Twitter – Medium der Geschichtskultur, z.B. @9Nov38 (Außenperspektive)

 

Hohe Resonanz in traditionellen wie neuen Medien und über 11000 Follower verzeichnete das Microblogging fünf junger HistorikerInnen zu den Novemberpogromen vor 75 Jahren. Ermöglicht zeitversetztes Tweeten wie das Projekt @9nov38 neue Brückenschläge in die Gegenwart? Einem ersten Kurzbeitrag der AutorInnen am 28.10.2013 folgten im November über 400 weitere Tweets, eine Abfolge aus Quellenauszügen und quellenbasierten Nachrichten. Der Wechsel des Slogans bei Twitter von „What are you doing?“ zu „What’s happening“ im Jahr 2009 bildete dabei die Voraussetzung, über aktuelle persönliche Befindlichkeiten und Tätigkeiten hinaus Kurzmeldungen und Kommentare zu posten und auszutauschen.1

 

Geschichte als Statusupdate?

Auf einige geschichtstheoretische Fehlschlüsse des neuen Medienformats zur Thematisierung von Geschichte wurde bereits hingewiesen: aufzählende Fragmentierung in Einzelereignisse anstelle historischer Narration, Simulation einer Kopräsenz durch die Illusion minutengenauen „Miterlebens“ „der“ Ereignisse, Gleichsetzung von Vergangenheit und Geschichte durch die Anwendung des historischen Präsens.2 „What happened?“ wäre also der geeignetere Slogan für Geschichts-Tweets. Zur medialen Eigenlogik von Twitter gehört schließlich nicht nur die Deutung durch Auswahl von 140 Zeichen kompatiblen Nachrichten, sondern auch durch die Festlegung einer zumutbaren bzw. rezipierbaren Nachrichtenfrequenz für die Follower. „Im Endeffekt würden … am Abend und in der Nacht des 9./10. Novembers tausende Ereignistweets durchlaufen, die keiner mehr lesen oder aufnehmen könnte. Die Auslassung ist also gewollt und nötig.“3 Dagegen haben sich die AutorInnen von @9nov38 dem Problem der fehlenden Kontextualisierung und mangelnder Kohärenzangebote gestellt: Die begleitende Website4 enthält Quellen, einen Blog sowie Links zu Reaktionen auf das Projekt. Nach dessen Abschluss sollen überdies die Inhalte aller Tweets in einer Datenbank mit Literaturverweisen belegt werden.

Medienspezifische Potenziale

Die über mehrere Wochen abgesetzten Tweets können die temporale Dynamik der Novemberpogrome als Terrorwoche mit ihrer Vor- und Nachgeschichte deutlich machen. Durch ihre simultane Taktung mit der Gegenwart des Nutzers erhalten sie möglicherweise einen erhöhten Aufmerksamkeitsstatus und Prägnanz. Die im öffentlichen Gedenken stattfindende Reduktion der Vorgänge auf eine „Pogromnacht“ wird aufgebrochen. Die ereignisgeschichtlich individualisierenden und personalisierenden Kurznachrichten zum Leid der Opfer rücken die Gewalt gegen Menschen stärker ins Bewusstsein als dies häufig in den öffentlichen Medien erfolgt. Denn dort werden vor allem auch auf visueller Ebene die Pogrome auf die materielle Zerstörung reduziert, den brennenden Synagogen und zerstörten Geschäften. Natürlich müssen auch Geschichts-Tweets erst einmal abonniert werden, setzen also Eigeninitiative voraus, die aber als niederschwellig anzusiedeln ist. Als virtuelle Stolpersteine können sie neue Zielgruppen ansprechen und Lernvorgänge in Gang setzen oder verstärken. Das zeigt zumindest das auch die AutorInnen überraschende hohe Interesse der Follower an den verlinkten Quellen. 

Geschichte auf der Timeline

Da die Tweets im persönlichen bunten Nachrichten-Mix der Nutzer landen, stellt sich natürlich auch hier die Frage nach Kohärenz und Stabilität der Sinnbildungen durch diese historischen Weckrufe.5 Möglicherweise fungiert aber dieses „barrierefreie“ Einbrechen der Tweets in die Normalität und Gegenwart des eigenen Alltags auch als ein weiterer Zugang jenseits der normativ gebotenen Trauer, weil der Nutzer bzw. die Nutzerin sich auch hier bewusst wird, dass er bzw. sie selbst gerade etwas tut, was für viele Juden in Europa nicht möglich gewesen ist.6 „Das Vergangene muß eine Art neuer Gegenwart erhalten, zu neuem Leben erweckt werden: zu einem ‚sekundären’ Leben, dessen Ort unser Bewußtsein ist”7. So beschrieb Rolf Schörken lange vor dem Web 2.0 Vergegenwärtigung als eine Form der historischen Bemühung um Aneignung von Geschichte in der Gegenwart. Ein kreativer Versuch, das Vorstellungsvermögen zu aktivieren und Ritualisierungen des Gedenkens aufzubrechen, ist das Projekt in jedem Fall.

Vgl. Autorenteam Hoffmann, Jahnz & Schmalenstroer mit ihrer Akteursperspektive

Literatur

Externe Links

 

Abbildungsnachweis
Screenshot von @9Nov38 (22.11.13, 12.30 Uhr) mit freundlicher Genehmigung der AutorInnen.

Empfohlene Zitierweise
Bühl-Gramer, Charlotte: Twitter – Medium der Geschichtskultur, z.
B. @9Nov38 (Außenperspektive). In: Public History Weekly 1 (2013) 13, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-798.

Copyright (c) 2013 by Oldenbourg Verlag and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 

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Tagung in Bern: “Geschichtswissenschaften und Verlage im digitalen Zeitalter”

Der digitale Wandel und sein Einfluss auf das wissenschaftliche Publizieren, auf die AkteurInnen in der Geschichtswissenschaft und in den Verlagen steht im Zentrum der kommenden infoclio.ch – Tagung “Geschichtswissenschaften und Verlage im digitalen Zeitalter.” 

Am 15.11.2013 wird in Bern über die Zukunft des geschichtswissenschaftlichen Publizierens mit allen beteiligten AkteurInnen diskutiert, also mit Verlagen auf der einen und den Forschenden und den Instituten auf der anderen Seite.

Durch die Open-Access-Bewegung können traditionelle Publikationsmodelle abgelöst werden, was bei den AkteurInnen zu Unsicherheiten führen kann. Wie sehen hier die Erwartungen und Bedürfnisse der AkteurInnen aus? Wie ist das Verlagswesen derzeit aufgestellt und wie könnte es sich entwickeln?

Die Teilnahme ist kostenlos. Um Anmeldung wird gebeten.

Weitere Infos finden Sie hier.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2517

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Editorial. Noch eine neue Zeitschrift?

 

Die deutschsprachige Zeitschriftenlandschaft ist auf dem Feld der historisch-politischen Bildung reich und vielfältig. Die üblichen Formen der formalisierten wissenschaftlichen Qualitätssicherung sind etabliert. Dem Beobachtenden mag es manchmal scheinen, dass es nicht an Publikationsgelegenheiten mangelt, sondern an lesenswerten und diskussionsanregenden Texten. Dieses Phänomen des redaktionellen Nachfrageüberhangs auf dem Publikationsmarkt wird durch die vielen themenspezifischen Sammelbände, die allenthalben erscheinen, noch deutlich verstärkt. Diese große Textproduktion lässt aber auch die Frage aufkommen, wer das alles noch aufmerksam studieren soll? Es kann deshalb kein sinnvolles Projekt sein, den vielen etablierten Zeitschriften ein weiteres konkurrierendes Organ hinzuzufügen.

