MOOC on Digital Art & Culture

An Open Online Course about identification, documentation and conservatory understanding of digital art and culture

June 4th to  October 19th 2014

The BUA-MOOC on Digital Art and Culture provides insight into the digital net culture, the aspects of its historical development and its current challenges. MOOC means Massive Open Online Course and is a public learning format, which is accessible via internet for free to whom it may concern.

The BUA-MOOC on Digital Art and Culture shows where Digital Art and Culture can be found on the net and how it actually looks like. It explains how “digital culture” (as art) can be read and learnt and how this engagement in artistic works and interventions help us understand contemporary art.

Theoretical inputs and fundamental techniques like identification and documentation, as well as, applied approaches to preservation will be presented. The MOOC illustrates the important stages in the digital lifecycle, production, reception and preservation, clearly showing how, where and with whom the introduced issues are debated.

The BUA-MOOC is divided into three thematic sections

Finding & Identifying artistic & cultural activities on the Internet.

  • Identifying places on the internet where digital culture can be found
  • Learning how to qualify relevance and understanding the basic structure of digital curation & preservation lifecycles
  • Learning from examples and case studies of others

Reading & Documenting artistic & cultural activities of digital art and culture.

  • Reading technologies – approaching to web-based content from the users side
  • Identification tools and technologies
  • Describing and documenting experiences in a clearly structured and reproducible way

Living & Understanding artistic & cultural activities.

  • Database based artworks / Artistic Examples
  • Maintaining and safe-guarding of complex digital objects
  • Databases to store knowledge on cultural heritage objects

The MOOC shows the state of the art and presents different perspectives, techniques and level of depths. Apart from general reference materials and an overview of information portals, journals and platforms, individual exercises are available to revise your daily work practices. Helpful tools and standards e.g. CIRDOC CRM are introduced.

Course Structure

The MOOC is open from June 4th to October 19th 2014. During the course case studies and other research activities can be presented. Collaboration in smaller learning groups is intended.

Webinars: We will start with a series of 3 live online seminars (webinars) (90-min). The three online seminars (webinars) introduce the three thematic sections with the use of input presentations. Subsequent to the presentations a moderated discussion takes place, where the questions posted by the audience over the virtual seminar chat room, are addressed and discussed.

Date: June 4th, 5th and 6th 2014 each at 04:30 pm

Access: online https://collab.switch.ch/bua_mooc/.

Technical requirements: Web browser and Internet connection, speakers/headphones.

No pre-registration necessary.

When entering the room you will be asked to provide your name.

Online Videos

The contents of the webinars are extracted and bundled into short video sequences and then each set of extract made available successively. The contents are linked to youtube and the MOOC website: http://mooc.pdach.ch/index.php/Moocvideos.

Advanced online course

After the webinars an e-learning platform gives you the opportunity to enhance the acquired knowledge. For this purpose the e-learning platform provides comprehensive references, which are regularly updated and amended during the MOOCs.

Instructions for the Login

Target Audience

The MOOC is aimed at anyone involved in the fields of culture and/or media, whereby the focus is clearly set on rather classical art works. The core aim is to address questions on conservation.

Condition of participation

Access is free of charge, no previous knowledge required. It is solely your decision when and what you look up online and how actively you want take part.

Course registration and enrolment is now open. Enrolled users will receive timely reminders on webinars and will be updated and informed of any alterations.

Additional Information

Courses are held in English.

Announcement_engl

http://mooc.pdach.ch

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3504

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Friendly fire

In der Schlacht bei Mergentheim am 5. Mai 1645 wurde nicht nur mit großer Erbitterung gekämpft. Vielmehr ging es dabei derart unübersichtlich zu, „daß sogar Eurer Churfürstlichen Durchlaucht aigne reichsvölckher 2 compagnien von den ihrigen heftig chargiert unnd ihnen zimblich schaden gethann, ehe sie gewust, daß solliche von ihren eignen völckhern“ (Bericht an Kurfürst Maximilian vom 8.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 358).

Derartige Episoden kommen offenbar immer wieder im Krieg vor, damals wie heute. Heute wird vielfach als „friendly fire“ bezeichnet, wenn durch Distanzwaffen auch eigene Truppen in Mitleidenschaft geraten. Die Szene hier war jedoch eine andere, denn hier waren Söldner im direkten Nahkampf aneinander geraten, ohne daß ihnen sofort bewußt wurde, daß sie doch für dieselbe Sache kämpften. Ein solches Mißverständnis war natürlich fatal, doch die Möglichkeit dazu war in den Schlachten des frühen 17. Jahrhunderts stets gegeben. Denn es gab keine Uniformierung, die eine eindeutige Unterscheidung zwischen den streitenden Parteien unmittelbar und eindeutig erlaubt hätte; erst mit der Etablierung stehender Heere setzte sich auch eine uniforme Ausstattung und Einkleidung der Truppen durch.

Sicher gab es Vorformen von Uniformen und das Bemühen, zumindest für einzelne Einheiten eine einheitliche Ausrüstung vorzugeben; die schwedischen blauen und gelben Regimenter lassen sich hier anführen. Auf kaiserlicher Seite war die rote Farbe ein beliebtes Erkennungsmerkmal; besonders eine rotgefärbte Schärpe, oftmals auch über dem Harnisch getragen, sollte die Identifizierung erleichtern. Auch den berühmten Zweig am Hut, wie man ihn vor dem Kampf verabredete, gab es nicht nur in Shakespeares Macbeth, sondern auch in den Schlachten des Dreißigjährigen Kriegs. Ansonsten sorgte der feste Platz in der Schlachtordnung eines Regiments dafür, daß jeder erkennen konnte, auf welcher Seite man kämpfte; auch das Feldzeichen oder die Regimentsfahne sorgten für Orientierung. Schwierig wurde es, wenn sich im Zuge einer längerdauernden Schlacht Kampfformationen auflösten. Auch der Pulverdampf von nur wenigen Musketensalven und der Feldartillerie wird das Schlachtfeld buchstäblich vernebelt haben. Wenn dazu noch der Staub auf dem Schlachtfeld durch die Kavallerie und die marschierenden Fußsoldaten aufgewirbelt wurde, kann man sich vorstellen, wie gering die Sicht auf das Geschehen insgesamt war – und wie groß die Gefahr, in dieser Unübersichtlichkeit die eigenen Kameraden anzugreifen.

Man kann davon ausgehen, daß solche Situationen häufiger vorkamen. Allerdings sind mir diesbezügliche Berichte fast gar nicht bekannt; wahrscheinlich hat man über solche Vorkommnisse nicht viel Aufhebens gemacht: Das kam halt vor, war kaum zu vermeiden und schon gar nicht rückgängig zu machen. Daß hier doch einmal eine solche Szene erwähnt wurde, hing mit Vorwürfen zusammen, die französischerseits erhoben wurden: Angeblich hätten die bayerischen Truppen viele französische Söldner massakriert – Vorwürfe, die auch noch Wochen und Monate später in den Korrespondenzen weitergetragen wurden (deswegen auch hier noch im August, also drei Monate später, der Rekurs auf diese Schlacht). Die bayerische Seite war eifrig bemüht, derartigen Anschuldigungen die Spitze zu nehmen. Dabei verwiesen die kurbayerischen Gesandten in Münster auch auf die Heftigkeit der Kämpfe, daß man mit „furie unnd calor“ gefochten habe (ebd.). Und in dem Kontext erschien der Hinweis ganz passend, daß die bayerischen Kriegsknechte sogar aufeinander losgegangen wären.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/447

