Fundstücke

Von Stefan Sasse

- "Unsere Mütter, unsere Väter" in amerikanischer Rezeption

-  De Re Militari - Englischsprachige Seite über Kriegführung im Mittelalter

- Ausstellungen zum 100jährigen Weltkriegsjubiläum.

- "Polnische Konzentrationslager" - Warum muss man Leuten ernsthaft sagen, dass man diese Begriffe nicht in einen semantischen Zusammenhang stellen sollte? 

Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2014/02/fundstucke_17.html

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Zeitgemäß publizieren?

von Fabian Steiner und Max Trecker

EDIT: Der Videomitschnitt wird ab Mittwoch (19.02.14) auf dem L.I.S.A. Portal der Gerda Henkel Stiftung abrufbar sein.

Die vom ZEP der BSB, dem Institut für Kunstgeschichte der LMU und dem GraduateCenterLMU am 11. Februar 2014 veranstaltete Podiumsdiskussion “Nachwuchswissenschaftler, Verlage, Bibliotheken & Open Access. Zeitgemäßes Publizieren in den Geisteswissenschaften” war prominent besetzt und stieß verdientermaßen auf reges Interesse. Als kurzer Bericht und um die Diskussion auch online weiterführen zu können sind hier einige vorgebrachte Punkte kurz zusammengefasst.

Kosten und Nutzen von OA

Thierry Chervel eröffnete die Veranstaltung mit der Feststellung, niemand habe mit dem Internet gerechnet und stellte die Frage in den Raum, was der Nachwuchs nun an dieser Epochenschwelle tun solle. Nicht um eine Antwort verlegen gelang Dr. Lilian Landes mit ihren Ausführungen zu Green und Gold Open Access (OA) und der Bedeutung des digitalen Wandels für den widersprüchlich beratenen wissenschaftlichen Nachwuchs eine Einleitung, die klar Stellung bezog und vielfältige Anknüpfungspunkte bot. Wichtig für die weitere Diskussion war ihre These einer breiten Digitalisierungsskepsis und ihre Frage nach der zukünftigen Rolle der Verlage. Dass Doktorarbeiten gegenwärtig nach Erscheinen im Schnitt keine drei Leser finden, steht in scharfem Gegensatz zu der “einzigen Währung” für den wissenschaftlichen Nachwuchs: Sichtbarkeit.

Der Präsident der Ludwig-Maximilians-Universität München Prof. Dr. Bernd Huber wies auf das EU-Förderprogramm Horizont 2020 hin, in dem eine klare Position zum Thema OA bezogen würde. Er bekräftigte die Wichtigkeit des Themas und gab zugleich zu, selbst über nur unzureichende Expertise auf dem Feld zu verfügen. Als Präsident einer überwiegend aus Steuermitteln finanzierten Universität und Ökonom stellte er mit Bezug auf Wissenschaft als öffentliches Gut die Frage: wer zahlt? Die von ihm angesprochenen neuen Lizenzmodelle gingen in der weiteren Diskussion etwas unter, die Finanzierung von OA blieb jedoch ein zentrales Thema.

Darauf ging auch Dr. Klaus Ceynowa als stellvertretender Generaldirektor der Bayerischen Staatsbibliothek ein. Er führte aus, dass der häufig vorgeschlagene Weg hybrider Publikationen (sowohl gedruckt als auch OA) mit großem zusätzlichem Aufwand verbunden sei und damit letztlich die teuerste Option darstelle. Direkt vom digitalen Wandel betroffen, würden Bibliotheken schon heute ihre Arbeitsweise anpassen, Expertise aufbauen und neue Formen der Kooperation finden. Es könne nicht sein, dass hunderte Repositorien nebeneinander existieren, ohne miteinander vernetzt zu sein. Abhilfe und weitaus grössere Sichtbarkeit können über Metadaten verlinkte Repositorien schaffen. Als Beispiele für die künftige mögliche Entwicklung verwies er auf Europeana und die DDB.

Dass Druckkostenzuschüsse ein Ärgernis darstellen, erkannte auch Dr. Stefan von der Lahr an, Lektor im Verlag C. H. Beck. Ihm war es wichtig klarzustellen, dass OA nicht als eine Auseinandersetzung zwischen Autoren und Verlagen zu sehen sei. Die Wurzeln von OA sieht er in den Vereinigten Staaten, als Antwort auf die Zeitschriftenkrise und die massenhafte Kündigung von Abonnements durch Bibliotheken infolge starker Budgetkürzungen Anfang der neunziger Jahre. Auch er warnte zugleich davor, digitales Publizieren als per se kostengünstiger anzusehen als das klassische Buch und bezog sich dabei auf den Artikel Pixel Dust von Johanna Drucker. Unabhängig davon müsse sich die Verlagslandschaft grundlegend den neuen technischen Möglichkeiten anpassen, was gerade kleinen Verlagen schwer fallen könnte. Durch ihre Rolle des Qualitätsmanagements sieht er ihre Daseinsberechtigung jedoch nicht in Frage gestellt. Ohne professionelle Begleitung durch einen Verlag könne ein Nachwuchswissenschaftler, zugespitzt formuliert, seine Dissertations- oder Habilitationsschrift auch an der Bushaltestelle verteilen.

