Zur Geschichte des Hospitals St. Martin in Linz (Teil 1: 1461-1863)


Posten der Stadtrechnung von 1465/66, als Zimmerleute „uff dem hospitaill gearbeyt eynen dach an tzo brochen betten“.
Posten der Stadtrechnung von 1465/66, als Zimmerleute „uff dem hospitaill gearbeyt eynen dach an tzo brochen betten“.

Bis weit in die Neuzeit hinein stellte die Großfamilie das soziale Netz der Gesellschaft dar, garantierte sie ihren Mitgliedern doch im Normalfall ein Leben lang Fürsorge bei Krankheit oder im Alter. Für bedürftige allein stehende Personen wie Witwen oder Witwer, Waisenkinder und sonstige Menschen ohne Angehörige, die häufig in oder am Rande der Armut lebten, sorgten seit dem Mittelalter Stadt und Kirche mittels Stiftungen und Armenfonds. An der Schwelle zur Armut lebte auch ein beträchtlicher Teil der werktätigen Gesellschaft; viele Tagelöhner, Knechte und Mägde und ebenso ein Teil der Handwerker und Ackerbauern konnten ihr Auskommen nur durch zusätzlichen Nebenerwerb sichern. Die Armenstiftungen wurden stets mit Almosen und Schenkungen reicher Bürger, oft im Zusammenhang mit Testamenten und in der Hoffnung auf Fürbitte durch die Armen, großzügig bedacht und wiesen daher einen umfangreichen Besitz an Geld- und Sachwerten auf, der durch Geldgeschäfte wie Darlehen und Hypotheken noch vermehrt wurde. Die Verwaltung des umfangreichen Besitzes des städtischen Linzer Hospital- und Armenwesens war für die Administratoren nicht immer leicht zu bewältigen, so dass zum Ende des 17. Jahrhunderts die Überprüfung der Besitztümer und die Erstellung eines neuen Hauptrentbuches nötig wurde. Mittels der Erträge wurden nicht nur die Bedürftigen der eigenen Stadt, sondern mitunter auch in Not geratene Nachbarorte unterstützt. Ein Teil der Einkünfte aus den Armenfonds diente zur Unterbringung Bedürftiger in eigens dafür bestimmten Häusern, den so genannten Hospitälern.

Ehemalige Herberge "Zum Heiligen Geist", heute Marktplatz 23 (rechts im Bild)
Ehemalige Herberge “Zum Heiligen Geist”, heute Marktplatz 23 (rechts im Bild)

Die ursprüngliche Funktion eines Hospitals oder, wie es ebenfalls bezeichnet wurde, Gasthauses war neben der Pflege Kranker die Beherbergung Armer und vor allem Durchreisender, häufig Pilger. Alte Menschen konnten zudem bei entsprechender finanzieller Gegenleistung (weshalb sie mitunter auch als „Pfründner“ bezeichnet wurden) ihren Lebensabend in der Fürsorge des Hauses verbringen. Europaweit waren diese Häuser meist nach dem Beschützer der Armen, dem Heiligen Geist, benannt. So gab es auch in Linz ein Hospital „Zum Heiligen Geist“, das Haus stand auf dem Marktplatz und wird 1570 erstmals urkundlich erwähnt, als der Offizial und Dechant von Wetzlar im Zuge der Visitation des Trierer Erzbischofs hier absteigt. 1602/03 übernachten dort Mitglieder des Domstifts, 1627/28 findet die Versammlung der Eintracht dort statt. Während des 30-jährigen Kriegs beherbergte der Wirt Hermann Salzfaß dort 40 schwedische Offiziere auf Kosten der Stadt. Es muss jedoch schon früher ein solches Haus in Linz existiert haben, denn 1461 gab Bürgermeister Johann Bischof d. Ä. (1461-62) zur Unterstützung des Hospitals einen Karren Holz. Die Lokalisierung dieses Hospitals „am Geistenberg zwischen Stadtmauer und Bethlehemsgasse oberhalb des Leetores“ identifiziert das Haus als Vorgänger des späteren Hospitals und Altenheims St. Martin. Für weitere Herbergen in der Brüdergasse oder bei einem der Stiftshöfe gibt es keine direkten urkundlichen Belege, die Existenz lässt sich nur vermuten. In französischer Zeit befand sich vorübergehend ein Hospital in der Linzer Burg. 1602 wird das Martinus-Hospital in Zusammenhang mit einer Bausache des Zöllners Hans Dietrich Mohr erwähnt. Ab Mitte 1641 erfolgte ein Neubau an gleicher Stelle, nachdem der gräflich-isenburgische Rat und Schultheiß zu Linz, Reusch, dem Offizial zu Koblenz, Flade, ein entsprechendes Gesuch des Stadtrats übermittelt hatte, das dieser nach wenigen Wochen genehmigte. Im Zuge dieses Neubaus dürfte auch die Benennung der angrenzenden Gasse in Hospitalsgasse (heute Hospitalstraße) erfolgt sein.

Lageplan des Hospitals, 1902
Lageplan des Hospitals, 1902

Die Leitung des Hauses hatten die Hospitalmeister und Armenprovisoren inne, denen wiederum der Rat der Stadt vorstand. Dieser hatte auch über Aufnahmeanträge zu entscheiden, die nicht selten abgelehnt wurden. Arme, die keine Aufnahme in das Hospital fanden, erhielten stattdessen Geld aus dem Armenfonds der Stadt und wurden zudem als so genannte Hausarme von den Bürgern in ihren Häusern unterstützt. So zahlte 1688 der Linzer Zöllner Marcus Ignatius Flöckher auf Anweisung des Kölner Kurfürsten Maximilian Heinrich von Bayern (1650-88) der Witwe Heribert Ulligs jeden Sonntag eine testamentarisch verfügte Schenkung von 7 Raderschillingen aus den Zollgefällen aus. Der Bürger Wilhelm Kriekell erhielt 1765 2 Reichstaler aus dem Armenfonds. Der Unterhalt des Hospitals erstreckte sich auf die Instandsetzung des Hauses und des Inventars (so 1465/66, als der Magistrat 3 Mark für Zimmerleute ausgab, die „uff dem hospitaill gearbeyt eynen dach an tzo brochen betten“, also einen Tag lang zerbrochene Betten wiederhergestellt hatten, oder 1480/81, als 11 Mark 8 Schilling für Leintuch ausgegeben wurden) sowie der Insassen bis zu ihrem Tode: 1462/63 oder auch 1470/71 finanzierte der Rat mit je 11 Schilling die Beisetzung von zwei im Hospital verstorbenen armen Frauen.

Manuale Obligationum der Armenverwaltung zu Linz, 1735-62
Manuale Obligationum der Armenverwaltung zu Linz, 1735-62

Den Armenprovisoren oblag auch die Aufsicht über die Bettelei. Zum Betteln berechtigt war nur, wer als „Ausweis“ ein Armenbrot oder „Schild“ mit sich führte. 1728 waren dies 30 Personen, meist Witwen aus den umliegenden Dörfern. Krankheit oder körperliche Gebrechen führten oft unweigerlich in die Armut, wie das Schreiben einer Linzer Bürgerin an die Armenverwaltung aus dem Jahr 1847 zeigt: Nach dem Verlust ihres Augenlichts durch einen Unfall ist die allein stehende Dienstmagd arbeits- und somit obdachlos und muss um Aufnahme in das Hospital bitten.

Die große Zahl an Bedürftigen zog zwangsläufig beengte Verhältnisse und eine daraus resultierende mangelhafte Versorgung der Insassen des Hospitals nach sich. Da auch die Betreuung der Kranken und Pflegebedürftigen in der Stadt zu wünschen übrig ließ, erwarb die Armenverwaltung 1844 die Gebäude des ehemaligen Servitessenklosters mit dem Ziel, dort ein Krankenhaus einzurichten. Das 1802 säkularisierte Kloster sollte 1819 zur preußischen Kaserne umfunktioniert werden, konnte nach Intervention des Apostolischen Vikars in Ehrenbreitstein und späteren Bischofs Josef von Hommer (1824-1836) jedoch durch Linzer Bürger ersteigert werden. Der Plan von einem städtischen Krankenhaus ließ sich jedoch aufgrund der hohen Kosten zunächst nicht realisieren. Auch die Absicht von Schwester Ignatia Külpmann, 1848 in den Klostergebäuden ein Krankenhaus mit Heim für Waisenkinder zu betreiben, scheiterte am plötzlichen Tod der Klosterfrau. 1854 schließlich übernahmen die Franziskanerinnen von der Buße und der christlichen Liebe, so der vollständige Name der Kongregation, von ihrer Niederlassung auf Nonnenwerth aus das Kloster zur schmerzhaften Mutter.

Erste Seite der Chronik des Hospitals St. Martinus
Erste Seite der Chronik des Hospitals St. Martinus

Von dieser Niederlassung ausgehend arbeiteten die Schwestern teils in der ambulanten Krankenpflege, d.h., sie machten Hausbesuche und übernahmen Nachtwachen bei den Kranken der Stadt, und teils im Hospital St. Martin, wo neben Kranken auch Arme, Alte und Waisenkinder betreut wurden. 1860 wurde die Tätigkeit der Schwestern im Hospital zunächst unterbrochen, da sich die Konzentration der Schwestern auf die Einrichtung einer Anstalt für geisteskranke Frauen im Linzer Kloster sowie die Übernahme der Elementarschule richtete. Doch bereits 1863 konnte die Generaloberin Mutter Aloysia Lenders einen Vertrag mit der Linzer Armenverwaltung schließen, in dem sie sich verpflichtete, Schwestern für das Hospital abzustellen, welche die alten Männer, Frauen, Kranken und Waisenkinder, die sich dort aufhielten, zu verpflegen, d.h., zu beköstigen und für Wäsche und Reinigung des Hauses zu sorgen. Die Verwaltung verpflichtete sich ihrerseits, für jede Schwester 60 Taler, für jeden Hospitalisten vier Silbergroschen und für jedes Waisenkind drei Silbergroschen zu zahlen. Am 1. November 1863 trafen die ersten vier Schwestern in Begleitung von Mutter Josefa aus [Mönchen]Gladbach ein. Später sollte sich die Zahl auf bis zu neun Ordensfrauen erhöhen.

– nach: Andrea Hartwig, Zur Geschichte des Hospitals St. Martin in Linz am Rhein, Linz am Rhein 2004.

