Netzernüchterung

In loser Folge publizieren wir bis zum Beginn der RKB-Tagung eine Serie von Statements der Redner, Diskutanten und Moderatoren. Wir bieten Ihnen damit die Gelegenheit, sich schon einmal warmzudiskutieren – entweder im stillen Selbstgespräch oder hier in den Kommentaren.

von Valentin Groebner (Keynote, Panel 3)

Hat „Vernetzen“, dieses Zauberwort des beginnenden 21. Jahrhunderts, eigentlich einen Gegenbegriff? Da fallen mir gleich ein paar ein: Isolieren. Konzentrieren. Fokussieren – in abnehmend starker negativer Wertung. Sich vernetzen oder vernetzt werden bekommt so, von seinen Gegenbegriffen her gesehen, plötzlich eigenartige Konnotationen. Sie
verweisen alle auf eingeschränkte Freiwilligkeit, und auf variable Möglichkeiten der Auswahl. Mehr vernetzt heißt ganz offensichtlich nicht automatisch besser vernetzt. Wer mit allen vernetzt ist, ist das, was ein schönes österreichisches Dialektwort als Adabei bezeichnet. Gemeint ist jemand, den man bei allen gesellschaftlichen Anlässen trifft, „a (auch) dabei“; eine unzweifelhaft besondere, aber nicht besonders positive Figur. Das wäre meine erste Kontrollfrage an Netzprojekte: Helfen sie bei der Auswahl, also beim Filtern von Information? Anders formuliert: Was können ihre Benutzer dank ihnen weglassen, ignorieren? Denn nicht Speicherplatz ist knapp, sondern Lese-Zeit.

Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler sind besser keine Adabeis, sondern Personen, die darüber Auskunft geben können, wovon sie nichts verstehen. Sonst sind sie keine Wissenschaftler. Das Netz hat den Zwang zur Selbstverwaltung und zur Selbstdarstellung innerhalb der Wissenschaft unübersehbar gemacht. Im Prinzip ist das eine gute Sache. Aber wer sich durch die vielen digitalen Selbstdarstellungen im Web klickt, merkt rasch, dass er sich auf einem Anbietermarkt befindet. Denn die meisten Blogs verkünden vor allem eines: Dass sie sich nach Aufmerksamkeit von außen sehnen. An hochspezialisierten Inhalten herrscht offenbar kein Mangel, aber an Lesern.

Das Netz hat hier die direkte Nachfolge der informellen und schwer übersichtlichen Publikationsformen angetreten, die früher „graue Literatur“ hießen. Wie diese engagierten selbstgebastelten und selbstverlegten Broschüren und Flugblätter der 1960er bis 1980er Jahre ist auch das Netz wegen seiner fortgesetzten Expansion und seinem ununterbrochenen Umbau mindestens ebenso sehr ein Medium des Verschwindens wie eines der Speicherung von Information. Deshalb die zweite Kontrollfrage: Wie gehen digitale Informationskanäle mit der kurzen Halbwertszeit vieler Beiträge um?

Das lässt sich aber auch positiv wenden. Mir scheint, dass es heute darum geht, mit Hilfe des Netzes netzunabhängige Inhalte zu schaffen: Solche, die sich digitaler Verflüssigung entziehen. Könnte also ironischerweise gerade Netzunabhängigkeit ein Kriterium für nachhaltige Wissenschaft sein?

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/237

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David Hiley: Zur Musik

Zur Musik. Ein Beitrag von David Hiley (Regensburg): Erläuterung der Musikauswahl für das Pontifikalamt zu Ehren des hl. Emmeram und die Geistliche Serenade mit Musik aus St. Emmeram am 22. September 2012 um 18 Uhr in der ehemaligen Stiftskirche St. Emmeram (im Anschluss an die Tagung „Netzwerke gelehrter Mönche. St. Emmeram im Zeitalter der Aufklärung“, Regensburg, 21./22. September 2012). 

Sowohl während der Festmesse als auch in der geistlichen Serenade erklingen lateinische Gesänge aus der mittelalterlichen Liturgie zum Festtag des hl. Emmeram sowie geistliche Musikwerke aus der Zeit des Fürstabts Frobenius Forster.

Das Emmeramsoffizium von Arnold von St. Emmeram,
erste Seite, Clm 14870 (ca. 1030)

Zu den ältesten Gesängen der Emmeram-Liturgie gehört die Sequenz Gaudens ecclesia. Sie ist zum ersten Mal in einer Handschrift aus der Zeit des hl. Wolfgangs belegt (heute Staatsbibliothek Bamberg lit. 6). Die Melodie (mit dem Namen „Symphonia“) war bereits früher weit bekannt, u.a. in St. Gallen, wo Notker Balbulus zu ihr den Text Concentu parili (für Mariä Himmelfahrt) dichtete. Das vorangehende Alleluia Subveni pastor bone ist vermutlich etwas später entstanden.

