Krainhagen, Gelsenkirchen-Buer und Gelsenkirchen-Horst

Ich schreibe an einer kleinen Ortsgeschichte mit, das Dorf liegt in Niedersachsen und ich lande mit meinen Recherchen relativ schnell im Ruhrgebiet. Das liegt ein wenig am Dorf selbst, denn es erfüllt nicht die Erwartungen, die viele an ein "Dorf" haben. Erst als späte Gründung um 1600 entstanden, lebten hier seit ca. 1800 vorwiegend Bergleute und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Glasmacher. Vielen wanderten zu, weil Krainhagen wegen der Industriebetriebe im benachbarten Obernkirchen ein guter Wohnstandort war. Zwar kamen die meisten aus benachbarten schaumburgischen und (weniger) schaumburg-lippischen Dörfern, doch es läßt sich auch eine größere Zahl nachweisen, die aus Westfalen nach Krainhagen gekommen war.

Das ist das spannende an diesem Projekt: Dorf nicht als statischer Siedlungs-"Raum", sondern als Teil eines regionalen und sogar überregionalen Netzwerkes, als oft vorübergehende Station von Menschen und Familien, als pulsierender Kristallationspunkt von Biografien. Während eine traditonelle Dorfgeschichte immer in dem Wechselspiel zwischen Landschaftsraum, "Boden" und Menschen stattfindet, sind die Bezugspunkte hier anders: Landschaft war erst Belastung (Hanglage, wenig Grundwasser), während zwar auch die Landschaft, aber in Form von Bodenschätzen relevant war. Mobilität und Migration in das Dorf und aus dem Dorf heraus (für das 19. Jahrhundert konnte ich - eigentlich nicht überraschend - eine große Zahl von jungen Frauen nachweisen, die auf der Suche nach Arbeit meist als Hausmädchen das Dorf verließen) bilden wichtige Elemente der Dorfgeschichte. Ohne sie wäre auch nicht eine starke Arbeiterbewegung zu verstehen, die es hier - also in Krainhagen und Obernkirchen - auch gab.

In diesem Fall bin ich aber aus anderen Zusammenhängen in Gelsenkirchen-Horst oder Gelsenkirchen-Buer gelandet. Hier hatte es im November 1944 schwere Luftangriffe gegeben, weshalb in zwei größeren Transporten vor allem junge Mütter mit ihren Kleinkindern in ländliche Gebiete verschickt wurden. Ca. 70 verschlug es nach Krainhagen. Bei einer kleinen Internetrecherche und einem - zugegeben etwas oberflächlichen - Vergleich mit hannoverschen Webseiten musste ich feststellen, dass die lokale Geschichtsarbeit nicht nur in den frühen 80er Jahren vorbildlich war (Stchwort Hochlarmarker Lesebuch), sondern es auch im Netz sehr detaillierte Darstellungen zum Zweiten Weltkrieg gibt, etwa bei den Gelsenkirchener Geschichten oder im Gelsenzentrum. Das Internet als eine neue Chance, abseits von traditionellen Instutionen und Wegen die eigene Geschichte zu schreiben, wird offenbar in Regionen wie dem Ruhrgebiet intensiver genutzt als in Regionen wie Hannover.

Quelle: http://digireg.twoday.net/stories/19449397/

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aventinus recensio Nr. 25 [31.05.2011]: Hans-Joachim Gehrke / Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch. 3., erw. Auflage. Stuttgart / Weimar: J. B. Metzler 2010

http://www.aventinus-online.de/recensio/altertum/art/Rezension_Hans-1/html/ca/7de540b5c9a46046079fb63612d116cc/?tx_mediadb_pi1[maxItems]=10 Seit die Geschichte der Antike im Jahr 2000 zum ersten Mal herausgegeben wurde, hat sie einen herausragenden Platz als universitäres Einführungswerk in die Alten Geschichte eingenommen. Inzwischen ist die dritte, erweiterte Auflage erschienen.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2011/05/1389/

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«Jefe» Franco? Wie krass ist das denn?