 

Drei Probleme: Erscheinungsfrequenz, Hermetik, Randständigkeit

Wenn man genauer hinsieht, kann man feststellen, dass diese Zeitschriftenlandschaft mit charakteristischen Problemen und Defiziten behaftet ist. Die einzelnen Blätter erscheinen in langer Frequenz und mit langer Produktionsdauer (auch wegen der aufwändigen kollektiven Qualitätssicherungen). Dies führt dazu, dass ein lebendiger und kontroverser Austausch über zentrale Probleme der historisch-politischen Bildung im Medium dieser Zeitschriften nur sehr schwer ins Laufen kommt. Solche besonders für diesen Themenbereich so essentiellen Kontroversen finden auf und am Rande von Tagungen statt, werden in der Regel nicht dokumentiert und entwickeln deshalb nicht ihr öffentliches Potenzial. In den gängigen Zeitschriften stehen die einzelnen Beiträge gleichsam als Monaden, und die üblichen Fußnotenscharmützel sind notgedrungen gestrig. Eine publizierte Reaktion auf eine solche Monade ist es im Augenblick ihres viel späteren Erscheinens auch.
Das Schreiben in den etablierten Zeitschriften trägt weitgehend hermetischen, manchmal esoterischen Charakter. Das liegt nicht nur an einer elaborierten Wissenschaftssprache, sondern auch an der geringen Auflagenstärke und Reichweite dieser Zeitschriften. In der Regel werden nicht mehr als wenige hundert Exemplare verkauft, von denen die meisten wiederum in die Bibliotheken wandern und dort die Regale füllen. Die GeschichtsdidaktikerInnen schreiben also weitestgehend nur für sich. Ihre entscheidende Zielgruppe, die LehrerInnen, aber auch eine interessierte Öffentlichkeit erreichen sie kaum.
Damit verbunden ist noch ein weiteres Problem: In der Öffentlichkeit und ihren Medien gibt es immer wieder Konflikte, die das Feld der historisch-politischen Bildung direkt betreffen. Da die GeschichtsdidaktikerInnen sich in einer abgeschirmten Öffentlichkeit bewegen, werden sie von den jeweils verantwortlichen JournalistInnen als ExpertInnen nicht wahrgenommen. Dadurch bleiben die spezifischen Rationalitätspotentiale unausgeschöpft, die von der Geschichtsdidaktik in ihrer mittlerweile 60jährigen wissenschaftlichen Entwicklung erarbeitet worden sind.

Eine paradoxe Lösung

Was tun? Doch eine neue Zeitschrift gründen. Es sollte allerdings eine Zeitschrift sein, die für die Probleme der Frequenz, der Hermetik und der Randständigkeit einen Lösungsansatz bietet. In den vergangenen Monaten ist in diesem Sinne ein Format entwickelt worden, das lebendigen, nahezu echtzeitigen wissenschaftlichen Austausch ermöglicht und das die Rationalitätspotentiale der Didaktiken der Geschichte und Politik effektiv öffentlich und massenmedial kompatibel sichtbar macht. Als Zielgruppen werden über den vorgenannten wissenschaftlichen Kreis hinaus auch und besonders die LehrerInnen, die JounalistInnen und ganz allgemein eine interessierte Öffentlichkeit betrachtet. Das sind Gruppen, die bis anhin keinen Zugang zur Diskussion in den Didaktiken der Geschichte und Politik hatten und umgedreht für publizierende DidaktikerInnen kaum erreichbar waren.

Geschichtsdidaktik 2.0

Um diesen Zweck zu erreichen, braucht man ein Online-Medium, weil sich jeder Interessierte, nicht zuletzt auch die LehrerInnen, heutzutage primär online informiert. Darüber hinaus benötigt man ein interaktives, aber gleichwohl technisch niedrigschwelliges Format, um auch nicht-netzaffine Kolleginnen und Kollegen in lebendige nicht-mündliche Diskurse einzubinden. Gleichzeitig stärkt das geplante Format die Präsenz von Geschichts-und Politikdidaktikern im Netz und befördert dadurch die notwendige Anpassung an den sich vollziehenden digitalen Wandel der Lebenswelt unserer SchülerInnen, der Lehrkräfte in unseren Fächern und der veröffentlichten Meinung. Das könnte wünschenswerterweise dazu führen, dass sich die didaktischen Debatten in ihrer Teilnehmerschaft ausweiten und diversifizieren – weil es nur noch eine sehr niedrige Teilnahmeschwelle gibt.
Um die Debatten zu füttern und die fachliche Neugier immer wieder zu befriedigen, müssen Überraschung und Berechenbarkeit gekoppelt werden. Man muss erwarten dürfen, dass anerkannte und durch Forschung ausgewiesene ExpertInnen sich dort regelmäßig melden und deren Beiträge wiederum dürfen inhaltlich nicht vorab erwartbar sein. Dementsprechend werden 12 ProfessorInnen aus Österreich, der Schweiz und Deutschland das Journal als Stammautoren unterstützen. Diesen AutorInnen wiederum wurde im Themenspektrum der Zeitschrift absolute auktoriale Freiheit eingeräumt, sie können schreiben, worüber sie wollen. Jeden Donnerstag um 8 Uhr wird ein neuer, hoffentlich gut lesbarer und anregender Initialbeitrag erscheinen. Kommentiert werden können alle erschienenen Beiträge – maximal in gleicher Länge wie die Initialtexte.
Das Ganze ist dann ein Blog-Journal, in dieser Form etwas ganz Neues im Spektrum geschichtsdidaktischer Zeitschriften. Vielleicht eine gute Ergänzung.

 

3 „Disclaimer“

- Man mag sich wundern, warum der Auftritt und Titel des Blog-Journals in englischer Sprache gehalten sind. Es handelt sich dabei, man mag es uns glauben, nicht um neumodische Wichtigtuerei. Vielmehr soll unser Autorenstamm ab 2014 um englischsprachige KollegInnen erweitert und das ganze Journal zweisprachig gehalten werden. Wir wollen den Austausch perspektivisch sehr gern grenzenlos ermöglichen. Es handelt sich also um die graphische Vorwegnahme des nächsten Entwicklungsschrittes.

- Dieses Format ist ein neuartiges – auch für die AutorInnen. Schreiben 2.0 will neu gelernt werden. Bitte seien Sie in den ersten Monaten nachsichtig.

- „Public History“ ist ein weites Feld. Das Blog-Journal möchte einzelne, spezifisch didaktische Perspektiven kenntlich machen und erhebt keinerlei Anspruch auf Ausschließlichkeit, Wahrheitsbesitz und Themenmacht. Keine Angst vor dem “Imperial Overstretch”.

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Digitale Lernumgebungen in Universitätsseminaren mit Wikis und Etherpads | papierlos – einfach – kollaborativ – BYOD

Das hier vorgestellte Modell einer digitalen Lernumgebung für Universitätsseminare ist ein seit drei Semestern erprobter und einfach zu realisierender Vorschlag für universitäres Lehren und Lernen mit digitalen Medien. Interessant wäre zu erfahren, wer bezüglich digitaler Lernumgebungen in universitären Lehrveranstaltungen andere Konzepte entwickelt oder Erfahrungen gemacht hat.


Für eine funktionierende digitale Lernumgebung ist kein großer Aufwand nötig | Studierende bearbeiten in Gruppen verschiedene Etherpads

 

Es hat sich gezeigt, dass eine funktionsfähige, papierlose und stabile digitale Infrastruktur in Seminarräumen keine außergewöhnliche Ausstattung benötigt; es reichen WLAN, Beamer, Dozentenlaptop und Laptops/Tablets, die Studierende (im Sinne von BYOD: “Bring your own Device”) selbst mitbringen. Ein Gerät für drei bis vier Studierende reicht aus, und es hat sich inzwischen eingespielt, dass immer mehr als genug Geräte vorhanden sind.