Gedruckte Qualität?

Prof. Dr. Martin Schulze Wessel bekannte sich als Vorsitzender des Verbands der Historiker und Historikerinnen Deutschlands zu gedruckten Büchern als komfortabelstem Umgang mit wissenschaftlichen Publikationen. Er wies darauf hin, dass nicht die materielle Beschaffung von Büchern, sondern die inhaltliche Aneignung weitaus am meisten Zeit beanspruche und äußerte sich prägnant: “Die große Erzählung bedarf weiterhin des gedruckten Buches”. In welcher Sprache die Publikation dann erscheint hängt seinem Votum nach entscheidend von dem Fachgebiet und dem Publikum ab, eine mehrsprachige Publikation könne daher durchaus Sinn machen, sei aber kein Muss.

Nicht nur physisch am anderen Ende des Tisches sondern auch in seiner inhaltlichen Position am weitesten entfernt antwortete der Dekan der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der LMU Prof. Dr. Hubertus Kohle mit einem Plädoyer für Maschinenlesbares. Er wies mit einer Anekdote auf die um ein vielfaches höhere Zitierung von OA publizierten Artikeln hin. Er sieht großes Potential für IT gestützte Verfahren in den Geisteswissenschaften, deren Durchbruch nur noch eine Frage der Zeit sei. Im Bezug auf das Format “Buch” als Endziel von Promotion und Habilitation bezweifelte er, ob die zwei Bücher denn wirklich gelesen würden.

Diesen Vorwurf wies in erster Linie Prof. Schulze Wessel zurück. Er betonte, dass Dissertationen und Habilitationen sehr genau gelesen würden und deutete an, dass auch die digitale Revolution nichts an der Voreingenommenheit der Wissenschaftsgemeinde gegenüber der Reputation des Autors und dem Ort einer Publikation ändern würde. Prof. Kohle kritisierte schließlich, dass Verlage alles publizieren würden solange Zuschüsse bezahlt werden. Sollten Verlage nicht offener auf OA eingehen, drohe eine Abwanderung von Wissenschaftlern.

Die vom Publikum im Anschluss an die Podiumsdiskussion gestellten Fragen zeigten sowohl die Relevanz des Themas für Nachwuchswissenschaftler als auch dessen bisherige Vernachlässigung im deutschsprachigen Raum. In den Fragen äußerten sich mit der Digitalisierung verbundene Ängste wie die Furcht, im Internet wesentlich einfacher plagiiert werden zu können, aber auch viel Unwissenheit und Ratlosigkeit. Deutlich wurde auch die Unzufriedenheit des wissenschaftlichen Nachwuchses mit der etablierten Praxis vieler Verlage. Nicht Sichtbarkeit alleine helfe Nachwuchswissenschaftlern, sondern wenn digitale Publikationen ernst genommen würden. Die Freiheit der neuen Medien müsse als Chance begriffen werden.

Reaktionen auf Twitter

Bereits vor dem Anfang der Podiumsdiskussion fand sich auf Twitter ein erstes Echo: Einen Hashtag hätten sich Tanja Praske und Christian Gries gewünscht, @swimtt in Anbetracht der Teilnehmerzahl auch die Anwesenheit von Pressevertretern. Während der Veranstaltung wurde die Diskussion ausführlich wiedergegeben, praktisch in Echtzeit durch stichpunktartige Zusammenfassungen und prägnante Zitate. Neben den hier bereits ausgeführten groben Linien der Diskussion wurde auf eine Vielzahl weiterer Aspekte eingegangen, so beispielsweise auf die von Prof. Kohle angeführten Druckkosten einer kunstgeschichtlichen Publikation (zwischen 3.000 und 30.000 Euro) und die jährlich sieben Millionen Euro Abokosten der BSB für 62.500 Zeitschriften.