Die anderen einstimmigen Gesänge sind der Initiative des Emmeramer Mönchs Arnold zu verdanken. Nachdem Arnold in den 1020er Jahren den Domscholastiker Meginfried von Magdeburg überredete, eine neue Biographie (vita) des hl. Emmeram und den Hymnus Christe cui iustos zu verfassen, schrieb Arnold selbst um 1030 einen vollständigen Zyklus an Antiphonen und Responsorien für die Offiziumsstunden (Matutin, Laudes, Vesper usw.) am Emmeramstag. Aus diesem Zyklus erklingen die Antiphonen Ave Sacerdos apostolice (hier als Introitus gesungen) und Evangelicis adherens preceptis sowie auch das Responsorium Baioariam veniens. In derartigen Gesängen wurde üblicherweise der Heilige gelobt, um seine Fürsprache gebeten und auf sein Leben hingewiesen. So erwähnt diese Sequenz zu Emmeram Regensburg und den königlichen Thron Noricums und sie beglückwünscht das durch Emmerams Pilgerfahrt gesegnete Volk Regensburgs: „O quam gens fortunata!“ Ganz unmittelbar wird im Responsorium Baioariam veniens aus der Geschichte des hl. Emmeram erzählt: „Als der selige Emmeram nach Bayern kam, erbat er sich vom Herzog Theodo die Erlaubnis, Pannonien aufsuchen zu dürfen. Aber der Fürst, der mehr darauf achtete, dass seine eigene Provinz eines so bedeutenden Lehrers nicht entbehrte, ließ ihn keineswegs dorthin gehen. Emmeram sagte nämlich, dass er das Königreich Gallien deswegen verlassen habe, um das ungläubige Volk der Hunnen, das Pannonien bewohnte, zu Christus zu bekehren.“ (aus dem Lateinischen übersetzt von Wilhelm Pfaffel) 

Die Missa brevis Sancti Johannis de Deo (ca. 1775, auch „Kleine Orgelmesse“ genannt) von Joseph Haydn war sicher im Kloster St. Emmeram bekannt. Eine Emmeramer Abschrift, die später in den Besitz der Alten Kapelle kam, ist noch in der Bischöflichen Zentralbibliothek erhalten. Sonst gehörten die größeren geistlichen Chorwerke von Haydn wohl nicht zum Repertoire des Klosters. Die Motette Insanae et vanae curae hat Haydn aus seinem italienischen Oratorium Il Ritorno di Tobia (1775) neu bearbeitet. Das Te Deum C-Dur ist ein Spätwerk, um 1800 für die Kaiserin Maria Theresia geschrieben und möglicherweise von der Hofkapelle der Esterházy in Eisenstadt während des Besuches von Horatio Viscount Nelson und Emma, Lady Hamilton uraufgeführt. Maria Theresia, die Gattin Kaiser Franz I., war eine große Bewunderin der Musik Haydns, sang sogar die Solosopranstimme in einer Aufführung Der Schöpfung.

Wohl zum ersten Mal seit zweihundert Jahren erklingen heute Sätze aus der Messe G-Dur von P. Sebastian Prixner OSB, Mönch in St. Emmeram. Zu Gehör kommen außerdem drei Orgelstücke aus seiner Orgelschule von 1789.

David Hiley

Das Programm:

Pontifikalamt zu Ehren des hl. Emmeram

Im Anschluss an den Festgottesdienst:

Geistliche Serenade mit Musik des Klosters St. Emmeram

Samstag, 22. September 2012 um 18 Uhr

Chor und Solisten der Basilika St. Emmeram zusammen mit Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters Regensburg

Musikalische Leitung: Matthias Schlier

  • Liturgische Gesänge aus der Historia Sancti Emmerammi von Arnold von St. Emmeram (ca. 1030)
  • Orgelstücke und Sätze aus der Messe f. Chor, Orgel und Violone von P. Sebastian Prixner OSB (1744-1799), Mönch in St. Emmeram
  • Geistliche Werke von Joseph Haydn (1732-1809)

Es erklingen im Gottesdienst:

  1. Praeludium für Orgel G-Dur P. (Sebastian Prixner OSB)
  2. Introitus Ave sacerdos apostolice (Arnold v. St. Emmeram)
  3. Kyrie aus der Messe f. Chor, Orgel und Violone (P. Sebastian Prixner OSB)
  4. Gloria aus der Missa brevis Sancti Johannis de Deo  („Kleine Orgelmesse“) f. Chor, Orgel und Streicher (Joseph Haydn)
  5. Alleluia Subveni pastor bone (St. Emmeram, 12. Jhdt.?)
  6. Sequenz Gaudens ecclesia (St. Emmeram, 10. Jhdt.)
  7. Credo (Joseph Haydn)
  8. Sanctus und Benedictus (P. Sebastian Prixner OSB)
  9. Agnus Dei ( Joseph Haydn)
  10. Hymnus Christe cui iustos  (Meginfried v. Magdeburg)

In der geistlichen Serenade:

  1. Fughette d-Moll (P. Sebastian Prixner OSB)
  2. Responsorium Baioariam veniens  (Arnold v. St. Emmeram)
  3. Motette Insanae et vanae curae f. Chor und Orchester (Joseph Haydn)
  4. Magnificat-Antiphon Evangelicis adherens preceptis  (Arnold v. St. Emmeram)
  5. Phantasie C-Dur (P. Sebastian Prixner OSB)
  6. Te Deum C-Dur für die Kaiserin Marie Therese (Joseph Haydn)

 

Prof. Dr. David Hiley

Prof. Dr. David Hiley (geb. 1947) studierte Musikwissenschaft an den Universitäten Oxford und London (Promotion 1981). 1976-1986 war er Lecturer in Music am Royal Holloway College, Universität London. Er ist seit 1986 Professor am Institut für Musikwissenschaft der Universität Regensburg. Unter seinen Publikationen sind ein Handbuch über die Gregorianik Western Plainchant (Oxford 1993) und Editionen zweier Regensburger Heiligenoffizien Historia Sancti Emmerammi circa 1030 (1996) und Historia Sancti Wolfgangi Episcopi Ratisbonensis (2002).