Die Seminare werden in einem Wiki mit Seminarplan und Unterseiten zu den einzelnen Sitzungen dokumentiert. Zudem enthalten die Unterseiten des Wikis die jeweiligen Seminarsitzungen vorbereitende Aufgaben, die von den Studierenden in Vierergruppen kollaborativ beantwortet werden. Somit lässt sich das Modell sinnvoll in Lerngruppen verschiedener Größe anwenden, denn es lassen sich beliebig viele Arbeitsgruppen einrichten (das oben gezeigt Seminar “Einführung in die Geschichtsdidaktik” besteht aus ca. 30 Studierenden).

Wiki mit Seminarstruktur und Unterseiten zu den Seminarsitzungen

 

Das wichtigste Tool zur vorbereitenden Gruppenarbeit (die Studierende zu Hause an eigenen Geräten durchführen) ist das Etherpad. Im Seminar-Wiki sind für die verschiedenen Sitzungen und Gruppen eine Vielzahl einzelner Etherpads verlinkt, die sich ganz einfach und ohne Anmeldung erstellen lassen. Dieses kollaborative Schreibtool ermöglicht (optional) auch gleichzeitiges Arbeiten sowie eine Diskussion über einzelne Ergebnisse im Chat. Über einen Slider (rechts oben im Etherpad) ist es zudem möglich, die Entstehung des Etherpads und die Gedankengänge nachzuvollziehen. In der Seminarsitzung, in denen die Gruppen ihre zu Hause erstellten Antworten zu den Aufgaben in kurzen Gruppenarbeitsphasen nochmals diskutieren und anpassen, lassen sich die Etherpads und die gemeinsamen Ergebnisse für die anschließende, gemeinsame Diskussion im Plenum problemlos und unmittelbar mit dem Beamer über den Dozentenlaptop projizieren. Wikis und Etherpads lassen sich auch gut für einzelne Arbeitsaufträge während des Seminars einsetzen. Die Sitzung wird in einem als Etherpad angelegten Sitzungsprotokoll dokumentiert, in das auch mehrere Studierende gleichzeitig schreiben können. Zudem können Studierende für ihre eigenen Seminarbeiträge Materialien, Arbeitsaufträge usw. selbst einstellen. Am Ende erhält man eine vollständige Dokumentation der Lehrveranstaltung.

Etherpad mit Gruppenergebnissen und Chat (rechts unten)
 

Die Wikis werden von der Lernplattform Ilias der Universität zu Köln bereitgehalten (es gibt auch andere Möglichkeiten, Wikis einzurichten) und sind nicht öffentlich einsehbar; dort ist auch die jeweilige Pflichtlektüre für die Lehrveranstaltungen als pdf abgespeichert. Die Etherpads werden von verschiedenen externen Anbietern kostenlos zur Verfügung gestellt (z.B. MoPad von Mozilla).

Die vorbereitende Gruppenarbeit verfolgt in erster Linie das Ziel, die Disziplin bezüglich der Vorbereitung der Pflichtlektüren zu erhöhen. In der ersten Durchführung erwies es sich als problematisch, dass einige Studierende ihre Beiträge zur Gruppenarbeit nicht regelmäßig beisteuerten. Deshalb versehen die Studierenden jetzt ihre (farblich jeweils unterschiedlich unterlegten Beiträge) mit Namenskürzeln, die im Anschluss an die Sitzung nachgehalten werden. Da die Gruppen dieselben Aufgaben vorbereiten, können sie auch die Ergebnisse anderer Gruppen einsehen; dennoch sind „Anleihen“ fremder Gruppenergebnisse bisher nur selten vorgekommen. Das Modell reduziert – einmal erarbeitet – den Organisationsaufwand für Lehrveranstaltungen und findet bei Studierenden aufgrund der kollaborativen Vorbereitung zu den Seminarsitzungen und der verbesserten Übersichtlichkeit und Dokumentation der Lehrveranstaltung Anerkennung.

Der Einsatz von Wikis und Etherpads in der digitalen Lernumgebung bedeutet keineswegs, dass nur oder hauptsächlich atomisiertes eLearning stattfindet. Einzelarbeit findet (außer bei der Vorbereitung) kaum statt; der Anteil an Gruppenarbeit und Plenumsdiskussion während der Seminarsitzung ist ausgeglichen. Die Erfahrung zeigt, dass die gemeinsam erstellten Arbeitsergebnisse, die sich zudem leicht abrufen und projizieren lassen, die Diskussionsabläufe erstens bescheunigen und systematisieren sowie zweitens die Diskussionskultur verbessern. Die zugrundeliegenden Texte werden offenbar intensiver vorbereitet. Das Modell eignet sich für eine geschichtsdidaktische Lehrveranstaltung deshalb besonders gut, weil das kollaborative Lernen im Etherpad dem geschichtsdidaktisch relevanten Anspruch von Diskursivität und Kontroversität (Geschichte als ein Aushandlungsgeschäft) methodisch entgegenkommt.

Zuletzt: Das letzte Stück Papier, das der Dozent in die Veranstaltung mitbringen muss, ist die von den Studierenden zu unterschreibende Teilnehmerliste. Wer kennt eine sinnvolle online-Alternative?

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Digitale Lernumgebungen in Universitätsseminaren mit Wikis und Etherpads | papierlos – einfach – kollaborativ – BYOD. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 15.5.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1719, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1719

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Ungleiche Geschwister | Medienbegriffe des Geschichtslernens

In den vergangenen Jahren und Monaten haben sich Diskussionen über die Auswirkungen des digitalen Wandels und digitaler Medien auf das Geschichtslernen (zuletzt u.a. auf den Tagungen #gld13 in München und #nmdig in Salzburg) intensiviert. Gelegentliche Unschärfen dieser Diskussionen ergeben sich daraus, dass von Medien gesprochen wird, dabei aber unterschiedliche Medienbegriffe zugrunde gelegt werden. Das folgende Schaubild differenziert (nach derzeitigem Stand) für das Geschichtslernen relevante Medienbegriffe.


Einerseits schließen sich die drei aufgeführten Medienbegriffe, die bereits seit vielen Jahren diskutiert werden[1], und die aufgezeigten Geltungsansprüche nicht gegenseitig aus und können deshalb supplementär nebeneinander angeordnet werden; die vorgeschlagene Abstufung der Relevanz ist eine normative Setzung. Andererseits sind die Medienbegriffe ungleiche Geschwister. Es gibt wenige Bezugnahmen zwischen den jeweiligen Entstehungs- und Diskussionskontexten, Vorannahmen und zentralen Kategorien.

In der Geschichtsdidaktik ist der Medienbegriff seit Jahren klar abgesteckt und etabliert. Hauptsächlich auf Hans-Jürgen Pandel geht die Setzung zurück, dass Vergangenheit nur medial vermittelbar ist und sich die Geschichte ihre Medien selbst schafft. Im Mittelpunkt dieses Medienbegriffs stehen Objektivationen und Präsentationsformen von Vergangenheit und Geschichte; sie werden aufgrund der Kriterien Authentizität und Historisierbarkeit in Quellen, Darstellungen und Fiktionen kategorisiert. Aus dieser Festlegung resultieren verschiedene Mediengattungen (Texte z.B. als Textquellen, historische Fachliteratur und historische Romane; Filme z.B. als Filmdokument, Dokumentarfilm oder Historienfilm usw.). Dieser Medienbegriff kann eine große Plausibilität für sich verbuchen. Gegenüber Aspekten des digitalen Wandels ist er jedoch abweisend wie eine Teflonpfanne – schließlich ist es beispielsweise gleichgültig, ob Bilder in analoger oder digitalisierter Form vorliegen oder projiziert werden.