Von der Empörung, die das Erscheinen des spanischen biographischen Lexikon in der spanischen Öffentlichkeit ausgelöst hat, erfahren wir dank Kollege Eisenmengers Sprachkompetenz in seinem ausführlichen Berichts. Im besagten Lexikon, das eben erschienen ist, wird Francisco Franco als “Generalisimo e jefe del Estado español” bezeichnet, ja, fast gefeiert (PDF-Auszug: hier). Dass die Verfolgungen politischer Gegner nicht [...]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/5449

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Wider abgeschmackte Hausschilder

Während der Regierungszeit Josephs II. bereist Philip Ludwig Hermann Roeder u. a. Wien und notiert dabei folgende Beobachtungen:

Jedes Haus hat seine Nummer, manche zwey; das Trattnerische Haus hat sechs Nummern – und meist auch einen Schild, der entweder wie die Schilde an den Wirthshäusern, an einer Stange hängt, oder an einer Tafel angehängt ist. Diese hängenden Schilde verunstalten die Gassen noch mehr, und man sieht nicht nur die abgeschmacktesten Gedanken, sondern auch die elendesten Kleckereyen daran. So hat ein Haus am Graben einen goldnen Rosenkranz zum Schilde, mit der ganz unsinnigen Auffschrift zum goldnen Beten. Eines in der Leopoldstadt hat ein goldnes Dreyeck, in welchem ein Aug ist; dieses heißt das goldne Aug Gottes.

[Roeder, Philip Ludwig Hermann:] Reisen durch das südliche Teutschland. Leipzig/Klagenfurt: Crusius/Walliser, 1789, Band 1, S. 207.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/19447047/

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Relevanz von Geschichte

Mit Erstaunen schaue ich dieses Frühjahr öfter in die amerikanische Geschichts-Blogosphäre und auf die Geschehnisse, von denen dort berichtet wird.

Vor kurzem wieder ein Beitrag, der zwar sehr offensichtlich die gesellschaftliche und vor allem politische Relevanz von Geschichte zeigt, dies aber leider an einem Negativ-Beispiel. Worum geht’s?

In dem Blog der Historical Society schrieb Heather Cox Richardson (Professorin an der University of Massachusetts, Schwerpunkt Amerikanischer Bürgerkrieg) im September 2010 hoffnungsvoll über eine neue Richtlinie, dass Lehrpläne nicht mehr so stark ans Schulbuch gebunden seien, sondern Lehrer (und HomeSchool Teacher) animiert werden auch Quellen, die im Internet verfügbar sind, zu benutzen. Mitte dieses Monats musste sie jedoch ihre Hoffnung auf einen ausgewogeneren Geschichtsunterricht durch zusätzliche Materialien begraben. Die neue Richtlinie ermöglicht es allen, Unterrichtsmaterialien zur Verfügung zu stellen, so auch einer Firma eines Republikaners, die Videos mit sehr eingeschränkter und unkritischer Sicht auf die amerikanische Geschichte als Unterrichtsmaterial zur Verfügung stellt. Aber bildet Euch selbst über die Qualität der Videos Eure Meinung.

Es bleibt festzuhalten, dass Geschichtsunterricht von politischen Parteien zur Einflussnahme genutzt werden kann, mit klar positionierter Geschichtspolitik.

Die enge Verbindung von Geschichtswissenschaft, Geschichtspolitik und aktueller Politik wird ebenfalls an dem “Fall Cronon” von März 2011 deutlich: Ein Professor der University of Wisconsin, William Cronon, schreibt einen kritischen Artikel in seinem Blog und in der New York Times über den historischen Kontext aktueller politischer Ereignisse in Wisconsin. Der republikanischen Partei gefällt dieser Artikel nicht so *Achtung Sarkasmus*, also versucht sie, mit Hilfe eines “Recht auf Information-Gesetzes” Zugriff auf die offiziellen Emails von Cronon zu bekommen – nach Sicht diverser wissenschaftlicher Vereinigungen, die zu dem Fall Stellung bezogen, einzig in der Hoffung, ihm Verfehlungen nachzuweisen und ihn und andere einzuschüchtern. Das Vorgehen der Partei, eben nicht inhaltlich Stellung zum Artikel zu beziehen, sondern den Historiker einzuschüchtern und/oder bloßzustellen, wird besonders kritisiert, z.B. mehrfach von Anthony Grafton hier und hier.  Nur gut, dass Mr Cronon ein gestandener Historiker ist oder wie Mr Grafton es formuliert: “Happily, Cronon has been toughened by decades of academic life. He’ll be blogging—and teaching and writing—long after Wisconsin voters have sent these Republicans back to obscurity.” (Read more http://www.newyorker.com/online/blogs/newsdesk/2011/03/wisconsin-the-cronon-affair.html#ixzz1NrGgQLI4)