 

Matthias Schlier

Matthias Schlier wurde 1964 in Würzburg geboren. Er studierte in Regensburg Klavier- und Kirchenmusik und an der Musikhochschule in Trossingen Orchesterleitung. Seit Oktober 1994 arbeitet er an der Sing- und Musikschule der Stadt Regensburg. Außerdem gründete er 1994 den Cantemus-Chor Regensburg, der mittlerweile 540 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 5 und 27 Jahren unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft umfasst. Matthias Schlier ist Chorleiter an der Basilika St. Emmeram und leitet seit dem Sommersemester 2009 zusammen mit KMD Roman Emilius den Universitätschor Regensburg.

Quelle: http://frobeniusforster.hypotheses.org/393

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Gemeinschaftsblog zur Geschichte von Klöstern und Orden – eine Einladung

Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Disziplinen sind herzlich dazu eingeladen, sich an einem neuen Blog bei de.hypotheses.org „Ordensgeschichte. Ein interdisziplinäres Gemeinschaftsblog zur Geschichte von Klöstern und Orden“ (http://ordensgeschichte.hypotheses.org) zu beteiligen! Das Blog soll zur Vernetzung, zur Zusammenarbeit und zum Austausch von Wissenschaftlern aus dem Bereich der Geschichte von Orden und Klöstern über Disziplin-, Ordens-, Epochen- und Landesgrenzen hinweg beitragen. Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind herzlich dazu eingeladen, bei diesem Gemeinschaftsblog mitzumachen! Wer einen Account als Autor oder Abonnent haben möchte, kann sich gerne hier oder per E-Mail melden. Für eine Anmeldung [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/145

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Warten auf Tacita Dean

Am Sonntag endet die dOCUMENTA (13). Ihre ursprüngliche Intention war es, 1955 das vormals isolierte Deutschland kulturell wieder mit der Welt kurzzuschließen.

So stand sie in ihrer ersten Ausgabe im Zeichen der verfemten deutschen Avantgarde. Reiht man die Ausstellungen seither aneinander, so bilden sie das Rückgrat der künstlerischen Entwicklung der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.

d (13) by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) by Mizzi Schnyder

1955, im Jahr der ersten Kasseler Weltkunstausstellung, gab Hans Sedlmayr seinen öffentlichen publizistischen Widerstand gegen die Moderne auf.

Inwieweit er damals überblicken konnte, dass der gesellschaftliche Konsens so ziemlich das Gegenteil seiner Position repräsentieren würde, kann derzeit nicht beantwortet werden.

d (13) Geoffrey Farmer by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Geoffrey Farmer by Mizzi Schnyder

Dennoch soll das Anlass genug sein, einige Gedanken zur diesjährigen Ausgabe zu notieren, um von hier aus später in eine Rückschau einzutreten. Die retrospektive Haltung war zugleich eines der Leitthemen der documenta.

Gewagt wurde diese in fiktiven Rückblicken aus einer imaginären Zukunft in unser Heute, wie in den Arbeiten von Adrián Villar Rojas und MOON Kyongwon & JEON Joonho. Ersterer hatte auf der seit dem Mittelalter bestehenden terassenförmig angelegten Weinberganlage Artefakte einer fiktiven Ausgrabung inszeniert.[1]

d (13) Adrián Villar Rojas by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Adrián Villar Rojas by Mizzi Schnyder

Der koreanische Beitrag zeigte seine Retrospektive aus der Zukunft in multimedialer Form.[2] Ein Film in Doppelprojektion erzählt die Geschichte zweier Protagonisten. Eines zeitgenössischen, der mit Gegenständen hantiert und einer zukünftigen weiblichen Figur, die diese Relikte auswertet und archiviert. Das Buch beschreibt gegenwärtige Kulturformen. Kombiniert wird dies mit einer Sammlung von Lifestyle-Produkten, die in der postapokalyptischen Welt benötigt werden. Angeregt ist die Arbeit von dem gleichnamigen Buch ‚News from Nowhere’ (1890) von Wiliam Morris, dem Begründer des Arts and Crafts Movement.

Anachronistisch erscheint Michael Rakowitz’ Archiv nachgemeißelter Bücher, bestehend aus den bibliophilen Verlusten, die das Friedericianum im 2. Weltkrieg zu beklagen hatte.[3] Im Rahmen eines Steinmetz-Seminars in Bamiyan, das dazu diente, die handwerklichen Fähigkeiten wiederzubeleben, gerät hier ein anderer Ort in den Fokus, der rezenter Schauplatz grausamer Handlungen ist.

Die Zerstörung von Kulturgut scheint zum Mechanismus moderner Kriegsführung zu gehören. Prominente Beispiele sind die unter Unterbeschussnahme der afghanischen Buddhastatuen, die Zerstörung des Weltkulturerbes in Timbuktu, aber auch die alliierte Bombardierung mitteldeutscher Städte. Der Wissenspeicher Buch als Steinskulptur bildet zwar das Objekt in seinen Dimensionen und Eigenschaften nach, nie wieder jedoch wird man die Seiten umblättern können.

d (13) Michael Rakowitz by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Michael Rakowitz by Mizzi Schnyder

Ich fragte mich, inwieweit fiktive Rückblicke zwischen 1933 und 1945 ein Innehalten bewirken hätten können. Kann die Kunst heute in der Welt Einhalt gebieten? Kann sie die Welt verändern, oder wird sie dann selbst totalitäre Haltung?

d (13) Theaster Gates by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Theaster Gates by Mizzi Schnyder

Komplementär zur Auseinandersetzung mit der eigenen Zeit markierte jene mit der realen regionalen nationalsozialistischen Vergangenheit das Herzstück der documenta. Emotional bewegend und zugleich unfassbar ist die Geschichte des Klosters Breitenau. Carolyn Christov-Bakargiev hatte zur künstlerischen Auseinandersetzung mit diesem Ort unweit von Kassel eingeladen. Im 12. Jahrhundert gegründet, bildet eine imposante romanische Basilika das Zentrum der Anlage.[4]

Nach der Reformation und der Auflösung des Klosters wurde in das Langhaus eine „Korrektions- und Landarmenanstalt“ eingebaut. Der Gemeinde dienten währenddessen Chor und Querhaus als Kirche. In dieser räumlichen Konstellation wurde die Basilika während des NS als Konzentrationslager und als Arbeitserziehungslager genutzt.