Bei einer flüchtigen Durchsicht der Beiträge sprechen sich alle Kommentare dediziert für OA aus – auch für die eigene Dissertation. Indirekt antwortete auch der O’Reilly Verlag und wehrte sich mit lächelndem Smilie gegen den Vorwurf, Verlage würden alles publizieren so lange Druckkostenzuschüsse gezahlt werden. Erstaunliche Entspanntheit wurde der Diskussion bescheinigt und in die Runde gefragt, ob der “weiche warme Hippie-Kitsch” von 2013 verdampft sei. Trotz der entspannten Diskussion zeigte sich Andrea Hacker erstaunt über die “blatant disconnect between junior researchers & decision makers“, die scheinbar von fehlender Informiertheit letzterer herrühre. Dass bei der Diskussion durchaus Emotionen dabei waren, zeigen nicht zuletzt die Reaktionen von Prof. Kohle einen Tag nach der Diskussion, die hier in ihrem Kontext unkommentiert dargestellt werden:

 

Wenn ich mich doch nicht immer so aufregen würde … http://t.co/6MDzF18il1

— Hubertus Kohle (@hkohle) February 12, 2014

@hkohle Worüber denn konkret?

— Marko Demantowsky (@mdemanto) February 12, 2014

@mdemanto Falschmedungen in Sachen OA, die im Mantel der Abendlands-Verteidigung daherkommen

— Hubertus Kohle (@hkohle) February 12, 2014

@hkohle Der Inhalt der Mitteilungen ist weitgehend irrelevant, auch ihr Wahrheitsgehalt. Auf die Haltung kommt es an. #abendland @mdemanto

— Erbloggtes (@Erbloggtes) February 12, 2014

@Erbloggtes @hkohle Ja, es ist ein dummer Topos. Und die geistlose Redundanz macht es besonders ärgerlich.

— Marko Demantowsky (@mdemanto) February 12, 2014

Open access überflüssig. Wir gehen alle zu Beck und machen es wie Jürgen Osterhammel: http://t.co/6MDzF18il1

— Hubertus Kohle (@hkohle) February 12, 2014

@hkohle … oder wer zieht die Bushaltestelle für den Vertrieb seines Buches vor? #oa #verlage

— Claudie Paye (@naponaps) February 12, 2014

@naponaps @hkohle Und erst das hochseriöse Peer Reviewing! Nur von Verlagen durchführbar [auf Kosten des Steuerzahlers selbstredend]. #oa

— swimtt (@swimtt) February 12, 2014

@swimtt @naponaps @hkohle Der Präsident gab zu, keine Ahnung von OA zu haben. Wäre das ein MOOC gewesen; ich hätte den Browser geschlossen.

— Sabine Scherz (@SabineScherz) February 12, 2014

@SabineScherz @naponaps @hkohle Einspruch. Eindeutiger Erfolg des Abends: Jetzt HAT er sich damit beschäftigt u.d. Interesse gesehen (=Ziel)

— swimtt (@swimtt) February 12, 2014

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/668

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Die Urkunden des Schwarzwälder Prämonstratenserstifts Allerheiligen sind digitalisiert

Ein Gastbeitrag von Kurt Andermann:

Allerheiligen im Schwarzwald ist dem Wanderer bekannt durch seine spektakulären Wasserfälle und seine stimmungsvolle Kirchenruine. Das einst dazugehörige Prämonstratenser-Chorherrenstift, das am Ende des 12. Jahrhunderts durch Uta von Schauenburg gegründet wurde und bis 1802 Bestand hatte, ist gewissermaßen zu neuem Leben erweckt, indem seine Urkunden, die seit 1805 im Generallandesarchiv Karlsruhe verwahrt werden, inzwischen im Internet für jedermann weltweit frei einsehbar und benutzbar sind.

Es handelt sich um einen Bestand (GLAK 34) von knapp 1750 Urkunden aus sechs Jahrhunderten, die für die Lan­des-, Orts- und Kirchengeschichte beiderseits des mittleren Oberrheins von großer Bedeutung sind.

Im Rahmen des ‚Virtuellen deutschen Urkundennetzwerks‘ konnten alle diese Dokumente aus Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft nicht allein mit ihren Vorderseiten, sondern auch mit ihren Rückseiten hochauflösend digitalisiert werden, so dass Forscher künf­tig von ihren heimischen Schreibtischen aus bequem über alle auf den alten Pergamenten überlieferten schriftlichen Informationen verfügen können. Davon profitieren nicht allein die Historiker aus nah und fern, sondern auch die alten Urkunden selbst, weil die Originale fortan nur noch in seltenen Ausnahmefällen beansprucht werden müssen und so zum Nutzen ihrer Erhaltung für viele weitere Jahrhunderte angemessen geschont werden können.