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»Ich erinnere mich gerade nicht, wann das letzte mal jemand von einer Software erschossen wurde. Benötigt man neuerdings für den Kauf von Software einen Softwareschein?«

http://spon.de/aeezW Man sehe mir die für diesen Blog ungewohnt deutlichen Worte nach! Aber wo soll dieser Irrsinn denn noch hinführen. Der Besitz einer legal erwerbbaren Software, die auch nicht unter das Kriegswaffengesetz fällt (wir erinnern uns an unser allseits beliebtes PGP, das in den 90ern aus den USA noch in Buchform exportiert werden musste[1]) führt […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/05/5122/

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Beziehungsspiele: Universität, Wissenschaft und Journalismus

Werkstattgespräch des Bayerischen Forschungsverbundes ForChange,
10. April 2014, Universität München, Kleine Aula, Moderation: Katharina Fuhrin

Nach etwa einer Stunde hat Harald Lesch einen Vorschlag: eine Wissenschaft, die anders funktioniert als die Gesellschaft, die sie finanziert. Ein wissenschaftliches System, das sich dem politischen Druck entzieht. Eine LMU, die einfach nicht an Exzellenzinitiativen teilnimmt, sondern mit Augsburg, Passau, Regensburg Projekte macht. Mit all den kleinen Universitäten rundherum. Wir sind schon Rolls-Royce. Wir haben es gar nicht nötig, uns an solchen Wettbewerben zu beteiligen. Solidarität statt Konzentration und spätkapitalistische Ökonomisierung.

beziehungsspiele

Harald Lesch hat ein Faible für starke Bilder, für Gedankenspiele, für Pointen. Er habe nie für möglich gehalten, dass es an der Universität eines Tages nur noch um „Schotter“ gehen werde. „Ich mache Physik für 30 Millionen. Was machen Sie?“ Wissenschaft sei zur Akquise verkommen. Was man auch tue: Hauptsache eine große Summe. Er, Harald Lesch, Professor in München seit 20 Jahren und Aushängeschild der Wissenschaftssendungen im ZDF, wundere sich, dass sein Präsident nicht längst abends im Büro erscheint und sagt: „Herr Lesch, ich bin enttäuscht von Ihnen!“

Um Universität und Journalismus geht es an diesem Abend in der Kleinen LMU-Aula und damit auch um Resilienz: Was wird aus einer Wissenschaft, die sich an die Selektionslogik der Massenmedien anpasst? Die Präsenz in der Öffentlichkeit mit Leistung verwechselt? Matthias Kohring, Professor für Kommunikationswissenschaft in Mannheim, spricht in seiner Keynote von einer „fatalen“ Entwicklung. New Public Management heiße der Trend, der Universitäten zu Unternehmen werden lasse und öffentliche Legitimation erfordere. Früher habe man sich nur gegenüber dem Wissenschaftsministerium verantworten müssen. Jetzt, ohne diesen „Puffer“, würden die „Stakeholder“ fragen: Gesellschaft, Industrie und Geldgeber, Studierende und Eltern. Antwort eins: Indikatoren erfinden, die von Leistung zeugen. Impact, Drittmittel, Rankings. Antwort zwei: Sichtbarkeit erzeugen. Tag der offenen Tür, Nacht der Wissenschaft, Professoren in der Presse.

Matthias Kohring sagt, dass so etwas inzwischen in Zielvereinbarungen stehe zwischen Hochschulleitungen und frisch Berufenen. Sichtbarkeit als Indikator für Relevanz. In einer großen Studie haben Kohring und sein Kollege Frank Marcinkowski (Münster) die Spitzen der deutschen Universitäten gefragt, wie wichtig ihnen eine gute Presse sei. 8,3 auf einer Skala von null (völlig egal) bis zehn. Noch höher war der Wert, als es um den Zwang zur öffentlichen Profilierung ging (8,5). Massenmedien funktionieren anders als Wissenschaft, sagt Kohring. Was dort erscheint, muss einfach sein und leicht verständlich. Die Folgen: andere Themen und andere Qualitätskriterien, Entsolidarisierung und falsche Erwartungen, vor allem in Sachen Verwertbarkeit. Matthias Kohring bezweifelt, dass sich „die Menschen da draußen“ für „vorgeführte Schaukämpfe“ aus der Wissenschaft interessieren. „Wofür tun wir es dann?“

Patrick Illinger, Leiter des Wissens-Ressorts bei der Süddeutschen Zeitung, weiß, wofür sich niemand interessiert: Wissenschaftspolitik. Bewilligungen, Evaluierungen, Personal. All das, was die Professoren in ihrem Alltag am meisten umtreibt. Illinger beklagt, dass ihm Forscher fast nie erzählen, was sie in den letzten Monaten Spannendes entdeckt haben. Immer nur das eine. Falls jemand mit seinem Thema in die Süddeutsche will: Patrick Illinger hat ein einfaches Kriterium. Was würde er seinen Freunden erzählen, abends beim Bier? Illinger kritisiert die eigene Zunft ein bisschen (zu wenig investigativ, noch zu wenig journalistisch) und lobt die Wissenschaft. Vorbei sei die Zeit der Universitätspostillen, die auf acht Seiten siebenmal den Rektor hatten. Vorbei auch die Zeit der Institutsdirektoren, die Reportern Hausverbot erteilten, auch wenn sich manche Forscher immer noch um ihr Image sorgen würden, wenn Zeitung oder Fernsehen anrufen.

Luise Dirscherl leitet an der LMU die Stabsstelle Kommunikation & Presse und bezweifelt, dass die Themen Wissenschaft und Wissen in den Medien boomen. Ihre These: immer größere Konkurrenz (Universitäten, Netzwerke, Forschungsverbünde) um immer weniger Abdruckplätze. Völlig verschwunden sei die kleine Meldung über eine Entdeckung hier und eine dort. Stattdessen gehe es eher um größere Zusammenhänge, um Politiknähe. Es ist gerade drei Tage her, dass Annette Schavan ihren Rückzug aus dem Hochschulrat der Universität angekündigt hat. Schlechte Presse inklusive. Luise Dirscherl beschreibt, was sich in den zehn Jahren ihrer Amtszeit verändert hat: gezielte Pressemitteilungen und viel mehr eigene Berichterstattung. Ein Forschungsmagazin zum Beispiel, das von Martin Thurau gestaltet werde, einst Wissenschaftsjournalist bei der Süddeutschen Zeitung. Während dort früher Professoren für Professoren geschrieben hätten und Medienauftritte überhaupt argwöhnisch beobachtet worden seien, gehöre es heute zum Selbstverständnis der meisten Wissenschaftler, auch Kommunikator zu sein. Manchmal fehle es noch am Verständnis für die Medienlogik, aber dafür sei eine Pressestelle schließlich da.