So setzt sich eine unrühmliche Vergangenheit in einer ungleich grausameren Geschichte nahtlos fort. Ihre Fortsetzung erfuhr sie in Form eines Mädchenerziehungsheimes, das als Resultat der Heimkampagne in den 1970er Jahren aufgelöst wurde. Das Wissen um die nationalsozialistische Geschichte allerdings war bis 1981 restlos aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt.

Breitenau scheint ein paradigmatisches Beispiel zu sein. Die Verdrängung fand hier simultan statt. Durch eine Art segmentierte Wahrnehmung – so lässt sich allenfalls mutmaßen – konnte der Ort gleichzeitig zur religiösen Erbauung wie auch zur Disziplinierung benutzt werden. Diachronisch manifestierte sich das Verdrängen anschließend nicht nur im Verschweigen der Verbrechen, sondern in deren gezielter Auslöschung. So wurde Breitenau nach 1945 wieder zum Kulturgut von allerhöchstem kunsthistorischen Rang.

d (13) Haris Epaminonda und Daniel Gustav Cramer by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Haris Epaminonda und Daniel Gustav Cramer by Mizzi Schnyder

Eine artistic research von 1981, durchgeführt von Studierenden der Gesamthochschule Kassel, deckte diese Vergangenheit auf.[5] Inzwischen selbst historisch wertvoll, dokumentiert die vertonte Diashow die damals angestellten Recherchen zur Vergangenheit Breitenaus. Inzwischen wurde im Kloster eine Gedenkstätte eröffnet und steht der Forschung offen.

Die Arbeit von Gunnar Richter wurde in einem der Pavillons in der Karlsaue gezeigt. Gewissermaßen entschleunigt bewegte sich der Besucher durch das riesige Parkgelände auf verschlungenen Wegen. Und überhaupt verhielt sich das Ausstellungskonzept diesmal widerständig gegen den allgemeinen Kunstkonsum. Kleine separierte architektonische Einheiten provozierten lange Wegzeiten und Warteschlangen, diese wiederum zahlreiche soziale Interaktionen der sonst anonymisierten Masse von Ausstellungsbesuchern.

Warten auf Tacita Dean I by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
Warten auf Tacita Dean I by Mizzi Schnyder

Können Begriffe wie „Arbeitslager“ oder „Konzentrationslage“ dem Geschehenen gar gerecht werden, sondern bleiben sie Worte, so gibt es Momente, in denen sie sich plötzlich mit erschreckender Bedeutung füllen. Meist sind es Einzelschicksale, die klar machen, dass diese „Worte“ in den meisten Fällen den sicheren Tod bedeuteten. Persönlich erlebte ich einen solchen Moment der Gewissheit mit Charlotte Salomons ‚Leben? Oder Theater?’.[6] Eben noch fabuliert die Anfang Zwanzigjährige über die Liebe, bis das Außen durch Verfolgung, Deportation und Angst die zarten Themen machtvoll verdrängt.

d (13) Charlotte Salomon by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Charlotte Salomon by Mizzi Schnyder

„Wie gehst du mit deinen Erinnerungen um?“, fragt mich Janet Cardiff in dem Videowalk im Kulturbahnhof.[7]

Deutschland sei für sie das Land der Geister erzählt sie, während in der augmented reality am Bildschirm längst entschwundene Personen und Situationen erscheinen. Das Navigieren zwischen den virtuellen und den realen Personen fordert meine ganze Aufmerksamkeit. Als es im Video schneit, ist mir kalt. Frierend stehe ich schließlich an Gleis 13 und höre mir an, wie von hier aus Menschen in den Tod fuhren und später Opfer zu Tätern wurden.

d (13) Janet Cardiff & George Bures Miller by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Janet Cardiff & George Bures Miller by Mizzi Schnyder

Als mir plötzlich eine ältere Frau in rosa Shirt die Hand auf die Schulter legt, und fragt „Nehmen Sie da auf?“ durchfährt mich ein Schreck, wie ich ihn in Zusammenhang mit Kunstwahrnehmung noch nie erlebt habe.

Eine ähnliche Szene mit Herrn in dunklem Anzug ereignet sich übrigens in einer der letzten Sequenzen des Videowalks. Sie verfehlt ihre Wirkung.

d (13) Janet Cardiff & George Bures Miller by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Janet Cardiff & George Bures Miller by Mizzi Schnyder

Ich gehe zu Gleis 11, weil ich beim Zurückgeben des ipods davon höre, dass es dort eine Arbeit gibt, die für heute das letzte Mal aufgeführt wird. Aus den Lautsprechern quillt Musik, es vermischt sich mit den Quietschen der Züge und den Durchsagen am Bahnhof.[8] 

Susan Philipsz lässt hier jede halbe Stunde eine Klanginstallation ertönen, die auf der ‘Studie für Streichorchester’ von Pavel Haas, die 1943 in Theresienstadt entstanden ist, basiert. Die Besucher hören andachtsvoll zu, liegen oder sitzen herum. Es ist 19.45 h, hat 25 Grad und das farbige Licht am Himmel lässt den Kaufunger Wald als schwarze Silhouette am Horizont erscheinen.

d (13) Susan Philipsz by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Susan Philipsz by Mizzi Schnyder

