OER | Open Educational Resources | Freie Bildungsmedien in Deutschland | #OERcamp in Bremen, 14.-16. September 2012


Die „Schultrojaner“-Debatte machte vor knapp einem Jahr die Idee der Open Educational Resources (OER) in einem relativ begrenzten Kreis “netzaffiner” Lehrer und anderer Akteure im Bildungsbereich populär. Online-Bildungsmedien und Lernmaterialien, die sich als OER labeln, müssen drei Bedingungen erfüllen; sie sind 1. frei verfügbar, dürfen 2. urheberrechtlich unbedenklich weiterverbreitet und sogar verändert werden (Public-Domain- oder Creative-Commons-Lizensierung) und  sind 3. mittels Open-Source-Software zu öffnen und zu bearbeiten. In anderen Ländern, z.B. den USA, in Norwegen oder Polen sind OER weithin bekannt und anerkannt, auch weil sie dort von staatlicher Seite unterstützt und finanziert werden; zudem versucht die Unesco gemeinsame Standards für die OER zu entwickeln. In Deutschland stehen die OER (oft übersetzt als “freie Bildungsmedien”) erst am Anfang; über die derzeitige Entwicklung kann man sich im Whitepaper OER und auf der Seite cc your edu informieren.

In Bremen findet vom 14. bis 16. September 2012 das #OERcamp statt, das erstens “die Debatte um die OER im deutschsprachigen Bereich erweitern” und zweitens in “Workshops für Einsteiger” Tipps geben will, wie man OER-Lernmaterialien erstellen und verbreiten kann. Aus Sicht des Projekts segu (Lernplattform für Offenen Geschichtsunterricht, die sich seit Dezember 2011 als OER labelt) sei das OERcamp ausdrücklich empfohlen – und (da selbst verhindert) hier fünf Anmerkungen bzw. Diskussionsanregungen.

1 | Ja! Es ist heute problemlos möglich, anspruchsvolle Lernmaterialien als OER online zu veröffentlichen. segu gibt ein Beispiel dafür, wie man mittels OpenOffice (also einem Open-Source-Programm) Arbeitsblätter (wahlweise als odt, doc oder pdf-Datei) erstellen kann, die von Lehrern und Schülern aufgrund der CC | Creative Commons-Lizensierung urheberrechtlich unbedenklich heruntergeladen und verändert werden können. Eingeschränkt wird die Erstellung von OER durch urheberrechtlich geschützte Texte oder Bildmedien mit Copyright-Lizensierung. Es gibt aber bereits einen großen Fundus an CC-lizensierten Materialien – z.B. bezogen auf Bildmedien bei Wikimedia.

2 | Nach einem Jahr Diskussion ist die anfängliche OER-Begeisterung inzwischen wieder etwas abgekühlt. Das Problem: Der Zuwachs an neuen OER-Lernmaterialien hält sich bislang in engen Grenzen. Und die oft geforderte zentrale OER-Datenbank, auf der Benutzer die Lernmaterialien zur Qualitätskontrolle bewerten können, steht immer noch aus. Bisher betonen viele OER-Akteure, dass sich die OER aus dezentralen, staatlich unabhängigen Netzwerken heraus entwickeln und verbreiten sollen. Diskussionsanregung für das #OERcamp: Festhalten an der Unabhängigkeit (und die OER-Bewegung ggf. stagnieren oder wieder einschlafen sehen) vs. Forderung nach staatlicher Unterstützung überdenken (s. hierzu das norwegische Beispiel der professionellen OER-Plattform NDLA, auf der Lehrer ihre OER-Materialien hochladen können)

3 | Reicht im deutschsprachigen Raum die Bezeichnung “OER”, um einen ausreichenden Wiedererkennungswert zu schaffen? Was sich im Englischen ja noch ganz interessant anhört (sprich “Oh – Ih – Ahr”) führt im Deutschen eher zu Aussprach-Schwierigkeiten  (“Oh – Ähh – Wat?”) Diskussionsanregung für das #OERcamp: “OER”: neuer Name oder Namenszusatz?