Mit dem Fokus auf das Geschichtslernen gewinnen deshalb zusätzlich allgemeine Medienbegriffe an Bedeutung um Veränderungen des Geschichtslernens im digitalen Wandel zu beschreiben und zu erklären; diese berühren auch fachdidaktische Gesichtspunkte. Betreffs des formellen Lernens sind Medien als Lehr- und Lernmittel relevant, dabei insbesondere der instrumentelle Charakter von Medien nicht nur als Mittel, sondern auch als Mittler. Solche Instrumente konfigurieren mediale Denk- und Lernräume, in denen verstärkt subjektorientiertes Lernen stattfinden kann. Diesbezüglich zeigen digitale Medien neue Formen und Wege des Geschichtslernens auf. Digitale Denk- und Lernräume werden (nach heutigem Stand) vor allem durch digitale Geräte und das Internet konfiguriert. Online-Tools wie Blogs, Wikis oder Etherpads ermöglichen beispielsweise kollaborative Lernformate, die bezüglich Diskursivität und Kontroversität auch fachdidaktische Relevanz aufweisen.

Der allgemeine bzw. gesellschaftliche Medienbegriff, der sich mit der Frage der Verbreitung der Massenmedien und der Ausbildung von Medienkompetenz beschäftigt, verdeutlicht, dass mit dem digitalen Wandel ein tiefgreifender gesellschaftlicher und kultureller Umbruch einhergeht, der sowohl formelle als auch informelle Aspekte des Geschichtslernens einschließt. Auf der Münchner Tagung wurde zum digitalen Wandel auch das Lernen unter den Bedingungen der Digitalität diskutiert, dem man sich längst nicht mehr entziehen kann – beispielsweise der Umstand, dass Schüler/innen (egal ob erlaubt oder nicht) Informationen mit ihren Smartphones nachschlagen und sich deshalb die Aufgaben- und Lernkultur verändern sollte. Bezogen auf fachdidaktische Aspekte spielen für das Geschichtslernen insbesondere der entgrenzte Raum des Internets mit einer Hinwendung zur Geschichtskultur oder die neuen kommunikativen Möglichkeiten z.B. in Social Media eine bedeutende Rolle. Einen besonderen Beitrag des Geschichtslernens kann auch die Thematisierung von Mediengeschichte leisten, die durch Medien ausgelöste gesellschaftliche Veränderungen der Vergangenheit mit den aktuellen, rasanten Entwicklungen der heutigen Mediengesellschaft in Beziehung setzt.

Die Diskussion zur Bedeutung des digitalen Wandels für das Geschichtslernen lässt sich somit einfach systematisieren, indem nicht allgemein von Medien, sondern von a) Medien im Sinne des (etablierten) geschichtsdidaktischen Medienbegriffs, b) Medien als Lehr- und Lernmedien und c) Medien im Sinne eines gesellschaftlichen Medienbegriffs gesprochen wird.

Das Schaubild macht einerseits deutlich, dass das Geschichtslernen mit digitalen Medien  aus Perspektive der Geschichtsdidaktik nicht von primärer Relevanz ist. Andererseits kann der etablierte geschichtsdidaktische Medienbegriff den sich vollziehenden digitalen Wandel nur unzureichend beschreiben. Daher kommt den im allgemeindidaktischen Kontext diskutierten Medienbegriffen für die fachdidaktische Reflexion im sich rasant vollziehenden digitalen Wandel eine wachsende Bedeutung zu. Bezogen auf den geschichtsdidaktischen Medienbegriff stellt sich schließlich die Frage, erstens ob und zweitens mittels welcher Ansätze die aufgezeigte Lücke gefüllt werde könnte.

[1] Wichtige Stichwortgeber zur Diskussion des Medienbegriffs für das Geschichtslernen sind neben Hans-Jürgen Pandel, der diesbezüglich die einschlägige Handbuchliteratur dominiert, u.a. Host Gies, der Medien als “Mittel und Mittler” beschrieben hat sowie zuletzt Daniel Bernsen, Alexander König und Thomas Spahn mit ihrem Beitrag Medien und historisches Lernen. Eine ausführliche Darstellung mit entsprechenden Literaturangaben (für das Blog zu umfangreich) folgt im Beitrag zum Open Peer Review „Geschichte Lernen im digitalen Wandel“ (zur Tagung in München vom März 2013).

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): Ungleiche Geschwister | Medienbegriffe des Geschichtslernens. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 8.5.2013. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1653, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1653

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17. März | segu wird zwei | Positionsbestimmungen und Fragen

Am 17. März 2011 ging die Seite segu-geschichte.de online. segu war seinerzeit kaum mehr als eine Idee für ein Konzept Offenen Geschichtsunterrichts; anfangs gab es nur eine Handvoll Module. Zwei Jahre später stehen auf der Lernplattform insgesamt über 130 und damit etwa zwei Drittel der geplanten Module zur Verfügung.[1]

 


segu-geschichte.de | Screenshot vom 17. März 2011

 

Die ursprüngliche Idee zum segu-Konzept hatte mit Geschichtslernen im Internet nichts zu tun. Aus Erfahrungen der Schulpraxis, dass individuelles Lernen und Differenzierung zwar überall gefordert und durch die Umstellung auf den Ganztag an vielen Schule auch notwendig wurden, dennoch selten Anwendung fanden, erwuchs (mit Antritt der Stelle als abgeordneter Lehrer an der Universität zu Köln im Februar 2011) die Idee, ein tragfähiges Lehr- und Lernkonzept für Offenen Unterricht[2] im (meist) zweistündigen Nebenfach Geschichte (bzw. Gesellschaftslehre) der Sekundarstufe I zu erstellen. Weil schnell klar wurde, dass hierfür umfassend Lernmaterialen benötigt, in Papierform aber schwer zu organisieren sein würden, entwickelte sich erst im zweiten Schritt die Idee, diese online zur Verfügung zu stellen.

Die Programmierung der Lernplattform mit inzwischen zwei umfassenden relaunches erfolgte mit einer einfachen, im Detail dann doch nächteverzehrenden Webdesign-Software in Handarbeit. Weil sich die Funktionalität der Seite im Wesentlichen auf die Verlinkung von pdf- und Textdateien beschränkt, erfüllt sie ihren Zweck gut, bleibt in der vorliegenden Version aber klar ein Web1.0-Angebot. Im März 2012 wurde zusätzlich der Medientyp der (zurzeit 8) segu-Videomodule eingeführt, die als Screencast-Videos erstellt und extern in einem eigenen Youtube-Kanal hochgeladen werden. Die meiste Arbeit benötigt die Erstellung der einzelnen segu-Module, die hauptsächlich mit den Kapazitäten der abgeordneten Lehrerstelle unter Mitarbeit studentischer Hilfskräfte entstanden sind.[3] segu verfügt ansonsten über keine Ressourcen.[4] Knapp 10 Module stammen von anderen Autoren, darunter drei auch von Studierenden der Universität zu Köln.[5]

