Audienz bei einem Geächteten

Das Schicksal Friedrichs V. von der Pfalz berührt vordergründig nur die Anfangsphase des Dreißigjährigen Kriegs: zunächst als pfälzischer Kurfürst einer der wichtigsten Reichsfürsten, dann König von Böhmen, um kurz darauf geächtet und als „Winterkönig“ verspottet alles zu verlieren und ins Exil nach Den Haag zu gehen. Bei den Generalstaaten hatte er zwar Zuflucht gefunden, doch seine Machtgrundlagen waren verschwunden. Gleichwohl setzte er in den folgenden Jahren alles daran, um auf die politische Bühne des Reiches zurückzukehren, die pfälzischen Besitzungen und ebenso auch die böhmische Krone wiederzugewinnen. Immerhin gab es noch Kriegsunternehmer wie Mansfeld und Christian von Braunschweig, die vorgaben, für die Sache des Pfälzers zu streiten, und nach wie vor flossen Gelder aus Frankreich, England und den Niederlanden, um diese Feldzüge zu finanzieren.

Auf der kaiserlichen Seite sah die Sache anders aus. Für Ferdinand II. und dem mit ihm verbündeten Maximilian von Bayern mitsamt der Liga war Friedrich nur der „exilierte Pfalzgraf“. Mit einem Reichsächter konnte man keinen Umgang haben, als politischer Faktor war Friedrich rechtlich betrachtet ausgeschaltet. Und Maximilian, der Friedrichs pfälzische Kurwürde nach Bayern transferiert hatte, dachte gar nicht daran, den Exilierten durch diplomatische Kontakte aufzuwerten. Doch war nicht zu übersehen, daß man über die Machenschaften in Den Haag Bescheid wissen mußte. Was ging am Hof des exilierten Rex Bohemiae vor? Das wollte man schon gerne erfahren, doch durfte dies nicht über offizielle Kanäle erfolgen.

Es gab aber einen indirekten, eleganteren Weg. Ferdinand, als Bruder Maximilians von Bayern, unterhielt einen eigenen Agenten in Den Haag. Damit war kein Geheimdienstler gemeint, sondern ein diplomatischer Vertreter auf ganz niedriger Stufe – das war zum einen hinsichtlich des repräsentativen Aufwands billig und zum anderen politisch unverfänglich. Dieser Agent versorgte Ferdinand, der als Kurfürst von Köln unmittelbarer Nachbar der Generalstaaten war, permanent mit Nachrichten über die aktuellen Vorgänge in Den Haag und kümmerte sich auch um kurkölnische Belange bei den Generalstaaten. Er sollte nun auch auf den Pfalzgrafen ein Augenmerk haben.

Tatsächlich knüpfte dieser Agent namens Johann van der Veecken Kontakte zum Gefolge des Pfalzgrafen. Ja, mitunter berichtete er sogar von direkten Gesprächen mit Pfalzgraf Friedrich selbst. Berichte über diese Audienzen schickte er dann an Kurfürst Friedrich – der die wirklich brisanten Informationen über den exilierten Friedrich gleich exzerpierte und nach München weitersandte. Auf pfälzischer Seite wird man schon gewußt haben, welche Dimension diese Gespräche mit Veecken hatten; wer weiß, was man dort alles lanciert hatte, im sicheren Bewußtsein, daß diese über kurz oder lang doch bei Maximilian von Bayern landen würden.

Jedenfalls entwickelten sich hier auf ganz unverfängliche Weise Kontakte zwischen den mächtigen Fürsten im Reich und dem Geächteten im Haager Exil – Kontakte, die es eigentlich gar nicht geben durfte, die aber trotzdem für beide Seiten wichtig waren. Ich habe vor Jahren schon einmal dieses Themen im Umfeld der bayerischen Pfalzpolitik gestreift (im Katalog zum „Winterkönig“ von 2003), will mich demnächst aber noch einmal intensiver mit der Figur des kurkölnischen Agenten Veecken auseinandersetzen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/514

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Keine Gnade für die Franzosen?