Positiv gewendet bedeuten diese ganzen Vorfälle in den USA, dass zumindest die Konservativen der Vergangenheit große Wirkmacht auf/für die Gegenwart zusprechen und sie daher die Deutungshoheit bekommen wollen.
Vergleichbares fällt mir in Europa nicht ein, möglicherweise ist es hier aber subtiler oder Historisches wird weniger als Argument genutzt?

Quelle: http://csarti.net/2011/05/relevanz-von-geschichte/

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Utopie und Ideologie: Wohlstand und Glück in der Diktatur

MONTAGSRADIO, Ausgabe 08/2011. Wir sind im Gespräch mit Stefan Wolle, dem wissenschaftlichen Leiter des DDR-Museums. Im Frühjahr 2011 wurde sein neues Buch “Aufbruch nach Utopia” veröffentlicht. Zudem im MONTAGSRADIO: Gastmoderator Alexander Lahl, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neuere Geschichte an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder).

Absurder kann es kaum klingen. Kurz nach dem Bau der Mauer ruft die DDR-Führung zum Aufbruch in eine moderne sozialistische Gesellschaft auf und stellt Reformen mit dem Ziel einer sorgenfreien Zukunft in Aussicht. Gleichberechtigung für alle, Produkte im Überfluss und ständiger Weltfrieden. Etwa ein Jahrzehnt lang kommt es zu leichten Liberalisierungen in der starren Planwirtschaft und Kulturlandschaft der DDR. Die gewaltsame Niederschlagung des Prager Frühlings im Herbst 1968 begräbt jedoch jegliche Hoffnungen endgültig.
Wie passt das zusammen? Verstärkte Repressalien auf der einen Seite gegenüber einer liberalen Zukunftseuphorie auf der anderen Seite? Bediente sich die DDR-Führung einer strategischen Methode oder glaubte sie tatsächlich an ihr utopisches Konzept?

Wir sprechen mit Stefan Wolle über die Visionen von “Utopia” und darüber, welche Reformen es in der DDR der 60er Jahre tatsächlich gegeben hat. Wie erscheint dieses Konzept der DDR-Führung im Gesamtkontext der Ost-Westkonfrontation und bedeutete das Ende dieses Konflikts auch gleichzeitig das Ende utopischer Ideologien in unserer heutigen Gesellschaft? Wo treffen wir heute noch auf solche Gedanken?

Das Buch von Stefan Wolle: “Aufbruch nach Utopia. Alltag und Herrschaft in der DDR 1961 – 1971.” ist im Frühjahr 2011 im Ch. Links Verlag erschienen.

Und hier ist noch die Timeline des Gesprächs:

3:30 Wie kann man sich den Ort Utopia vorstellen?

11:00 Hat die Führung der DDR auch an ein utopisches Konzept geglaubt?

17:00 Wirtschaftsmodernisierung in der DDR

21:30 Filme mit Liberalisierungspotential in der DDR

32:30 Ist der Sozialismus der DDR die praktizierte Erlösung im Diesseits?

33:30 Das Menschenbild des Sozialismus

36:30 Können wir heute aus den 60er Jahren der DDR etwas lernen?

38:45 Fehlen unserer heutigen Gesellschaft utopisch Visionen?

41:00 Wo wird heute noch über Utopie nachgedacht?

44:30 Wie Stefan Wolle selbst die 60er Jahre der DDR erlebt hat.

48:00 Der MONTAGSRADIO-Fragebogen

Quelle: http://www.montagsradio.de/2011/05/30/utopie-und-ideologie-wohlstand-und-gluck-in-der-diktatur/

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