4 | Was ist der Nutzen der OER? Oft wird der Vorteil betont, dass Lernmaterialien auf papierlosem Weg frei verfügbar resp. kostenlos sind. Aber soll es angesichts der in Deutschland im OECD-Vergleich relativ geringen Bildungsausgaben vorrangiges Ziel sein, dass Bildungsmedien nichts mehr kosten? Aus Sicht des Projekts segu war dies nicht der Grund, die Lernmaterialien als OER zu labeln. Vielmehr eröffnen die OER großes didaktisches Neuland. Erstens bieten verschiedene digitale Medien, die sich urheberrechtlich unbedenklich herunterladen, neu zusammenstellen und im Unterricht weiterverbreiten lassen, für Lehrer große Vorteile und auch neue Möglichkeiten zur Kommunikation über Lernmaterialien. Zweitens ermöglichen OER-gestützte Lernkonzepte mehr Methodenvielfalt – beispielsweise bei differenzierendem aufgabenbezogenen Lernen oder auch bei geöffneten Lernmethoden wie Projektlernen. Schüler können in OER-Lernumgebungen endlich sinnvoll mit PC oder Tablet im Unterricht arbeiten. Diskussionsanregung für das #OERcamp: Um OER zu eigenem Selbstbewusstsein zu verhelfen, muss die Diskussion über Nutzen und Nachteile der OER speziell in Deutschland (im Vergleich zu anderen Ländern) geführt und auf Begriffe gebracht werden. Dabei könnte ggf. mehr die Frage im Mittelpunkt stehen: Welche neuen didaktischen Potenziale bieten die OER?

5 | Wie positionieren sich die OER zu den etablierten kommerziellen Anbietern von Bildungsmedien resp. Schulbuchverlagen? Zunächst einmal: Der Stellenwert der OER in der Bildungsmedien-Landschaft ist noch gering; es gilt also, die Kirche im dOERf zu lassen. Weder digitale Medien und das Web2.0 noch die OER werden die Schulbuchverlage – wie in den letzten Monaten gelegentlich zu hören – in absehbarer Zeit überflüssig machen. Diese stehen angesichts der digitalen Veränderungen vor großen Herausforderungen und sicher ist die Frage berechtigt, ob der restriktive Umgang mit Urheberrecht (s. Schultrojaner) nicht kontraproduktiv ist. Dennoch scheint eine Abgrenzung: hier die “guten” OER, dort die “bösen” profitorientierten Verlage (welches Unternehmen will kein Geld verdienen?), weder angemessen noch zielführend. Diskussionsanregung für das #OERcamp: Will man sich von den kommerziellen Anbietern abgrenzen oder Dialoge und sogar Kooperationen (in deren Rahmen die OER-Lernmaterialien ihre Unabhängigkeit bewahren) zulassen. Kann Dialog dazu führen, dass die Verlage von den OER lernen? Selbiges gilt im Übrigen auch für die Frage nach dem Umgang mit Kooperationen zum Beispiel mit Geräte- oder Softwareanbietern und kommerziellen Internetportalen; segu ist z.B. bei Youtube und bei iTunesU, die aber beide CC-Lizenzen unterstützen.

Gutes Gelingen und hoffentlich gute Ergebnisse beim #OERcamp!

 

Bildnachweis    OER-Logo

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2012): OER | Open Educational Resources | Freie Bildungsmedien in Deutschland | #OERcamp in Bremen 14. bis 16. September 2012. In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 30.8.2012. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/847, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/847

Weiterlesen

Flipped Classroom | #flipclass | Lernvideos @segu_Geschichte | nachgefragt: Welches Potenzial bieten Lernvideos für den Geschichtsunterricht?

Der Spiegel berichtet in seiner jüngsten Print-Ausgabe über den Computereinsatz in der Schule (“Gefangen in der Kreidezeit”, Nr. 20/2012, S. 124-127) im Allgemeinen und über Lernvideos nach dem Flipped Classroom-Prinzip im Speziellen. Auch Focus Schule hat neulich wegen der segu-Lernvideos bei segu angeklingelt. Das Thema Flipped Classroom oder (etwas verkürzt) vorbereitendes Lernen mittels Online-Videos scheint also in der Öffentlichkeit angekommen.