Die Schlacht bei Alerheim Anfang August 1645 war ein Desaster für die kurbayerische Armee – hohe Verluste, dazu der Tod des Feldherrn Mercy. In den Korrespondenzen mit seinen Gesandten beim Westfälischen Friedenskongreß bewegte Kurfürst Maximilian allerdings ein ganz anderes Thema: Angesichts des Blutzolls, den die französischen Regimenter geleistet hatten, fürchtete er, „es werden sich abermal gehässige leüth finden, welche spargiren dürffen, als ob die unserige auß sonderbarem haß und rach forderist den Franzosen hart zuesetzen und sie nit wie die Teutsche gefangen nemmen, sonder ohne ainige erthaillung der begerten quartier nidermachen thetten“ (Maximilian an seine Gesandten am 9.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 369).

Hatte der Kurfürst in diesem Moment tatsächlich Sorge, daß der Krieg sich radikalisierte und die Kriegführung von einer neuen Verbitterung geprägt sein würde? Eigentlich war es in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs unüblich, den Gegner niederzumachen, wenn er den Kampf aufgeben wollte und um „Quartier“ bat, also darum, als Kriegsgefangener behandelt zu werden. Dies war zum wenigsten Ausdruck einer humanen Kriegführung als vielmehr dem Umstand geschuldet, daß auf beiden Seiten Söldner kämpften, die nicht aus ideologischen oder religiösen Gründen in den Krieg gezogen waren, sondern einen Beruf ausübten. Es gab eine gewisse Solidarität unter den Söldnern, und Gefangenen machte man oft das Angebot, in der Armee des Siegers zu dienen: Diese Söldner wurden „untergestoßen“, wie man sagte, fehlten also nicht nur dem Gegner, sondern verstärkten sogar die eigenen Truppen – während sie selbst wiederum in Lohn und Brot standen. Feindliche Söldner nicht zu töten, sondern gefangen zu nehmen, konnte eine win-win-Situation für alle Beteiligten sein.

Genau dieser Mechanismus war in der Schlacht von Mergentheim, ungefähr drei Monate vor Alerheim, gestört worden – angeblich. Denn es kamen Gerüchte auf (interessanterweise mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung von einigen Wochen), denen zufolge die siegreiche bayerische Armee „ein unerhörliche crudelitet und verbitterung insonnderheit wider die Franzosen erscheinen lassen, keinem kein quartier geben wollen, sonder alle nidergemacht und den Teutschen allein verschont haben“ (so Maximilian an seine Gesandten am 12.7.1645, S. 291). Kurfürst Maximilian war angesichts dieser Berichte aufs Höchste alarmiert. Eine solche Eskalation der Gewalt paßte nur schlecht zu seinen Bestrebungen, mit der französischen Seite so schnell wie möglich ein armistitium, eine Beilegung der Kämpfe also, zu erreichen. Natürlich wußte er wie auch sonst alle Zeitgenossen, daß im Kampfgeschehen so erbittert gefochten werden konnte, daß jeder Comment unter den Söldnern vergessen wurde, „da der unbündig soldat in der hütz der waffen und rabbia in keinem zaun zu halten“ (ebd. S. 370, siehe ähnlich auch schon S. 312 u.357 die bayerischen Gesandten am 19.7. und 8.8.1645).

Doch in diesem Fall gab es offenbar noch ein anderes Kalkül. Von französischer Seite wurde die Debatte über das angebliche Massaker an französischen Söldnern bei Mergentheim über Wochen und Monate hochgehalten. Damit hielt man die bayerische Seite auf Trab, die sich nach Kräften bemühte, dieses Gerede als irrig abzutun. Doch mochten diese Gerüchte tatsächlich haltlos sein, halfen sie der französischen Seite doch, den bayerischen Sieg bei Mergentheim in eine moralische Katastrophe für den Sieger zu verwandeln – was wiederum den politischen Preis für das von Maximilian so sehnlich gewünschte armistitium hochtrieb. Jedenfalls instruierte der Kurfürst seine Gesandten in Münster, daß die französischen Verluste bei Alerheim ganz normal im Zuge der Kämpfe zustande gekommen seien und nicht infolge von bayerischen Exzessen. Das Thema läßt sich noch bis September 1645 verfolgen, denn Haslang berichtete noch am 7.9.1645 von dieser Affäre (Bd. 2,2, S. 461). Ob tatsächlich nationale Befindlichkeiten eine Rolle im Krieg spielten, ist angesichts dieser politischen Dimension der Debatte schwer zu entscheiden.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/461

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Wo ist Jan von Werth?

