ähnliche Begrifflichkeit verwandt worden. Daß dieses Bild fortlebte, verwundert nicht; allerdings macht das Beispiel Breisach deutlich, daß der Hochzeitsbegriff keineswegs nur auf die Fälle angewandt wurde, in denen eine Stadt oder eine Festung im Sturm genommen wurde.

In der Wahrnehmung der Konflikte, die zwischen dem Militär und der Bevölkerung aufbrachen, erscheinen beide oftmals als festgefügte Gruppen. Wie wenig stimmig dieses Bild ist, zeigte René Hanke, als er einen Fall referierte, der einen heftigen Streit unter einer Dorfgemeinschaft offenbarte. Denn wie die vom Militär geforderten Kontributionen auf die einzelnen Höfe umzulegen waren, löste große Kontroversen aus. Die Bauern warfen einander eine ungleiche und vor allem ungerechte Lastenverteilung vor. Solidarität in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten, war offenbar schwierig.

Ein schönes Beispiel dafür, daß die territorialen Obrigkeiten ihre ganz eigenen Konsequenzen aus einer militärischen Okkupation zogen, zeigte Jutta Nowosadtko. Nachdem im Münsterland spanische, niederländische und auch schwedische Truppen sog. Lizenten eingeführt hatten, dachte der Kurfürst von Köln (der damals auch Bischof im Hochstift Münster war) gar nicht daran, diese Steuern nach Abzug der fremden Truppen abzuschaffen, und erhob sie nun selbst. Hier lernte also die Landesobrigkeit von einer fremden militärischen Obrigkeit, wie man im eigenen Territorium das Steueraufkommen optimieren konnte. Oder anders ausgedrückt: Was der Historiker zunächst als Kriegsbedrückung identifiziert, deklariert er im Weiteren als einen Schritt im Staatsbildungsprozeß.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/304

Weiterlesen

Mord an einem Franziskaner

Es passiert im Dezember 1631 auf dem Gebiet des Herzogtums Württemberg. Ein Franziskanermönch befindet sich auf dem Weg von Heilbronn zu dem erst vor kurzer Zeit restituierten Klarissenstift in Pfullingen, wo er als Beichtvater erwartet wird. Doch er wird dort nie ankommen: Ein Reiter fängt ihn in der Nähe von Asperg ab, bringt ihn um und raubt ihn aus. Zunächst einfach nur die Geschichte eines Mordes, wie sie zigfach auch in diesen Zeiten belegt ist.

Welche vielfältigen Bezüge sich aus diesem Vorfall ergeben, wurde in einem Vortrag deutlich, den Oleg Rusakovskiy letztens auf einem Workshop an der Uni Tübingen hielt. Er tat dies auf der Grundlage umfangreicher württembergischer Kriminalakten, die den mehr als zwei Jahre dauernden Prozeß zu diesem Mordfall dokumentieren. So versuchte auch Kurfürst Maximilian von Bayern Einfluß auf das Verfahren zu nehmen. Daß die Ermordung eines Ordensmanns auch in München registriert wurde, erstaunt vor allem deswegen, weil der Kurfürst angesichts der akuten militärischen Bedrohung durch die schwedische Armee eigentlich ganz andere Sorgen hatte.

Der ermordete Franziskaner besaß übrigens eine Salvaguardia, ausgestellt von der schwedischen Armee, die zu dem Zeitpunkt schon in Heilbronn stand. Er stand damit unter dem Schutz der schwedischen Waffen, der Mörder mißachtete also die Autorität des schwedischen Schutzbriefes. Dessen Situation konnte auch dadurch nicht besser werden, daß er, wie sich herausstellte, unter den schwedischen Fahnen als Kavallerist gedient hatte. Denn eigentlich achtete jede Armee genau darauf, daß ihre Militärgerichtsbarkeit beachtet wurde und sich andere, territoriale Gerichte hier nicht einmischten.