Kurz einige Informationen zu Flipped Classroom: Wie im Spiegel dargestellt, kommt die Idee aus den USA, wo sie bereits weite Verbreitung gefunden hat; von dort ist die Bezeichnung Flipped Classroom oder Inverted Classroom entlehnt. Was “umgekehrtes Klassenzimmer” bedeutet, wird im ZUM Wiki erklärt:

Die ursprüngliche Idee ist, dass die Lehrer ihre Vorträge, die sie sonst als Frontalunterricht vor den Schülern gehalten haben, aufnehmen. [...]  Die Filme oder Screencasts werden im Internet zur Verfügung gestellt und die Schüler haben als Hausaufgabe, sich diese Filme anzuschauen. In der Schule bekommen die Schüler Aufgaben gestellt, die zu den Vorlesungen passen. Es werden also Unterricht und Hausaufgaben vertauscht.

In Deutschland gibt es noch relativ wenige Angebote zum Flipped Classroom; wichtige Informationen geben der Blog Inverted Classroom in Deutschland (und die dazugehörige jährliche Tagung in Marburg; die nächste: #icm13), sowie bereits mit einem Fokus auf den Geschichtsunterricht die einschlägigen Beiträge im Blog Medien im Geschichtsunterricht; darunter eine Anleitung zum Erstellen von Geschichtslernvideos.

Beim Edu-Camp im März 2012 in Köln wurde segu auf die Möglichkeiten von Lernvideos aufmerksam, ist auf den (bereits rollenden) Zug aufgesprungen und hat inzwischen fünf Lernvideos produziert. In die segu-Lernvideos sind schriftliche Aufgaben für individuelles Lernen im Offenen Geschichtsunterricht integriert, sie lassen sich aber auch für das Lernen nach dem Flipped Classroom-Prinzip im lehrerzentrierten Unterricht einsetzen. Die Erfahrungen aus Sicht des segu-Projekts zeigen: Es ist zwar aufwändig, eigene Lernvideos zu erstellen (und es braucht vor allem ein gutes Mikrofon!), aber erstens war es ein interessanter Prozess und zweitens finden die Videos (gemessen an den Klicks) Zuspruch. Ein wichtiger Hinweis: Die segu-Lernvideos zeigen keine bewegten Bilder (etwa von einer dozierenden Lehrperson), sondern bedienen sich der Methode des Screencastings (im Grunde eine abgefilmte PowerPoint-Präsentation) und benutzen dabei Public Domain- oder Creative Commons-Bildmedien. Erfreulich aus Sicht der OER (Open Educational Resources | freie Bildungsmedien) ist, dass sowohl Youtube als auch iTunesU die Creative Commons Lizenzierung unterstützen. Die segu-Lernvideos sind jeweils unter CC abgelegt und eignen sich insbesondere auch für die Verwendung auf Tablets oder Smartphones; dabei sollten Kopfhörer verwendet werden (die Schüler_innen heute meist selbst mit in die Schule bringen).

Sicher: Das auditiv-visuelle Lernen mittels Lernvideos nach dem Flipped Classroom Prinzip bietet Schüler_innen einen motivierenden Zugang zum historischen Lernen. Aber es handelt sich um ein stark gelenktes und tendenziell auf reproduktives Lernen ausgerichtetes Lernarrangement (auch wenn die Aufgaben in den segu-Lernvideos immer Anforderungsbereich II und teilweise auch Anfordeurngsbereich III erreichen). Kurz eine Frage zu Flipped Classroom bzw. zum Einsatz von Lernvideos im Geschichtsunterricht: Welches Potenzial bieten Lernvideos für den Geschichtsunterricht? Die Frage richtet sich sowohl auf Aspekte des praktischen Einsatzes als auch grundsätzlich auf lerntheoretische Überlegungen. Für den weiteren Ausbau der segu-Lernplattform sind Ihre/Eure Kommentare interessant – um herauszuhören, ob sich die Mühe lohnt, weitere Lernvideos zu erstellen.