Im Jahr 1645 waren die Schlachten bei Mergentheim (5.5.1645) und bei Alerheim (3.8.1645) die entscheidenden Waffengänge der kurbayerischen Truppen. Bei Mergentheim gelang Feldmarschall Mercy ein wichtiger Sieg über die Franzosen, doch die Kämpfe drei Monate später endeten unglücklich. Die Niederlage bei Alerheim wog zudem durch den Schlachtentod Mercys besonders schwer, denn er hatte sich in den Jahren zuvor als der eigentliche militärische Lenker und strategische Kopf des bayerischen Heeres erwiesen. Gerade bei Mercys letzter Schlacht war auch ein anderer Kommandeur beteiligt, der sich hier besonders hervortat: Jan von Werth. Seine Kavallerieattacke auf dem linken Flügel überwältigte die dort stehenden französischen Kräfte, so daß der Sieg in greifbarer Nähe schien. Doch Werths Erfolg reichte nicht, da sich andernorts die feindlichen Truppen durchsetzen konnten; Alerheim wurde ein Sieg der französischen Waffen, wenn auch ein mit hohen Verlusten erkaufter.

Wer nun den aktuellen Band der Korrespondenzen Maximilians von Bayern mit seinen Gesandten Haslang und Krebs in Münster in die Hand nimmt und zu diesen Ereignissen weitere Informationen erwartet (Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013), muß feststellen, daß diese militärischen Ereignisse in den Briefen des Kurfürsten und seiner Gesandten nicht wirklich ausführlich zur Sprache kommen. Vor allem fällt aber auf, daß die Kommandeure der bayerischen Truppen in den Berichten kaum eine Rolle spielen. Selbst Mercy, den der Kurfürst wohl wirklich schätzte und dessen Tod er sehr bedauerte, findet kaum Erwähnung; nicht anders ergeht es Geleen, der Mercy im Amt des Feldmarschalls folgte. Und Jan von Werth, der bei Alerheim die französische Armee fast doch noch besiegt hätte? Er taucht in der gesamten Edition nicht auf.

Die Prominenz, die Werth in der heutigen Historiographie genießt, hat offenbar in damaliger Zeit keine Entsprechung gehabt. Man wird auch anerkennen müssen, daß er als General der Kavallerie zwar weit oben, aber eben nicht an der Spitze der kurbayerischen Militärhierarchie stand. Wenn schon nicht einmal der Feldmarschall thematisiert wurde, warum sollte der Kurfürst dann über Werth berichten? Vor allem aber wird deutlich, daß diese Korrespondenzen so stark von den Verhandlungsmaterien in Münster geprägt sind, daß die Militaria tatsächlich in den Hintergrund treten bzw.hier in die Anlagen verbannt sind: Der Bericht über die Schlacht bei Alerheim ist Beilage Nr. 5 (von insgesamt 11) zum Brief Maximilians vom 9. August.

Man muß in diesem Befund keineswegs ein Indiz für die (tatsächliche) Geringschätzung sehen, die Maximilian davon abgehalten hatte, Jan von Werth das Kommando über die bayerischen Truppen zu übertragen. Vielmehr zeigte sich Maximilian ganz auf das diplomatische Geschäft des Friedens fixiert; er wollte den Krieg beenden, das wird in diesen Korrespondenzen nur allzu deutlich. Deutlich wird aus historiographischer Perspektive aber auch, wie allzu leicht man geneigt ist, die Wertigkeit oder auch nur die Aufmerksamkeit, die die derzeitige Geschichtswissenschaft einzelnen Phänomenen und Persönlichkeiten entgegenbringt, auf die historischen Verhältnisse zu reprojizieren.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/458