Quelle: http://archivlinz.hypotheses.org/586

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François Maspero: Roissy-Express

Vor wenigen Tagen ist der Verleger und Schriftsteller François Maspero gestorben, in dessen Verlag unter anderem Bücher von Althusser, Fanon und Rancière erschienen. Einen umfassenden Nachruf veröffentlichte das Merkur-Blog, ich möchte diesen nur um den Hinweis auf ein besonders faszinierendes Buch François Masperos ergänzen, nämlich Roissy-Express: Es handelt sich dabei um einen Reisebericht aus dem Jahr 1989, nicht etwa über Gegenden fernab von Europa, sondern von der Pariser Banlieu: Maspero bestieg den RER Linie B und besuchte systematisch alle außerhalb Paris gelegenen Stationen, mit der Vorgabe, das Stadtgebiet von Paris in dieser Zeit nicht zu betreten. Die deutsche Übersetzung, längst vergriffen, aber antiquarisch erhältlich, erschien 1993 und wurde im Jahr darauf in der Zeit besprochen:

MASPERO, François: Roissy-Express. Reise in die Pariser Vorstädte. Freiburg: Beck & Glückler, 1993.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022422178/

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Digital Public History: bringing the public back in

Digital History has reshaped the documentation methods of historians, especially their means of accessing and storing history. However, this seismic shift has occurred without any thorough critical discussion of these digital tools and practices …

English

 

Digital History has reshaped the documentation methods of historians, especially their means of accessing and storing history. However, this seismic shift has occurred without any thorough critical discussion of these digital tools and practices. Digital history aims to create new forms of scholarship and new digital objects for the web.[1] But we need to ask in which ways—if any—Digital Public History (DPH) is distinct from an innovative digital history?

 

 

From Digital Humanities to Digital History

“Digital historical culture” is part of the wider “digital culture” permeating our society through the Internet. The sociological concept of digital culture was developed by Manuel Castells[2] and Willard McCarty[3]. In Italy, Tito Orlandi theorized the emergence of a new Koine based on his further development of scientific and methodological concepts of humanities computing as web-based communication processes.[4] By contrast, the digital humanities provide methodologies and practices that, analogous to the sciences, are suitable for the humanities.[5] These practices and concepts are elaborated within the various disciplines.[6] Thus, after the digital turn, digital historians are confronted with new epistemological issues when analysing the past.[7] They plan exhibitions with memory institutions (libraries, archives, museums, and galleries) dedicated to presenting artefacts and documents ; they collect, preserve, and curate digitised and born digital documents for these institutions;[8] they create new tools and software to support their activities; they also use social media; following  the digital turn, moreover, they are not confined to analysing written materials, but also strive to devise new forms of text-mining for processing large amounts of data between “close and distant reading” activities .[9] Digitally connected historians do not perform their profession beyond the discipline: rather, they apply their methods, traditions, and skills to deal with primary sources in different contexts and to reconstruct the past using new types of narratives.[10] Technology facilitates what is still a recognizable history profession, although digital humanities technology is part of a new historian’s craft. Historians, that is, are involved deeply in technological transformations that affect the humanities as a whole.

New practices and new tools

In the field of digital history, we are what we do and what we create. New practices and new tools define the nature and the scope of the field. Importantly, digital history corresponds not only with the tradition of the digital humanities. The question of the originality of our methods, tasks, and ultimate goals within the digital realm was raised already at an early stage in Italy; it was always clear that our priorities were quite different from those of other digital humanists.[11] Digital history, then, is about a proper epistemological dimension, one specific to historians.[12] As historians, we need to create contents, to control those contents, and to use tools in the digital realm that are different from those needed by other digital humanists confronted with literary and linguistic computing, text analysis, text encoding, and annotation. Stephen Robertson, director of the Center for History and New Media has argued, perhaps for the first time ever in the English speaking world, that digital history is different from literary studies and might be considered another discipline. His reflections influenced the 20th anniversary celebrations of the Center[13], held in the autumn of 2014,  which highlighted the importance of digital media for the history profession.[14] Robertson emphasised two points: “First, the collection, presentation, and dissemination of material online is a more central part of digital history. […] Second, in regards to digital analysis, digital history has seen more work in the area of digital mapping than has digital literary studies, where text mining and topic modeling are the predominant practices.”[15]

Digital History vs. Digital Public history

In parallel with what they write professionally about the past, historians have always queried the usefulness of their own practices in reconstructing the past. In so doing, they have explored which (other) methods or techniques might illuminate the past. Which new tools or techniques, when applied to reconstructing the past, could help transform primary sources into narratives? We first need to consider whether the historiographical process has always been communicated fruitfully to the public, not only through the written forms of scholarship typical of academic historians, but also through a differentiation between forms of communication adapted to different audiences using different media, or what Sharon M. Leon calls User-Centered Digital History.[16] Being able to translate the past into history and being able to communicate with an identified audience are essential skills for public historians, who must ask themselves “why do history if it is not for the public?” As a research field, DPH invites us to interpret the past and to prepare it for the future using technology, experiences, practices, methods, and social communication processes that underscore the need to consider what public history has already highlighted, namely, to think about audiences so as to enhance interpretation and communication processes. Should we go further back in the genealogy of humanities computing (to the 1980s, for instance), which became the digital humanities following the rise of the Internet in the early 1990s? Perhaps not, but what is part of the conversation is to understand whether DPH differs not only from the Digital Humanities, as argued, but also from Digital History. What distinguishes DPH or what I have elsewhere called digital history 2.0 (participative, crowdsourced, networked, socially mediated history)[17] from so-called “academic“ forms of Digital History?

Digital Public History and the Civic Dimension of the Past

Web 2.0 technologies enable us to engage with different communities and their knowledge and memories worldwide, thereby adding a digital dimension to traditional public history practices. After the birth of a participatory web 2.0 around 2004, different communities started to share their past globally without the mediation of historians. On the contrary, after the digital turn oral historians-cum-mediators applied their skills as historians to conveying oral memories.[18] In the digital realm, archivists keep track of civil memories using their specific skills.[19] Might we then conclude that DPH is about how a community of people shares experiences about the past via the web, experiences that are mediated through public historians’ digital skills and expertise, in the capacities as oral historians, archivists, museum staff, etc.? Is this the dimension that defines the field as bottom-up (often crowdsourced), top-down (creation of digital multi/media forms of communicating the past), user-oriented, interactive, and shared? DPH interrelates a public, its past, and public historians whereas digital history offers new digital scholarship without requiring epistemological interaction with the public as an essential condition. Digital History “enriches” the web with new forms of narratives and findings. Unlike 2.0 crowdsourced and connected web, DH is not used primarily to engage with specific publics and to reach specific social targets. DPH instead is above all about producing history in the public sphere through interactive digital means. Taking advantage of the digital turn, DPH aims to bring new voices from the past into the present because those pasts matter and because digital technologies are suited to communicating history via and in the web.

 

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Literature

  • Jerome De Groote: Consuming History: Historians and Heritage in Contemporary Popular Culture, Hoboken: Taylor & Francis 2008.
  • Joanne Garde-Hansen, Andrew Hoskins and Anna Reading: Save as digital memories, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2009.
  • Erica Lehrer, Cynthia E. Milton, Monica Eileen Patterson (eds.): Curating difficult knowledge: violent pasts in public places, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2011.

External links

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[1] Franziska, Heimburger and Émilien Ruiz: «Has the Historian’s craft gone digital? Some observations from France», Diacronie. Studi di Storia Contemporanea, n. 10/2, 2012, http://www.studistorici.com/2012/06/29/heimburger-ruiz_numero_10/ (last accessed 09.04.15).
[2] Manuel Castells: The Internet Galaxy: Reflections on the Internet, Business, and Society. New York, Oxford University Press, 2001.
[3] Willard Mccarty: Humanities Computing. Basingstoke, Palgrave Macmillan, 2005.
[4] Tito Orlandi: Informatica Umanistica. Roma, La Nuova Italia Scientifica, 1990.
[5] Susan Schreibman, Ray Siemens, John Unsworth (eds.): A Companion to Digital Humanities, Oxford, Blackwell, 2004; see http://www.digitalhumanities.org/companion/ (last accessed 09.04.15). Clare Warwick: Digital Humanities in Practice., London, Facet Publishing, 2012; Melissa Terras, Julianne Nyhan, and Edward Vanhoutte: Defining Digital Humanities: A Reader. London, Ashgate, 2013.
[6] Statistical calculation, geo-location, the mapping of the past, 3D reconstructions, the management of big data, the analysis and creation of digital primary sources -Peter Haber called this “datification” process-, visual studies, etc., define digital history specific menu within digital humanities. See, Peter Haber: Digital Past: Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter. München, Oldenbourg Verlag, 2011.
[7] Philippe Rygiel “L’inchiesta storica in epoca digitale”, in: Memoria e Ricerca, n.35, 2010, pp. 185-197.
[8] A recent Canadian report on the impact of the digital revolution has universal value when it says: “Memory institutions are a window to the past. Through stories, physical objects, records, and other documentary heritage, they provide Canadians with a sense of history, a sense of place, a sense of identity, and a feeling of connectedness — who we are as a people […].” “Why Memory Institutions Matter”, in Council of Canadians Academies: Leading in the Digital World: Opportunities for Canada’s Memory Institutions. The Expert Panel on Memory Institutions and the Digital Revolution., February 2015, pp. 4-6. http://www.scienceadvice.ca/uploads/eng/assessments%20and%20publications%20and%20news%20releases/memory/CofCA_14-377_MemoryInstitutions_WEB_E.PDF (last accessed 09.04.15)
[9] Franco Moretti: Distant Reading. London: Verso, 2013.
[10] See, for example, different projects (like Digital Humanities Now, http://digitalhumanitiesnow.org/ ) that curate the integration of selected blog posts worldwide into new forms of digital scholarship using the PressForward plugin for WordPress http://pressforward.org/ (last accessed 09.04.15).
[11] “Storia e Internet: la ricerca storica all’alba del terzo millennio”, in Serge Noiret (ed.): Linguaggi e Siti: la Storia On Line, in Memoria e Ricerca, n.3, January-June 1999, pp.7-20. See, also http://www.fondazionecasadioriani.it/modules.php?name=MR&op=showfascicolo&id=12 (last accessed 09.04.15).
[12] Daniel J. Cohen, Max Frisch, P.Gallagher, Steven. Mintz, Kirsten Sword, A.Murrell Taylor, William G. Thomas III, and William J Turkel: Interchange: The Promise of Digital History, in The Journal of American History, 2, 2008, pp.452-91,  http://www.historycooperative.org/journals/jah/95.2/interchange.html. (last accessed 09.04.15).
[13] RRCHNM: 20th Anniversary Conference, http://chnm.gmu.edu/20th/. (last accessed 09.04.15).
[14] Daniel J. Cohen and Roy Rosenzweig: Digital history: a guide to gathering, preserving, and presenting the past on the Web., Philadelphia, University of Pennsylvania Press, 2005 and Clio Wired. The future of the past in the digital age. New York, Columbia University Press, 2011.
[15] Stephen Robertson: The Differences between Digital History and Digital Humanities. May 23, 2014 ; http://drstephenrobertson.com/blog-post/the-differences-between-digital-history-and-digital-humanities/ (last accessed 09.04.15).
[16] http://digitalpublichistory.org/ (last accessed 09.04.15).
[17] «Y a t-il une Histoire Numérique 2.0 ? » in Jean-Philippe Genet and Andrea Zorzi (eds.) Les historiens et l’informatique. Un métier à réinventer. Rome: Ecole Française de Rome, 2011, pp.235-288.
[18] In her keynote lecture at the 2nd Brazilian Public History Conference (September 2014), Linda Shopes said that digital history – added to social history and the presence of a targeted audience – is now central to oral history practices. Digital techniques have given back “orality” to oral history. A digital dimension has integrated online histories to web site projects, opened up public history internationally by extending traditional oral history projects, and enhanced the capacity to share interviews into audio/video formats globally and through open access. These practices enable communities to interact in their own language. A deeper understanding of local cultures differentiates international DPH from digital history and, even more, from digital humanities activities, the latter all too often being confined to the English language. See Rede Brasileira de Historia Publica: http://historiapublica.com.br/ (last accessed 09.04.15).
[19] “The materials in them hold us to our values and nourish our debates on civil society. By ensuring preservation, authenticity, and access to their holdings […]  memory institutions help guarantee transparency and accountability. Indeed, authentic records and their availability are at the heart of civil governance. Archives in particular are essential for  addressing human rights concerns, often because these concerns are not identified until well after an injustice has occurred.” “Why Memory Institutions Matter”, cit.