Zu Beginn des Projekts waren die Vorbehalte, die Materialen online zu stellen, aufgrund der Befürchtung gegen Urheberrechte zu verstoßen groß. Bis zur Erkenntnis, dass es möglich ist, Lernmaterialien bedenkenlos im Netz zu veröffentlichen, hat es einige Monate gedauert. Es wurde beispielsweise klar, dass es dank der in der Wikimedia vorhandenen, unter CC (Creative Commons)-Lizenz oder gemeinfrei (Public Domain) bereitgehaltenen Bildmedien kein Problem darstellt, Bilder in Lernmaterialien einzufügen, wenn man einen korrekten Bildnachweis führt. Einen weiteren wichtigen Anstoß gab Daniel Bernsen im November 2011, die segu-Lernmaterialien selbst auch unter CC-Lizenz zu stellen und als OER (Open Educational Resources)[6] zu labeln. Seither stehen die Module nicht mehr nur als pdf, sondern auch als Textdateien zur Verfügung.[7]

 

segu-Benutzerstatistik bei Google Analytics | Samstags haben Lehrer & Schüler anderes zu tun…

 

Die Resonanz auf die Lernplattform ist erfreulich. Die mittels google analytics erhobenen Zugriffszahlen belaufen sich auf etwa 150-200 (s. Foto), die vom Hoster ausgewiesenen Zugriffe auf etwa 600 Zugriffe täglich (Die Abweichung bedarf einer Erklärung; wir haben keine). Die Zahl der monatlich (entweder als pdf, doc oder odt) heruntergeladen Module lag laut Hoster im Oktober 2011 bei ca. 2.500, im Mai 2012 bei 13.000 und zuletzt bei 22.000. segu hat sich durch Vernetzung via twitter, facebook, iTunesU, Youtube, LearningApps und durch das segu-Magazin bei Scoopit ohne jede kommerzielle Bewerbung von selbst verbreitet.

Eine empirische Stichprobe zur Arbeit von Schüler_innen mit segu hat gezeigt: Das Konzept funktioniert im Unterricht und zeigt eine pragmatische Lösung für die Arbeit mit digitalen Geräten und dem Internet auf. Auch in den Medien hat segu Erwähnung gefunden. So berichtete die Süddeutsche Zeitung im Januar, segu sei der „einzige OER-Leuchtturm in Deutschland“ – eine schmeichelhafte, aber übertriebene Aussage. Der (mit Abstand) höchste OER-Leuchtturm in Deutschland ist (seit 15 Jahren) die ZUM.de. segu und die ZUM (Schwerpunkt Geschichte) sind seit Sommer 2012 Kooperationspartner.

Nach zwei Jahren kommt die Arbeit an den Modulen wesentlich langsamer voran. Das hat auch damit zu tun, dass universitäre Stellenprofile – je länger man auf dem Platz steht – nicht kleiner werden. Die Arbeit mit segu hat sich zudem stärker in eine Richtung verlagert, wie in Zukunft mit digitalen Medien sinnhaftes digitales Geschichtslernen stattfinden kann. Zum Stellenprofil gehörte in diesem Zusammenhang die Organisation der Tagung #gld13 | Geschichte Lernen digital am 8. und 9. März 2013 in München, die als interaktive Netztagung live zu sehen war, reichlich betwittert wurde und bald auf L.I.S.A. als Video bereit gehalten wird. Deshalb gab es im vergangenen Monat – leider –  fast keine Aktivitäten auf der Lernplattform.

 

Die segu-Plattform im März 2013

 

Die erzwungene Pause bietet aber auch die Möglichkeit, zu einigen Punkten Positionsbestimmungen zum Stand nach zwei Jahren vorzunehmen und nach möglichen Entwicklungen zu fragen:

1 | segu versteht sich als Beitrag für Offenen Geschichtsunterricht.[8] Die einzelnen Module legen i.d.R weniger geschlossene und mehr offene Aufgabenstellungen zugrunde. Dennoch leiten die Aufgaben meist formelle Lernwege an. Module zu stärker informellem Lernen (im Sinne solchen Lernens, in dem die Schüler_innen ihre Fragen selbst suchen und beantworten) bilden eher die Ausnahme (in einigen Forschermodulen und allen freien Forschermodulen). Damit ist der Grad der Öffnung des Geschichtsunterrichts im segu-Lernkonzept oft eher gering; er betrifft eher Aspekte der Organisation offener Lernformen.

2 | Etwa die Hälfte der bisherigen Module soll mit Hilfe des Schulbuches bearbeitet werden, die andere im Internet. Wichtig wäre für uns der Hinweis, ob die Arbeit mit Schulbüchern in der Breite gut klappt, denn segu ist ja nicht auf ein bestimmtes Schulbuch ausgelegt.

3 | segu bietet zurzeit wenig Möglichkeiten web-basierter Interaktion.[9] Angesichts der zahlreichen Anregungen zu Web2.0-basiertem Lernen wäre zu überlegen, wie Methoden kooperativen und kollaborativen Lernens stärker eingebracht werden können.[10]

4 | Die Arbeit mit segu soll nicht dazu führen, dass Schüler_innen quasi atomisiert nur noch einzeln vor dem PC lernen. Erstens eignen sich die Materialien gut zur Partner- oder Teamarbeit, zweitens braucht Offener Unterricht immer Phasen zur Präsentation von Ergebnissen – und vor allem zur Diskussion. Eventuell findet diese Phase in der Form, wie sich die Lernplattform im Internet präsentiert, zu wenig Berücksichtigung.[11]

5 | Welche Angebote von segu lassen sich gut verwenden (resp. in welche Richtung sollen wir weiterdenken)? ModuleVideosLearning Apps – andere? Und: Werden die Materialien auch im „normalen“ Geschichtsunterricht oder tatsächlich unter Zugrundelegung des segu-Planers verwendet?

6 | Es ist unterschiedliche Kritik zu einzelnen Modulen und Aufgaben eingegangen. Die Einwände reichen von viel zu schwer bis viel zu leicht. Die Qualität der Module steht und fällt mit der Qualität der Aufgaben. Häufig wurden diesbezüglich schon Vorschläge von außen und auch Korrekturen umgesetzt.

7 | Die relativ aufwändigen bilingualen Unterrichtsmaterialien haben bislang nur wenig Beachtung gefunden.

8 | Schließlich ist der Aspekt der OER (s. Fußnote 6) von Interesse – hier besonders die Frage, ob es seitens der Benutzer bereits ein Bewusstsein für die Bedeutung der OER gibt – und ggf. bereits an anderen Orten OER-Angebote zum Geschichtslernen mit dem Internet entstehen, mit denen man sich ggf. vernetzen könnte.

Rückblickend hat sich segu als „work in progress“-Projekt deshalb gut entwickelt, weil immer Hinweise und Diskussionen sowohl über einzelne Module als auch über grundsätzliche Entscheidungen zur Konzeption und Darbietung der Lernmaterialien sowie zur Etablierung als Open Educational Resources „von außen“ eingegangen sind.

Gelegentlich gehen hier Fragen ein, wo denn der Haken bei der Verwendung von segu sei. „Ist das noch „umsonst“ – und in einem halben Jahr muss man auf einmal doch etwas bezahlen?“ Hierzu eine klare Aussage: segu ist und bleibt OER, bleibt online und wird auch in Zukunft nichts kosten!

Zu weiteren Anregungen, Kritik, Fragen: Bitte Kommentare (gerne auch unter diesen Beitrag ins Blog – Anmeldung nicht erforderlich – auch anonym) posten! Oder – gerne auch nicht öffentlich – an kontakt@segu-geschichte.de senden.

[1] segu liegt deshalb  – wie auf der Startseite vermerkt – bis heute in einer beta-Version vor.

[2] Eine vertiefende Beschreibung des Projekts findet sich auf der Projekthomepage der Universität zu Köln.

[3] An dieser Stelle besten Dank an Astrid Wegner, Lisa Philippen und Johannes Jansen!