Gegen den unter Mordverdacht angeklagten Reiter wurden erdrückende Indizien beigebracht: In seinem Haus fand man mit dem Almosenkasten ein Beutestück, das der Mönch bei sich geführt hatte. Was konnte der Reiter da noch zu seiner Verteidigung beibringen? Er spielte die konfessionelle Karte und bediente sich Versatzstücke des antikatholischen Diskurses: Mit dem Verweis darauf, der Überfallene sei für ihn als Franziskaner ein „Schelm“ und „Landsverderber“, suchte er seine Untat zu rechtfertigen. Natürlich beurteilte der Franziskanerorden den Ermordeten ganz anders und erkannte in ihm einen Märtyrer des Glaubens.

Dies alles sind nur knappe Schlaglichter auf einen Vorfall, der gerade aus seiner Komplexität seinen großen Reiz gewinnt. Sicherlich sind derartige Geschichten nicht immer leicht zu entwirren, aber sie helfen doch, die Verhältnisse dieser Zeit ganz wunderbar zu veranschaulichen. Man kann sich jedenfalls darauf freuen, irgendwann einmal die komplette Analyse dieses Ereignisses nachlesen zu können. Dabei steht der Ausgang der Geschichte schon fest: Der Mörder des Franziskaners wurde zu einer Zahlung einer für seine Verhältnisse gewaltigen Summe Geld verurteilt – aber er kam immerhin mit dem Leben davon. Zumindest vorerst, denn einige Zeit später fand auch er ein gewaltsames Ende.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/295

Weiterlesen

Die Nuntien Rocci und Grimaldi

Im Rahmen des großen Editionsprojekts der Nuntiaturberichte aus Deutschland ist ein neuer Band erschienen. Es handelt sich um den 5. Band der 4. Abteilung, der die Phase vom September 1631 bis Ende Mai 1633 abdeckt. Neben den Berichten des Nuntius Ciriaco Rocci sind auch diejenigen Girolamo Grimaldis dokumentiert, der ab 1632 wie Rocci ebenfalls in Wien, allerdings als außerordentlicher Nuntius tätig war.

Deutlich über 200 Aktenstücke dokumentieren damit eine Zeit, in der sich der große machtpolitische Umbruch im Gefolge des schwedischen Kriegs vollzog. Es ist nichts Neues, aber trotzdem immer wieder ein heilsames Korrektiv, wenn man sich klarmachen muß, daß aus der Perspektive des Hl. Stuhls ein völliger Sieg der kaiserlichen Waffen alles andere als erwünscht war. Denn das Verhältnis zwischen der Kurie und den Habsburgern war angespannt genug, um gelassene bis verhalten erfreute Reaktionen auf die militärischen Rückschläge der kaiserlich-katholischen Seite im Reich hervorzurufen. Immerhin kam der Vorwurf konfessioneller Indifferenz oder mangelnder konfessioneller Solidarität schon damals auf, und die Kurie mühte sich, ihn zu entkräften, indem sie Grimaldi als Sondernuntius entsandt. Er sollte sich um eine Vermittlung zwischen den Habsburgern und dem mit Schweden verbündeten Frankreich bemühen.

Die Haupt- und Staatsaktionen dieser Monate spielen naturgemäß eine große Rolle; so sind Wallenstein, aber auch andere Militärs in den Berichten sehr präsent. Darüber hinaus schlägt sich aber auch eine Fülle von weiteren Themen in den Korrespondenzen nieder wie Personal-, Rang- und Zeremoniellfragen sowie Finanzielles. Der politische Blick der Nuntien richtet sich dabei nicht nur auf die Geschehnisse im Reich, sondern ebenso auf die anderen Mächte und nicht zuletzt auf die politischen Konstellationen in Italien. Insofern helfen die Nuntiaturberichte ein weiteres Mal, einen allzu sehr auf die Szenerie des Reichs fixierten Blick zu weiten.