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Image Credits
© Serge Noiret. Shot during the THATcamp 2013 in Mason.

Recommended Citation
Noiret, Serge: Digital public history: bringing the public back in. In: Public History Weekly 3 (2015) 13, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2647.

Copyright (c) 2015 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: elise.wintz (at) degruyter.com.

 

 

 

Deutsch

 

Digital History hat die Arbeitsgrundlage der HistorikerInnen und ihre zur Erschließung, Speicherung und zur Dokumentation verwendeten Werkzeuge verändert, ohne jedoch einen kritischen Gebrauch der digitalen Werkzeuge und Praktiken redlich zu diskutieren – dies vor allem dann, wenn es um Public History geht. Digital History zielt auf die Schaffung neuer Formen von Wissenschaft und neuer digitaler Objekte für das Internet.[1] Wir sollten uns nun selbst fragen, auf welche Weise – wenn überhaupt -, sich eine Digital Public History (DPH) von einer innovativen Digital History unterscheidet?

 

 

Von den Digital Humanities zu einer Digital History

“Digitale Geschichtskultur” ist Teil einer umfassenden “digitalen Kultur”, in der unsere Gesellschaft vom Internet durchdrungen ist. Das soziologische Konzept der digitalen Kultur stammt aus der Forschung von Manuel Castells[2] und Willard McCarty,[3] während in Italien Tito Orlandi die Geburt einer neuen Koine theoretisierte, die auf der Weiterentwicklung von früheren wissenschaftlichen und methodischen Konzepten des ‘Humanities Computing’ als internetbasierte Kommunikationsprozesse fußt.[4] Dagegen bieten die Digital Humanities Methoden und Verfahren, die analog zu den Naturwissenschaften für die Geisteswissenschaften geeignet sind.[5] Folgerichtig wurden diese Praktiken und Konzepte in den Einzeldisziplinen ausgearbeitet.[6] Die digitalen HistorikerInnen sind demnach nach dem digital turn mit neuen epistemologischen Fragen in der Analyse der Vergangenheit beschäftigt.[7] Sie entwickeln Ausstellungen mit Gedächtnisinstitutionen (Bibliotheken, Archive, Museen und Galerien), die Artefakte und Dokumente präsentieren; sie sammeln, bewahren und kuratieren digitalisierte und originär digitale Dokumente für diese Institutionen;[8] sie entwickeln neue Tools und Software für ihre Tätigkeit; sie kommunizieren in den Social Media; sie beschränken sich nicht auf die Analyse rein schriftlichen Materials und reflektieren die Anwendung von neuen Formen des Text-Minings zur Bewältigung großer Datenmengen.[9] Digital vernetzte HistorikerInnen üben ihren Beruf nicht abseits der Disziplin aus: sie wenden ihre Methoden, Traditionen, Fähigkeiten mit Primärquellen in unterschiedlichen Kontexten an und rekonstruieren die Vergangenheit mit neuen Formen historischer Narrative.[10] Die Technologie erleichtert dabei, was noch immer erkennbar mit dem Beruf des Historikers zusammenhängt, auch wenn die Technologie der Digital Humanities Teil eines neuen Geschichtshandwerks ist und die HistorikerInnen tief in die technologische Transformation eingebunden sind, die die Geisteswissenschaften als Ganzes betrifft.

Neue Praktiken und neue Tools

Auf dem Gebiet der digitalen Geschichte sind wir es nun, die die neuen Standards festlegen. Durch die Definition neuer Methoden und neuer Instrumente legen wir fest, wo das Untersuchungsfeld liegt. Eine digitale Geschichte korrespondiert nicht nur mit Traditionen der Digital Humanities. Die Frage nach der Originalität unserer Methoden, Aufgaben und Ziele in der digitalen Welt kam in Italien schon sehr früh auf; es war immer klar, dass unsere Prioritäten sich teilweise von denen der Digital Humanities unterscheiden.[11] Die digital history verfügt über eine eigene epistemologische Dimension, spezifisch für HistorikerInnen.[12] Als HistorikerInnen obliegt es uns, Inhalt zu erschaffen, zu kontrollieren und digital basierende Werkzeuge zu gebrauchen, die sich von denen der anderen Digital Humanists unterscheiden, die sich auf computerbasierte literarische und linguistische Textanalyse, Textkodierung und Annotation spezialisiert haben. Stephen Robertson, Direktor des Center for History and New Media, erklärte explizit, dass sich vielleicht zum ersten Mal in der englischsprachigen Welt die digitale Geschichte von der Literaturwissenschaft unterscheide und als eigenständige Disziplin betrachtet werden könne. Diese Einsicht beeinflusste im Herbst 2014 die Feiern zum 20jährigen Bestehen des Centers[13], die den Fokus auf die Bedeutung der digitalen Medien für historische Forschung richteten.[14] “Zuerst”, schrieb Robertson, “ist die Sammlung, Präsentation und Verbreitung von Online-Material zentraler Bestandteil der digitalen Geschichte. […] Zweitens, in Bezug auf die digitale Analyse, liegt in der digitalen Geschichte mehr Aufwand auf dem Gebiet der digitalen Kartierung als bei der digitalen Literaturwissenschaft, wo Text-Mining und Datenmodellierung als vorherrschende Praktiken gelten.”[15]

Digital History vs. Digital Public History

Parallel zu dem, was sie beruflich über die Vergangenheit schreiben, arbeiten HistorikerInnen immer wieder daran, die Praktikabilität des eigenen Vorgehens zu optimieren: Welche andere Technik könnte dabei helfen, die Vergangenheit zu beleuchten? Welche neuen Anwendungen oder Techniken könnten angewendet auf die Rekonstruktion der Vergangenheit dabei helfen, Primärquellen in Narrative zu überführen? Wir sollten uns zunächst fragen, ob die historiografischen Prozesse bislang immer für die Öffentlichkeit fruchtbar gemacht wurden – nicht nur in schriftlicher Gelehrsamkeit, die typisch für akademische HistorikerInnen ist, sondern auch durch eine Differenzierung zwischen Kommunikationsformen, die je nach Zuhörerschaft und ihren diversen Medien unterscheidet. Sharon M. Leon nennt dies User-Centered Digital History.[16] Die Fähigkeit, die Vergangenheit in eine Geschichte zu überführen und einen kommunikativen Weg für ein identifiziertes Publikum einzuschlagen, ist essentiell für die Tätigkeit der Public Historians, wenn sie sich fragen: “Warum Geschichte erforschen, wenn sie nicht für die Öffentlichkeit ist?” DPH – als ein Forschungsgebiet – fordert auf, die öffentliche Sphäre der Vergangenheit zu interpretieren und für die Zukunft aufzubereiten. Der Gebrauch von Technik, Erfahrungen, Praktiken, Methoden und Social-Media-Kommunikation hilft bei der von der Public History bereits herausgestellten Notwendigkeit, über die Zuhörerschaft nachzudenken, um damit den Interpretations- und Kommunikationsprozess zu verbessern. Wir könnten nun noch weiter im Stammbaum der humanities computing (80er Jahre) zurückkehren, die mit der Einführung des Internets in den frühen Neunziger Jahren zu den Digital Humanities wurden. Vielleicht nicht, aber es ist Teil des Austausches, dass sich DPH nicht nur wie bereits ausgeführt von den den Digital Humanities unterscheidet, sondern auch von der Digital History. Was macht DPH oder Digital History 2.0 (partizipative, kollaborative, vernetzte Social-Media-Geschichte), wie ich sie an anderer Stelle genannt habe, aus,[17] das sie von den sozusagen “akademischen” Formen der Digital History unterscheidet?

Die DPH und die bürgerschaftliche Dimension der Vergangenheit

Mit Web 2.0-Technologien ist es möglich, sich weltweit mit verschiedenen Gemeinschaften über ihr Wissen und ihre Erinnerungen auszutauschen, erweitert um die digitale Dimension zuzüglich der traditionellen Praktiken der Public History. Nach der Einführung des partizipativen Webs 2.0 um das Jahr 2004 begannen verschiedene Gemeinschaften ihre historischen Vorstellungen ohne die Vermittlung von HistorikerInnen zu teilen. Im Gegenteil, Oral Historians boten sich nach dem digital turn mit ihren historischen Fertigkeiten als Vermittler von mündlichen Überlieferungen an.[18] Ebenso brachten ArchivarInnen in Gebrauch ihrer professionellen Vermittlung ihre Fertigkeiten in die digitale Realität mit ein.[19] Können wir daraus schließen, dass DPH eine Möglichkeit dafür ist, wie eine Gemeinschaft von Menschen ihre historischen Erinnerungen im Netz austauscht, die wiederum vermittelt durch die digitalen Fertigkeiten und der Expertise der Public Historians ergänzt wird und sie dadurch zu Oral Historians, ArchivarInnen, MuseumsexpertInnen macht? Ist das die Dimension, die induktiv ein neues Feld definiert (oftmals auf kollaborative Weise) und deduktiv (Erstellung von digitalen Multimedia-Formaten zur Kommunikation über Vergangenheit) eine anwenderorientierte, interaktive und gemeinsame Aktivität definiert? DPH verbindet die Öffentlichkeit mit ihrer Vergangenheit und den Public Historians, wohingegen die Digital History eine neue digitale Wissenschaft anbietet, bei der die epistemologische Interaktion mit der Öffentlichkeit keine wesentliche Voraussetzung ist. Mit Digital History ist das Internet um neue Formen von Narrativen und Befunden “bereichert”, aber nicht zwangsläufig genutzt, wie etwa ein 2.0 kollaboratives und vernetztes Web, um spezifische Adressaten und spezifische soziale Ziele zu erreichen. DPH ist vor allem die Produktion von Geschichte in der öffentlichen Sphäre durch interaktive, digitale Mittel. Die Vorteile des digital turn nutzend, zielt die DPH darauf ab, neue Stimmen aus der Vergangenheit in der Gegenwart zu präsentieren, weil Vergangenheit von Bedeutung ist und sich digitale Technologien dazu eignen, im Internet über Geschichte zu kommunizieren.