Entfernte Orte und Zeiten gewinnen für einzelne unendlich kostbare Augenblicke gegenwärtige Präsenz in dieser documenta. Sie zeigt auf eine Weise, die sich dem pädagogischen Zugang verwehrt, dass die Wunde 2. Weltkrieg noch blutet. Dass dessen posttraumatische Belastungsstörung sich noch aktiviert,[9] genauso wie die unentschärfbaren Blindgänger, die von Zeit zu Zeit in süddeutschen Großstädten hochgehen.[10]

d (13) Tacita Dean by Mizzi Schnyder (mizzischnyder) on 500px.com
d (13) Tacita Dean by Mizzi Schnyder

An diesem Abend in der Linie 4 sitzt die stupsend-sprechende documenta-Besucherin aus dem Kulturbahnhof schräg gegenüber. Ich erinnere mich an ihre Stimme und das Fünfzigerjahrerosa ihres Oberteils, drehe mich in das dunkle Fenster und der Zug rumpelt nach Westen.

 

Hier geht es zum kompletten Fotostream>>>

[1] dOCUMENTA (13). Das Begleitbuch, Ostfildern, 20012, S. 440.

[2] Ebenda, S. 190.

[3] Ebenda, S. 110.

[4] Ebenda, S. 294.

[5] Ebenda.

[6] Ebenda, S. 118.

[7] Arbeit von Janet Cardiff & George Bures Miller, siehe: ebenda, S. 334.

[8] Ebenda, S. 360.

[9] Dazu: Carolyn Christov-Bakargiev, Über die Zerstörung von Kunst – oder Konflikt und Kunst, oder Trauma und die Kunst des Heilens, in: dOCUMENTA (13), Das Buch der Bücher, Ostfildern 2012, S. 301-314.

[10] Ich beziehe mich auf die Schwabinger Sprengung vom 28.8.2012.

Quelle: http://artincrisis.hypotheses.org/153

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Schau mir in die Augen, Kleines – Sehen für Fortgeschrittene

Sehen ist nicht einfach nur „Gucken“. Unser Sehprozess ist sehr diffizil und ausgeklügelt, was wir – wenn wir unter keinen Einschränkungen leiden – nicht bemerken. In der allgemeinen Bevölkerung liegt beispielsweise der Anteil der Farbfehlsichtigkeit für Rot-Grün bei 8% (bei Kunsthistorikern ist er hoffentlich wesentlich niedriger). Wie ein Bild unter einer bestimmten Art der Fehlsichtigkeit aussehen kann, zeigt die Seite http://colorfilter.wickline.org/. Ich habe in ARTigo das Sonnenblumenbild von van Gogh gesucht und die Adresse in das Feld „Type a URL“ auf colorfilter.wickline.org kopiert. Folgendermaßen könnte jemand mit Rot-Grün-Blindheit 1 (Protanopie) das Bild sehen:


(Der graue Balken im unteren Bereich des Sonnenblumen-Bildes scheint ein Fehler auf der Seite zu sein, der sich nicht vermeiden ließ. Immerhin erhält man einen Eindruck.) Über das grün umrandete eingeblendete Kästchen kann man verschiedene Arten von Fehlsichtigkeiten simulieren.

Wir Menschen verfügen nicht nur über unsere Augen, den visuellen Kortex und die Sehrinde. Im hinteren Teil unseres Gehirns befinden sich dreißig weitere, für das Sehen zuständige Areale. Wir sehen also mit unserem Gehirn. Es scheint so, dass die verschiedenen Bereiche jeweils Spezialisierungen bieten. Wenn z.B. das Areal V4 beidseitig geschädigt ist, sieht man die Welt als Schwarzweißfilm. Man hat keine Probleme, Gesichter oder Bewegung zu erkennen, aber Farben kann man nicht mehr ausmachen.

Menschen, deren Mediotemporales Areal geschädigt ist, sehen keine Bewegung. Sie können Bücher lesen und Farben sehen, aber nicht beurteilen, wie schnell sich etwas bewegt. Da wird es zum Problem die Straße zu überqueren, wenn man nicht abschätzen kann, wie schnell sich Autos nähern. Oder beim Einschenken einer Tasse Kaffee kann man nicht feststellen, wie schnell sich die Tasse füllt. Man nimmt die Welt als stroboskopartig dargebotene Bilder wahr.

Die wichtige Fähigkeit, Gesichter zu erkennen, ist bei der Prosopagnosie eingeschränkt. Diese Krankheit tritt z.B. nach einem Schlaganfall auf, kann aber auch vererbt werden. Stellen Sie sich vor, alle Menschen würden gleich aussehen und Sie könnten niemanden auseinander halten. Sogar Ihr eigenes Spiegelbild wäre fremd. Sie müssten Menschen aufgrund ihrer Stimme und der ihnen eigenen Motorik unterscheiden lernen.

Diese Beispiele zeigen, wie differenziert unser Sehsystem ist und dass Störungen eines kleinen Bereichs große Auswirkungen haben können. Über das Wunder unseres Gehirns berichten z.B. Vilayanur Ramachandran und Oliver Sacks. Diese Neurowissenschaftler beschreiben in allgemeinverständlicher Art Fälle aus ihrer Praxis. Dabei geht es um Menschen, die sich aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit und einer kleinen Veränderung des Gehirns plötzlich in einer anderen Welt wiederfinden.

Da fällt mir ein: Auch bei den ARTigo-Spielern müsste es Farbfehlsichtigkeiten geben. Ob man diese aufgrund von Datenbankanalysen feststellen kann?

 

Quelle: http://games.hypotheses.org/513

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“Wie willkommen ist der Nachwuchs?”