Harald Lesch braucht diese Hilfe nicht. „Ich mache das, weil es mir Spaß macht.“ Über die Wünsche der Öffentlichkeit habe er nicht groß nachgedacht. Umso mehr offenbar über das, was mit der Universität passiert. Lesch kritisiert die Jagd nach Schlagzeilen als ein Ausweichmanöver, das sich ganz gut mit dem Begriff Resilienz beschreiben lasse. Der Leistungsdruck und die Drohung Mittelentzug würden von den Kollegen schließlich verlangen, Aufmerksamkeit zu ergattern. Sich selbst sieht Lesch als „Sänger“ und Öffentlichkeitsarbeiter. Er habe aufgehört, Anträge zu stellen und Gutachten zu schreiben, als er zum Fernsehen gegangen sei. „Totale Einflusslosigkeit“ in seinem Bereich: das sei der Preis gewesen. Vielleicht kann er deshalb an diesem Abend auch zum Mahner in Sachen Resilienz des Wissenschaftssystems werden. Das Ausweichen in die Medien sein ein „Fluchtreflex“, und ein Professor, der aus Sorge um Drittmittelanträge darauf verzichte, ein öffentlicher Intellektueller zu sein, habe seinen Beruf verfehlt. Natürlich hat Lesch auch für seine Kollegen eine schöne Metapher: Dackel, die einem Zipfel Wurst hinterher hecheln. „Der schlaue Hund bleibt sitzen, weil er weiß: Die Wurst kommt irgendwann wieder.“

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/16

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App zu Ludwig dem Bayern in München


Studierende des Historischen Seminars der LMU München wecken die Erinnerung an den bayerischen Kaiser. Ein Münchner als König und Kaiser

Beispielbild aus der App

Ein Beispielbild aus der App: Wappenschild im Alten Rathaus.
(© Münchner Stadtmuseum)

Ludwig IV. (1314–1347), genannt der Bayer – deutscher König, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Münchner. Der schillernde und hoch umstrittene Herrscher hinterließ in dieser Stadt zahlreiche Spuren in Bau- und Kunstwerken. Viele davon sind noch heute im Stadtbild sichtbar und mit Hilfe einer kostenlosen App nun erlebbar: Die App http://www.kaiser-ludwig-in-muenchen.de/ verbindet die wichtigsten Erinnerungsorte zu einem digitalen Stadtrundgang, der zur Besichtigung vor Ort einlädt. Dabei werden wesentliche Ereignisse, aber auch vielfältige Aspekte der Persönlichkeit Ludwigs des Bayern durch kurze Erläuterungen und historische Aufnahmen und Bilder veranschaulicht.

Erarbeitet wurde diese App von Studierenden des Historischen Seminars der LMU München im Rahmen einer Lehrveranstaltung im Wintersemester 2013/14, unter der Leitung von Dr. Hubertus Seibert. Das Bildmaterial stellten verschiedene Museen, Archive und Bibliotheken der Stadt zur Verfügung. Das Historische Seminar förderte die Realisierung dieses innovativen Vorhabens finanziell.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/3757

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Zur Kennzeichnungspflicht von PolizistInnen

Aus aktuellem, gleichermaßen traurigen und zornerregendem Anlass - die Wiener Polizei misshandelte letzten Samstag Personen, die gegen eine Nazidemo protestierten, woraufhin eine Schwangere ihr Kind verlor [Edit: letztere, u.a. in Printmedien veröffentlichte Information scheint unrichtig zu sein, was aber an der grundsätzlichen Problematik nichts ändert] - veröffentliche ich hier meinen zuletzt im Augustin erschienenen Artikel, aus dem hervorgeht, dass die um 1770 in Wien tätigen PolitikerInnen weiter waren als die heutige Innenministerin:

"Wer geschlagen hat, ist unklar geblieben."
Kleine Geschichte der Nummerierung von Polizist_innen und Gefangenen


Die Debatte um die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizist_innen, sei es mittels Namensschilder, Kenntlichmachung der Dienstnummer oder Anbringen einer für die Dauer eines Einsatzes vergebenen temporären Nummer, ist insbesondere in manchen deutschen Bundesländern bis heute aktuell. Welche Folgen eine mangelnde Kennzeichnung haben kann, berichtete die "tageszeitung" im April 2013 von einem in Berlin abgehaltenen Gerichtsprozess: Zwei Jahre zuvor, im Zuge der alljährlichen Demonstration zum 1. Mai, hatten in der deutschen Hauptstadt uniformierte Polizisten Kollegen in Zivil verprügelt; einer der Zivilpolizisten verklagte darauf die Uniformträger, doch wurden diese freigesprochen, weil sie gemäß Einschätzung des Gerichts nicht eindeutig zu identifizieren waren. "Der Vorfall liegt zwei Jahre zurück, aber die Zivilpolizisten sind immer noch spürbar empört. Allein, für eine Verurteilung reicht es nicht. Richterin Andrea Wilms sagt, sie habe keinen Zweifel daran, dass die richtige Einheit identifiziert wurde. Aber wer geschlagen hat -der zweite, dritte, oder vierte Beamte der Reihe -, das ist unklar geblieben." (taz, 9.4.2013)

Im Falle unbilliger Beleidigung

Nur wenigen ist bekannt, dass Maßnahmen zur Verhinderung von derlei Polizeiübergriffen schon im Wien des 18. Jahrhunderts eingeführt wurden. So registrierte der Aufklärer Friedrich Nicolai, als er 1781 die habsburgische Metropole bereiste, unter anderem die circa 300 Polizisten ("Polizeisoldaten"): "Jeder hat eine andere Nummer an dem Hute, damit er, wenn er sich etwa vergehen sollte, kann erkannt und verklagt werden." Der Schriftsteller Johann Pezzl korrigierte ihn darauf ein paar Jahre später, dass nicht die Hüte der Polizeisoldaten, sondern "deren Patrontaschen numeriert sind, damit man sie bei ihrer Stelle verklagen könne, wofern man unbilligerweise von ihnen beleidigt würde." Tatsächlich war diese Nummerierung in Wien bereits per Patent vom 2. März 1776 eingeführt worden: "Die ganze Wachmannschaft [sollte] auf ihren Patrontaschen, die sie darum in Dienstverrichtungen beständig umhaben müssen, mit ausnehmbaren messingenen Nummern unterschieden" werden, was explizit darum geschah, "damit das Beschwerdeführen vielleicht dadurch, weil der Mann von der Wache dem Beleidigten unbekannt wäre, nicht erschwert, oder unmöglich gemacht werde" und "daß dergestalt genug sein wird, anzuzeigen, man sei von dem sovielten Numero beleidiget worden."

Es war kein Zufall, dass gerade im 18. Jahrhundert ein solches Mittel eingesetzt wurde, um die zur Kontrolle der Bevölkerung eingesetzten Polizisten selbst zu kontrollieren: Die Behörden und Gelehrten dieses von Ordnung und Klassifikation so faszinierten Jahrhunderts waren geradezu besessen von der Kulturtechnik der Nummerierung. So selbstverständlich erscheint uns letztere, dass oft gar nicht in den Blick kommt, dass es sich dabei um eine Technik handelt, die erst einmal angewandt und durchgesetzt werden musste. Die Nummern sollten der Identifizierung und Verwaltung der von ihnen bezeichneten Objekte und Personen dienen, Häuser, Spitalsbetten, Fiaker, Kunstgegenstände, Regimenter, Laternen und selbst Töne wurden nummeriert, wenn sich auch im letzteren Fall derlei Ziffernnotationen nicht durchsetzen konnten.

Von der Haftnummer zum Modelabel

Auch manchen Menschen wurden Nummern zu deren besseren Kontrolle verpasst, den französischen Straßenhändler_ innen genauso wie den Lastträger_innen in den Häfen, in Wien wiederum wurden spätestens ab 1773 die Postbot_innen der sogenannten "Kleinen Post" - der Stadtpost -nummeriert. Dass kurz darauf auch die Polizisten auf diese Weise identifiziert wurden, mag mit dem aufgeklärt-etatistischen Klima der "Ersten Wiener Moderne" zusammenhängen, das vor Kritik an Amtsträger_innen nicht Halt machte; dazu kam noch, dass die obendrein sehr schlecht bezahlten Angehörigen der verschiedenen Wiener Sicherheitsorgane als besonders verrufen galten und wiederholt Anlass zur Klage boten.

Als Pendant zu den Nummern der Polizist_innen können die an Gefangenen vergebenen Sträflingsnummern betrachtet werden; Victor Hugo drohte zum Beispiel 1851 im Zuge der Proteste gegen den Staatsstreich des Louis Bonaparte einem gegnerischen General, der nicht bereit war, seinen Namen preiszugeben, mit den Worten: "Gleichviel, Ihren Namen als General brauche ich nicht zu wissen, aber ich werde Ihre Nummer als Sträfling wissen."