 

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Literatur

  • Jerome De Groote: Consuming History: Historians and Heritage in Contemporary Popular Culture, Hoboken: Taylor & Francis 2008.
  • Joanne Garde-Hansen, Andrew Hoskins and Anna Reading: Save as digital memories, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2009.
  • Erica Lehrer, Cynthia E. Milton, Monica Eileen Patterson (Hrsg.): Curating difficult knowledge: violent pasts in public places, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2011.

Externe Links

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[1] Heimburger, Franziska / Ruiz, Émilien: «Has the Historian’s craft gone digital? Some observations from France», Diacronie, in: Studi di Storia Contemporanea. 10 (2012) 2. http://www.studistorici.com/2012/06/29/heimburger-ruiz_numero_10/ (zuletzt am 09.04.15).
[2] Castells, Manuel: The Internet galaxy: reflections on the Internet, business, and society. New York 2001.
[3] Mccarty, Willard: Humanities computing. Basingstoke 2005.
[4] Orlandi, Tito: Informatica Umanistica. Rom 1990.
[5] Schreibman, Susan / Ray Siemens / John Unsworth (Hrsg.): A Companion to Digital Humanities. Oxford 2004, http://www.digitalhumanities.org/companion/ (zuletzt am 09.04.15). Warwick, Clare: Digital Humanities in Practice. London 2012; Terras, Melissa / Nyhan, Julianne / Vanhoutte, Edward: Defining Digital Humanities: A Reader. London 2013.
[6] Statistische Berechnung, Geo-Location, die Zuordnung der Vergangenheit, 3D-Rekonstruktionen, die Verwaltung von großen Datenmengen, die Analyse und Erstellung von digitalen Primärquellen wurde von Peter Haber als “datification” Prozess bezeichnet. Visuelle Studien etc. definieren digital history als eine spezielle Gattung der digital humanities. Vgl. Haber, Peter: Digital past: Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter, München 2011.
[7] Rygiel, Philippe: L’inchiesta storica in epoca digitale. In: Memoria e Ricerca 35 (2010), S. 185-197.
[8] Eine aktuelle kanadische Studie über die Auswirkungen der digitalen Revolution hat grundsätzlichen Wert, wenn sie sagt: “Gedächtnisinstitutionen sind die Fenster zur Vergangenheit. Durch Geschichten, physische Objekte, Aufzeichnungen und anderes dokumentarisches Erbe bieten sie den Kanadiern mit einem Sinn für Geschichte ein Heimatgefühl, ein Identitätsgefühl und ein Gefühl der Verbundenheit – wer sind wir als Volk […] “Why Memory Institutions Matter”, in: Council of Canadians Academies: Leading in the Digital World: Opportunities for Canada’s Memory Institutions. The Expert Panel on Memory Institutions and the Digital Revolution, February 2015, S.4-6, http://www.scienceadvice.ca/uploads/eng/assessments%20and%20publications%20and%20news%20releases/memory/CofCA_14-377_MemoryInstitutions_WEB_E.PDF (zuletzt am 09.04.15).
[9] Moretti, Franco: Distant Reading. London 2013.
[10] Vgl. z.B. diverse Projekte (wie Digital Humanities Now, http://digitalhumanitiesnow.org/), die die Integration von ausgewählten Blog-Posts sicherstellen und so weltweit neue Formen einer digitalen Nachwuchsförderung mit dem PressForward Plugin für WordPress ermöglichen http://pressforward.org/ (zuletzt am 09.04.15).
[11] “Storia e Internet: la ricerca storica all’alba del terzo millennio”, in: Noiret, Serge (Hrsg.): Linguaggi e Siti: la Storia On Line, in Memoria e Ricerca, n.3, January-June 1999, S.7-20. Vgl. auch http://www.fondazionecasadioriani.it/modules.php?name=MR&op=showfascicolo&id=12 (zuletzt am 09.04.15).
[12] Cohen, Daniel J. u.a.: “Interchange: The Promise of Digital History”. In: The Journal of American History 2 (2008), S.452-491, http://www.historycooperative.org/journals/jah/95.2/interchange.html (zuletzt am 09.04.15).
[13] RRCHNM: 20th Anniversary Conference, http://chnm.gmu.edu/20th/ (zuletzt am 09.04.15).
[14] Cohen, Daniel. J.  / Rosenzweig, Roy : Digital history: a guide to gathering, preserving, and presenting the past on the Web. Philadelphia, University of Pennsylvania Press, 2005 und Clio Wired. The future of the past in the digital age. New York 2011.
[15] Robertson, Stephen: The Differences between Digital History and Digital Humanities. 23.05.2014; http://drstephenrobertson.com/blog-post/the-differences-between-digital-history-and-digital-humanities/ (zuletzt am 09.04.15).
[16] http://digitalpublichistory.org/ (zuletzt am 09.04.15).
[17] «Y a t-il une Histoire Numérique 2.0 ?» in: Genet, Jean-Philippe / Zorzi, Andrea (Hrsg.): Les historiens et l’informatique. Un métier à réinventer. Rom 2011, S. 235-288.
[18] In ihrer Rede anlässlich der 2. brasilianischen Public History Konferenz (September 2014) betonte Linda Shopes, dass digital history – als Erweiterung der Sozialgeschichte und dem Vorhandensein einer gezielten Zuhörerschaft – einer der zentralen Oral-History-Praktiken ist. Digitale Arbeitsweisen führten durch Oral History zurück zur “Mündlichkeit”. Die digitale Dimension erweiterte Online-Geschichten zu Website-Projekte, sie ermöglichte damit der internationalen Public History die Erweiterung der herkömmlichen Oral History Projekte um die Fähigkeit, Interviews in Audio / Video-Formaten weltweit und über Open-Access-Verfahren zu teilen. Diese Praktiken setzen voraus, mit den Communities in der jeweils eigenen Sprache zu interagieren. Ein tieferes Verständnis der lokalen Kulturen unterscheidet die internationale DPH von digital history und, mehr noch, von den digital humanities, die sich zuletzt allzuoft durch die ausschließliche Verwendung der englischen Sprache auszeichnete. Vgl. Rede Brasileira de Historia Publica: http://historiapublica.com.br/ (zuletzt am 09.04.15).
[19] “Die Materialien in ihnen erinnern uns an unsere Werte und nähren unsere Debatten über die Zivilgesellschaft. Durch Sicherstellung ihres Erhalts, Authentizität und den Zugang zu ihrer Struktur […] garantieren Gedächtnisinstitutionen Transparenz und eine Pflicht zur Rechenschaft. Authentische Aufzeichnungen sowie deren Verfügbarkeit sind das Herzstück einer Zivilgesellschaft. Insbesondere Archive sind wesentlich zur Klärung von Menschenrechtsfragen, oftmals, weil diesbezügliche Bedenken erst weit nach der Zeit identifiziert werden, in der ein Unrecht erfolgt ist.” “Why Memory Institutions Matter”, ebd.

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Abbildungsnachweis
© Serge Noiret. Aufnahme während des THATcamp 2013 in Mason.

Empfohlene Zitierweise
Noiret, Serge: Digital Public History: Einbezug der Öffentlichkeit. In: Public History Weekly 3 (2015) 13, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2015-3931.

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Français

 

L’Histoire numérique a remodelé la documentation de l’historien et les outils utilisés pour accéder, stocker et utiliser la documentation sans que l’utilisation critique des outils et des pratiques numériques ait été approfondie surtout par rapport à l’histoire publique. L’histoire numérique vise à créer de nouvelles formes de savoir et d’objets pour  le web.[1] Mais on est en droit de se demander en quoi l’histoire publique numérique (HPN) se différencie de l’histoire numérique?

 

 

Des Humanités Numériques à l’Histoire Numérique

Ce que l’on entend par “culture historique numérique” fait partie du champ plus large de la “culture numérique” qui imprègne notre société depuis l’apparition d’Internet. Le concept sociologique de culture numérique provient du travail de Manuel Castells[2] et de celui de Willard McCarty[3] tandis qu’en Italie, Tito Orlandi,[4] a même théorisé la naissance d’une nouvelle koinè basée sur le développement de concepts scientifiques et méthodologiques précédents qui définissaient l’informatique humaniste à laquelle s’est ajoutée la communication dans la toile. Cependant, alors que les sciences humaines numériques fournissent des méthodologies et des pratiques communes aux sciences humaines,[5] il est également vrai que ces pratiques et ces concepts sont mieux élaborés dans chaque discipline.[6] Suite au «digital turn», les historiens qui utilisent le numérique sont confrontés à de nouvelles questions épistémologiques pour l’analyse du passé.[7] Ils mettent en scène des expositions en rapport avec les institutions de la mémoire (bibliothèques, archives, musées et galeries) ; ils créent des objets et des documents numériques ; ils recueillent, préservent et organisent les documents numériques de telles institutions;[8] ils créent de nouveaux outils et de nouveaux logiciels pour soutenir leurs activités; ils utilisent les médias sociaux pour communiquer; ils n’utilisent pas seulement les documents écrits et ne se limitent pas aux réflexions qui touchent les nouvelles formes de fouille de texte et les activités de lecture « proches et lointaines ».[9] Cependant, les historiens avec le numérique ne pratiquent pas leur profession en dehors de la discipline: ils maintiennent leurs traditions professionnelles et appliquent les méthodes historiennes ; ils traitent les sources primaires dans différents contextes numériques et ils reconstruisent le passé au travers de nouvelles formes de narration.[10] La technologie facilite en fait l’histoire professionnelle. Les humanités numériques intègrent aussi le métier de ce nouvel historien profondément impliqué dans les transformations technologiques qui affectent les sciences humaines à l’heure du numérique.