[4] Die bisherigen laufenden Kosten beschränken sich auf einen kleinen dreistelligen Betrag.

[5] segu ist ein Autorenprojekt. Sie können mit einer guten Idee Autor bei segu (und auf dem Modul namentlich erwähnt) werden.

[6] Einen Bericht in diesem Blog zu den OER hier. Die Werkstatt_bpb hat jüngst ein Dossier über OER veröffentlicht.

[7] Weil OER-Materialien mit einem Open-Source-Programm erstellt werden müssen, werden alle Module als Open-Office-Dokument erstellt. Gelegentlich wird Kritik am etwas konventionellen Layout der Module geübt. Sie sind aber bewusst schlicht gehalten, weil somit gewährleistet bleibt, dass die Dateien auch noch in einigen Jahren zu benutzen sind.

[8] Einen Überblick zum Offenen Geschichtsunterricht geben: Kühberger, Christoph; Windischbauer, Elfriede: Individualisierung und Differenzierung im Geschichtsunterricht. Schwalbach/ Ts. 2012; zum Offenen Unterricht allgemein und zum Forschungsstand: Bohl, Thorsten; Kucharz, Diemut: Offener Unterricht heute. Konzeptionelle und didaktische Weiterentwicklung. Weinheim, Basel 2010.

[9] Die Unterseite Forum, auf der sich über Fragen usw. ausgetauscht werden könnte, wird fast gar nicht genutzt.

[10] Zu Aspekten digitalen Lernens allgemein:  Hugger, Kai-Uwe; Walber, Markus (Hg.): Digitale Lernwelten. Konzepte, Beispiele und Perspektiven. Wiesbaden 2010; zu Aspekten digitalen Geschichtslernens: Bernsen, Daniel; König, Alexander; Spahn, Thomas: Medien und historisches Lernen. Eine Verhältnisbestimmung und ein Plädoyer für eine digitale Geschichtsdidaktik. In: Zeitschrift für digitale Geschichtswissenschaften, H. 1 (2012).

[11] Weiterführende Hinweise in der Datei: Hinweise zum Unterrichtseinsatz.

 

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2013): 17. März | segu wird zwei | Positionsbestimmungen und Fragen. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 13.3.2012. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1564, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1564

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#kgd_nwt | Nachwuchstagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik | PH Ludwigsburg | 2.-4. Oktober 2012 | Sektion: Vernetzung – Geschichte in den digitalen Medien


An der PH Ludwigsburg fand vom 2. bis 4. Oktober 2012 die Nachwuchstagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik Neue Wege, Themen, Methoden statt, auf der über zwanzig Nachwuchsprojekte vorgestellt wurden (s. tweets unter #kgd_nwt). Die Beiträge behandelten mehrheitlich empirische und pragmatische Forschungsvorhaben; Schwerpunkte waren (lt. Sektionstiteln) geschichtskulturelle Aspekte, historisches Vorwissen, digitale Medien, Inklusion, Filme sowie Aspekte inter- und transkulturellen historischen Lernens.

Die Sektion Vernetzungen – Geschichte in den digitalen Medien und ihre Nutzung für das historische Lernen, die hier kurz zusammengefasst werden soll, eröffnete Manuel Altenkirch (Heidelberg), der sein Konzept zur empirischen Erforschung der Wikipedia vorstellte. Um die Frage zu beantworten, wie Wikipedia-Artikel mit historischen Inhalten, die aufgrund ihrer häufigen Nutzung inzwischen von großer geschichtskultureller Bedeutung sind, zustande kommen und welche Konstruktionsprozesse historischer Narrationen sich vollziehen, hat Altenkirch erstens Wikipedia-Einträge, die Versionsgeschichte und die Diskussionsseiten auf breiter empirischer Basis untersucht sowie zweitens Wikiedia-Autoren typologisiert. Jonathan Peter (Kassel) untersucht in privater Initiative geschaltete französischsprachige Internetseiten, die den Zweiten Weltkrieg beispielsweise mit Blick auf Familiengeschichten, regional bedeutsamen Ereignisse oder Militaria thematisieren. Sein Projekt will deren geschichtskulturelle Bedeutung als „Kampf um Erinnerung im WWW“ untersuchen. Ulf Kerber (Karlsruhe) stellte ein Konzept historischer Medienkompetenz vor und brachte Modelle zu historischen Lernprozessen mit Konzepten aus der Medienpädagogik in Deckung. Seine These, dass es zwar begriffliche Unterschiede, dennoch weitreichende konzeptuelle Überschneidungen gibt, lässt sich in die Diskussion einreihen, ob und wie sich der geschichtsdidaktischen Medienbegriff angesichts des digitalen Wandels verändern könnte. Zweitens stellte Kerber das Projekt an der PH Karlsruhe DisKAver zum mobilen e-Learning vor. Alexander König (Saarbrücken) referierte über sein Projekt zur empirischen Analyse von Webquests, die Aufgabenformate zum Lernen mit Internet-Ressourcen vorgeben. König nimmt unter Zugrundelegung des Kompetenz-Modells nach Gautschi eine qualitative und quantitative Analyse zahlreicher im Netz verfügbar Wequests vor. Schließlich berichtete Christoph Pallaske (Köln) von der Entwicklung der Lernplattform segu und möglichen empirischen Forschungsstrategien zum offenen Geschichtsunterricht.

Das Themenspektrum zeigt erstens, dass – wie Sektionsleiter Marko Demantowsky (Basel) bilanzierte – der digitale Wandel in der Geschichtsdidaktik endgültig angekommen ist. Der Aspekt der Vernetzung wurde in der Sektion nicht thematisiert; dazu ist anzumerken, dass die geschichtsdidaktischen Nachwuchsprojekte und -akteure über Blogs und social media nicht nur gut vernetzt sind, sondern auch in verschiedenen Projekten und Veröffentlichungen kooperieren. Die fünf vorgestellten Projekte zielten auf aktuelle Fragen des digitalen Geschichtslernens: erstens die grundsätzliche Diskussion eines geschichtsdidaktischen Medienbegriffs, zweitens neue Formen historischen Erzählens, drittens eine stärkere Hinwendung zu geschichtskulturellen Themen sowie viertens die durch Lernen mit digitalen Medien stärkere Subjektorientierung und neue methodische Konzepte. In der Sektion wurde auch das auf der Nachwuchstagung häufig gehörte Problem deutlich, zielorientierte empirische Forschungsdesigns zu entwickeln, beispielsweise historische Kompetenzen bezüglich konkreter Forschungsfragen zu operationalisieren und mittels geeigneter Parameter zu messen.

 

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2012): #kgd_nwt | Nachwuchstagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik | PH Ludwigsburg | 2.-4. Oktober 2012 | Sektion: Vernetzung – Geschichte in den digitalen Medien.  In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 4.10.2012. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1214, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1214

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Gibt es historisches Lernen im digitalen Medium – und wenn ja wie viele? | Anmerkungen zu gd_dig (2)


Seit Ende Juni 2012 gibt es bei twitter der Hashtag #gd_dig – meint “Geschichtsdidaktik digital”. Die Diskussion, ob und wie sich historisches Lernen angesichts des digitalen Wandels verändern könnte, hat in den vergangenen Monaten an Fahrt aufgenommen. Der Beitrag knüpft an den Blogpost Geschichtsdidaktik digital | Anmerkungen zu gd_dig (1).