Eine verblüffende Wandlung sollte die Gefangenennummer des jüngst verstorbenen Nelson Mandela erfahren: Dieser stellte seine auf der Gefängnisinsel Robben Island zugewiesene Sträflingsnummer 46664 der wohltätigen, unter anderem gegen die Verbreitung von Aids kämpfenden "Nelson Mandela Foundation" zur Verfügung; diese wiederum vergab eine Lizenz zu deren Verwendung an das südafrikanische Unternehmen "Seardel", das die Nummer daraufhin zur Bezeichnung einer Modelinie - 466/64 - verwendete; womit der wohl nicht allzu häufige Fall eintrat, dass eine Gefangenennummer zu einem Markennamen wurde.

Zuerst veröffentlicht im Augustin, Nr. 363, 19.3.2014, S. 14.

Der Gesetzestext von 1776 ist übrigens hier nachzulesen: http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=tgb&datum=1780&page=632&size=45

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/876868336/

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Knisternde Clouds aus Papiertischdecken und debattierende Tischkarusselle


Eine Reportage über das erste WeberWorldCafé

Von Helena Kaschel und Luisa Pischtschan
Fotos: Ann-Kathrin Sass

Im Bunker-Chic des Pantheon Casinos in Bonn ist das Licht gedämpft. Gläser klirren, Namensschilder werden angebracht, Neugier liegt in der Luft. Deutsche und englische Satzfetzen dringen durch das Stimmengewirr, im Hintergrund knistern weiße Papiertischdecken. Dann ein Gong, das Zeichen für die etwa 50 Teilnehmenden, ihre Tische zu verlassen und an einen weiteren zu wechseln. Wenige Minuten später haben alle einen neuen Sitzplatz gefunden. Die nächste Runde beginnt.

Mit dem WeberWorldCafé, das eine Workshopmethode zweier US-Unternehmensberater zum Vorbild hat, führt die Max Weber Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Forum Transregionale Studien ein neues Format in die Reihe ihrer Veranstaltungen ein. Diese Form der Wissenschaftskommunikation soll laut ihren Prinzipien allen Teilnehmenden einen Gesprächsraum eröffnen und zugleich den kreativen Austausch fördern, was an den Habermas‘schen Diskursbegriff erinnert. „Es geht darum, einen hierarchiefreien Diskurs zu schaffen, in dem die Erfahrungen, Kenntnisse und Meinungen aller Beteiligten relevant sind”, sagt Gesche Schifferdecker, die das erste WeberWorldCafé organisiert hat.


Gesche Schifferdecker zum Konzept des WWC

Zweimal im Jahr soll dieses Event nun stattfinden, abwechselnd in Berlin und Bonn. Das erste WeberWorldCafé trägt den Titel „Bürger, Blogger, Botschafter: Diplomatie im 21. Jahrhundert“. Ein ambitioniertes, höchst aktuelles Thema, das binnen eines Abends diskutiert werden will. DSC_0219Hinter der Idee steckt ein straffer Zeitplan: Insgesamt debattieren neun ExpertInnen aus Wissenschaft, Politik und Medien an neun Tischen mit interessierten TeilnehmerInnen auf Augenhöhe über verschiedene Aspekte der Diplomatie im digitalen Zeitalter. In vier aufeinander folgenden Gesprächsrunden zu je 20 Minuten werden an verschiedenen Tischen Gedanken und Ergebnisse auf Tischdecken festgehalten. Besonders lohnend am Konzept des WorldCafés ist die Interaktion zwischen allen Beteiligten: Die TeilnehmerInnen sind sowohl Gäste als auch Gestalter der Veranstaltung. So entsteht ein transsektoraler Dialog, bei dem Laien von Expertenwissen der TischgastgeberInnen profitieren, und diese lernen wiederum, ihre Thesen außerhalb der Fachwelt zu kommunizieren.

Da diese Art von Wissenschaftskommunikation vielen der Beteiligten neu ist, weiß niemand so richtig, was ihn oder sie erwartet. So ist speziell in der ersten Runde zu beobachten, wie gespannte Gesichter die Kommentare des Sitznachbarn oder Gegenübers verfolgen und alle Beiträge von konzentrierten Blicken aufgenommen werden. Jeder Experte und jede Expertin gestaltet die Einleitung in das 20-minütige Gespräch anders. Matthias Uhl etwa, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Moskau, markiert den Beginn der Diskussionen mit einer knappen Vorstellungsrunde aller Gäste an seinem Tisch. Hier sind die Papiertischdecken auch schon mit schwarzer und grüner Farbe beschrieben. „Propaganda”, steht auf der einen, „Diplomatie” auf der anderen Seite, verschiedene andere Worten werden sich im Laufe der Veranstaltung noch dazu gesellen.

Am Tisch von Carola Richter geht es um die Rolle sozialer Medien in politischen Diskursen, insbesondere in autoritären Staaten. Die Politikwissenschaftlerin von der FU Berlin warnt davor, den Einfluss sozialer Netzwerke auf reale politische Machtstrukturen zu überschätzen. Schnell entwickelt sich ein Gespräch über die Frage, welche Risiken mit einer zunehmenden Verlagerung politischer Diskurse ins Internet verbunden sind – und wie realistisch solche Online-Aktivitäten eine komplexe Gesellschaft mit vielfältigen Meinungen abbilden. Theoretisch habe jede Person mit Internetanschluss Zugang zu sozialen Netzwerken, meint Carola Richter. Praktisch seien trotzdem nur bestimmte Teilgruppen dort vertreten, zum Beispiel junge, urbane Menschen. Am Tisch sitzt eine ukrainische Studentin, die einen Blog über die aktuellen politischen Entwicklungen in Ihrer Heimat schreibt. Das Interesse an den Erfahrungen der jungen Frau ist bei allen TeilnehmerInnen groß, auch bei Carola Richter. Plötzlich wird die Bloggerin zur Expertin und die eigentliche Expertin zur interessierten Teilnehmerin. So einen Rollentausch wird man an diesem Abend noch häufig beobachten.

 Carola Richter über ihre Ausgangsthese

Tobias Bürger startet seine erste WeberWorldCafé-Runde mit einem Brainstorming aller Beteiligten am Tisch. Der Promovent forscht derzeit für seine Dissertation zum Thema Stiftungen und soziale Netzwerke an der Northumbria University in Newcastle. Während der vier Runden an seinem Tisch steht besonders die Verselbstständigung der Öffentlichkeit im Vordergrund: Einerseits kann dadurch eine schnelle Themenfindung gewährleistet werden, zum anderen muss aber auch durch die zeitliche Komponente, die eine Herausforderung besonders für die klassische Diplomatie darstellt, eine schnellere Koordination sichergestellt werden. „Zukünftig werden wir vermutlich mehrere Ebenen der Öffentlichkeit in den diplomatischen Beziehungen haben, die bedient werden müssen. Denn neben der klassischen Diplomatie werden durch die sozialen Netzwerke viele Informationen verbreitet, die die BürgerInnen nicht veritabel einschätzen können”, so Bürger. An dieser Stelle sei es für Länder und Institutionen und ihre jeweiligen diplomatischen Akteure notwendig, konkrete Hinweise für Interpretationen zu geben – insbesondere in der digitalen Welt.