De nouvelles pratiques et de nouveaux outils

Mais dans le domaine de l’histoire numérique, nous sommes en fait ce que nous faisons et ce que nous créons. De nouvelles pratiques et de nouveaux outils délimitent ce champ. Et l’histoire numérique ne se reconnait pas seulement dans la tradition des humanités numériques. La question de l’originalité de nos méthodes, les tâches et les objectifs du numérique, ont été questionnées très tôt en Italie et, il a toujours été assez clair que nos priorités et nos besoins différaient de celles d’autres humanistes.[11] Donc, l’histoire numérique possède une dimension épistémologique propre aux historiens.[12] Les historiens ont besoin de créer des contenus, de contrôler et d’utiliser des outils dans le domaine numérique et ceux-ci sont différents de ceux qui sont nécessaires à d’autres humanistes confrontés à l’informatique littéraire et linguistique, à l’analyse des textes et à leur encodage et annotation. Stephen Robertson, directeur du Centre pour l’Histoire et les nouveaux médias de l’université George Mason, a soutenu explicitement, peut-être pour la première fois dans le monde anglophone, que l’histoire numérique est différente des études littéraires et pourrait être considérée comme une autre discipline dans le domaine du numérique. Ces réflexions ont influencé, à l’automne 2014, les célébrations du 20ème anniversaire du Centre[13] mettant l’accent sur l’importance des médias numériques pour pratiquer l’histoire.[14] «D’abord, écrit Robertson, la collecte, la présentation et la diffusion de matériaux en ligne est une partie plus centrale de l’histoire numérique. […] Deuxièmement, en ce qui concerne l’analyse grâce au numérique, l’histoire numérique a vu plus de travaux dans le domaine de la cartographie numérique que dans celui des études littéraires, où la fouille de texte et la modélisation sont pratiques dominantes. »[15]

Histoire Numérique et Histoire Publique Numérique

En parallèle avec ce qu’ils écrivent professionnellement à propos du passé, les historiens se sont toujours interrogés sur l’utilité de leurs propres pratiques et sur l’apport d’autres sciences pour éclairer l’histoire. Quel nouvel outil ou quelle technique, appliqués au passé auraient pu aider à transformer les sources primaires en récits historiques? Dans le cas de l’histoire numérique, nous sommes en droit de nous  demander si l’historiographie a toujours été communiquée au public avec succès. Il ne s’agit pas seulement des essais scientifiques typiques des historiens académiques, mais surtout de l’utilisation de différentes  formes de communication et différents médias adaptées aux différents publics, ce que Sharon M. Leon appelle l’histoire numérique centrée sur l’utilisateur.[16] Être capable de reconstruire le passé et le communiquer à un public précis, est essentiellement ce que les historiens publics font quand ils se demandent «pourquoi faire de l’histoire, si ce n’est pas pour le public?» L’HPN -comme champ scientifique- permet ainsi d’interpréter le passé et de proposer des réflexions pour l’avenir à l’intérieur de la sphère publique et à l’échelle internationale. Ceci est fait en utilisant la technologie, les expériences, les pratiques, les méthodes, les formes sociales de communication qui sont ajoutées aux caractéristiques de l’histoire publique comme le fait de penser au public afin d’interpréter le passé avec lui et, ensuite, de mieux communiquer une histoire utile. Faut-il aller plus loin dans la construction d’un arbre généalogique de l’ «Humanities Computing » (1980-) devenu « digital humanities » (humanités numériques), lors de la rencontre avec le web au début des années 1990? Peut-être pas, mais l’histoire des humanités numériques fait certainement partie de la conversation qui vise à comprendre si l’HPN non seulement diffère des Humanités Numériques comme nous l’avons soutenu, mais aussi de l’Histoire Numérique. Qu’est-ce qui définit l’HPN, ou ce que j’ai appelé ailleurs l’histoire numérique 2.0, (participative et en réseau, offrant une médiation sociale),[17] quelque peu différente de ce qu’on pourrait appeler les formes “académiques” de l’histoire numérique?

L’histoire publique numérique sert aussi la dimension civique du passé

Les techniques du Web 2.0 permettent  globalement de dialoguer avec différentes communautés et de mobiliser leurs connaissances et leurs souvenirs, ajoutant ainsi une dimension numérique aux pratiques traditionnelles de l’histoire publique. Après la naissance d’un web participatif 2.0 autour de 2004, différentes communautés ont partagé leur passé globalement sans la médiation des historiens. Au contraire, l’historien de l’oralité, comme médiateur  après la révolution numérique, a appliqué ses compétences historiennes à la mémoire orale.[18] Aussi les archivistes dans le domaine numérique conservent les traces et les souvenirs des mémoires civiles en utilisant leur propre médiation professionnelle. Pourrions-nous en conclure que l’HPN c’est filtrer les visions du passé  d’une communauté dans le web grâce aux compétences et à l’expertise des historiens publics numériques, que ce soit en tant qu’historiens oraux, archivistes, conservateurs de musée, etc.?[19] Est-ce cette dimension qui définit la discipline dans ses pratiques de bas en haut (souvent des pratiques de crowdsourcing ou en français, de production participative) et de haut en bas (création d’objets numériques multi médiaux / narration du passé) interactives et partagées avec l’utilisateur? L’HPN permet ainsi de relier un public spécifique à son passé et les historiens publics avec le numérique le diffuse dans le web. L’histoire numérique offre de nouveaux produits scientifiques pour lesquels cette interaction épistémologique avec le public n’est pas une condition essentielle. Avec l’histoire numérique, le web est utilisé pour “passer” de nouvelles formes de récits et des découvertes scientifiques, mais il n’est pas principalement utilisé, comme avec le web 2.0, pour interagir avec des publics spécifiques et atteindre des objectifs sociaux spécifiques. L’HPN c’est avant tout faire de l’histoire dans la sphère publique sur la base d’outils numériques interactifs. Profitant de la révolution numérique, l’HPN vise à apporter de nouveaux témoignages dans le présent, car le passé compte et les technologies numériques permettent de mieux communiquer l’histoire dans le web.

 

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Littérature

  • Jerome De Groote: Consuming History: Historians and Heritage in Contemporary Popular Culture. Hoboken: Taylor & Francis, 2008
  • Joanne Garde-Hansen, Andrew Hoskins and Anna Reading: Save as.. digital memories. Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2009.
  • Erica Lehrer, Cynthia E. Milton, Monica Eileen Patterson (eds.): Curating difficult knowledge: violent pasts in public places. Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2011.

Liens externe

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[1] Franziska, Heimburger and Émilien Ruiz: «Has the Historian’s craft gone digital? Some observations from France», Diacronie. Studi di Storia Contemporanea, n. 10/2, 2012, http://www.studistorici.com/2012/06/29/heimburger-ruiz_numero_10/ (dernier accès 09.04.15).
[2] Manuel Castells: The Internet galaxy: reflections on the Internet, business, and society. New York: Oxford University Press, 2001.
[3] Willard Mccarty: Humanities computing. Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2005.
[4] Tito Orlandi: Informatica Umanistica. Roma: La Nuova Italia Scientifica, 1990.
[5] Susan Schreibman, Ray Siemens, John Unsworth (eds.): A Companion to Digital Humanities, Oxford, Blackwell, 2004, http://www.digitalhumanities.org/companion/ (dernier accès  09.04.15). Clare Warwick: Digital Humanities in Practice., London: Facet Publishing, 2012; Melissa Terras, Julianne Nyhan, and Edward Vanhoutte: Defining Digital Humanities: A Reader., London, Ashgate, 2013; Pierre Mounier (dir.), Read/Write Book 2. Une introduction aux humanités numériques, Marseille: OpenEdition Press, 2012 http://books.openedition.org/oep/226, (dernier accès 09.04.15).
[6] Calcul statistique, géolocalisation, représentations cartographiques du passé, reconstitutions en 3D, gestion de grands nombres de données, analyse et création de sources primaires numériques, transformation des données numériques, études visuelles, toutes ces pratiques définissent le menu spécifique de l’histoire numérique dans les sciences humaines numériques. (Sur ce sujet voir de Peter Haber: Digital past: Geschichtswissenschaft im digitalen Zeitalter, München: Oldenbourg Verlag, 2011.)
[7] Philippe Rygiel: “L’inchiesta storica in epoca digitale”, in Memoria e Ricerca, n.35, 2010, pp. 185-197.
[8] Un récent rapport canadien sur l’impact de la révolution numérique a une valeur universelle quand il écrit que “les institutions de la mémoire collective sont une fenêtre sur le passé. Au moyen de témoignages, d’objets, de dossiers et d’autres documents, ils donnent aux Canadiens un sens de l’histoire, du lieu et de l’identité, ainsi qu’un sentiment de connexité — d’appartenance à un peuple. […]”. “ Importance des Institutions de la Mémoire Collective”, dans Conseil des Académies Canadiennes: À la fine pointe du monde numérique: possibilités pour les institutions de la mémoire collective au Canada. Le comité d’experts sur les institutions de la mémoire collective et la révolution numérique., février 2015, pp.4-6, http://www.scienceadvice.ca/uploads/fr/assessments%20and%20publications%20and%20news%20releases/memory/CofCA_14-377_MemoryInstitutions_WEB_F.PDF (dernier accès 09.04.15).
[9] Franco Moretti: Distant Reading. London: Verso, 2013.
[10] Voir par exemple les différents projets (comme Digital Humanities Now, http://digitalhumanitiesnow.org/) qui intègrent une sélection de billets de blog publiés dans le monde entier, à l’intérieur de nouvelles formes de publications numériques en utilisant le plugin PressForward pour WordPress, http://pressforward.org/ (dernier accès 09.04.15).
[11] “Storia e Internet: la ricerca storica all’alba del terzo millennio”, dans Serge Noiret (dir.): Linguaggi e Siti: la Storia On Line, in Memoria e Ricerca, n.3, January-June 1999, pp.7-20, http://www.fondazionecasadioriani.it/modules.php?name=MR&op=showfascicolo&id=12 (dernier accès 09.04.15).
[12] Daniel J. Cohen, Max Frisch, P.Gallagher, Steven. Mintz, Kirsten Sword, A.Murrell Taylor, William G. Thomas III, et William J Turkel: “Interchange: The Promise of Digital History”, in The Journal of American History, 2, 2008, pp.452-91, http://www.historycooperative.org/journals/jah/95.2/interchange.html (dernier accès 09.04.15).
[13] RRCHNM: 20th Anniversary Conference, http://chnm.gmu.edu/20th/ (dernier accès 09.04.15).
[14] Daniel J. Cohen et Roy Rosenzweig: Digital history: a guide to gathering, preserving, and presenting the past on the Web., Philadelphia, University of Pennsylvania Press, 2005 et Clio Wired. The future of the past in the digital Age. New York, Columbia University Press, 2011.
[15] Stephen Robertson: The Differences between Digital History and Digital Humanities. May 23, 2014; http://drstephenrobertson.com/blog-post/the-differences-between-digital-history-and-digital-humanities/ (dernier accès  09.04.15).
[16] http://digitalpublichistory.org/ (dernier accès  09.04.15).
[17] «Y a t-il une Histoire Numérique 2.0 ? » dans Jean-Philippe Genet and Andrea Zorzi (dir.) Les historiens et l’informatique. Un métier à réinventer., Rome: Ecole Française de Rome, 2011, pp.235-288.
[18] Lors de la 2ème Conférence sur l’histoire publique brésilienne, (Septembre 2014) Linda Shopes a dit que l’histoire numérique -ajoutée à l’histoire sociale et la présence d’une audience cible-, est maintenant au cœur des pratiques d’histoire orale. Les techniques numériques ont rendu l’«oralité» à l’histoire orale. Une dimension numérique a intégré l’histoire en ligne à des projets dans le web en accès libre,  ajoutant une dimension publique internationale aux projets traditionnels d’histoire orale outre la capacité de partager à l’échelle mondiale les interviews dans des formats audio / vidéo. Ces pratiques nécessitent d’interagir avec les communautés dans leur propre langue. Une meilleure compréhension des cultures locales différencie l’HPN international de l’histoire numérique et, plus encore, des humanités numériques, ces dernières trop souvent liées à l’usage exclusif de la langue anglaise. Voir Rede Brasileira de Historia Publica: http://historiapublica.com.br/ (dernier accès 04.09.15).
[19] “Leurs documents nous rappellent nos valeurs et nourrissent nos débats sur la société civile. En assurant la conservation et l’authenticité des documents, ainsi que l’accès à leurs collections […], elles constituent un instrument de transparence et de reddition de comptes. De fait, des dossiers authentiques et leur disponibilité sont au  cœur de la gouvernance civile. En particulier, les archives sont essentielles pour aborder les problèmes de droits de la personne, parce que ces problèmes ne sont souvent connus qu’après une injustice….”, dans “Importance des Institutions de la Mémoire Collective”, cit..

