Seit 1924 wurde Bayern durch eine Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Heinrich Held geführt. Dessen Amtszeit brachte zunächst eine Beruhigung in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht mit sich, insbesondere im Hinblick auf die Turbulenzen der Zeit zuvor wie dem Hitlerputsch. Doch dass die Konsolidierung nur oberflächlich war, zeigte sich innerhalb kürzester Zeit. So wies der bayerische Staatshaushalt bereits seit 1925 ein wachsendes Defizit auf. Aus dieser Verschärfung der wirtschaftlichen Situation nach der Weltwirtschaftskrise 1929, entwickelte sich in Bayern 1930 auf politischer Ebene eine Regierungskrise, die schließlich zum Austritt des Bauernbunds aus der Regierungskoalition mit der BVP führte, und damit zu einer bis 1933 geschäftsführend im Amt bleibenden Regierung Held. Diese musste sich nun der zunehmend aggressiveren Agitation radikaler politischer Gruppierungen aus unterschiedlichen Lagern zu auseinandersetzen, insbesondere mit den offensiv auftretenden Vertretern der NSDAP.
In meiner Arbeit untersuche ich die Arbeit des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zwischen 1926 und 1933. Angesichts der wirtschaftlichen Einschränkungen und politischen Unsicherheit stellt sich die Frage, inwiefern es möglich war, überhaupt staatliche Kulturpolitik zu betreiben. Konnte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus angesichts der wirtschaftlichen und politischen Krisenphänomene gestaltend tätig werden oder musste man damit zufrieden sein, den aktuellen Bestand an kulturellen Einrichtungen und Werken zu bewahren? Oder mussten gerade in diesem Bereich, der noch primär in den Kompetenzbereich der Länder fiel und dem in der bayerischen Argumentation für die Eigenständigkeit des Landes somit eine hohe symbolische Bedeutung zukam, die Gestaltungsmöglichkeiten weiterhin und mit aller Macht ausgeschöpft werden? Darüber hinaus gilt ein weiteres Untersuchungsinteresse der Frage: Wie reagierte man von Seiten des Kultusministeriums auf die zunehmenden Angriffe radikaler Gruppierungen?
Die zeitliche Eingrenzung des Untersuchungszeitraums ergibt sich durch die Amtszeit des bayerischen Kultusministers Franz Xaver Goldenberger, der im November 1926 auf Franz Matt folgte. Er hatte das Amt bis März 1933 inne, als er durch die Nationalsozialisten seines Amtes enthoben wurde und Hans Schemm seine Nachfolge antrat.
Um diese Fragen zu beantworten, habe ich im ersten Teil meiner Arbeit einen organisationsgeschichtlichen Zugang gewählt, da die Handlungen des Ministeriums nur vor dem Hintergrund der Rahmenbedingungen zu verstehen sind. Über diesen Ansatz hinaus wurde jedoch auch die Forderung an die aktuelle Institutionengeschichte nach einer kulturhistorischen Erweiterung berücksichtigt, die den Blick auf die Rituale und den Habitus einer Behörde lenkt und damit auch nach informellen Mechanismen neben den Entscheidungsverläufen im Sinne der offiziellen Geschäftsordnung fragt. Vor diesem Hintergrund stehen im zweiten Abschnitt die Kompetenzen und Handlungsfelder des Ministeriums im Mittelpunkt und wie stark das Ministerium hierbei seine Eingriffsrechte geltend machte. Der abschließende dritte Teil beschäftigt sich mit besonders aussagekräftigen Phänomenen, die in der Regel in fast allen Zuständigkeitsbereichen des Ministeriums zu beobachten sind und daher einer gesonderten Behandlung bedürfen. Die Bandbreite reicht dabei vom Mikrokosmos der weiblichen Bildung über die innerdeutsche Frage der Kompetenzverteilung zwischen Ländern und Reich bis hin zum Makrokosmos der Außenkulturbeziehungen.
Die entsprechende ministeriale Überlieferung findet sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv unter dem Bestand MK. Diese Akten bilden den Hauptbestand für die vorliegende Arbeit, der Einblicke in die Betätigungsfelder und Entscheidungsabläufe innerhalb des Ministeriums ermöglichte, ebenso wie in die Kommunikation mit Gruppierungen außerhalb des Ministeriums. Komplementär erfolgte die Auswertung der Aufzeichnungen weiterer staatlicher Akteure, wie der anderen bayerischen Ministerien, des Ministerrats oder des Landtags, aber auch die Akten der Reichsbehörden. Diese sind neben Hinweisen zur Kompetenzverteilung insbesondere im Hinblick auf Fragen der Auslandskultur aussagekräftig, ebenso wie die Überlieferung des Archivs des Völkerbunds in Genf. Darüber hinaus wurde die ministeriumszentrierte Perspektive neben grauer Literatur durch die Nachlässe zentraler Akteure erweitert, sowie punktuell durch die Auswertung der Berichterstattung in den Zeitungen.
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