Die folgenden Gesprächsrunden motivieren zum Denken: Wenn man gerade nicht diskutiert, lehnt man sich zurück, hört zu, beobachtet und schreibt mit. Gleichzeitig hört man das Rauschen der Gespräche im Raum. Durch den Austausch der eigenen Eindrücke mit denen der Mitmenschen am Tisch wird ein konzentrierter Kommunikationsraum geschaffen. Dabei stehen während des WeberWorldCafés bisweilen auch gegenwärtige Vorgänge, etwa in der Ukraine oder der Türkei, im Vordergrund – und es wird überlegt, wie wir aus außenpolitischer oder zivilgesellschaftlicher Sicht damit umgehen können. Die verschiedenen politischen Ansichten wurden allerdings manchmal Gegenstand der Diskussionen an den Tischen, was zum Teil vom thematischen Kern des World Cafés ablenkte. Für diesen Fall wäre es überlegenswert, neben den ExpertInnen eine weitere Person für die Moderation der Tische zu engagieren, wenngleich politische Diskussionen in diesem Zusammenhang unvermeidbar und auch gewinnbringend sein können. Auch wenn keiner der TischgastgeberInnen – unter anderem aufgrund der unklaren Informations- als auch Datenlage in diesen komplexen Konflikten – eine abschließende Bewertung vornehmen möchte, fühlen sich doch die meisten Gäste umfangreich informiert. Teilnehmerin Sara Motalebi, die derzeit ein Masterstudium bei der Deutschen Welle absolviert, gefällt besonders die Dynamik der Veranstaltung. „Die face-to-face Kommunikation und die beständige Bewegung zwischen den Runden hat mir gefallen. Diplomatie beinhaltet so viel mehr als einen Staatsbesuch”, so die 31-Jährige. Für alle Fragen, die offen geblieben sind, gilt schlussendlich der von Tischgastgeber Mohamed Elshahed geprägte Satz: „Get on the Internet and get on the information!”

DSC01621Am Ende des ersten WeberWorldCafés werden die neun einzelnen Tischdecken zu einer „Deckencloud” auf der Bühne des Pantheon Casinos gemeinsam aufgehängt. Einige ExpertInnen werden in einer letzten kurzen Runde von den ModeratorInnen befragt, welche Aspekte an ihren Tischen besonders diskutiert wurden. Durch die knapp gehaltenen Statements konnte leider kein präzises Abbild über die einzelnen Diskussionsaspekte des World Cafés entstehen – die Deckencloud wäre in diesem Fall ein idealer Anschlusspunkt gewesen, um eine gemeinsame Diskussionsrunde mit einigen ExpertInnen und Teilnehmenden zu initiieren und einen Überblick über einzelne Perspektiven zu gewinnen.

Im September 2014 ist in Berlin das zweite WeberWorldCafé geplant. Es wird um transregionale Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg, Egodokumente und (europäische) Erinnerungskultur gehen. Um der beständigen Beschleunigung von Ereignissen und Informationsverbreitung, die auch im Digitalen stattfindet und die durchaus kritisch bewertet werden muss, entgegen zu wirken, eignet sich die Methode des World Cafés unserer Meinung nach besonders gut: Die Menschen agieren hier im persönlichen Dialog miteinander, profitieren vom Wissen und den Perspektiven der Anderen, woraus ein geschützter und zugleich offener Raum entsteht, in dem jede und jeder die Möglichkeit hat, an Diskursen aus Wissenschaft und politischer, kultureller sowie künstlerischer Praxis zu partizipieren.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/187

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Methodenworkshop: Bilder als wissenschaftliche Quelle

Erste Seite des Hochzeitsalbums einer jungen Frau aus Dakar, 2004

In vielen historischen, kultur-, medien- und politikwissenschaftlichen oder ethnologischen Forschungsprojekten besteht der Wunsch und nicht zuletzt auch die Notwendigkeit, neben schriftlichen Quellen auch Bilder als Quellen gewinnbringend in das Forschungsvorhaben einzubringen. Trotz der bereits erschienenen methodischen Hilfestellungen zeigt sich außerhalb der kunst- und bildwissenschaftlichen Praxis eine gewisse Unsicherheit.[1] Innerhalb der unterschiedlichen Forschungsvorhaben und den davon abhängigen, spezifischen Zugängen zu Bildquellen ist die Frage, welche Methoden und Analyseverfahren im Kontext der eigenen Fragestellungen eingesetzt werden können, nach wie vor präsent.

Von dieser Schwierigkeit im praktischen Umgang mit Bildern – seien es Gemälde, Grafiken, Fotografien, Comics, Logos oder Videobilder – ausgehend, entstand auf Initiative von Daniela Fleiß in Zusammenarbeit mit dem Doktorandenkolleg Locating Media im Rahmen der Nachwuchsförderung an der Philosophischen Fakultät der Universität Siegen die Idee eines Methodenworkshops, der sich konkret und praktisch mit Bildern als wissenschaftliche Quelle beschäftigen sollte. Ziel der eintägigen Veranstaltung, an der neben den Organisatorinnen und den eingeladenen ReferentInnen vorwiegend DoktorandInnen teilnahmen, war das Zusammentragen konkreter methodischer Lösungsansätze sowie die Reflexion bereits vorhandener Erkenntnisse im wissenschaftlichen Umgang mit Bildquellen.

In den einführenden Grußworten von ANGELA SCHWARZ (Siegen), Prodekanin für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs, GABRIELE SCHABACHER (Siegen), wissenschaftliche Koordinatorin des Graduiertenkollegs, und DANIELA FLEIß (Siegen), wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte, wurde nochmals die Notwendigkeit einer Diskussion über die zur Verfügung stehenden Methoden und deren Anwendung und Brauchbarkeit deutlich.

Die drei Impulsreferate, die den ersten Teil des Workshops gestalteten, stellten bereits erprobte Methoden vor und zur Diskussion. In Vertretung von JENS JÄGER (Köln), der persönlich nicht anwesend sein konnte, las Angela Schwarz dessen Vortrag Kein Bild ohne Kontext. Oder: Gibt es kontextunabhängige Bedeutungen? vor, in dem fotografische Bilder im Mittelpunkt standen. Sein Ausgangspunkt war es, auf Probleme, die sich bei der Arbeit mit fotografischen Quellen ergeben können, aufmerksam zu machen und konkrete Lösungsansätze vorzustellen. So besteht nach Jäger die Schwierigkeit weniger im Umgang mit sogenannten Ikonen, zu denen die wichtigsten Informationen vorliegen, als vielmehr im Umgang mit denjenigen Fotografien, deren Entstehungskontext und Rezeptionsbedingungen nicht bekannt sind. Für die Bearbeitung solcher Bildquellen schlug Jäger vor, sie als Teil des Narrativs zu untersuchen, in welches sie eingebunden sind. Auch wenn jegliche Informationen über den Bildträger hinaus verloren gegangen sind, so existiert doch das Bildobjekt selbst, das auf seine technische Herstellung und ästhetische Erscheinung hin befragt werden kann. Insbesondere letztere folgt Konventionen, die Aufschlüsse über die Entstehungszeit oder die Funktion des Bildes eröffnen können. Bereits diese Informationen lassen eine kritische Quellenanalyse zu. Dabei, so Jäger schließlich, dürften Bildquellen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen stets in Beziehung zu anderen Quellen – auch unterschiedlicher Art – gesetzt werden. Auf diese Weise verneinte er die eingangs gestellte Frage nach der Existenz einer kontextunabhängigen Bedeutung: Denn auch wenn über die Fotografien selbst keine konkreten Informationen vorliegen, so können über ihre Materialität und Erscheinung Rückschlüsse auf ihren Entstehungskontext gezogen werden. Auf diese Weise bleibt kaum eine Bildquelle kontextlos.