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Crédits illustration
© Serge Noiret. Photographie pendant la THATCamp 2013 Mason.

Citation recommandée
Noiret, Serge: Digital Public History: L’importance de la dimension «publique». In: Public History Weekly 3 (2015) 13, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2015-3931.

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Warnung und Entwarnung vor Nummer 7

Spätestens ab 1773 waren in Wien die Briefträger der so genannten „Kleinen Post“ – der Stadtpost – nummeriert;1 auch in der ungarischen Hauptstadt Ofen findet diese Kulturtechnik Verwendung und wird in einer 1789 in der Zeitung Neuer Kurier erschienenen Einschaltung gleich mal für eine Warnung vor einem vermeintlich betrügerischen Postboten verwendet:

Wir ersuchen unsere schäzbaren Abnehmer in der Festung Ofen, den Pränumerationsbetrag des eingehenden Zeitungsquartals dem Manne von der kleinen Post, welcher die Nummer 7. hat, ja nicht anzuvertrauen.2

Der Name des Botens wird nicht genannt und würde den zahlungswilligen AbonnentInnen des Neuen Kurier vielleicht auch wenig nützen; es ist die Nummer der Kleinen Post, die Vertrauen herstellt und vor der nun gewarnt wird. Doch siehe da, wenig später folgt die Entwarnung:

Die in der Beilage Nro. 117. dieser Zeitung wider den Träger der kleinen Post Nro. 7. eingerükte Warnung unserer Herrn Pränumeranten, da man bloß in der Person des schon Entlassenen einen Verdacht sezte, wird hiemit zur Aufrechterhaltung der dadurch angegriffenen Glaubwürdigkeit der kleinen Post, wiederrufen. 3

Schön, dass hier gleich von zwei Nummern die Rede ist, der Nummer der Zeitungsbeilage mit der zu widerrufenden Nachricht und nochmals die Nummer des Briefträgers, der nun schon entlassen ist; vielleicht wurde seine Stelle schon nachbesetzt, vielleicht war der Entlassene tatsächlich ein Bösewicht, doch nun gilt es, die Ehre der Numero Sieben wiederherzustellen, die nun von einer glaubwürdigen, unverdächtigen Person ausgefüllt wird. Bemerkenswert auch die verschiedenen Schreibweisen für Nummer – einmal Nummer, einmal Nro., ein immer wieder feststellbares Phänomen, so, als gäbe es eben keinen einheitlichen Begriff davon, und bemerkenswert auch der Punkt am Schluss der Nummer 7, was vielleicht ein Überbleibsel der kardinalen Zahlzuweisung ist – so als ob es sich um den siebenten Postboten handeln würde – oder, eventuell wahrscheinlicher, die seit dem Mittelalter übliche Buchführungspraxis, am Ende einer Zahl einen Punkt zu setzen, fortschreibt.

  1. Wurth, Rüdiger: Der Brief in Vergangenheit und Gegenwart Österreichs als zeitgeschichtliches Dokument – Historische Vorgänge postalisch belegt (VIII), in: Österreichisches Jahrbuch für Postgeschichte und Philatelie, 8.1985, S. 7–107, hier 41, 60.
  2. Neuer Kurier aus Ungarn in Kriegs- und Staatssachen, Nr.117 29.9.1789, Beilage, S. 1036. Országos Széchényi Könyvtár, Budapest, Signatur FM3/12137.
  3. Neuer Kurier aus Ungarn in Kriegs- und Staatssachen, Nr.120 6.10.1789, Beilage, S. 1068.

Quelle: http://nummer.hypotheses.org/20

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mediaevum.net: Internetangebot der Poetae Latini medii aevi bei mgh.de

http://www.mgh.de/~Poetae/Poetae.htm In der Reihe Poetae Latini medii aevi der Monumenta Germaniae Historica erscheinen kritische Editionen lateinischer Dichtungen der Karolinger- und Ottonenzeit (8. – 11. Jahrhundert). Zwischen 1880/1881 und 1979 wurden hier sechs Quartbände mit zusammen ca. 4400 Seiten publiziert. Zur Zeit entsteht Band 6, 2 mit Nachträgen zur Dichtung der Karolingerzeit. […] Im Internet-Angebot der […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2015/04/5808/

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Die Zeitkrise als Identitätskrise – fünf Fragen an Hartmut Rosa

Hartmut Rosa ist Professor für Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Einer breiten Öffentlichkeit, auch weit über das Fach hinaus, ist er durch seine Gesellschaftskritik “Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne” bekannt geworden. Neben der Zeitsoziologie beschäftigt er sich u.a. mit Subjekt- und Identitätstheorien und arbeitet an einer Soziologie der Weltbeziehungen. Wir haben ihn zum Zusammenspiel von Zeit- und Raumwahrnehmung hinsichtlich der Konstitution von Identitäten befragt. (Foto: © juergen-bauer.com)

Herr Rosa, Sie haben eine Theorie der sozialen Beschleunigung vorgelegt, in der Sie von drei wesentlichen Faktoren der Beschleunigung ausgehen: der technischen Beschleunigung (Bewegung, Kommunikation, Transport), der Dynamisierung der sozialen Verhältnisse und der Beschleunigung des Lebenstempos durch eine Zunahme von Handlungs- und Erlebnisepisoden pro Zeiteinheit und eine Zunahme eines subjektiven Zeitdrucks, der aus der vermeintlichen Notwendigkeit, aus einer Vielzahl von Optionen zu wählen, entsteht. Diese strukturell in der Moderne angelegten Beschleunigungs- bzw. Steigerungsfaktoren führen zum ‘rasenden Stillstand': die zeitliche Koordinierung von Handlungen nimmt tendenziell mehr Zeit in Anspruch als die Handlungen selbst, wir verschieben Handlungen und tun zunehmend, was wir nicht tun wollen – und auch unsere Identität bestimmt sich daher situativ. Wie kommt es zu dieser Selbstverhältnis- und Resonanzkrise und welche Folgen hat sie für Subjekte und Gesellschaft?

Das Beschleunigungsprogramm der Moderne folgt keiner expliziten Zielsetzung, es verläuft quasi ‚hinter dem Rücken der Akteure‘. Deshalb spielt es auch keine Rolle, wenn wir uns jedes Jahr – zum Beispiel zu Silvester – fest vornehmen, es im nächsten Jahr langsamer angehen zu lassen und uns mehr Zeit zu nehmen, und auch ein paar Slow-Food- oder Slow-Work-Bewegungen helfen da nicht weiter. Die Situation ist analog zu der im Bereich der Ökologie: Dort scheint es auch ganz gleich, wie sehr wir das ökologische Bewusstsein schärfen und wieviel Müll wir trennen: Unser Umwelthandeln wird jedes Jahr schädlich – dafür reichen allein die Flug- und Fernreisen aus. Die Umwelt- und die Zeitkrise haben dieselbe Wurzel, und diese liegt in der strukturellen Steigerungslogik moderner Gesellschaften. Moderne, kapitalistische Gesellschaften können sich in ihrer Struktur nur erhalten, sie können den Status quo ihrer Basisinstitutionen und ihre soziopolitische Ordnung nur aufrechterhalten, wenn sie wachsen, beschleunigen, und innovieren. Ich nenne das den Modus dynamischer Stabilisierung: Stabilität ist nur durch Steigerung zu erreichen – und selbst dann noch prekär. Genau das führt auch bei den Individuen zu einer Situation des ‚rasenden Stillstandes‘: Wir müssen individuell wie kollektiv jedes Jahr schneller laufen, nur um unseren Platz zu halten. Meines Erachtens ist das ein Systemfehler.

Die Geisteswissenschaften und vor allem auch die Geschichtswissenschaft sind spätestens seit den 1990er Jahren maßgeblich durch den spatial turn geprägt, in dem die Räumlichkeit des Sozialen und die soziale Konstruktion von Räumen im Mittelpunkt stehen. Demgegenüber arbeiten Sie zentral mit der Kategorie Zeit. Ist das ein Widerspruch – oder wie verwoben sind Zeit- und Raumwahrnehmung und welche Rolle spielen sie bei der Konstitution der Identität sozialer Akteure?