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Neujahrswünsche für 1626

„Wollte E: Churfr: Dht: Jch zur vnnderthenigisten gehorsambisten berichtlichen antworth vnangefieget nit lassen, vnnd thue deroselben dabenebens von Gott dem Allmechtigen zue disem eingedrettenen, vnd noch vill volgender glickhselligen Freydt: vnnd Friedenreichen Jahren, zue stether erwünschter Leibsfristung, propagierung deroselben hochlöblichen hauses, vnd dempffung Jrer widrigen vnnd feindttselligen, auß inniglichen Herzensgrundt allen heilwerthen Seegen anwünschen.“

Mit diesen Worten schloß Tilly, der Generalleutnant der Armee der Katholischen Liga, einen ausführlichen Bericht an Kurfürst Maximilian von Bayern, in dem er vor allem die schwierige Situation der ihm unterstellten Truppen erläuterte. Er sprach dabei die üblichen Probleme an, die deswegen aber nicht weniger dringlich waren: Konkret ging es um den sich verschärfenden Mangel an Proviant und die daraus resultierenden Übergriffe seiner Soldaten in ihren Winterquartieren – dies alles vor dem Hintergrund der befürchteten Aktionen seiner Gegner (BayHStA Kurbayern Äußeres Archiv 2353 fol. 1-8‘ Ausf., stark chiffriert, fol. 9-10 noch ein Postskriptum).

Zu dem Zeitpunkt herrschte zwar Waffenruhe; die Regimenter der Liga und die neuaufgestellte kaiserliche Armee unter Wallenstein standen jedoch bereit, den Waffengang gegen den dänischen König Christian von Dänemark und Mansfeld zu beginnen. Gleichzeitig gab es in Braunschweig noch Verhandlungen, die den offenen Ausbruch der Feindseligkeiten abzuwenden versuchten. Auf diesem sog. Interpositionstag wurde noch bis März 1626 nach Lösungen sondiert. Ungeachtet dieser Bemühungen zeigt Tillys Brief aber, welch gespannte Unruhe sich längst der Akteure bemächtigt hatte und wie sehr die Zeichen auf Krieg standen. Ob dies auch ein Grund für Tilly war, die Neujahrsgrüße an seinen Prinzipal in diesem Jahr besonders emphatisch zu formulieren? Einen konkreten Anlaß für diese insgesamt sehr ausführlich gehaltenen Wünsche kann ich sonst nicht ausmachen. Doch ob man sie als Indiz für eine bestimmte Gemütslage des Feldherrn interpretieren möchte, sei einmal dahingestellt.

Auffällig ist noch etwas anderes am Ende des Briefs, wo wie üblich Ort und Datierung genannt sind: „Datum Bockhenem am 2. January ao 1625“, heißt es dort. Tatsächlich logierte Tilly damals in Bockenem, einem Ort im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel, und koordinierte von dort aus die Planungen für den Feldzug im neuen Jahr. Die Jahresangabe „1625“ ist jedoch falsch, denn der Brief ist eindeutig dem Januar 1626 zuzuordnen. Hier war es also dem (unbekannten) Sekretär schwergefallen, im alltäglichen Kanzleibetrieb sofort auf das neue Jahr umzustellen. Heutzutage muß man ja nicht mehr selbst mitdenken und kann sich auf den Datumswechsel verlassen, wie er in allen technischen Arbeitsgeräten automatisiert vollzogen wird …

Der Brief ist auch in der Edition Die Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618-1651. 2. Teil, 3. Band: 1626, 1627, bearb. v. Walter Goetz (Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Neue Folge), Leipzig 1942, Nr. 1, S. 1-3, in Paraphrase mit einigen Zitaten wiedergegeben; der Herausgeber hat den Fehler bemerkt und führt das falsche Jahr 1625 als Zitat an, ohne dann aber explizit auf diese Verwirrung der Jahresangabe aufmerksam zu machen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/368

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Juli 1620: Kriegssteuern gegen die Exstirpation der Religion