Daran schloss der Vortrag MARTIN KNAUERS (Münster) auch inhaltlich an, indem er exemplarisch an einem Bildtypus aufzeigte, wie der von Jäger angesprochene Kontext und dessen Erschließung rekonstruiert werden könne. Knauer spannte dabei den Bogen vom Herrscherbildnis über aktuelle politische Porträts hin zu einer besonderen Form des gegenwärtigen Selbstporträts: dem Selfie, das in jüngster Zeit über soziale Internetplattformen eine wachsende Verbreitung findet. Knauer führte vor Augen, wie sich dieses an die Darstellungskonventionen des traditionellen Bildtypus anlehnt. Als Beispiele dienten hier Herrscherbildnisse und aktuelle Pressebilder Putins, die ebenfalls durch das Zurückgreifen auf bereits bestehende Repräsentationstraditionen nicht zuletzt auch eine spezifische Rezeption auslösen. In allen drei Beispielen bestätigten sich formale Parallelen in der (Selbst-)Darstellung. Das Selfie gibt der Gattung Porträt eine neue Relevanz, die nicht zuletzt auch ein wissenschaftliches Potenzial bereithält. Doch wie kann methodisch mit diesen Bildern gearbeitet werden? Für eine erste Annäherung empfahl Knauer einen assoziativen Umgang, der schließlich um traditionelle Fragestellungen ergänzt werden müsse, um die Tradition, die Funktion und den Gebrauch dieser Bilder erschließen zu können.

Den Ausgangspunkt des dritten Vortrags von ANDREAS ZEISING (Siegen) bildete schließlich die Frage: Was macht die Kunstgeschichte mit Bildern? So verdeutlichte Zeising, dass sich die Kunstgeschichte zwar nicht nur mit Bildern beschäftige, der Umgang mit diesen jedoch eine Kernkompetenz des Fachs darstelle. Folglich würden sich auch die Methoden der bildwissenschaftlichen Anschauung aus der Kunstgeschichte heraus entwickeln, da auch Bilder außerhalb des klassischen Bereichs der Kunst auf ihre Bildlichkeit hin untersucht werden müssten. Hier lieferten die Methoden, die innerhalb der Kunstgeschichte entwickelt worden seien, ein wertvolles Instrumentarium, das von den Bildern aus denke und nach deren Funktionsweisen frage. Drei von Zeising abschließend vorgestellte Methoden – Rezeptionsästhetik, (politische) Ikonografie und Interpiktorialität – könnten sich schließlich auch für eine Bildanalyse außerhalb der kunsthistorischen Forschung eignen.

Richard Caton Woodville: Eine Warnung, in: Das Buch für alle, Jg. 33, Heft 19 (1897), S. 453.

Richard Caton Woodville, Eine Warnung, in: Das Buch für alle, Jg. 33, Heft 19 (1897), S. 453.
Aus dem Promotionsprojekt „The Gift of History: Geschichtspopularisierung transnational in britischen und deutschen Zeitschriften des 19. Jahrhunderts“ (Arbeitstitel)
von Tobias Scheidt, Universität Siegen

Der zweite Teil des Workshops diente dazu, in Kleingruppen methodische Schwierigkeiten an konkreten Einzelbeispielen zu diskutieren. Im Vorfeld waren die TeilnehmerInnen dazu aufgefordert worden, Bildbeispiele mitzubringen, um so die im jeweiligen Forschungsvorhaben auftretenden methodischen Schwierigkeiten zu veranschaulichen. In der gemeinsamen Gruppendiskussion wurde schließlich an potenziellen Lösungen gearbeitet. In der Gruppe, die von Martin Knauer angeleitet wurde, fanden sich die Projekte zusammen, die sich zeitlich vor 1900 orientieren. Dabei standen Druckgrafiken und Fotografien vom 16. bis zum frühen 20. Jahrhundert zur Diskussion. Thematisch reichte das Spektrum der zu behandelnden Bilder von Illustrationen in historischen Lehrbüchern und der illustrierten Presse bis hin zu kolonialen sowie wissenschaftlichen Fotografien und Ausstellungsaufnahmen. In der zweiten, von Andreas Zeising moderierten Gruppe, wurden Bildquellen aus dem 20. und 21. Jahrhundert präsentiert und besprochen. Diese stammen aus Forschungsprojekten zur Umweltbewegung, zur Selbstpräsentation von Militärfirmen, zu Medienpraktiken im Kontext der Migration, zum Kalten Krieg in Computerspielen, zur Fabrik als touristischer Ort um 1900 und zur Straße als Massenmedium.

Bei der Präsentation und Diskussion der Fallbeispiele kristallisierten sich trotz der Bandbreite an Themen und Quellen in beiden Gruppen ähnliche Fragen und Schwierigkeiten heraus. So wurde diskutiert, wie aus einem großen Bildkorpus eine repräsentative, aussagekräftige Auswahl an Einzelbildern getroffen werden kann, die sich für eine detaillierte Analyse eignet. Dabei wurde der Vorschlag eingebracht, den Korpus in verschiedene Kategorien, die abhängig vom jeweiligen Bildkorpus ggf. selbst generiert werden müssen, zu unterteilen, um festzustellen, wie repräsentativ ein Einzelbild für den gesamten Bildbestand ist. Schließlich könnten sowohl typische wie auch untypische Bilder zur genaueren Behandlung ausgewählt werden, um einen Gesamteindruck des Bestands zu garantieren. Dabei wurde eine Auswahl und Kombination möglichst verschiedener Bildmedien, sofern diese innerhalb eines Themas relevant sind, gutgeheißen.

Mehrfach kam darüber hinaus die Problematik zur Sprache, über nur wenige Zusatzinformationen zu den Bildern zu verfügen. Sowohl bei wissenschaftlichen Fotografien wie auch bei Kolonialaufnahmen sind Entstehungsbedingungen und Urheber der Aufnahmen häufig unbekannt. Hierbei stellten sich die Fragen, wie diese Bilder behandelt werden können und welche Informationen dennoch rekonstruierbar sind. Auch der Umgang mit filmischen Bildern sowie die Rolle und Bedeutung eines Filmstills in der Analyse der narrativen Struktur wurden diskutiert. In den einzelnen Diskussionen wurden dabei die in den Impulsreferaten vorgeschlagenen Methoden und Lösungsansätze nochmals aufgegriffen. Die von Jäger betonte Notwendigkeit, stets den Kontext mitzudenken, in dem die Bilder eingebettet sind und der sich in zeitgenössischen Bildwelten, Bildpräsenzen und Bildpraktiken äußert, wurde bekräftigt. Auch die von Zeising vorgestellten Methoden erwiesen sich als hilfreich.

Erste Seite des Hochzeitsalbums einer jungen Frau aus Dakar, 2004

Erste Seite des Hochzeitsalbums einer jungen Frau aus Dakar, 2004.
Aus dem Promotionsprojekt „Medien, Geschlecht und Generationen: translokale Vernetzungen und mediale Räume von Senegales_innen in Berlin und Dakar“ von Simone Pfeiffer, Universität Siegen

Nach der Gruppenarbeit kamen abschließend nochmals alle TeilnehmerInnen zusammen, um die Ergebnisse der Gruppendiskussionen zu präsentieren. Insgesamt stellte sich heraus, dass für die Arbeit an und mit Bildern kein Patentrezept geschrieben werden kann. Abhängig von der Fragestellung nehmen Bilder als Quelle unterschiedliche Relevanzen ein und verlangen je nach Disziplin, Quantität und Qualität individuelle Methoden. So können nicht nur bereits existierende Herangehensweisen helfen, sondern Untersuchungsmöglichkeiten müssen oftmals gänzlich neu gedacht werden. Darin liegt zum einen eine Schwierigkeit, zum anderen aber auch ein Gewinn für die historische Bildforschung.