Ich will nicht Zeit gegen Raum ausspielen oder umgekehrt – aber ich denke schon, dass die Sozialwissenschaften mehr Aufmerksamkeit auf unsere raum-zeitliche Daseinsweise richten sollten. Raum- und Zeitverhältnisse sind stets eng miteinander verwoben; ändert sich das eine, ändert sich in aller Regel auch das andere, so dass mir der Begriff der Raum-Zeit-Regime als Analysekategorie angemessen erscheint. Was ich allerdings im Beschleunigungsbuch festgestellt habe, scheint mir auch weiterhin richtig zu sein, dass nämlich die Dynamik in der Veränderung unserer raumzeitlichen Lebensweise von der Zeitdimension auszugehen scheint. Das was wir beispielsweise als Globalisierung erfahren, hat zwar viel mit einer Veränderung des Raumbewusstseins, der Raumerfahrung und des Raumhandelns zu tun, aber ausgelöst werden diese Veränderung durch Beschleunigungsprozesse: Beschleunigung in der Datenübertragung, im Transport, in der Kapitalzirkulation etc. In diesem Sinne betrachte ich Zeitverhältnisse als die ‚Antreiber‘, oder als das Einfallstor, für die Veränderung von Raumzeitverhältnissen.

Der Begriff der ‘Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen’, der von Ernst Bloch eingeführt wurde, in Luhmanns Systemtheorie wiederkehrt und von Koselleck auch für die Geschichtswissenschaft adaptiert wurde, beschreibt räumliche und temporale Asynchronität als gesellschaftliches Phänomen. Ist der Begriff noch aktuell – und kann er als analytische Kategorie helfen, (auch historische) Gesellschaften zu verstehen? Steht er vielleicht sogar sinnbildlich für die Pathologien der modernen Steigerungsgesellschaft?

Meines Erachtens ist der Begriff der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen (oder umgekehrt: Beide Varianten besagen im Prinzip dasselbe) völlig ungeeignet, wenn man von radikaler geschichtlicher Kontingenz ausgeht. Er macht nur Sinn, wenn man im Sinne einer Geschichtsphilosophie oder Fortschrittskonzeption feste sequentielle Folgen annimmt. Das kann sich auf individuelle Leben wie auf gesellschaftliche Entwicklungen beziehen. Beispielsweise kann jemand noch zur Schule gehen, aber schon Kinder haben: Das wäre die ‚Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen‘, weil gleichzeitig Elemente des Kindseins (zur Schule gehen) und des Erwachsenseins (Kinder haben) präsent sind. Das gilt aber nur, solange man meint, Schule und Kinder müssten einen festen Platz in der sequentiellen Ordnung eines Lebens haben. Sobald wir akzeptieren, dass man auch mit 50 oder 60 Jahren zur Schule gehen kann, können wir nur noch die Präsenz von Differenzen feststellen: EIN Schüler hat Kinder, ein anderer ist ein Kind, ein Dritter hat schon Enkel. Das gilt auch für Gesellschaften und Funktionssphären: Wenn ich meine, Demokratie, Marktwirtschaft, Industrialisierung und Rechtsstaat gehören zusammen, dann beobachte ich in einem Staat, der ein demokratischer Rechtsstaat ist, aber noch ‚steinzeitlich‘ produziert, Ungleichzeitigkeit, und dasselbe gilt für einen hoch technologisierten Staat, der weder Rechtsstaat noch Demokratie kennt. Wenn ich jedoch davon ausgehe, dass historische (Teilordnungen) kontingent sind, dann habe ich nur noch Differenz: Ein Staat ist demokratisch und kapitalistisch, einer demokratisch und sozialistisch, einer kapitalistisch mit traditionalistischen Herrschaftsstrukturen usw. Nur wenn ich von festen Sequenzen ausgehe, also etwa: Schule-Ausbildung-Beruf-Kinderkriegen-Ruhestand oder: Feudalismus-Kapitalismus oder Monarchie-Demokratie, kann ich Ungleichzeitigkeiten konstatieren. Der Glaube an die empirische und normative Validität solcher Muster ist in der Spätmoderne aber grundsätzlich erschüttert.

Sie haben immer wieder betont, dass es nicht per se um Verlangsamung gehe, schon gar nicht um Entschleunigung, wenn wir der sozialen Beschleunigung begegnen wollen, sondern darum, dass sich die gesellschaftliche Grundform ändern müsse. Wir müssten uns selbst aufklären, uns darüber verständigen, wie wir leben wollen. Wenn aber alles fremdbestimmt scheint, wie kann es gelingen, dass die Subjekte ihr Handeln wieder als selbstwirksam erleben? Welche Anreize müssen geboten werden, damit wir das (vermeintliche) Risiko des Zeit- und Optionenverlustes eingehen?

Ich weiß nicht, ob dafür Anreize geboten werden müssen. Ich arbeite derzeit am Entwurf einer ‚Resonanztheorie‘. Sie zielt im Kern darauf ab, uns zu überzeugen, dass das Leben nicht durch die Vergrößerung der ‚Weltreichweite‘ (durch Technik, ökonomische Ressourcen, aber soziales und kulturelles Kapital etc.) besser wird, sondern durch die Überwindung von Entfremdung: Durch die Etablierung einer anderen Form der Beziehung zur Welt, das heißt: Zu den Menschen, zur Natur, zu den Dingen und zu uns selbst. Das scheint mir die Stelle zu sein, an der die Steigerungslogik der Moderne sich durchbrechen lässt. Denn indem wir denken, unser Leben werde besser, wenn wir mehr Welt in Reichweite bringen – wenn ich mehr Geld hätte, könnte ich eine Yacht kaufen oder zum Mond fliegen, wenn ich das schnellere Smartphone hätte, könnte ich darauf Skype installieren, wenn ich in der Stadt wohnen würde, hätte ich Kinos und Theater in Reichweite, wenn ich zu der tollen Party eingeladen würde, hätte ich Zugang zu ganz neuen sozialen Kreisen – erzeugen wir die subjektiven Motivationsenergien, das Steigerungsspiel auf allen Ebenen voranzutreiben. Wir alle machen aber die Erfahrung, dass unser Leben dann und dort wirklich gelingt, wo wir in einen Resonanzmodus der Weltbeziehung geraten: Dort geht es nicht um Steigerung, denn das sind die Momente, in denen uns etwas wirklich berührt und in denen wir umgekehrt etwas oder jemanden wirklich zu erreichen vermögen. Transformative Weltanverwandlung nenne ich das, denn dabei verändern wir uns auch selbst. Alle Menschen kennen diesen Erfahrungsmodus, und sei es auch aus noch so flüchtigen und weit zurückliegenden Momenten. Das sind die Andockpunkte, an denen wir ansetzen können, ich glaube, hier sind wir als Subjekte eben doch nicht vollständig entfremdet.

Das Phänomen Kontingenz wird in den Geisteswissenschaften als endgültige Abkehr vom Historismus zunehmend stark gemacht (Paradigma des historischen Wandels). Die postfundamentalistische Hegemonietheorie nach Ernesto Laclau und Chantal Mouffe arbeitet schon seit den 1980er Jahren mit den Kategorien der radikalen Kontingenz und des Dissenses und betont die Notwendigkeit der Mobilisierung konfliktueller, emotionaler Leidenschaften in Demokratien. Müssen wir mehr streiten? Bietet vielleicht die Betonung radikaler Kontingenz (nichts ist vorherbestimmt und alles kann immer auch anders sein), die Betonung der “demokratischen Ethik” (Oliver Marchart), also der institutionalisierten Selbstentfremdung in unserer demokratischen Gesellschaft, einen Ansatzpunkt für einen Bewusstseinswandel? Ist eine gesamtgesellschaftliche Politisierung die Antwort auf die Resonanzkrise, die wir in zunehmendem Maße erleben?

Ich weiß nicht, ich glaube nicht. Meine Wunschformel heißt nicht Konflikt oder Streit, sondern Resonanz. Ich glaube allerdings in der Tat, dass Demokratie, auch und gerade die demokratische Auseinandersetzung, ein zentrales Instrument für die ‚Anverwandlung‘ von Welt ist: Mit den Mitteln der Demokratie bringen wir die Institutionen der öffentlichen Sphären dazu, auf uns zu reagieren, uns zu antworten. Das setzt Selbstwirksamkeitserfahrungen in Gang, die unerlässlich sind für Resonanzbeziehungen: Bürgerinnen und Bürger müssen die Erfahrung machen können, dass ihr Handeln und Streiten Welt verändert. Resonanz meint dabei nicht Echo und nicht Harmonie: Wenn alle das Gleiche wollen und sagen, entsteht keine Resonanz, sondern ein leeres Echo. Resonanz impliziert schon Widerspruch und Auseinandersetzung, aber auf einer anderen Ebene als die Feindschaft: Feindschaft ist Repulsion, ist Resonanzvernichtung, ist gegenseitige Verletzung. Das kennt jeder aus der privaten Sphäre: Mit meinem besten Freund streite ich fast unablässig – aber auf der Basis einer Resonanzbeziehung, wir sind offen für einander und lassen uns durch den Streit berühren und verändern. Bei meinen Feinden ist es anders: Die wollen mich fertig machen, und ich sie. Ich habe das Gefühl, dass in den neueren Ansätzen, die Konflikt und Kontingenz betonen, diese Voraussetzungen unterbelichtet bleiben. Bei Rancière jedenfalls klingt es bisweilen so, als stifte der Streit selbst ein soziales Band. Das finde ich unplausibel.

 Vielen Dank.

 

Hartmut Rosa zum Nachhören

Quelle: http://zeitraeume.hypotheses.org/160

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Zauberwort Resilienz. Gedankensplitter eines Außenstehenden

Von Mattias Kiefer

Vorausgeschickt: Dies sind Eindrücke eines Außenstehenden zu einer Tagung, die Ende Februar 2015 an der Evangelischen Akademie in Tutzing stattfand. Das Wort außenstehend gilt dabei im doppelten Sinn: Ich bin weder Mitglied des Forschungsverbunds, noch selbst aktuell wissenschaftlich aktiv. Mein persönlicher Zugang: Das Verfolgen der Resilienzdebatte vor allem im Kontext gesellschaftlicher Transformationsdiskurse. Da es ein Ziel des Forschungsverbunds ist, in den Dialog mit der Gesellschaft einzutreten, ist aber vielleicht auch die Veröffentlichung auf diesem Blog zu rechtfertigen, so jedenfalls die Meinung der Tagungsveranstalter, die um diesen Beitrag gebeten haben.

Ich verzichte dabei darauf, die Tagung insgesamt zu beschreiben oder gar die Vorträge zusammenzufassen, sondern beschränke mich auf Splitter zu einigen der Vorträge. Die Texte oder die Präsentationen sind im Netz verfügbar.