Am Ende ein unvermeidlicher, aber notwendiger Hinweis: Wer einen solchen umfänglichen Band in der Hand hat, ist einerseits beeindruckt und freut sich auf die Entdeckungen, die in dieser Edition zu machen sein werden. Andererseits steht die Frage im Raum, warum es zum gedruckten Band nicht auch eine online-Fassung gibt. Man wird ja nicht mehr diskutieren müssen, welch großartige Möglichkeiten und auch Vorteile eine elektronische Edition heutzutage bietet. Vielleicht tut sich ja schon etwas beim noch ausstehenden Folgeband, der dann die Lücke zum schon vorliegenden Band 7 (1634-1635) schließen wird.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/290

Weiterlesen

Thüringische Leichenpredigten – das Beispiel Andreas Reyher

Im Rahmen der im Projekt AutoThür edierten autobiographischen Texte will ich heute kurz auf die Leichenpredigt von Andreas Reyher eingehen. Dieser wirkte vor allem als Rektor des Gymnasiums in Gotha; seine Lebensspanne von 1601 bis 1673 machte ihn zu einem Zeitzeugen, der den Dreißigjährigen Krieg mit vollem Bewußtsein miterlebt hat.

Auffällig ist aber in dieser Lebensbeschreibung, daß Kriegsereignisse oder überhaupt politische Vorgänge praktisch keine Rolle spielen. Der Bericht scheint komplett auf die Biographie konzentriert, zeitgenössische Ereignisse werden nicht eingeflochten. Daß dies nicht zufällig geschieht, sondern offenbar einem bewußten Ausblenden geschuldet ist, zeigt die Schilderung der Jahre 1630 bis 1631. Reyher weilte damals in Leipzig. Hier interessieren ihn aber ausschließlich sein berufliches Fortkommen und besonders seine Qualifikationen an der Universität in Leipzig. Der Stolz ist durchaus zu spüren, als Reyher vermerkt, daß er am „19. Martii Anno 1631. unanimi Consensu Professorum & Assessorum in Numerum Collegarum auff= und angenommen worden“ sei. Daß zu dieser Zeit genau in Leipzig der sog. Leipziger Konvent tagte, der die protestantischen Reichsfürsten unter kursächsischer Führung in einer neuen politischen Organisation zu formieren sich anschickte, war für Reyher ohne Belang. Auch daß wenige Monate später vor den Toren der Stadt Leipzig in der Schlacht bei Breitenfeld die schwedisch-sächsische Armee das kaiserlich-ligistische Heer vernichtend schlug (zeitgenössische Quellen sprechen auch von der Schlacht bei Leipzig), ist Reyher keine Erwähnung wert.

Eine Ausnahme bildet das Jahr 1632, in dem Reyher zum Rektor des Gymnasiums in Schleusingen berufen wurde. Die Abreise aus Leipzig verzögerte sich aber wegen der akuten Kriegsgefahr. Erst nach der Schlacht bei Lützen brach er auf und gelangte dann auch an sein Ziel. Allerdings verlief diese Reise nicht ohne Komplikationen, vielmehr spricht die Leichenpredigt von „grosser Gefahr auch Beraubung“. Bezeichnenderweise bleibt es bei diesen Stichworten. Denn was bei diesem Raubüberfall genau passierte, wer dafür verantwortlich war und was Reyher einbüßte, wird nicht erwähnt: Marginalisierung als ein möglicher Weg, mit Kriegserleben umzugehen?

Am Ende noch ein Kuriosum: Reyher spricht von der Schlacht bei Lützen als der „Lützischen Niederlage der Ligistischer [!] Armee“. Das stimmt natürlich nicht, denn hier kämpfte nicht die Armee der Liga, sondern die kaiserliche unter Wallenstein. Auch hier also ein merkwürdiges Durcheinander historischer Fakten (vgl. Ähnliches schon in der Leichenpredigt des J. G. Heinold). Daß hingegen der Schlachtentod des schwedischen Königs Gustav Adolf, der im Reich für großes Aufsehen sorgte und sich auch in der Publikation vieler Flugblätter niederschlug, für Reyher keine Erwähnung wert ist, paßt dagegen wieder ins Bild einer Leichenpredigt, die das Zeitgeschehen fast komplett ausblendet.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/272

Weiterlesen

Der Brand von Glogau (1631)

Am 24. Juni 1631 kommt es in Glogau zur Katastrophe: Eine Feuersbrunst bricht aus und erfaßt in wenigen Stunden fast die ganze Stadt. Schon wieder ein Ort, der in diesen unruhigen Zeiten in Asche gelegt wurde, könnte man sagen: Wo ist das Besondere an diesem Fall? Glogau (oder Großglogau, wie die Stadt in diesen Zeiten meist genannt wurde) war die Heimatstadt von Andreas Gryphius. Nun hatte dieser schon einige Jahre zuvor versucht, den Kriegsereignissen und ‑bedrückungen auszuweichen. Doch im Jahr 1631 war er in seine Heimat zurückgekehrt und wurde so Zeuge des Stadtbrands.