Als Fazit wurde empfohlen, die Bilder in ihrer Materialität und historischen Dimension zu behandeln sowie stets deren Herstellungs- und Verbreitungsbedingungen zu berücksichtigen. Erst in dieser Kombination kann eine dem Bild gerechte und für das Forschungsvorhaben gewinnbringende Analyse erfolgen. Auch die Kombination mit anderen Quellen wurde nochmals betont, in deren Verbund das Bild zwar eine eigene, jedoch nicht isolierte Rolle einnehmen müsse. Abschließend wurde dazu ermutigt, ergebnisoffen an Bilder heranzutreten und nicht eine ungeprüfte These auf das Bild anzuwenden, wodurch andere Deutungsmöglichkeiten von vornherein ausgeschlossen würden.

Insgesamt kann auf einen sowohl in seinem Format, seiner Struktur wie auch seiner inhaltlichen Diskussion sehr gelungenen Workshop zurückgeblickt werden. Die große Bandbreite an fachlichen Disziplinen, unterschiedlichsten Bildtypen und Forschungsthemen bestätigte, welch hoher Stellenwert dem Bild als wissenschaftlicher Quelle zugeschrieben werden muss und dass die Etablierung eines sicheren und selbstverständlichen Umgangs mit diesen ein wichtiges Vorhaben ist.

 

[1] Zur Einführung in die historische Bildforschung siehe u.a.: Martina Heßler, Konstruierte Sichtbarkeiten. Wissenschafts- und Technikbilder seit der frühen Neuzeit, München 2006; Jens Jäger, Photographie. Bilder der Neuzeit. Einführung in die historische Bildforschung, Tübingen 2000; Jens Jäger, Fotografie und Geschichte, Frankfurt a.M. 2009; Gerhard Paul, BilderMACHT. Studien zur „Visual History“ des 20. und 21. Jahrhunderts, Göttingen 2013; Gerhard Paul (Hrsg.), Visual History. Ein Studienbuch, Göttingen 2006.

 

Siehe auch den Tagungsbericht von Tobias Scheid: Bilder als wissenschafliche Quelle. Interdisziplinärer Methodenworkshop auf H-Soz-u-Kult vom 30.6.2014.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/05/19/methodenworkshop-bilder-als-wissenschaftliche-quelle/

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Kuriositäten aus den 1950er Jahren: Die Leugnung der Zwölftontechnik

Bei meiner Beschäftigung mit Quellen aus dem musikästhetischen Diskurs der Nachkriegszeit stoße ich immer wieder auf Texte, die mir aus heutiger Perspektive sonderbar erscheinen. Sonderbar, weil etwas angezweifelt wird, das heute als selbstverständlich gilt. So war ich überrascht zu lesen, wie Heinrich Schnippering in der Zeitschrift Melos im Jahre 1950 die These aufstellt, dass es die Zwölftontechnik gar nicht gebe und dass sie im Grunde nur die vereinfachte Notation einer chromatisch gesteigerten Musik sei, die in der Tradition der Romantik stehe. Es mag verwundern, dass diese Aussage aus dem Jahre 1950 stammt, also knapp 30 Jahre, nachdem Schönberg seine ersten zwölftönigen Stücke schrieb. Das liegt daran, dass Zwölftonkompositionen als vermeintlich „entartete Musik“ während der Nazi-Diktatur von der Bildfläche der deutschen Musikszene verschwanden und erst nach 1945 wieder zu einem aktuellen Thema wurden: Auf der Suche nach Orientierung und neuen Vorbildern nach dem Zweiten Weltkrieg galt das Komponieren mit Zwölftonreihen als möglicher Anknüpfungspunkt, da es – im Gegensatz zur deutsch-österreichischen romantischen Musiktradition – als politisch unbelastet angesehen wurde.

In seinem Aufsatz Von der Logik der Zwölftonmusik geht Schnippering der Frage nach, ob die Zwölftonmusik mit einer Vereinfachung der Notation zusammenhängt. Hier zunächst ein kurzes Beispiel für eine solche Vereinfachung: Ein Komponist schreibt die Note c statt des von ihm gemeinten his, d.h. er nimmt eine sogenannte enharmonische Verwechslung vor, um den Notentext besser lesbar zu machen. Um nun einen Zusammenhang zwischen Zwölftonmusik und Notationsart nachzuweisen, macht sich Schnippering folgende Lesart der Musikgeschichte zunutze: Die Musik habe im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts immer mehr an Chromatik zugenommen – zur Intensivierung und Steigerung des Ausdrucks. Als das „Gefühl“ nachließ, ein tonales Zentrum haben zu müssen, wurde es möglich, sich einer praktischen Notationsweise zu bedienen, „ohne sich in der freizügigsten Vermischung enharmonischer Töne Beschränkungen auferlegen zu müssen.“1 Diese Freiheit, enharmonische Töne nach Belieben zu setzen, habe letztlich zur Atonalität und Zwölftonmusik geführt.

„In Wirklichkeit“, so schreibt Schnippering, „lebt auch die Zwölftonmusik von der durch die romantische Musik erzeugten Spannungschromatik. Lediglich die Notierungsweise verschleiert diese latente Spannungsintensität, die beim Hören unverkennbar in die Erscheinung tritt.“2 Denn auch die Hörerfahrung von dodekaphonen Werken zeige, „daß praktisch zwar tonale Kadenzen vermieden, gleichwohl die Klangmöglichkeiten der romantischen Musik weitgehend genutzt werden. […] Aus alledem erhellt, daß die Zwölftonmusik nur theoretisch die Zwölftonskala als Grundlage verficht, praktisch jedoch der romantischen Klangwelt verhaftet bleibt.“3 Schließlich gelangt er zu der Schlussfolgerung, dass sich bei (noch ausstehender) genauerer Prüfung zeigen könnte, „dass es eine Zwölftonmusik praktisch gar nicht gibt und nicht geben kann.“4

Ist die Zwölftontechnik also lediglich eine andere Notation chromatisch gesteigerter Musik in romantischer Tradition, die – zwar ohne tonales Zentrum – letztlich noch der Dur-Moll-Tonalität verhaftet bleibt? Was hätte Arnold Schönberg auf diese Behauptung erwidert? (Nach seiner Emigration lebte er in den USA und starb 1951.) Nun, Schönberg verstand seine „Methode der Komposition mit zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen“ als einen radikalen Wandel in der Kompositionstechnik. Für ihn stellt sie eine Kompositionsmethode dar, die die Tonalität ersetzt. In seinem 1950 auf Englisch veröffentlichten Aufsatz Komposition mit zwölf Tönen beschreibt er sie wie folgt: „Diese Methode besteht in erster Linie aus der ständigen und ausschließlichen Verwendung einer Reihe von zwölf verschiedenen Tönen. Das bedeutet natürlich, daß kein Ton innerhalb der Serie wiederholt wird und daß sie alle zwölf Töne der chromatischen Skala benutzt, obwohl in anderer Reihenfolge. Sie ist in keiner Weise mit der chromatischen Skala identisch.“5 Die Reihe, so Schönberg weiter, fungiere nicht nur als eine Art von Motiv, sondern sie bestimme die horizontale (Tonfolge) und vertikale Ordnung (Akkorde) der Töne. Damit löse sie die Dur-Moll-Tonalität in ihrer ordnenden und einheitsstiftenden Funktion ab.