Im Juli 1620 hatte der Feldzug gegen die aufständischen Böhmen noch gar nicht begonnen, als schon Probleme mit der Kriegsfinanzierung aufkamen. Maximilian von Bayern wünschte, daß die rheinischen Ligastände (also vor allem die drei geistlichen Kurfürsten) ihre Beiträge zur Kriegskasse erhöhten. Prompt organisierte Kurmainz ein Treffen, um über dieses Ansinnen beraten zu lassen. Maximilian ahnte, was kommen würde, und legte daraufhin Ferdinand von Köln seine Sicht der Dinge nahe (Herzog Maximilian von Bayern an Kurfürst Ferdinand von Köln, München 16.6.1620, Bay HStA Kasten schwarz 934 fol. 229-231 Konzept).

Dieser hatte kurz zuvor über die Schwierigkeiten berichtet, die erforderlichen Gelder aufzubringen. Maximilian muß über die Klagen seines Bruders Ferdinand enttäuscht, wenn nicht verärgert gewesen sein. Doch er ließ sich nichts anmerken, äußerte zunächst vielmehr Bedauern und versicherte, daß ihm die „difficulteten, beschwerden vnd verhinderungen“, von denen Ferdinand berichtet hatte, „ganz vnlieb“ seien. Daran knüpfte der bayerische Herzog aber die Hoffnung, daß sein Bruder doch noch „vff eisseriste mitl vnd weeg“ gedenken werde, um die erforderlichen Kriegssteuern für die Ligaarmee leisten zu können. Im Weiteren konnte er sich dann nicht die Bemerkung verkneifen, daß gerade er, Maximilian, als Bundesoberst der Liga die meisten Mühen zu ertragen und die größten finanziellen Lasten zu schultern habe. Entsprechend brach sich dann am Ende auch die Erwartung Bahn, daß sein Bruder Ferdinand als Kurfürst von Köln bei den anstehenden Beratungen ganz im Sinne Maximilians agieren und für die zügige Aufbringung der nötigen Gelder votieren werde.

Auffällig ist in diesem Schreiben Maximilians die überdeutlich konfessionell geprägte Argumentation. So fehlte nicht der Hinweis auf die höchste Not „des gemainen Cathollischen weßens […], darauff ainmal salus vel interitus religionis stehet“. Im Falle einer unzureichenden Finanzierung der Ligaarmee drohten nicht nur Spott, Schimpf und Nachteile, sondern vor allem ein „vnwiderbringlicher schaden der Cathollischen Religion vnd allen dessen zugewandten Stenden“. Gleichzeitig bekomme der Gegner die „erwinschte gelegenheit zu seinem schedlichen intent vnd extirpation der Religion“.

Das wirkt auf den ersten Blick deutlich alarmistisch und wohl auch etwas übertrieben. Ging es wirklich um Sein oder Nichtsein im Konfessionenstreit? Und meinte Maximilian dies wirklich so, wie er schrieb, oder skizzierte er nur ein Szenario, von dem er wußte, daß es bei den geistlichen Kurfürsten den gewünschten Effekt erzielen würde? Der bayerische Herzog war sicher ein kühl kalkulierender Fürst, der seine Argumente wohl abwog, auch in internen ligistischen Debatten. Doch sollte man nicht ausblenden, daß sich im Reich eine hochnervöse Spannung aufgebaut hatte, in der religiöse Existenzängste bei allen Konfessionsparteien nicht unbekannt waren. Axel Gotthard hat einmal von einem „Bedrohungssyndrom“ gesprochen, das er vor allem den geistlichen Kurfürsten attestierte. Es spricht einiges dafür, daß auch Maximilian von Bayern nicht frei von solchen Ängsten war. Und sie haben ohne Zweifel zumindest in dieser Phase auch die Politik maßgeblich mitbestimmt.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/358

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München, Oktober 1619: Verhandlungen über Hilfen für Habsburg

Wie kann das Haus Habsburg auf die rebellischen Böhmen reagieren? Genau um diese Frage ging es, als Ferdinand II., frisch zum Kaiser gewählt und gekrönt, auf dem Heimweg in seine Erblande Anfang Oktober 1619 in München Station machte. Hier wollte der Kaiser mit Maximilian von Bayern über mögliche Hilfsleistungen verhandeln. Das Ergebnis dieser Beratungen war bekanntermaßen der sog. Münchner Vertrag vom 8. Oktober, der die Grundlage für das Eingreifen Bayerns und der Katholischen Liga in den Böhmischen Konflikt darstellte.