Link zum Bestand beim GLA Karlsruhe

Link zum Bestand beim ‚Virtuellen deutschen Urkundennetzwerk‘

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/294

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P.R.I.M.E. – DAAD kündigt neues Förderprogramm für PostDocs an (12 Monate Ausland, 6 Monate Reintegration an dt. Hochschule)

Der DAAD hat ein neues Förderangebot für Postdocs angekündigt. Die Förderdauer umfasst insgesamt 18 Monate: 12 Monate Auslandsaufenthalt und 6 Monate (Re-)Integrationsphase an einer deutschen Hochschule. Dabei handelt es sich nicht um ein Stipendium sondern um die Finanzierung einer entsprechenden … Continue reading

Quelle: http://dfmfa.hypotheses.org/766

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Pressefotografie

„Migrant Mother“, Fotografin: Dorothea Lange, Kalifornien, USA 1936 Das Bild zeigt Florence Owens Thompson, 32 Jahre alt, mit drei ihrer Kinder 1936 in Kalifornien. Die berühmt gewordene Fotografie ist unter dem Titel „Migrant Mother“ in die Fotogeschichte eingegangen. Die Library of Congress untertitelt das Bild so: „Destitute pea pickers in California. Mother of seven children. Age thirty-two. Nipomo, California.“ Das Foto entstand im Auftrag der Farm Security Administration (FSA), einer von Frankling D. Roosevelt 1937 gegründeten Organisation, die der armen Landbevölkerung helfen sollte und die Zeit der „Great Depression“ fotografisch dokumentiert hat. Quelle: United States Government. Dorothea Lange's "Migrant Mother": Photographs in the Farm Security Administration Collection: An Overview. Prints and Photographs Reading Room. Library of Congress, United States Goverment, Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain

 

Unter den Begriff der Pressefotografie fallen im engeren Sinn all diejenigen Fotografien, die zum Zweck der Verbreitung in Zeitungen und Zeitschriften aufgenommen werden. Im erweiterten Sinn fallen darunter zudem auch solche Fotografien, die in einem anderen Kontext (zum Beispiel Wissenschaft, Wirtschaft oder Kunst) aufgenommen und dann in Zeitungen oder Zeitschriften publiziert wurden.[1] Darüber hinaus bezeichnet der Begriff der Pressefotografie ein Berufsbild, dessen Protagonisten das Ziel verfolgen, die Öffentlichkeit über regelmäßig erscheinende Printmedien mit Bildern zu versorgen.[2] Dieses Berufsfeld entstand im Verlauf des 19. Jahrhunderts[3] und etablierte sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts, mit der Einführung der Autotypie als neuem Standardverfahren zur Reproduktion von Fotografien, als fester Bestandteil der modernen Medienlandschaft.[4] Waren Zeitschriften anfangs mit Hilfe von Holzschnitten illustriert worden – zum Teil auch mit Holzschnitten, die Fotografien reproduzierten –, erlaubte das Verfahren der Autotypie erstmals den seriellen Abdruck von Fotografien.[5]

 

Leica II mit Canon F1.4 50mm, 16. Mai 2005, Foto: Takekazu Omi from Wako, Japan (CC)

Leica II mit Canon F1.4 50mm, 16. Mai 2005, Foto: Takekazu Omi, Wako, Japan
Quelle: Flickr, Lizenz: CC

 

Illustrierte Zeitschriften und Bildagenturen

Die Entwicklung der Pressefotografie steht also in engem Zusammenhang mit dem Aufkommen illustrierter Zeitschriften, deren Geschichte bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht und die in den 1920er-Jahren eine enorme Expansion erlebten. Ausschlaggebend hierfür war einerseits das vermehrte Angebot an Fotografien, das auf die Einführung von Kleinbildkameras in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre zurückzuführen ist, andererseits die wachsende Nachfrage nach dokumentarischen und illustrativen Fotografien seitens der Magazine.[6] Mit dem Foto-Essay entwickelte sich zudem ein neues Format, das nicht mehr text-, sondern bildbasiert war. Die Funktion der Fotografien war nun nicht mehr die der Illustration von Text, sondern die der Narration, wobei der Text umgekehrt eine ergänzende Funktion übernahm. Autor des Fotoessays war an erster Stelle der Fotograf, nicht der Verfasser des Textes, sofern dieser nicht mit der Person des Fotografen identisch war. Diese Zeitschriften bildeten eine für das 20. Jahrhundert spezifische Form der visuellen Öffentlichkeit, deren Bedeutung erst mit der Verbreitung des Fernsehens wieder deutlich abnahm. Zu den führenden illustrierten Zeitschriften gehörten in Deutschland die „Münchner Illustrierte Presse“, die „Berliner Illustrirte Zeitung“ und die „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ (AIZ), in Großbritannien die „Picture Post“, das US-amerikanische „Life Magazine“, in Frankreich „Vu“ und „Regards“ sowie „Asahi Graph“ in Japan.