Schönbergs Auffassung ist klar: Die Zwölftontechnik zeigt keinen Wandel der Notation an, sondern einen radikalen Bruch in der Kompositionstechnik. – Ist es denn vorstellbar, dass eine Zwölftonreihe bloß eine enharmonische Verwechslung einer chromatisch spannungs-vollen (tonalen) Tonfolge ist? An dieser Stelle schlage ich ein kleines Experiment vor: Schauen wir uns die Reihe aus Anton Weberns Symphonie op. 21 an, zunächst in Originalgestalt (Beispiel 1), dann enharmonisch verwechselt und tonal gedeutet (Beispiel 2).

Eine tonale Deutung der Reihe ist zwar möglich, aber nicht sinnvoll: Die enharmonisch verwechselte Reihe hat kaum etwas mit Weberns Symphonie op. 21 zu tun. Zentrale Eigenschaft der Reihe ist ihre symmetrische Struktur (Töne 7 – 12 enthalten die gleichen Intervallschritte wie  Töne 1 – 6 im Krebs), nicht tonal gedachte chromatische Spannung. Schnipperings Deutung der Zwölftontechnik als Zuspitzung romantischer Musik ist problematisch: Er versucht die Zwölftonmusik mit Begriffen zu fassen, die genuin zur Beschreibung der Musik der klassisch-romantischen Tradition geprägt wurden. Solchen unzeitgemäßen Zuschreibungen begegnet man häufig in Interpretationen der Musikgeschichte: etwa, wenn der berühmte Tristanakkord in Wagners gleichnamiger Oper als atonal bezeichnet wird oder ein barockes Fugenthema, das alle 12 Töne der chromatischen Skala enthält, als zwölftönig. Ob dahinter das Bedürfnis des Historikers steckt, Geschichte als einheitliche kontinuierliche Entwicklung zu begreifen?

Dennoch sind Schnipperings Ausführungen nicht völlig zu verwerfen. Seine Beobachtung, dass die Zwölftonmusik teilweise in der romantischen Klangwelt wurzelt, ist durchaus berechtigt. Schönberg hat zwar mit der Tonalität gebrochen, nicht aber mit der romantischen Expressivität und den Ideen von Genieästhetik und autonomem Kunstwerk. Dass sich in Schönbergs Musik Überreste der romantischen Ausdrucksästhetik finden, ist genau das, was ihm viele Avantgarde-Komponisten der Nachkriegszeit vorwerfen und was Pierre Boulez 1951 zu der symbolträchtigen Aussage führte: „Schönberg est mort.“

1Heinrich Schnippering, „Von der Logik der Zwölftonmusik“, in: Melos 17 (1950), S. 313.

2Ebd.

3Ebd., S. 314.

4Ebd.

5Arnold Schönberg, Stil und Gedanke, Frankfurt am Main 1995, S. 109f.

Quelle: http://avantmusic.hypotheses.org/102

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Ein Bild sagt mehr … (XXII): “The Germans to the Front” in zwei Karikaturen (1900, 1915)

Der Ausspruch “The Germans to the front” wurde im Sommer 1900 dem britischen Admiral Sir Edward Hobart Seymour (1840-1929) zugeschrieben. Seymour hatte im Juni 1900 versucht, von Tianjin aus auf Beijing vorzurücken, um die belagerten Gesandtschaften zu befreien, musste diesen Vorstoß jedoch abbrechen und nach Tianjin zurückkehren. Daraufhin soll er deutsche Soldaten vorgeschickt haben – eben mit der Aufforderung: “The Germans to the front!” Der Ausspruch wurde bald zum geflügelten Wort, Anspielungen darauf finden sich (nicht nur) in satirischen Blättern immer wieder. Zwei Beispiele sollen hier kurz vorgestellt werden.

Im Sommer 1900 dominierte in den österreichisch-ungarischen satirisch-humoristischen Blättern nur ein Thema: die Yihetuan 義和團-Bewegung (der sogenannte ‘Boxeraufstand’) und die militärische Intervention der acht Mächte zu ihrer Unterdrückung. Ein großer Teil von Figaro, Kikeriki, Floh und Humoristischen Blättern ist den Vorgängen in China und den Debatten über die Vorgänge in China in den Parlamenten Europas gewidmet. Obwohl das Deutsche Reich ungleich stärker in die Ereignisse involviert war, beschäftigen sich die großen satirisch-humoristischen Blätter wie Kladderadatsch, Simplicissimus und Der wahre Jakob doch eher verhalten mit dem Thema. Ein Beispiel ist die Titelkarikatur “Gute Freunde” im Beiblatt zum Kladderadatsch vom 12. August 1900.[1].

Kladderadatsch (Beiblatt), 12.8. 1900

Beiblatt zum Kladderadatsch, 12. August 1900 | UB Heidelberg

Das Bild zeigt eine etwas makabere Szene in einer Schlucht. In der Mitte liegen auf einer in den Fels gehauenen Treppe Totenschädel und Skelettteile. Am Kopf der Treppe sitzt ein Drache, der eine Art von Schatz (Kisten und Vasen) zu bewachen scheint.  Auf einer Klippe über der Schlucht kniet “Uncle Sam” und versucht, nach dem Schatz zu angeln. Im Vordergrund – mit dem Rücken zum Betrachter – sind zwei Figuren zu sehen: ein beleibter “John Bull”, der gerade dabei ist, sich anzuziehen – und “Michel”, ein Ritter mit gezücktem Schwert. “John Bull” spricht zum Ritter: “Vorwärts, Michel! Ich komme gleich nach.”

Im März 1915 findet sich im Kikeriki die Karikatur “Die Zukunft Chinas”

Kikeriki (7.3.1915)

Kikeriki (7.3.1915) | Quelle: ANNO

Dargestellt ist ein gefesselter Drache “China”, sein Kopf ist in einen Maulkorb gezwängt, seine Klauen sind an einen vierrdrigen Wagen genagelt, der Schwanz ist verknotet. Am Maulkorb ist mit einem Schloss eine Kette bestigt. Diese Kette hält eine durch Uniform und Gesichtszüge als japanisch markeirte Figur, die mit einer Peitsche auf den Drachen einschlägt. Im Hintergrund steht ‘Uncle Sam’ (erkennbar an Zylinder, Frack, gestreifter Hose und dem typischen Bart) und ‘John Bull’ (erkennnbar an der beleibten Gestalt im knappen Frack und am flachen Hut). Der Text zum Bild:

John Bull: Das dürfen wir uns nicht bieten lassen von Japan; da müssen unbedingt wieder Deutsche an die Front![2]

Der riesige Drache China ist gefesselt und dem kleinen Japan ausgeliefert. Auch hier ergibt sich aus dem Erscheinungsdatum der Kontext: die Verhandlungen über die Einundzwanzig Forderungen, die die japanische Regierung im Januar 1915 an China gerichtet hatte. Diese Forderungen hätten Japan de facto volle Kontrolle über die Mandschurei und über die Wirtschaft Chinas gegeben. Sohl die USA (“Uncle Sam”) als auch Großbritannien (“John Bull”) waren gegen jede Ausweitung des japanischen Einflusses in China.

Auffallend ist, dass im Kladderadatsch die Nationalallegorien “Uncle Sam”, “John Bull” und “Michel” durch Inserts benannt sind. Im Kikeriki ist zwar der Drache mit “China” bezeichnet, “Uncle Sam”/USA, “John Bull”/Großbritannien und Japan sind nur durch Kleidung, Körperform, Gesichtszüge, Haar- und Barttracht markiert. Beide Karikaturen ist eines gemeinsam: Sie funktionieren nur, wenn dem Betrachter der Ausspruch “The Germans to the front!” vertraut ist – im Sommer 1900 ebenso wie im März 1915.

 

 

  1. Beiblatt zum Kladderadatsch Nr. 32 (12. August 1900) [1].
  2. Kikeriki, Nr. 10 (7.3.1915), [8] – Online: ANNO.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1485

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