  Einen frischen Blick auf neue Modelle der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung verspricht ein jüngeres Buch, das standesgemäß als gedruckter Sammelband daherkommt. Herausgegeben von Jürgen Mittelstraß und Ulrich Rüdiger, fasst er die Beiträge der gleichnamigen Hamburger Tagung aus dem Herbst 2010 zusammen. Die von der Körber Stiftung zusammen mit dem Konstanzer Wissenschaftsforum ausgetragene Veranstaltung hat dabei durchaus gemischte Reaktionen provoziert. So schrieb Christian Dries anschließend auf sciencegarden, dass auch optimistische und ermutigende Beiträge nicht immer den Kontakt zur Realität  aufrechterhalten konnten: [D]er Durchschnittspromovend war auf der Tagung auch nicht auszumachen. Das Gros der Teilnehmer gehörte zu den Privilegierten, zur reichlich geförderten, gut informierten und bestens vernetzten Elite, die nach Auslandsaufenthalt und Promotion zielstrebig eine Juniorprofessur ergattert oder in lukrativen Forschungsprojekten und an international renommierten Instituten auf den eigenen Lehrstuhl hinarbeitet – oder selbst in jungen Jahren zum Wissenschaftspolitiker wird. Wie viel ist davon nun im Buch zu spüren? Jürgen Mittelstraß eröffnet den Band mit dem gewohnten wissenschaftlichen Esprit, aber auch gehöriger Skepsis gegenüber einer Verschulung der Graduiertenausbildung. Verschulte Wege, so der Konstanzer Philosoph, führten nicht in die Wissenschaft, sondern in die Schule, in der das schon Gewusste vermittelt, nicht das Neue gefunden wird (14). Neben der Gefahr von zu viel gut gemeinter, aber schlecht verschulender Unterstützung für Promovierende sehen sich vor allem Postdoktoranden und -doktorandinnen unsicheren Verhältnissen ausgesetzt. Dass hier teils fulminante Balanceakte notwendig sind, um soziale Absicherung und Familiengründung überhaupt zu ermöglichen, ist zwar unisono bekannt. Gleichzeitig bekennt sich etwa Walter Berka, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, zu den Folgen kontinuierlicher akademischer Leistungsbewertung: “Dauerhaftigkeit der Laufbahn und Arbeitsplatzsicherheit sind unter diesen Anforderungen zwei Gradienten, die sich erst im Zeitablauf, das heißt mit fortschreitender Bewährung, schneiden können.” (34) Demgegenüber macht sich Julian Nida-Rümelin Gedanken um die Kreativität junger Hochbegabter im Zeitalter normierter Forschung. Seine an das Lesepublikum gerichtete Frage, ob unter den heutigen Bedingungen Albert Einstein oder Ludwig Wittgenstein eine Chance auf eine Professur in Deutschland hätten, trägt die latent skeptische Antwort schon in sich (62). Abhilfe verspricht unter anderem Wilhelm Krull, Generalsekretär der Volkswagenstiftung, durch gezieltes Fördern risikobehafteter, ‘transformativer Forschung’, die aufgrund ihres innovativen Gehalts in der ‘peer review’ scheitern könnte (66f.). Wie willkommen ist der wissenschaftliche Nachwuchs?   Konstanz 2011 Karoline Holländer und Gülay Ates stellen die Ergebnisse der ersten europaweiten Befragung unter jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vor. Nach der erfolgreichen Dissertation, so ein Befund der Eurodoc-Studie von 2008/2009, wird nur ein Drittel in der akademischen Forschung verbleiben. Allerdings streben mehr als zwei Drittel der Befragten eine Stelle in der universitären oder außeruniversitären Forschung an; lediglich ein Drittel bereitet sich auf andere Tätigkeiten vor (93). Das verwundert umso mehr, als die finanziellen Möglichkeiten während der Promotionszeit meist begrenzt sind. Nur bei der Hälfte reichen sie zur Deckung des Lebensunterhalts. 18,4 Prozent der Befragten sind auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen. “Wie willkommen ist der Nachwuchs?” fügt der Hamburger Tagung also weitere Kontrapunkte hinzu. Die weiteren Beiträge gehen durchaus differenziert an aktuelle Problemlagen heran — genannt seien “der ‘Postdoc’ als unbekanntes Wesen”, aber auch die internationale Qualifizierung. Neue Modelle, wie etwa das Konstanzer Zukunftskolleg, werden ebenfalls vorgestellt. Dass mit Albert Kümmel-Schnur gerade ein ehemaliger Konstanzer Juniorprofessor den packendsten Text liefert, sorgt wiederum für eine Relativierung. Ohne die übliche Scheu vor persönlicher Haltung breitet Kümmel-Schnur die Realien aus, mit denen die erste Generation von Juniorprofessorinnen und -professoren zu kämpfen hatte. Sein Fazit ist ehrlich und fast schon ein wenig defätistisch: “Inzwischen rate ich Freundinnen, Freunden und Bekannten davon ab, eine Juniorprofessur anzutreten, wenn sie über eine Alternative verfügen.” (131) Kümmel-Schnurs Mut, damit an eine breite Öffentlichkeit zu gehen (Spiegel Online), gibt dem Buch unverhofft einen anderen wissenschaftspolitischen Imperativ an die Hand. Auch das Wissenschaftssystem, könnte man sagen, muss mit den Auswirkungen seiner eigenen Störungen rechnen. Ansonsten hört Nachwuchsforschung allzu oft auf, bevor sie ihre gesamtgesellschaftlichen Aufgaben erfüllen kann. Jürgen Mittelstraß/Ulrich Rüdiger Wie willkommen ist der wissenschaftliche Nachwuchs? Neue Modelle der wissenschaftlichen Nachwuchsförderung Konstanz: UVK, 2011 (= Konstanzer Wissenschaftsforum, 4) ISBN 978-3-87940-830-6  