Die Vereinbarungen waren eine Weichenstellung nicht nur für den Böhmischen Krieg, sondern legten auch Konfliktlinien bis zum Kriegsende 1648 fest. Insofern handelt es sich beim Münchner Vertrag um ein zentrales Dokument des Dreißigjährigen Kriegs. Aufschlußreich sind aber auch die Vor- und Verhandlungsakten, die ich im Rahmen einer universitären Übung durchgearbeitet habe. Denn hier sind das politische Kalkül, das Herzog Maximilian verfolgte, und sein politisches Denken noch deutlicher greifbar als im eigentlichen Vertragstext.

Gerade die Erklärung, mit der Maximilian die Verhandlungen am 2. Oktober eröffnete, eignet sich dafür sehr gut: Die Bereitschaft, sich militärisch zu engagieren, ist vorhanden. Gleichzeitig läßt man in München keinen Zweifel daran, daß der Herzog „haubt der expedition“ sein solle. Dazu wird der Gedanke der Defension betont, vor allem auch als Legitimation gegenüber den anderen, gerade auch protestantischen Reichsständen. Maximilian liegt jedoch sehr daran, die politische Verantwortung ganz nach Wien zu verschieben: Der Einsatz zugunsten des Kaisers soll den Charakter eines „aufgetragnen ambts“ entsprechen. Überhaupt soll der Kaiser sich darum kümmern, im Reich um Verständnis für diese Rüstungen zu werben, da sonst der Untergang des Reichs drohe (sogar die Türkengefahr wird wieder einmal bemüht). Besonders soll sich Wien um Kursachsen bemühen; hier empfiehlt Maximilian, die calvinistische Karte zu spielen und auf die weitgespannten Absichten der Calvinisten zu verweisen. Daß er am Ende auch auf den Hl. Stuhl, Polen, Frankreich und andere Potentaten verweist, macht deutlich, daß auch ein Reichsfürst wie Maximilian von Anfang an die europaweite Dimension des Konflikts stets im Blick hatte.

Anhand dieser Materialien wird das außergewöhnliche politische Format des bayerischen Herzogs klar erkennbar. Dazu gehört auch eine eindeutige Interessenpolitik, die wiederum stark von dem Bemühen geleitet ist, in der Reichsöffentlichkeit nicht als verantwortlich zu erscheinen. Auffallend auch der Eifer, diesem Konflikt in jedem Fall den Anstrich eines Religionskriegs zu nehmen.

Insgesamt haben sich die Textpassagen in der Veranstaltung bewährt; es ließ sich gut damit arbeiten. Die bayerische Eröffnungserklärung ist leicht zugänglich in: Die Politik Maximilians I. von Bayern und seiner Verbündeten 1618-1651. 1. Teil, 1. Band: Januar 1618 – Dezember 1620, auf Grund des Nachlasses von Karl Mayr-Deisinger bearb. u. erg. v. Georg Franz (Briefe und Akten zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, Neue Folge), München 1966, S. 232-235. Für die Verhandlungen zum Münchner Vertrag insgesamt können die Ausführungen bei Dieter Albrecht, Maximilian I. von Bayern, 1573‑1651, München 1998, S. 503-509, herangezogen werden. Albrechts Erläuterungen geraten in diesem Fall durchaus apologetisch. Aber Maximilian hat mitunter in der Fachliteratur ein derart negatives Image, daß ein wenig Empathie gar nicht verkehrt wirkt. Die mit Blick auf Maximilian durchweg positive Einordnung des Vertrags erscheint mir nämlich durchaus schlüssig.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/354

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Mord an einem Franziskaner

Es passiert im Dezember 1631 auf dem Gebiet des Herzogtums Württemberg. Ein Franziskanermönch befindet sich auf dem Weg von Heilbronn zu dem erst vor kurzer Zeit restituierten Klarissenstift in Pfullingen, wo er als Beichtvater erwartet wird. Doch er wird dort nie ankommen: Ein Reiter fängt ihn in der Nähe von Asperg ab, bringt ihn um und raubt ihn aus. Zunächst einfach nur die Geschichte eines Mordes, wie sie zigfach auch in diesen Zeiten belegt ist.