 

Titelbild "Life", 19. Juli 1943 Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: gemeinfrei

Titelbild „Life Magazine“, 19. Juli 1943
Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: gemeinfrei

Titelbild des japanischen Wochenmagazins "Asahigraph", Vol. 31, No. 1, 6. Juli 1938 Urheber: The Tokyo Asahi Shimbun Publishing Co., Ltd., Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC

Titelbild des japanischen Wochenmagazins „Asahi Graph“, Vol. 31, No. 1, 6. Juli 1938, Urheber: The Tokyo Asahi Shimbun Publishing Co., Ltd., Quelle: Wikimedia Commons, Lizenz: CC

Da die Fotografie ein von der Sprache unabhängiges Medium ist, wurden Fotos bzw. Fotoserien bald nicht mehr nur auf dem nationalen Markt verkauft, sondern international gehandelt. Dabei profitierten die Redaktionen von der Entstehung von Bildarchiven und Bildagenturen, die häufig zunächst als Unterabteilungen von Presseagenturen (wie Associated Press/AP Images) oder Verlagen (Ullstein/Ullstein Bilderdienst) eingerichtet wurden, zum Teil aber auch unabhängig operierten (Keystone, Dephot, später Magnum). Neben London und Paris entwickelte sich das Berlin der Weimarer Zeit schnell zu einem der Zentren des europäischen Fotohandels.[7] Hier gründete Simon Guttmann Ende 1928 die Agentur Dephot, die sich auf die Vermarktung ganzer Fotoserien bzw. -essays in enger Zusammenarbeit mit einem Pool von festangestellten sowie freiberuflich tätigen Fotografen spezialisierte (darunter Otto Umbehr und Endre Friedmann alias Robert Capa).[8] Anders als bei anderen Agenturen blieben die für Dephot tätigen Fotografen im Besitz ihrer Bildrechte, weshalb die Agentur wiederholt als Vorläufer der 1947 in New York gegründeten Agentur Magnum bezeichnet worden ist.

 

Neue Berufsbilder

Neben dem Aufkommen von Kleinbildkameras und der Expansion der illustrierten Zeitschriften ist die Entwicklung neuer Berufsbilder als dritter Faktor für den Erfolg des Fotojournalismus zu nennen. Dazu gehörte zum einen der Pressefotograf, zum anderen der Bildredakteur, der für die Auswahl, Bearbeitung und Kontextualisierung der Fotografien zuständig war, und schließlich der Bildagent, der Bilder von Fotografen ankaufte, um sie an die Redaktionen von Zeitungen, Zeitschriften und Verlagen weiterzuverkaufen. Zu den Fähigkeiten, die einen guten Pressefotografen auszeichneten, gehörte – neben dem „guten Auge“ – vor allem die Fähigkeit, sehr schnell zu arbeiten. Maßgeblich für den Erfolg der Fotografen und Agenturen war nämlich die Garantie von Tagesaktualität durch schnelles Arbeiten und kurze Wege zwischen dem Ort des Geschehens und der Redaktion. Bereits 1911 erklärte Paul Knoll, Leiter der Illustrations-Zentrale des Berliner Scherl-Verlags, nach seinem Eindruck sei für die Berichterstattung über aktuelle Vorgänge stets „das Material jenes Photographen durch die Redaktion erworben worden, der mit seinen Einsendungen zuerst zur Stelle war“.[9] Sowohl von den Studiofotografen als auch von den Kunstfotografen unterschied sich der Pressefotograf also durch sein Zeitmanagement, das schnelles Reagieren auf unerwartete Ereignisse erzwang; darüber hinaus verfügten Pressefotografen in den allermeisten Fällen nicht über eine Ausbildung, sondern begannen als Amateure und Autodidakten.[10] Gleichzeitig aber zeigte sich, dass erfolgreiche Pressefotografen oft außergewöhnlich reisefreudige Menschen waren, was ihnen die Tätigkeit an verschiedenen, oft weit voneinander entfernten Orten erleichterte. Letzteres sollte sich vor allem für diejenigen Fotografen als großer Vorteil erweisen, die Deutschland in den dreißiger Jahren verlassen mussten. Die nationalsozialistische Gleichschaltung nämlich bereitete dem Boom der illustrierten Presse ein jähes Ende.[11] Die Tätigkeit des Fotojournalisten erforderte nun eine Mitgliedschaft im Reichsverband der Deutschen Presse (RDP), die den Juden verweigert wurde. Zusammen mit einigen wenigen nichtjüdischen Deutschen, die das neue Regime ablehnten, verließen sie das Land und bauten sich eine Existenz im westeuropäischen oder US-amerikanischen Exil auf.[12] Zentren des Bildjournalismus waren fortan London, Paris und New York sowie Tokio für den ostasiatischen Raum.