Was genau in der schlesischen Stadt passiert war, erfahren wir aus dem Bericht eines kurbayerischen Gesandten. Dieser hielt sich im Frühjahr 1631 in Prag auf und informierte von dort aus Kurfürst Maximilian in München über die aktuellen Entwicklungen in den kaiserlichen Erblanden. Am 5. Juli berichtete der Gesandte über die Ursache des Brands in Glogau: „Am St: Johannes tag, hat herr obriste Wachtmaister von Schaumburg, weill Er ein Creizherr, ein banchet gehalten, ist das feur in der Kuchel entstannden, vnnd zumallen die heiser maistens von holz, ist in wenig stunden, ausser des Schloß, die Statt in Aschen gelegt worden.“ (BayHStA, Dreißigjähriger Krieg Akten 260 fol. 42 Ausf.)

In diesen Wochen und Monaten intensivierten sich die Kämpfe der Kaiserlichen gegen die Schweden. Letztere rückten nicht nur, nachdem sie ihre Position in Pommern ausgebaut hatten, nach Mecklenburg und in die Mark Brandenburg vor, sondern griffen mehr und mehr auch nach Schlesien aus, stießen hiermit also in die kaiserlichen Erblande vor – eine Entwicklung, die man in Wien mit wachsender Sorge betrachtete. Gerade die Städte standen im Mittelpunkt solcher Vorstöße, und der Name Glogaus tauchte in den Berichten aus diesen Wochen immer wieder mal auf. Daß nun im Zuge solcher Überfälle und Kämpfe auch einmal eine Stadt in Flammen aufging, war nicht ungewöhnlich. Aufgrund der Nachricht des kurbayerischen Gesandten wissen wir aber nun sicher, daß im Fall Glogaus keine kriegerischen Verwicklungen zur Katastrophe geführt haben. Vielmehr war es offenbar ein Küchenunfall oder eine Unachtsamkeit, die sich im Zuge eines Banketts ereignete.

Natürlich war dies kein Trost für die Glogauer, die erst 1615 den letzten Stadtbrand hatten erleben müssen. Auch für Gryphius, der damals 16 Jahre alt war, wird dieses Ereignis eine prägende Wirkung gehabt haben. Wenige Jahre später, 1637, erlebte er im schlesischen Freystadt erneut einen Stadtbrand, ein Ereignis, das er dann in der „Fewrigen Freystadt“ beschrieb. Auch in diesem Fall war es wohl eine Unachtsamkeit, die die Feuersbrunst ausgelöst hatte. Für Gryphius und seine Zeitgenossen war der rote Hahn auf dem Dach eines von vielen Schicksalschlägen, die immer wieder vorkamen, neben Seuchen, Hungersnöten und Kriegsdrangsalen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/227

Weiterlesen

Die ausgewürfelte Einquartierung

Seit einigen Wochen ist erkennbar, daß im Blog “1628 Wertheim” die Hexenverfolgungen in eine entscheidende Phase treten: Im aktuellen blogpost wird erneut von Hinrichtungen berichtet. Gleichzeitig – und gerade wegen dieser nachgezeichneten Synchronität der Ereignisse schätze ich diesen Blog so sehr – passieren auch andere, teils banale, teils aufsehenerregende und einschneidende Dinge: so etwa der Weindurst des Kurfürsten von Mainz auf der einen, aber eben auch Einquartierungsfragen auf der anderen Seite. Bei letzteren klinke ich mich ein.