Quelle: http://gab.hypotheses.org/48

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Nachwuchsförderung – Schwerpunkte auf dem Historikertag 2012

Das gab_log wird natürlich auch mit auf dem Historikertag präsent sein. In Sachen Nachwuchsförderung stehen in Mainz eine ganze Reihe von Veranstaltungen und Ereignissen auf der Agenda. Die Max Weber Stiftung organisiert zusammen mit dem Historikerverband ein Panel zu Lust und Leid der internationalen Wissenschaftskarriere. Es widmet sich unter dem Titel Internationale Wissenschaft – nationale Laufbahnstrukturen? Postdoktorandinnen und Postdoktoranden in den Geschichtswissenschaften den sich verändernden Forschungs- und Lehrbiografien. Guido Lammers, Ulrike Lindner, Christiane Reinecke und Arndt Weinrich und Carl Antonius Lemke Duque debattieren am 26. September, von 9.15 Uhr bis 11 Uhr. Hartmut Berghoff, Direktor des Deutschen Historischen Instituts Washington, wird die Diskussion moderieren.  Wir werden die Beteiligten und ihren Blick auf das Thema hier auf dem gab_log noch ausführlich vorstellen.

Um lebensnotwendige Sachen, über die man angeblich ungern spricht, geht es auf folgendem Panel: Woher bekomme ich Geld für meine Forschung? Ein Service-Panel zum Thema Forschungsfinanzierung für Promovierende und PostDocs. (Dass das Thema hervorragend zum Thema des Historikertags Ressourcen — Konflikte passt, dürfte kein Zufall sein.)

Die Geschäftsführerin des Historikertags, Dr. Gudrun Ochs, hat übrigens vorab auf die vielfältigen Aspekte der Nachwuchsförderung aufmerksam gemacht:

Der Historikertag, der in rund zwei Wochen in Mainz stattfindet, ist einer der größten geisteswissenschaftlichen Kongresse in Europa: In 65 wissenschaftlichen Sektionen präsentieren rund 350 Referenten neueste Erkenntnisse aus allen Epochen und Teildisziplinen der Geschichtswissenschaften. Gleichzeitig bietet er Nachwuchswissenschaftlern eine ausgezeichnete Gelegenheit, mit etablierten Forschern ins Gespräch zu kommen und ihre eigenen Arbeiten zu diskutieren. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist den veranstaltenden Verbänden, dem Historikerverband (VHD) und Geschichtslehrerverband (VGD), ein wichtiges Anliegen. Deshalb wurden neben den beiden vom VHD vergebenen Nachwuchspreisen zwei Formate entwickelt, um junge Historiker auf dem Kongress aktiv in den wissenschaftlichen Austausch einzubinden.

Um die herausragenden Leistungen einer Doktorarbeit zu würdigen, verleiht der VHD alle zwei Jahre auf dem Deutschen Historikertag einen nach Hedwig Hintze benannten und mit 5.000 Euro dotierten Preis. Zudem zeichnet der Historikerverband herausragende Habilitationen mit dem Carl-Erdmann-Preis aus. Dieser ist mit 6.000 Euro dotiert.

Das Doktorandenforum wendet sich an Promovierende, die ihre laufenden Arbeiten in einer Posterpräsentation einem breiten Publikum vorstellen können. Die Ausstellung mit insgesamt 44 Postern von Nachwuchswissenschaftlern aus Deutschland, dem europäischen Ausland und Amerika ist an den vier Kongresstagen im Philosophicum, Campus der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zu besichtigen. Die drei gelungensten Präsentationen werden mit Preisgeldern in Höhe von 1.000, 500 und 300 Euro prämiert. Die Gerda Henkel Stiftung unterstützt die Initiative.

Das Schülerprogramm wird in enger Zusammenarbeit mit der Körber-Stiftung geplant und durchgeführt. Es besteht aus zwei speziell zugeschnittenen Sektionen, vier Vorträgen und zwei Filmvorträgen. Unter anderem diskutiert der israelische Historiker Prof. Dr. Moshe Zimmermann mit den Schülern über Geschichte als Politikum. Über Konstantin den Großen, Katastrophen im Mittelalter, die Bartholomäus-Nacht und die Halbstarken der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts können sich Schüler im Rahmen der Schülervorträge informieren. Gemeinsam mit der Körber-Stiftung zeichnet der Historikerverband zudem herausragende Schülerarbeiten aus dem Fach Geschichte aus.

Die herausragenden und innovativen Projekte sowie Arbeiten von Habilitierten, Promovierten, Doktoranden und Schülern werden vom Historikerverband im Rahmen der abendlichen Festveranstaltung in der Coface-Lounge des neuen Stadions vom 1. FSV Mainz 05 ausgezeichnet. Der Verband drückt damit seine Wertschätzung für deren Leistungen aus.

Quelle: http://gab.hypotheses.org/24

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Ein Gedankenexperiment zum Thema Pseudowissenschaft

Es liegt schon eine Weile zurück, als ich beim letzten a.r.t.e.s. Forum einen Vortrag über Pseudowissenschaften gehört habe. Damals fiel mir eine Frage ein, die ich aufgrund der vielen Wortmeldungen leider nicht mehr stellen konnte. Diese Frage basierte auf der … Weiterlesen

Quelle: http://astrologiefnz.hypotheses.org/112

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Neue Sonderausgabe des Soziologiemagazins zum Thema “Komplexe Neue Welt – Ausgewählte Beiträge zum SSK Berlin 2011″

Unter diesem Motto fand im Oktober 2011 der 3. Studentische Soziologiekongress an der Technischen Universität Berlin statt. Ein Kongress von Studierenden für Studierende, der neben wissenschaftlich-etablierten Tagungen und Kongressen eine bestehende Lücke im nachwuchswissenschaftlichen Austausch schließen sollte. Nach dem Debüt in Halle/Saale im Jahr 2007 und dem Folgekongress an der LMU München 2009 gelang der dritten Auflage 2011 in Berlin eine deutliche Steigerung gemessen an Teilnehmenden und Beiträgen. Die Entwicklung deutet auf eine kontinuierliche Etablierung des Formats hin. Allein die Zahlen sprechen für sich. [...]