Berlin, Pressefotograf auf der Quadriga, Januar 1930 Originalbildunterschrift: „Die Jagd nach der Sensation, der Pressephotograph bei der Arbeit! Hoch zu Ross. Der Pressfotograf auf der Quadriga des Brandenburger Tors bei der Arbeit.“ Fotograf: unbekannt, Aktuelle-Bilder-Centrale, Georg Pahl (Bild 102), Quelle: Wikimedia Commons Bundesarchiv Bild 102-09031

Berlin, Pressefotograf auf der Quadriga, Januar 1930
Originalbildunterschrift: „Die Jagd nach der Sensation, der Pressephotograph bei der Arbeit! Hoch zu Ross. Der Pressfotograf auf der Quadriga des Brandenburger Tors bei der Arbeit.“
Fotograf: unbekannt, Aktuelle-Bilder-Centrale, Georg Pahl (Bild 102), Quelle: Wikimedia Commons Bundesarchiv Bild 102-09031, Lizenz: CC

Themen der Fotografie

Zu einem der weltweit bekanntesten und einflussreichsten illustrierten Magazine entwickelte sich das in New York herausgegebene „Life Magazine“, das erstmals 1936 erschien und von dem der Verleger Henry R. Luce einmal behauptete, Adolf Hitler habe die Gründung des Blatts aktiv dadurch unterstützt, dass er so viele talentierte Fotojournalisten aus Europa vertrieben habe.[13] Ab 1939 entwickelte sich „Life“ – vom Verleger zunächst unbeabsichtigt – zum „Kriegsmagazin“, obwohl die Redaktion keinen einzigen Fotografen in den Spanischen Bürgerkrieg geschickt hatte: „The onset of World War II finally brought America out of the Depression; it also marked the ascension of Life. As Henry Luce once commented, ,Though we did not plan Life as a war magazine, it turned out that way.’”[14] Neben dem Krieg, der bereits in den frühen Tagen des Fotojournalismus einen Schwerpunkt der Berichterstattung gebildet hatte,[15] widmeten sich Pressefotografen – in Abstimmung mit Redaktionen und Agenturen – vor allem folgenden Themen: Unfälle im Transportwesen (Eisenbahn-, Schiffs- und Flugunglücke), Naturkatastrophen (Erdbeben, Überschwemmungen usw.), Unfälle im Arbeitsbetrieb (Grubenunglücke, Explosionen), politische Ereignisse wie Konferenzen, Demonstrationen oder Streiks, gesellschaftliche Ereignisse (Hochzeiten, Bälle), Ereignisse in Kunst und Kultur sowie sportliche Wettkämpfe.[16] Gleichermaßen hat sich die Sozialreportage als klassisches Feld der Pressefotografie etabliert, wozu in den USA der 1930er-Jahre vor allem die Aktivitäten der Farm Security Administration beitrugen, in deren Auftrag zwischen 1937 und 1944 die Lebens- und Arbeitsbedingungen US-amerikanischer Landarbeiter dokumentiert wurden.[17]

„Migrant Mother“, Fotografin: Dorothea Lange, Kalifornien, USA 1936 Das Bild zeigt Florence Owens Thompson, 32 Jahre alt, mit drei ihrer Kinder 1936 in Kalifornien. Die berühmt gewordene Fotografie ist unter dem Titel „Migrant Mother“ in die Fotogeschichte eingegangen. Die Library of Congress untertitelt das Bild so: „Destitute pea pickers in California. Mother of seven children. Age thirty-two. Nipomo, California.“ Das Foto entstand im Auftrag der Farm Security Administration (FSA), einer von Frankling D. Roosevelt 1937 gegründeten Organisation, die der armen Landbevölkerung helfen sollte und die Zeit der „Great Depression“ fotografisch dokumentiert hat. Quelle: United States Government. Dorothea Lange's "Migrant Mother": Photographs in the Farm Security Administration Collection: An Overview. Prints and Photographs Reading Room. Library of Congress, United States Goverment, Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain

„Migrant Mother“, Fotografin: Dorothea Lange, Kalifornien, USA 1936
Das Bild zeigt Florence Owens Thompson, 32 Jahre alt, mit drei ihrer Kinder 1936 in Kalifornien. Die berühmt gewordene Fotografie ist unter dem Titel „Migrant Mother“ in die Fotogeschichte eingegangen. Die Library of Congress untertitelt das Bild so: „Destitute pea pickers in California. Mother of seven children. Age thirty-two. Nipomo, California.“ Das Foto entstand im Auftrag der Farm Security Administration (FSA).
Zur Geschichte des Fotos siehe den Aufsatz von Thomas Hertfelder: Unterwegs im Universum der Deutungen: Dorothea Langes Fotozyklus „Migrant Mother“, in: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History, Online-Ausgabe, 4 (2007), H. 1+2
Quelle: United States Government. Dorothea Lange’s „Migrant Mother“: Photographs in the Farm Security Administration Collection: An Overview. Prints and Photographs Reading Room. Library of Congress, United States Goverment, Wikimedia Commons, Lizenz: Public Domain