Nun gehören Einquartierungen zu den Alltäglichkeiten des Dreißigjährigen Kriegs; im dk-blog haben wir schon mehrfach diese Thematik berührt. Ein wichtiger Aspekt dabei war stets die Frage, wie eine solche Einquartierung organisiert wird: wo und bei wem werden wie viele Soldaten zu welchen Konditionen untergebracht? Zur Frage, wie das konkrete Quartier ausgewählt wird, bietet Wertheim ein sehr auffälliges Beispiel: Denn Anfang Mai 1629 haben sich, als es darum ging, 30 Reiter des Regiments Schönberg unterzubringen, betroffene Adlige (also offenbar Grundherren) darauf geeinigt, den Ort, der die Söldner aufnehmen sollte, durch das Zufallsprinzip zu bestimmen. Sie spielten darum, und am Ende traf es Allersheim.

Nun handelte es sich bei einem Losentscheid (und ein Spiel wird man darunter rechnen können) um eine Form der Entscheidungsfindung, die völlig unabhängig von ständischen Hierarchien und Abhängigkeiten funktionierte. Das mag auch die adligen Herren bewogen haben, auf dieses Verfahren zurückzugreifen. Dabei nahmen sie allerdings eine Entscheidung in Kauf, die unter Sachgesichtspunkten schlecht war. Im Fall Allersheim bedeutete dies, daß dieser Ort Söldner aufnehmen mußte, obwohl er bereits Einquartierungen zu ertragen hatte. Also einfach nur Pech für Allersheim?

Die Militärorganisation hatte zu dieser Zeit längst Strukturen ausgebildet, die solche Fehlentscheidungen zu verhindern suchten. In Gestalt der Kriegskommissare gab es zuständige Beamte, die auch für Einquartierungen zuständig waren und mit den Behörden vor Ort eine wenn möglich allseits akzeptable Lösung auszuloten suchten. Auch auf Seiten der betroffenen Landschaften gab es oft schon Kommissare, die die Belange der Region vertraten. Daß allein die Einrichtung solcher Kommissariate Härten bei der Quartiervergabe nicht ausschließen konnte, kann man sich leicht vorstellen. Wichtig bleibt jedoch, daß es beiderseits das Bemühen gab, eine nach Möglichkeit konsensuale Entscheidung herbeizuführen. Eine Quartierzuweisung durch Losentscheid oder durchs Spielglück konterkarierte nun genau diese Ansätze zur Kooperation zwischen Landes- und Militärbehörden. Insofern stellt das Beispiel Wertheim / Allersheim im Mai 1629 durchaus einen Sonderfall dar.

Allersheim hat sich übrigens mit dieser Entscheidung nicht abfinden wollen – gut verständlich, denn hier ging es um Überlebensfragen. Ob man bei den Adligen noch einmal rückgefragt und um eine Modifizierung der Entscheidung gebeten hat, ist nicht ersichtlich. Aber beim Fürstbischof von Würzburg hat man in dieser Sache suppliziert. Das war kein Zufall, denn Otto Friedrich von Schönberg, der Oberst des betreffenden ligistischen Kavallerieregiments, war gleichzeitig auch würzburgischer Geheimer Rat. Die Allersheimer richteten ihre Bitte also nicht an ihre eigene Herrschaft, sondern an die Obrigkeit des Obersten selbst – sicher kein ungeschickter Schachzug. Ob sie damit Erfolg hatten, läßt sich derzeit nicht nachvollziehen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/275

Weiterlesen

Thüringische Leichenpredigten – das Beispiel J. G. Heinold

Anläßlich des Editionsprojekts AutoThür, in dessen Rahmen erste Texte freigeschaltet worden sind, möchte ich nicht nur pauschal auf dieses wundervolle Projekt verweisen, sondern auch ein wenig tiefer bohren. Dabei geht es mir gar nicht darum, einen Text in all seinen Facetten zu würdigen; dazu bedarf es doch spezieller Kenntnisse und auch besonderer Rechercheanstrengungen. Gleichwohl lassen sich auch schon nach einer ersten Lektüre einige Bemerkungen machen und mögliche Besonderheiten feststellen.