Wenn Markus Vogt bei seiner Explikation von Resilienz aus geophysikalischer Sicht diese in Verbindung setzt mit dem „planetary boundary concept“ und ihr dabei den Status einer funktionalisierten  bzw. operationalisierten Nachhaltigkeit zuerkennt, dann meine Rückfrage: Was ist dabei der Mehrwert im Vergleich zur einfachen Weiterverwendung von „Nachhaltigkeit“ – vorausgesetzt, Nachhaltigkeit wird im ursprünglichen Sinn eines Hans Carl von Carlowitz oder des Brundlandt-Berichts verwendet und nicht als weithin sinnentleerte semantische Black Box heutigen Marketings?

Julian Nida-Rümelin versteht unter Resilienz Widerständigkeit und sieht sie damit im Unterschied zu reiner Anpassungsfähigkeit; zusammengedacht mit Amartya Sens Capability-Ansatz ergibt sich eine normative Füllung von Resilienz als persönliche Handlungsfähigkeit und Selbstbestimmung, eine Art „Autorschaft“ über das eigene Leben. Die Rückfragen an dieses für mich intuitiv überzeugende Konzept: Wo ist Resilienz anzusiedeln auf der Bandbreite zwischen reaktiv und proaktiv? Ist Autorschaft jenseits des Individuellen für Kollektive sinnvoll denkbar? Gibt es einen Konnex zu gesellschaftsverändernden Konzepten, und wenn ja, worin bestünde er?

Beim Versuch, systemisches bzw. institutionelles Handeln (Markt, Politik, Governance) auf ihre Resilienzfähigkeit hin zu untersuchen, stellt sich mir die Frage, was dabei der Mehrwert ist? Worin wäre dabei zum Beispiel der widerständige Charakter zu sehen, den es nach Nida-Rümelin braucht?

Für Martin Schneider ist Resilienz im klassischen Verständnis ein reaktives Konzept, das sich auszeichnet durch Sicherheits- und Schutzmaßnahmen, eine Orientierung am Status Quo und Vulnerabilitätsvermeidung. Dieses Verständnis ist ihm nur bedingt sympathisch, daher sein Bestreben: Resilienz, traditionell konservativ interpretiert, auch fruchtbar machen für transformative Prozesse. Sein Versuch: Mittels einer von ihm so genannten reflexiven Resilienz die Einführung von Ziel-Perspektiven in die Konzeptualisierung.

Meine Einwand: Im klassischen Verständnis reagiert Resilienz auf von außen induzierten Wandel. Gesellschaftliche Transformation aber ist Wandel, der selbst verursacht wird oder werden soll. Um eine dergestalt transformative und dabei notwendigerweise interpersonale Perspektive überhaupt in einen Resilienz-Ansatz integrieren zu können, braucht es das Einziehen einer neuen „reflexiven“ Ebene, ein zwar theoretisch spannendes, aber auch aufwändiges Unterfangen. Und auch hier wieder die Frage: Zu welchem Zweck? Was kann besser damit besser erklärt werden als mit bisherigen Ansätzen sozialen Wandels?

Als ganz knappes persönliches Tagungsresümee: Offenkundig besteht innerhalb des Forschungsverbunds kein einheitlicher Resilienzbegriff, der sich für mich während der Tagung in einer dreifachen Spannung bewegte: zwischen funktional-deskriptiv und normativ, zwischen reaktiv-konservativ und transformativ, zwischen Widerständigkeit und  Anpassungsfähigkeit. Diese Uneinheitlichkeit erschwert den gewünschten Dialog mit der Öffentlichkeit, der zusätzlich dadurch behindert wird, dass aus den spezifischen Wissenschaftssemantiken herauszutreten offenkundig schwierig ist.

Persönlich überzeugt hat mich die Anwendung des Resilienzbegriffs am meisten auf der individuellen Ebene: Resilienz in der Bandbreite zwischen Widerständigkeit und Anpassung, personale Identität voraussetzend, perspektivisch im Sinne von Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit des eigenen Lebens durch die Zeit erhaltend (Nida-Rümelins „Autorschaft“), Kultur dabei als wichtig mitbeachtend.

 

 

 

 

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/475

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Von weißen Flecken in der Erinnerungslandschaft und neuen Chancen für die Forschung – GeoBib: Eine annotierte und georeferenzierte Onlinebibliographie der Texte der frühen deutsch- und polnischsprachigen Holocaust- und Lagerliteratur (1933-1949)

In der Zeit zwischen 1933 und 1949 wurde eine große Zahl an Texten von durch die Nationalsozialisten verfolgten Menschen geschrieben und veröffentlicht. Die Berichte, Romane, Gedichte u.a.m. zeugen so unmittelbar von der Verfolgung und Vernichtung der Menschen wie kaum ein späteres Dokument. Diese Texte sind heute nicht mehr im kollektiven Gedächtnis verankert oder gar nicht erst in dieses eingegangen. In einem vom BMBF in der eHumanities-Förderlinie finanzierten interdisziplinären Projekt am „Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung“ (Marburg) gemeinsam mit Partnern an der „Justus-Liebig-Universität“ (Gießen) sollen die deutsch- und polnischsprachigen Texte nun bibliographisch erschlossen werden. Als Endprodukt soll dabei im Juni 2015 eine annotierte und georeferenzierte Onlinebibliographie der frühen Texte vorgelegt werden.

Neben den bibliographischen Daten werden Zusammenfassungen der Texte, Kurzbiographien der Autorinnen und Autoren sowie Hintergrundinformationen zur Werkgeschichte zu finden sein. Damit werden diese frühen Zeugnisse für die geschichts- und literaturwissenschaftliche Forschung, aber auch für die historische und politische Bildungsarbeit, erschlossen und die Informationen über diese Texte allen Interessierten zugänglich gemacht. Das Projekt bleibt aber nicht bei einer klassischen Onlinebibliographie mit einem textbasierten Suchzugriff stehen. Vielmehr wurden alle in den Texten erwähnten Städte, Orte, Ghettos, Lager usw. gesammelt und ebenso alle bekannten geographischen Angaben zu den Autorinnen und Autoren sowie den Werken – wie Publikations- und Druckorte – erfasst. Damit können über eine geographische Suche Entwicklungen in den Texten der Holocaust- und Lagerliteratur und deren Publikationsumgebungen auf Karten sichtbar gemacht werden. Neben heutigen Karten, müssen bestimmte Entwicklungen auch in den historischen Grenzen von 1900 bis 2000 angezeigt werden können, damit beispielsweise Ghettos oder Lager nicht in den Grenzen des heutigen Polens, sondern in den Grenzen der durch das Deutsche Reiche annektierten und besetzten Gebieten sichtbar gemacht werden, damit gerade beim Einsatz in der Bildungsarbeit kein falsches Bild von den so oft in den Medien genannten „polnischen Lagern“ entsteht.

Die Anzeige- und Suchmodi können von den Nutzerinnen und Nutzern selbst gesteuert werden, sodass man sich ganz gezielt entsprechende Suchanfragen auf der Karte anzeigen lassen kann – etwa: Alle Texte, die von Frauen zwischen 1939 und 1941 veröffentlicht wurden. Hier kann dann gewählt werden, ob die Ergebnisse in den heutigen oder in zeitgenössischen Grenzen gezeigt werden sollen. In dem Beitrag soll das im Projekt untersuchte und in der Online-Bibliographie dargestellte Material kurz dargestellt werden und auf seine Wichtigkeit für die zukünftige Forschung über den Holocaust und die jüdische Geschichte verwiesen werden. Den Schwerpunkt des Beitrages stellt die Darstellung des Online-Portals dar: Nach einer kurzen Einführung zu den technischen Hintergründen, soll der Fokus auf die beiden Hauptsuchfunktionen – die textbasierte und die kartenbasierte – gelegt werden und die sich dadurch ergebenden Chancen für Forschung zur jüdischen Geschichte und zum Holocaust gelegt werden.

Weitere Informationen zu dem Projekt findet man unter: http://www.geobib.info/

 

Zur Person:

Annalena Schmidt studierte u.a. Geschichtswissenschaft an der JLU Gießen. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am “Herder-Institut für historische Ostmitteleuropaforschung” in den Projekten GeoBib und DAPRO/Geoimaginaries sowie Doktorandin und Lehrbeauftragte an der JLU Gießen. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen der Holocaust Studies, der digitalen Geschichtswissenschaft und der Hochschulgeschichte.

Quelle: http://dhtg.hypotheses.org/258

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Picturing Power: Photographs of the Invasion of 1968 in Czechoslovakia

Haleš: Invasion of 1968 in Czechoslovakia
Haleš: Invasion of 1968 in Czechoslovakia

Jiří Haleš: Invasion of 1968 in Czechoslovakia, © veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung

The “Prague Spring” and the following invasion of Soviet, Polish, Bulgarian and Hungarian troops into Czechoslovakia on August 21st, 1968 have been perceived as crucial events – perhaps, in fact, the only widely familiar events – of Czech and Slovak history. Such prominence became possible and constantly perpetuated by the fact that the invasion had been recorded on hundreds of photographs. These images, produced by Czech, Slovak and foreign photographers, both professionals and amateurs, were published in contemporary newspapers and have been re-used in anniversary publications, history textbooks, photograph collections, blogs, exhibitions etc.

Surprisingly, however, they have not yet been analysed in any systematic way. Even in book publications explicitly dedicated to the art of photography and possibly the work of a single photographer, the photographs remain merely illustrations of historic events. They are not acknowledged and interpreted as historical sources of their own right. The photographs, however, both published and hid away in archives, can be seen as complex representations of a state of shifting power. They display the situation as characterized by suppression, desperation and sheer violence, but also of communication, new possibilities and even pride and joy. The aesthetics are intense, but also playful, as they employ symbols of the past, ironic quotations and appeals to humanism. The original language of these images was very flexible and diverse; power appears as an open and contested concept. Only later, in the course of globalization and sometimes iconization of the pictures and with the doubtful privilege of hindsight, the corpus of photographs of the invasion developed into an unambiguous testimony of rigorous suppression.

The project aims in a first step to analyse the photographs and the visual grammar they use – recurring or rather unique symbols, motifs, dynamics and contrasts – and to ask in what ways they represent the brief but intense situation of late August 1968. In a second step, the contexts of publication, perpetuation, remembrance or forgetting need to be investigated in order to learn about the means and strategies employed to construct a tradition of “August 1968”.

Hosch: 1968

Heinz Hosch: 1968, Privatarchiv, veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Rainer Hosch

Haleš: Invasion of 1968 in Czechoslovakia

Jiří Haleš: Invasion of 1968 in Czechoslovakia, © veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung

Quelle: https://www.visual-history.de/2015/04/21/picturing-power-photographs-of-the-invasion-of-1968-in-czechoslovakia/

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