Fotografien in Tageszeitungen

Während sich die Forschungsliteratur vornehmlich dem Magazinjournalismus widmet, soll hier allerdings auch darauf verwiesen werden, dass der Einsatz von Fotografien in Tageszeitungen im Verlauf des 20. Jahrhunderts stetig an Bedeutung gewann – nicht zuletzt deshalb, weil viele der zwischen 1920 und 1970 führenden Magazine in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entweder eingestellt wurden („Picture Post“: 1957, „Life“: 1972) oder in der Konkurrenz zum Fernsehen bzw. später zum Internet deutlich an Einfluss und vor allem an Deutungshoheit verloren. Tageszeitungen hingegen drucken nach wie vor zahlreiche Fotos, seit den 1990er-Jahren sogar überwiegend in Farbe.[18] Darüber hinaus sollte nicht unerwähnt bleiben, dass viele Pressefotografen auch das Medium des Bildbands nutzten, um ihre Bildreportagen gebündelt einem Publikum vorzustellen, das sich für soziale und politische Themen interessierte, gleichermaßen aber auch für das Medium der Fotografie.[19] Etwa um die Mitte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich zudem die Ausstellung in Museen und Galerien zu einer Möglichkeit, Fotografien der Öffentlichkeit zu präsentieren (und zu verkaufen). Zu den ersten Museen, die Fotografien ankauften, gehörte das Museum of Modern Art in New York; ein Meilenstein war die von Edward Steichen kuratierte Wanderausstellung „The Family of Man“.[20]

 

Politische Rahmenbedingungen

Betrachtet man das Feld des Fotojournalismus im 20. Jahrhundert in globaler Perspektive (und unter Berücksichtigung des Kalten Kriegs als desjenigen Konflikts, der weltweit an keiner Gesellschaft spurlos vorbeiging), wird deutlich, dass Pressefotografen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen arbeiteten und deshalb sehr verschiedenen Zeigbarkeitsregeln unterworfen waren – je nachdem, ob sie in demokratischen, faschistischen, kolonialen oder totalitären Gesellschaften arbeiteten (bzw. häufig zwischen verschiedenen Gesellschaften wechselten). Neuere Forschungen zeigen allerdings, dass Fotojournalisten oft einen im Vergleich zu schreibenden Journalisten größeren Handlungsspielraum hatten, der sich unmittelbar aus den Eigenschaften des Mediums Fotografie ergab. Neben linientreuen Fotografen, die ihre Arbeit in den Dienst von Diktaturen stellten, gab es deshalb auch in Diktaturen oft solche Fotografen, die sich diese Uneindeutigkeit des Mediums zunutze machen konnten.[21] Eine dichotomische Trennung zwischen staatstragender Fotografie in Diktaturen und kritischer Fotografie in Demokratien, wie sie für andere Felder des Journalismus gerade im Kalten Krieg oft diagnostiziert worden ist, lässt sich also schon deshalb nicht aufrechterhalten, weil es zum einen oppositionelle Fotografie in Diktaturen, zum anderen auch in Demokratien Pressefotografen im Staatsdienst gab.[22]

Ausstellung des NS-Reichsausschusses der Bildberichterstatter, Berlin März 1940, Fotograf: Eisenhart Original-Bildunterschrift ADN: „Bildberichterstatter stellen aus. Der faschistische Reichsausschuss der Bildberichterstatter im Reichsverband der Deutschen Presse veranstaltete Mitte März 1940 im Rahmen eines Kulturabends eine Ausstellung von Spitzenleistungen seiner Mitglieder unter besonderer Brücksichtigung der Arbeit der Angehörigen der Propaganda-Kompanie der faschistischen deutschen Wehrmacht.- Blick in die Ausstellung. (Mitte in Wehrmachtsuniform) der Leiter des Referats "Bildpresse" im faschistischen Propagandaminsteriums, Heiner Kurzbein.“ Quelle: Bundesarchiv Wikimedia Comons, Lizenz: CC

Ausstellung des NS-Reichsausschusses der Bildberichterstatter, Berlin März 1940, Fotograf: Eisenhart
Original-Bildunterschrift ADN: „Bildberichterstatter stellen aus. Der faschistische Reichsausschuss der Bildberichterstatter im Reichsverband der Deutschen Presse veranstaltete Mitte März 1940 im Rahmen eines Kulturabends eine Ausstellung von Spitzenleistungen seiner Mitglieder unter besonderer Brücksichtigung der Arbeit der Angehörigen der Propaganda-Kompanie der faschistischen deutschen Wehrmacht.- Blick in die Ausstellung. (Mitte in Wehrmachtsuniform) der Leiter des Referats Bildpresse im faschistischen Propagandaminsteriums, Heiner Kurzbein.“
Quelle: Wikimedia Comons Bundesarchiv Bild 183-LO2529, Lizenz: CC