Im Folgenden möchte ich auf die Leichenpredigt des Johann Georg Heinold eingehen, der 1614 im fränkischen Rothenburg ob der Tauber geboren wurde und dort eine von Armut geprägte Kindheit und Jugend verlebte. Für das Jahr 1635 erwähnt Heinold die „feindselige Tyllische Ausplünderung“ der Stadt, die acht Tage lang gedauert habe. Das verwundert, da es nur schwer mit historischen Fakten zusammenzubringen ist. Daß Truppen nach ihrem Kommandeur benannt wurden, ist damals durchaus üblich gewesen. So berichtet Heinold später für 1637 von den „Panirischen“, die die Elbschanze bei Wittenberg eingenommen hätten: Hier handelte es sich also um schwedische Truppen unter dem Feldmarschall Johan Banér. Doch welche Truppen sollen die „Tyllische Ausplünderung“ begangen haben?

Bezug nimmt Heinold zweifelsohne auf den Generalleutnant der Katholischen Liga, Johann Tserclaes Graf von Tilly. Doch der war bereits 1632 nach seiner schweren Verwundung im Kampf gegen die Schweden verstorben. Sein Neffe und Erbe, der den Namen Tilly weiterführte, hatte m.W. nie ein wirklich namhaftes Kommando inne; er kann hier nicht gemeint sein. Hat Heinold also einen Fehler gemacht, indem er einfach die Truppen auch dann noch nach Tilly benannt hat, obwohl dieser Kommandeur längst tot war? Das kann durchaus der Fall sein.

Genauso kann aber auch die Datierung falsch sein. Denn Tilly hat tatsächlich Rothenburg eingenommen. Das geschah Ende Oktober 1631. Damals kam es auch zu tagelangen Plünderungen, die Stadt litt sehr und mußte auch eine Garnison aufnehmen. Rothenburg fiel dann später wieder an die Schweden, doch unmittelbar nach der schwedischen Niederlage bei Nördlingen im September 1634 wurde Rothenburg erneut belagert. Kurz danach wurde die Stadt mit Akkord eingenommen und mußte eine große Summe Geld zahlen. Plünderungen und Ausschreitungen gab es aber offenbar nicht, zumindest nicht im großen Stil. Das Problem bleibt, daß diese zweite Einnahme der Stadt nicht 1635, sondern schon 1634 erfolgte, und zudem nicht von kurbayerischen oder ligistischen – wenn man so will „Tillyschen“ – Truppen, sondern durch kaiserliche Einheiten unter Piccolomini.

Wie auch immer, so scheinen hier doch einige historische Fakten durcheinandergegangen zu sein. Mit der Nennung Tillys scheint nur klar, daß es offenbar kurbayerische Truppen waren, die Rothenburg plünderten. Auffällig ist an der Stelle übrigens, daß sie dafür acht Tage Zeit bekommen haben. Nach damaligem Kriegsgebrauch war es üblich, daß eine (im Kampf) eingenommene Stadt den Soldaten drei Tag lang zur Plünderung freistand; Magdeburg im Jahr 1631 ist das berüchtigte Beispiel dafür. Andererseits ist wohl verbürgt, daß Rothenburg im Herbst 1631 tatsächlich länger als drei Tage den Söldnern preisgegeben wurde.

Ein letzter Gedanke zu den Tillyschen im Jahr 1635: Wenn in dieser Leichenpredigt historische Fakten durcheinander geraten sind, was läßt dies für Rückschlüsse auf den Text und seine Entstehung selbst zu? Heinold starb im Jahr 1691, und wahrscheinlich wird diese Leichenpredigt auch nicht viel früher entstanden sein. Dabei geht es gar nicht darum, daß dem Greis am Lebensende Fehler unterlaufen sind. Viel aufschlußreicher ist, in welcher Weise der Zeitzeuge Heinold im Rückblick die Vorgänge des Kriegs sieht: Offenbar amalgamierten die Ereignisse in der Form, daß ein Feldherr wie Tilly als die prägende Figur des kurbayerischen Militärs angesehen wurde; die Namen anderer Kommandeure dagegen verblaßten in der Erinnerung.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/267

Weiterlesen