Welche vielfältigen Bezüge sich aus diesem Vorfall ergeben, wurde in einem Vortrag deutlich, den Oleg Rusakovskiy letztens auf einem Workshop an der Uni Tübingen hielt. Er tat dies auf der Grundlage umfangreicher württembergischer Kriminalakten, die den mehr als zwei Jahre dauernden Prozeß zu diesem Mordfall dokumentieren. So versuchte auch Kurfürst Maximilian von Bayern Einfluß auf das Verfahren zu nehmen. Daß die Ermordung eines Ordensmanns auch in München registriert wurde, erstaunt vor allem deswegen, weil der Kurfürst angesichts der akuten militärischen Bedrohung durch die schwedische Armee eigentlich ganz andere Sorgen hatte.

Der ermordete Franziskaner besaß übrigens eine Salvaguardia, ausgestellt von der schwedischen Armee, die zu dem Zeitpunkt schon in Heilbronn stand. Er stand damit unter dem Schutz der schwedischen Waffen, der Mörder mißachtete also die Autorität des schwedischen Schutzbriefes. Dessen Situation konnte auch dadurch nicht besser werden, daß er, wie sich herausstellte, unter den schwedischen Fahnen als Kavallerist gedient hatte. Denn eigentlich achtete jede Armee genau darauf, daß ihre Militärgerichtsbarkeit beachtet wurde und sich andere, territoriale Gerichte hier nicht einmischten.

Gegen den unter Mordverdacht angeklagten Reiter wurden erdrückende Indizien beigebracht: In seinem Haus fand man mit dem Almosenkasten ein Beutestück, das der Mönch bei sich geführt hatte. Was konnte der Reiter da noch zu seiner Verteidigung beibringen? Er spielte die konfessionelle Karte und bediente sich Versatzstücke des antikatholischen Diskurses: Mit dem Verweis darauf, der Überfallene sei für ihn als Franziskaner ein „Schelm“ und „Landsverderber“, suchte er seine Untat zu rechtfertigen. Natürlich beurteilte der Franziskanerorden den Ermordeten ganz anders und erkannte in ihm einen Märtyrer des Glaubens.

Dies alles sind nur knappe Schlaglichter auf einen Vorfall, der gerade aus seiner Komplexität seinen großen Reiz gewinnt. Sicherlich sind derartige Geschichten nicht immer leicht zu entwirren, aber sie helfen doch, die Verhältnisse dieser Zeit ganz wunderbar zu veranschaulichen. Man kann sich jedenfalls darauf freuen, irgendwann einmal die komplette Analyse dieses Ereignisses nachlesen zu können. Dabei steht der Ausgang der Geschichte schon fest: Der Mörder des Franziskaners wurde zu einer Zahlung einer für seine Verhältnisse gewaltigen Summe Geld verurteilt – aber er kam immerhin mit dem Leben davon. Zumindest vorerst, denn einige Zeit später fand auch er ein gewaltsames Ende.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/295

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Politische Testamente aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs

„Was macht eine gute Regierung aus? Frühneuzeitliche Antworten im Spiegel ausgewählter Quellen“: Unter diesem Titel stand meine Veranstaltung des abgelaufenen Wintersemesters, in der ich mit einigen Studierenden intensive Quellenlektüre betrieben habe. Eine typische frühneuzeitliche Quellengattung für diese Thematik sind bekanntermaßen Politische Testamente. Ausgewählt hatte ich dasjenige des bayerischen Kurfürsten Maximilian aus dem Jahr 1641 sowie das des sächsischen Kurfürsten Johann Georg von 1652. Damit standen Texte der beiden vielleicht bedeutendsten und mächtigsten Reichsfürsten ihrer Zeit im Mittelpunkt. Beide Kurfürsten haben zudem gemein, dass sie während der gesamten 30 Kriegsjahre regiert haben.