Bildnachweis: Screenshot

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/563

Weiterlesen

Anachronismus 2012

Oben: Der Weg Über 40 dreiviertelstündige Bildschirmaufzeichnungen, über 50 einstündige Gesprächsaufzeichnungen; mehr als 30 Transkripte; Kodiermanuale und Kategorienverzeichnisse, Memos; Transkriptions- und Kodiersoftware; mehr als 170 Schüler-Wiki-Dokumente in verschiedenen Versionen, rund 700 Scans wissenschaftlicher Literatur, rund 100 Manuskriptfassungen und Sicherheitskopien; Mailkorrespondenz, Formalia und Administratives (Einverständniserklärungen, Elternschreiben, Anfragen an Schulleitungen); das Internet inkl. Google und Wikipedia. Gewicht: [...]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6088

Weiterlesen

Von einem Autoritätsverlust kann keine Rede sein! Die Historiographie und das Netz

History goes online. Das in etwa war das Thema der dritten Ausgabe der .hist 2011 – Geschichte im digitalen Wandel, die am 14. und 15. September 2011 in der Berliner Humboldt-Universität stattfand. In Ausgabe 14/2011 diskutiert das MONTAGSRADIO-Team deshalb mit zwei Protagonisten dieses Wandels:  Jürgen Danyel, stellvertretender Leiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam und dort vor allem für das Portal Zeitgeschichte-online verantwortlich, und Michail Hengstenberg, Leiter des SPIEGEL Online Portals einestages.de, über die Veränderungen und Chancen für die Wissenschaft und Öffentlichkeit.

Die Digitalisierung erreicht alle gesellschaftlichen Bereiche und macht auch nicht vor der eher traditionell ausgerichteten Zunft der Historiker halt. Deren Arbeitsmittel bestanden bisher aus der klassischen Quellenwelt der Verträge, Urkunden und Protokolle, nun dient das Internet als weitere, scheinbar endlose Quelle für die Wissenschaft. Darüber hinaus gibt das Internet der breiten Öffentlichkeit die Chance, neue Portale einzurichten, um darin eigene Geschichten zu erzählen – die sogenannte User Generated History. Wie reagiert die Wissenschaft auf diese Veränderungen und welchen Einfluss hat das Netz tatsächlich auf die Forschungsergebnisse? Wird sich die Popularisierung von Geschichte dahingehend auswirken, dass es eine parallele Geschichtsschreibung fernab der Wissenschaft geben wird? Und falls ja, was bedeutet das für die Deutungsmacht des Historikers und die Erinnerungskultur?

Und hier noch die Timeline für das Gespräch:

01:00 Wohnt der Weltgeist im Internet?

04:00 Kulturpessimismus in den Wissenschaften

09:20 Das User Generated Content-Konzept

15:10 Symbiosen von Netz und Wissenschaft?

16:40 Demokratisierung der Geschichtsschreibung?

22:00 die größere Zugänglichkeit auch unverständlicher Themen durch kleine Geschichten

24:00 Geschichte als Geschäftsmodell

30:30 End of Theory?

30:50 Parallele Geschichtsschreibung?

37:20 Die Distanz zur Gegenwart verringert sich bei der historischen Reflexion

38:50 Archivverlust? Stichwort Facebook

40:00 Geschichte der Informationsgesellschaft als Forschungsfeld

40:50 Die klassische Geschichtsschreibung bleibt bestehen

44:00 Fragebogen

Und hier gehts direkt zum MP3.

Quelle: http://www.montagsradio.de/2011/09/19/von-einem-autoritatsverlust-kann-keine-rede-sein-die-historiographie-und-das-netz/

Weiterlesen

OT: Konvergenz, Divergenz und die Zukunft des Service Public bei Radio und Fernsehen

Heute morgen erschien in der besten aller Basler Zeitungen ein Bericht von Christian Mensch über die aktuelle Debatte rund um die geplante Konvergenz von Radio und Fernsehen bei der öffentlich-rechtlichen SRG. Konvergenz? Konvergenz ist heute ein Schlüsselwort in der Medienpolitik und meint die Zusammenführung von Radio, Fernsehen und Onlinemedien unter einem gemeinsamen (digitalen) Dach. Mit [...]

Quelle: http://weblog.histnet.ch/archives/3659

Weiterlesen