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/2449

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Wieviel Verklausulierung braucht Wissenschaftssprache?

Es scheint, als veröffentlichten Nachrichtenmagazine immer öfter Beiträge mit Titeln wie Verschwurbeltes Hochschuldeutsch: Warum Wissenschaftler ihre Leser quälen (Spiegel Online), Wider die wolkige Wissenschaftssprache (Deutschlandradio) oder auch Wissenschaftssprache: Notwendiger Expertenjargon oder Fachchinesisch? (Bayern 2).

Alle beschreiben anhand konkreter Beispiele aus der Welt der Wissenschaft einen Umstand, der – mancher wird rufen „endlich“! – immer öfter kritisch beleuchtet wird: In vielen wissenschaftlichen Publikationen werden Aussagen über weite Strecken durch eine spürbar aufgeblasene Sprache verschleiert. Auch solche, die inhaltlich gar nicht mal so kompliziert sind. Der Leser, insbesondere wenn es sich um jüngere Studierende oder gar interessierte Laien handelt, hat in der Konsequenz veritable Verständnisprobleme. Verkommt die Wissenschaftssprache tatsächlich immer mehr zu undurchsichtigem Kauderwelsch? Ist das hauptsächlich ein Problem im deutschsprachigen Bereich? Dieser Eindruck drängt sich beim Blick in den angelsächsischen Sprachraum geradezu auf, wo gerade geschichtswissenschaftliche Werke eine breite Laienleserschaft finden. Das dürfte nicht zuletzt deshalb so sein, weil man sich nicht scheut, auch im akademischen Kontext lebendig und anschaulich zu formulieren.

Der Begriff der Wissenschaftssprache  wird inzwischen quasi automatisch mit absurden Satzkonstruktionen oder dem übertriebenen Einsatz von Fachtermini und Fremdwörtern assoziiert. Noch deutlicher benennt man dieses Phänomen mit dem Begriff der Antragsprosa. In dem von Susanne Weiss und Michael Sonnabend verfassten Buch Schreiben, Bloggen, Präsentieren wird deutlich, welche Ausmaße eine solche Jargonkultur in der Wissenschaft annehmen kann:

„Jeder weiß, dass Gespenster nur dort Angst und Schrecken verbreiten können, wo es dunkel ist. Je heller es ist, umso grässlicher müssen Fratzen und Gebärden sein, damit der Mensch Angst hat, wahlweise Ehrfurcht vor ‚Attributionsfehlern in perzeptuell ambigen Situationen‘, Angst vor ‚Emergenzen von zu Illustrationszwecken appendizierten Karten‘; vor ‚Stabilitätssuggestionen‘ und ‚Mikrosatelliteninstabilität‘ oder gar vor den ‚Kontingenzproblemen im Interventionsgeschehen‘…“ (Weiss/Sonnabend 2011, S. 40)

Dass innerhalb einzelner Disziplinen etablierte Fachtermini für die Normierung und den Austausch wissenschaftlicher Erkenntnisse unentbehrlich sind, wird niemand bestreiten wollen. Und ja, ein Wissenschaftler schreibt natürlich in erster Linie für andere Wissenschaftler. Von denen kann man in der Tat gewisse Verständniskompetenzen erwarten, die ihnen das Erschließen elaborierterer Texte ermöglichen. Wie weit aber darf der Verklausulierungstrend gehen, von dem man – seien wir ehrlich – insgeheim vermutet, dass er vom Autor aus Gründen vermeintlicher Statusschaffung gehegt und gepflegt wird? Ist es nicht ein Schuss ins eigene Knie, wenn eine aufgeblähte und nur augenscheinlich präzise Sprache ihren eigentlichen Zweck verfehlt – nämlich die Vermittlung von Informationen? Vermittelt kann nur werden, was verstanden wird.

Wie aber kann man dieses Problem angehen – wie sieht denn „gute“ Wissenschaftssprache aus? Im digitalen Zeitalter erweitert sich die Schar der Leser, die an wissenschaftlicher Kommunikation – wenn auch nur passiv – teilhaben möchte, über die akademische Welt hinaus. Deshalb lässt sich die Frage nach den Grenzen von Wissenschaftssprache auch mit einem „nach unten“ gerichteten Blick stellen: Wie „alltagssprachlich“ dürfte es in der Wissenschaft zugehen, würde man versuchen, dem angesprochenen Wandel innerhalb der Leserschaft Rechnung zu tragen? Ab welchem Punkt wird eine bewusst transparent gestaltete Fachsprache ihrerseits zum Problem, ab wann geht es mit der Genauigkeit wissenschaftlicher Aussagen bergab? Und könnte auch der bewusste Verzicht auf Verklausulierungen in genuinen Netzformaten (Blogs, Tweets) ein Grund für die Skepsis etablierter Wissenschaftler sein, diese zu bedienen, steht dieses Argument doch in direktem Bezug zur Hierarchiefrage?

Diese, sowie mögliche Lösungsstrategien, können wir in Panel 3 der RKB-Tagung diskutieren.

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/209

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