Gerade vor dem Hintergrund war es reizvoll, beide Testamente parallel zu behandeln. Die in beiden Texten behandelten Inhalte ließen sich gut vergleichen: Natürlich spielte die Konfession eine große Rolle, zur Sprache kamen u.a. auch die politische Ausrichtung und das Verhältnis zu Kaiser und Reich und nicht zuletzt Hausangelegenheiten sowie die Regelung der Nachfolge im Herrscheramt. Dies alles sind Aspekte, die dazu beigetragen haben, daß die Forschung sie als wichtige Meilensteine auf dem Weg zur frühmodernen Staatswerdung begriffen hat. Dazu paßte auch das Anliegen der Fürsten, ihren Regelungen eine möglichst (rechts)verbindliche Form zu geben, die über das rein moralische Gewicht hinaus den verpflichtenden Charakter des Testaments verdeutlichen sollte. Oftmals sollte der Nachfolger eidlich auf die Bestimmungen des Testaments verpflichtet werden, im Falle der Minderjährigkeit eines Nachfolgers wurden andere Testamentsvollstrecker und Vormundschaften bestimmt; in manchen Fällen wurden auch die Landstände eingebunden.

Vor dem Hintergrund solcher Bemühungen um Absicherung bietet das kursächsische Testament besondere Befunde, wie sich zunächst an der kaiserlichen Konfirmation zeigt, die einige Monate später, aber auch noch im Jahr 1652 eingeholt wurde. Vor allem aber wurde Johann Georgs Verfügung zusammen mit der kaiserlichen Konfirmation ungefähr im Jahr 1657 publiziert. Hier wurde also ganz bewußt und offensiv die Öffentlichkeit gesucht. Bemerkenswert ist dies insofern, als derartige Dokumente ansonsten dem arkanen Bereich des Politischen zugeordnet wurden; daß dieses Testament bereits zeitgenössisch in den Druck gegeben wurde, erscheint außergewöhnlich.

Wie läßt sich nun erklären, daß man in Kursachsen in dem Fall einen anderen Weg wählte? Man wird die Publikation kaum als voraufklärerischen Schritt bezeichnen, im Zuge dessen Kursachsen nun seine politischen Prinzipien der Reichsöffentlichkeit offen darzulegen sich anschickte. Man weiß vielmehr, daß der Kurfürst zu Lebzeiten die Nachfolgeregelung nicht bekannt machte, um internen Streit zu vermeiden (auch auf die Verpflichtung der Söhne auf das Testament durch deren Unterschriften hatte er verzichtet, wie ein Kodizill von 1653 erkennen ließ). Allerdings waren die Spannungen nach seinem Tod im Hause Wettin umso heftiger, und der Entschluß zur Publikation des Testaments war offenbar eine Flucht nach vorn gewesen, von der man sich eine stabilisierende Wirkung erhoffte. Gleichzeitig läßt sich daran erkennen, wie verzweifelt man um den Bestand jener Regelung kämpfte, die Kurfürst Johann Georg im Jahr 1652 verabschiedet hatte.

Beide Texte sind übrigens gut verfügbar. Maximilians Testament liegt bequem in der bekannten Edition der Politischen Testamente von Heinz Duchhardt vor (1986) sowie in der Ausgabe der Dokumente zur Geschichte von Staat und Gesellschaft in Bayern (bearb.v. Walter Ziegler, 1992). Das sächsische Pendant ist ca. 1657 im Druck erschienen; dieser ist mehrfach im VD17 nachgewiesen und als Digitalisat frei verfügbar (Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Sammlung Ponickau). Für den universitären Unterricht hat sich der Mix aus zeitgenössischem Druck und moderner Edition gut bewährt: hier der Reiz des Authentischen, dort die moderne wissenschaftliche Aufbereitung einer Quelle. Anspruchsvoll für Studierende bleiben freilich beide Texte, das bedingen schon die frühneuhochdeutsche Sprache und der Inhalt.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/100

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