 

Was brauchen Schüler_innen, damit sie sinnvoll mit PC, Tablet oder anderen digitalen Endgeräten im Geschichtsunterricht lernen können? „Informiert euch mal im Internet – dann könnt ihr zum Beispiel eine Power-Point-Präsentation machen!“ Solche Arbeitsaufträge – oft gehört – sind demotivierend und lassen die großen Potenziale digitalen Geschichtslernens brach liegen. Lehr-/Lernkonzepte oder Lernarrangements, die strukturieren, was Schüler_innen in digitalen Lernumgebungen wie lernen sollen und können, sind notwendige Voraussetzung für guten „digitalen“ Geschichtsunterricht.

Kürzlich haben Daniel Bernsen, Alexander König und Thomas Spahn in der neuen Zeitschrift für digitale Geschichtswissenschaften den Beitrag Medien und historisches Lernen: Eine Verhältnisbestimmung und ein Plädoyer für eine digitale Geschichtsdidaktik veröffentlicht, in dem sie Anforderungen an digitalen Geschichtsunterricht und eine digitale Geschichtsdidaktik diskutieren. Die Autoren stellen fest, dass „die Digitalisierung unsere Welt grundlegend verändert“ und „ jede Beschäftigung mit Geschichte die Bedingungen der digitalen Welt für Arbeitstechniken und Möglichkeiten historischer Erkenntnis, im digitalen Raum gleichsam als deren conditio sine qua non, immer mitdenken“ (S.2) muss. Der Aufsatz dokumentiert im Folgenden den Forschungsstand sowie allgemeine Aspekte zu konkreten Arbeitstechniken und zu neuen Herausforderungen historischen Lernens bezogen beispielsweise auf Kompetenzorientierung, Veränderungen historischer Narrationen oder die Hinwendung zu geschichtskulturellen, die Lebenswelt der Schüler_innen einbeziehenden Zugänge zu Vergangenheit und Geschichte. In Abgrenzung zum von Hans-Jürgen Pandel geprägten Medienbegriff stellen die Autoren fest, dass „in der Geschichtsdidaktik Nachholbedarf nicht nur bezüglich digitaler Medien, sondern auch hinsichtlich der Entwicklung eines fachspezifischen Medienbegriffs“ besteht (S. 14), „wenn man davon ausgeht, dass Vergangenheit immer nur medial vermittelt zugänglich ist und daher historisches Lernen nur medial erfolgen kann“ (S. 15). Medien sind – so fahren sie fort – nicht nur Unterrichtsgegenstände (wie Quellen, Darstellungen usw.), sondern erstens auch Werkzeuge und zweitens Denkräume historischen Lernens.[1] Das von Bernsen, König und Spahn vorgeschlagene Konzept einer digitalen Geschichtsdidaktik als „integraler Bestandteil der Geschichtsdidaktik“, die „sich mit den Bedingungen und Auswirkungen des digitalen Wandels auf das Geschichtsbewusstsein, historisches Lernen, Geschichts- und Erinnerungskultur“ (S. 16) beschäftigt, rückt diesen erweiterten Medienbegriff in den Mittelpunkt und unterscheidet vier Funktionen digitaler Medien:

  • historisches Lernen an digitalen Medien als Lernobjekte erster Ordnung (z.B. digitalisierte Quellen und Darstellungen);
  • historisches Lernen mit digitalen Medien als Lern- und Denkwerkzeuge (z.B. Blogs; aus „segu-Sicht“ würde ich auch Online-Plattformen für Lernmaterialien hier einordnen);
  • historisches Lernen über digitale Medien als Lernobjekte zweiter Ordnung (z.B. Analyse von Wikipedia-Artikeln);
  • historisches Lernen im digitalen Medium als Lern- und Denkraum. (S. 17ff.)

Der vierte Punkt – in Anlehnung an medienpädagogische Konzepte – versteht sich wohl als (variabel) integratives Konzept der drei erstgenannten Punkte.

Die Ansprüche an das historische Lernen im digitalen Medium werden im Beitrag nur ansatzweise konkretisiert. Wie lassen sie sich in Lehr-/Lernkonzepte übersetzen? In seinem Beitrag „Was ist digitale Geschichtsdidaktik” (Juli 2012) hat König festgestellt, dass eine digitale Geschichtsdidaktik stärker „den Mediennutzer ins Zentrum ihrer Überlegung [rückt]. Sie ist – wie die konstruktivistische Geschichtsdidaktik – eine subjektorientierte Geschichtsdidaktik, welche ‚die Lebenswirklichkeit‘ von Geschichtslernern zum Ausgangspunkt nimmt.“ Lernen im digitalen Medium kann also Chancen für individuelles und differenzierendes Lernen oder z.B. für Projektlernen bieten. Zweitens ist Lernen im digitalen Medium – nach Stand der technischen Möglichkeiten – vielfältig. Noch einmal König: In seinem Beitrag „Geschichtsvermittlung in virtuellen Räumen“ schildert er das Potenzial, Unterricht durch e-Learning-Konzepte zu öffnen (Zusammenfassung Blogpost vom 12.9.2012). Neuere Entwicklungen weisen unter dem Label Web3.0 zum mobilen e-Learning z.B. mittels Smartphones; die Regionalgeschichte könnte in Zukunft stärkeres Gewicht beim historischen Lernen bekommen.

Aus geschichtsdidaktischer Sicht geben die Beiträge Hinweise und es finden sich verschiedene Spuren, wie Lernen im digitalen Medium konturiert sein könnte. Individuelle Lernkonzepte können der individuellen Ausprägung von Geschichtsbewusstsein Rechnung tragen, eine stärkere Fokussierung digital vermittelter Geschichtskultur könnte stärker Lebensbezüge von Schüler_innen berücksichtigen usw. Dennoch scheint eine wichtige Voraussetzung – um das Gefäß historisches Lernen im digitalen Medium aufzufüllen und in Lehr-/Lernkonzepten zu konkretisieren – noch nicht geklärt.  Was zeichnet digitales Geschichtslernen als historisches Lernen aus? Wie lässt sich von der Medien-Reflexion eine tragfähigere Brücke zur geschichtsdidaktischen Theoriebildung und „Grammatik“ (Ausbildung von Geschichtsbewusstsein, fachdidaktische Prinzipien, historische Kompetenzen) schlagen? Ansätze, die geschichtsdidaktische Theoriebildung zugrundelegen und davon ausgehend Aspekte des digitalen Geschichtslernen konkretisieren, sind noch nicht sehr zahlreich; beispielsweise Beiträge von Jan Hodel (z.B. Geschichtslernen mit Copy and Share) oder von Jakob Krameritzsch (Die fünf Typen des historischen Erzählens – im Zeitalter digitaler Medien); sie lassen sich zudem eher der Kategorie Lernen über digitale Medien zuordnen.

Deshalb offen gefragt: Gibt es historisches Lernen im digitalen Medium – und wenn ja, wie viele? Wer kennt Best Practice-Beispiele? Lassen sich Merkmale guten “digitalen” Geschichtsunterrichts benennen? Bezogen auf welche Kategorien und Begriffe der geschichtsdidaktischen “Grammatik” lässt sich für das Lernen im digitalen Medium ein Zugewinn für das Geschichtslernen ausmachen? Sind Ziele historischen Lernens mit digitalen Medien – auf anderem Wege – nicht auch “analog” zu erreichen? Gibt es Aspekte geschichtsdidaktischer Theoriebildung jenseits des Medienbegriffs, die sich angesichts des digitalen Wandels erweitern oder sogar verändern könnten? Dazu gehört abschließend sicher auch die Frage, welche Ansprüche an historisches Lernen sich mit digitalen Medien ausdrücklich nicht erreichen lassen. tbc.


[1] Mit einem solchen erweiterten Medienbegriff knüpfen die Autoren an den Geschichtsdidaktiker Horst Gies an, der vor Jahren forderte, Medien „nicht nur ‚Mittel‘, sondern auch ‚Mittler‘“ aufzufassen; s. Horst Gies: Geschichtsunterricht. Ein Handbuch zur Unterrichtsplanung. Köln 2004, S. 214 . Gies unterteilt für den Geschichtsunterricht relevante  Medien symbolisch sowohl nach „Hardware“, also Geräte (vom Bleistift bis zum PC), als auch nach „Software“, d.s. Lernobjekte (vom Arbeitsblatt über Filme bis hin zu von Schülern selbst hergestellten Produkten historischen Lernens). Funktional betrachtet sind Medien lt. Gies sowohl Lehrmittel, Lehrsysteme als auch Lernmaterialien.

 

Bildnachweis    C.Pallaske, CC BY SA 3.0

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2012): Gibt es historisches Lernen im digitalen Medium – und wenn ja wie viele? | Anmerkungen zu gd_dig (2). In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 19.9.2012. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/968, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/968

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Notebook oder Tablet – welches digitale Endgerät für die Schule? | Eine Antwort aus Sicht des Faches Geschichte


Dass alle Schüler_innen (zumindest der Sekundarstufen) in absehbarer Zeit mit einem digitalen Endgerät ausgestattet sein werden, scheint heute weniger eine Frage des ob als des wann. Verschiedene Länder weltweit schreiten bereits voran. In Deutschland hat beispielsweise die Internet-Enquetekommission des Bundestags im Januar 2012 gefordert, alle Schüler mit einem Device auszustatten. Positive Folgen sind absehbar: Aufgrund zahlreicher Schulbücher übergewichtige Schulranzen wird es kaum mehr geben. Ein digitales Endgerät (max. ca. 1,5 kg), das die notwendigen Lernmaterialien und Bildungsmedien gespeichert oder online bereithält, daneben Hefte und Mappen, sowie die übrigen Lernmittel und Pausenbrot benötigen deutlich kleinere Ranzen. Und die Schulträger dürfte freuen, dass die heute meist zwei Klassenräume bindenden Computerräume in Zukunft überflüssig werden.

Schule und Lernen werden sich durch digitale Endgeräte für alle Schüler_innen stark verändern. Digitale Geräte können nicht nur als eBook die Inhalte der Schulbücher bereithalten und somit Print-Ausgaben ersetzen. Schüler_innen werden in Zukunft im Unterricht immer online sein und das Lernen in oder mit digitalen Medien eröffnet große Potenziale hin zu einer veränderten, subjektorientierten Lernkultur. Es gilt aber auch: Digitale Endgeräte sind weder Wundermittel noch bedeutet eine flächendeckende Ausstattung, dass Schüler_innen in Zukunft nur noch mit digitalen Medien lernen. Digitale Geräte sind Werkzeug und Arbeitsmittel, die nur dann ausgepackt werden, wenn man sie braucht. Ein großer Teil des Unterrichtsgeschehens wird auch in Zukunft ohne sie stattfinden.

Eine wichtige Frage wird die Finanzierung der Geräte sein. Die Schulen sollten die Geräte zur Verfügung stellen, um eine einheitliche Ausstattung und sozial verträgliche Anschaffung zu ermöglichen. Auf den ersten Blick scheint das Vorhaben teuer. Setzt man aber beispielsweise einen Gerätepreis von 300 Euro an und unterstellt eine Laufzeit von drei Jahren, ergäbe sich Kosten von etwa 100 Euro pro Schüler pro Schuljahr – keine unüberschaubare Summe.

Wozu diese sehr allgemeine Diskussion in einem geschichtsdidaktischen Blog? Auf dem freien Markt werden zurzeit sowohl verschiedene Gerätetypen, Marken und Vertriebssysteme von Software angeboten, die (mit verschiedenen Vor- und Nachteilen) zunächst grundsätzlich zur Anschaffung in Schulen geeignet sein könnten – je nach verschiedenen Funktionen, die von den Geräten erfüllt werden sollen. Zentral ist: Sinnvolle Kategorien und Kriterien, was die Geräte leisten sollen, müssen sich an den Bedürfnissen der Fächer orientieren resp. von den verschiedenen Fachdidaktiken entwickelt und formuliert werden. Hierzu ein skizzenhafter Versuch aus Sicht des Unterrichtsfachs Geschichte, wo drei Punkte entscheidend scheinen:

1 |  Geschichte als Fach, das viel mit Sprache und Textproduktion arbeitet, benötigt unbedingt eine richtige (also haptische), nicht nur eine virtuelle Tastatur.

2 | Erstes zentrales Arbeitsmittel sind Office-Paket-Anwendungen (mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentation, Datenbank). Für den Schulgebrauch wäre es optimal, dabei auf kostenlose Open Source-Programme zurückzugreifen, die nur von einem Teil der Geräte unterstützt werden. Open-Source Programme garantieren auch, dass OER (Open Educational Resources) auf den Geräten benutzt werden können. Geräte hingegen, die Software und Applikationen mittels proprietärer Vermarktungsstragien anbieten (die also in zentralen Bereichen nur kostenpflichtige Programme zulassen), sind eher problematisch.

3 | Zweites zentrales Arbeitsmittel sind Browser, die von allen Geräten ohne Mehrkosten zur Verfügung gestellt werden. Das digitale Gerät muss also über integriertes WLAN verfügen. Mittels des Browsers lassen sich fast alle für den Geschichtsunterricht relevanten digitalen Medien sowie Web2.0-Anwendungen bedienen.

Notebooks, die diese drei Punkte erfüllen, finden sich in der Preisklasse bis 300 Euro in verschiedenen, stabilen Ausführungen. Zu beachten bezüglich der Anforderung Open Source ist die Frage, mit welchem Betriebssystem die Geräte arbeiten.

In den letzten zwei Jahren wird von vielen Schulen die Anschaffung von Tablets avisiert. Tablets bieten für einige (im Bereich des Geschichtsunterrichts noch nicht sehr viele) Anwendungen besondere Möglichkeiten und Vorteile. Beispielsweise lassen sich Fotos oder Videos erstellen. Strategisch könnte man aber auch fragen, ob diese Funktionen – falls erwünscht – nicht auch von Smartphones erfüllt werden können, die Schüler_innen heute in großer Zahl besitzen.[1] Es gibt inzwischen zwar “Hybrid”-Tablet-Geräte, die Punkt 1 bis 3 erfüllen, die allerdings in einer Preisklasse ab 500 Euro liegen. Solche Geräte werden ggf. in Zukunft im Preis sinken und dann auch für den Einsatz in den Schulen interessant.

Fazit: Notebook oder Tablet? Aus Sicht des Geschichtsunterrichts wäre mit dem mittelfristigen Ziel einer Ausstattung aller Schüler_innen das Notebook nach heutigem Stand der Dinge ausreichend. Interessant wäre zu hören, wie andere Unterrichtsfächer und Fachdidaktiken diese Frage beantworten würden.

[1] Nachtrag aufgrund eines tweets von @eisenmed: Hierzu wird seit einigen Monaten das Konzept BYOD (bring your won device) diskutiert; allerdings gibt es bislang nur wenige konkrete Beispiele zur Umsetzung im Bereich Schule; s. z.B. den Blog von Richard Heinen.

 

Bildnachweis    links: Bundesarchiv, Bild 183-M0831-0028 / Link, Hubert / CC-BY-SA, rechts: Bundesarchiv, Bild 194-0097-39 / Lachmann, Hans / CC-BY-SA, via Wikimedia Commons

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2012): Notebook oder Tablet – welches digitale Endgerät für die Schule? | Eine Antwort aus Sicht des Faches Geschichte. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 5.9.2012. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/892, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/892

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