 

Marktentwicklung

Bedingt durch eine Konzentration auf dem Zeitungs- bzw. Zeitschriftenmarkt, bedingt auch durch die Einführung der digitalen Fotografie bzw. die Digitalisierung älterer analoger Fotografien durch große Bildarchive und -agenturen lässt sich auf dem längst global gewordenen Bildmarkt seit dem letzten Drittel des 20. Jahrhunderts eine starke Konzentrationsbewegung ausmachen. Die Folge ist, dass einige wenige Agenturen (allen voran die Marktführer Corbis, Getty Images, AP und AFP) einen großen Teil des Fotobestands verwalten und damit sowohl die thematische Ausrichtung des Fotojournalismus als auch die Preise der Bilder bestimmen. Nur noch wenige Zeitungen und Magazine beschäftigen Hausfotografen in Festanstellung. Auch die Fotografenkooperative Magnum hat sich zu einer recht elitären Vereinigung entwickelt, die weniger Breitenwirkung entfaltet und stattdessen die qualitative Spitze des Fotojournalismus besetzt. Im Bereich der Pressefotografie sind deshalb ähnliche Veränderungen zu beobachten wie in anderen Bereichen einer globalisierten Wirtschaft, nämlich eine Tendenz zur Monopolisierung des Marktes durch einige wenige Anbieter bei gleichzeitiger Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die einzelnen Fotografen. Parallel hat sich im Bereich der Pressefotografie ein spezifisches Wettbewerbssystem herausgebildet. Zu den bekanntesten Auszeichnungen auf diesem Gebiet zählen der US-amerikanische Pulitzer-Preis (Kategorien: Breaking News Photography und Feature Photography) sowie der von einer internationalen Kommission vergebene World Press Photo Award. Über die Vergabe von Preisen steuern sie Aufmerksamkeit, befördern Karrieren und setzen ästhetische Maßstäbe. Darüber hinaus verstehen sie sich auch als politisch-moralische Instanz, die sich den Werten eines universalen Humanismus verschreibt und damit an das journalistische Ethos vieler in der ersten Jahrhunderthälfte tätiger Fotojournalisten anknüpft. Inwieweit sich die Tradierung dieser Werte mit denen eines auf Sensationsfotos fixierten Marktes vereinbaren lässt, sei dahingestellt. Abschließend sei darauf verwiesen, dass Pressefotografien einen großen Teil der kollektiven Bildgedächtnisse moderner Gesellschaften bestücken. Viele zu Ikonen gewordene bzw. gemachte Bilder des 20. Jahrhunderts wurden im Auftrag von Bildredaktionen und -agenturen produziert und hätten ohne deren steuernden Eingriff in den Bildmarkt nicht den Bekanntheitsgrad erlangen können, den sie heute haben. Dabei spielen ästhetische Faktoren ebenso eine Rolle wie politische, ethische und wirtschaftliche Überlegungen: Was kann man zeigen, was kann man moralisch vertreten, was lässt sich zu welchem Preis verkaufen? Diese Fragen bestimmen die Pressefotografie als Kommunikationssystem und als Teilsystem eines politischen Journalismus, der auch nach dem Ende der klassischen Magazinfotografie nicht an Bedeutung verloren hat.

 


[1]       Zur Definition des Begriffs vgl. auch Hartmut Beifuss, Was macht ein Foto zum Pressefoto?, in: ders. (Hg.), Bildjournalismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis, München 1994, S. 115-118. Entscheidend für die Definition des Pressefotos ist hier der Vorgang der Veröffentlichung, weiterhin Zweckbestimmtheit, Kontextualisierung und Informationswert der jeweiligen Fotografie.
[2]       Dazu grundlegend Elke Grittmann, Das politische Bild. Fotojournalismus und Pressefotografie in Theorie und Empirie, Köln 2007.
[3]       Michael L. Carlebach, The Origins of Photojournalism in America, Washington, D.C. 1992; André Barret, Die ersten Photoreporter 1848-1914, Frankfurt a.M. 1978.
[4]       J.O. Moerch, Die Autotypie in ihren verschiedenen Ausführungsarten. Ein practischer Führer, Düsseldorf 1891. Vgl. Bernd Weise, Pressefotografie I. Die Anfänge in Deutschland, ausgehend von einer Kritik bisheriger Forschungsansätze, in: Fotogeschichte 8 (1988), Nr. 31, S. 15-40; Jan Brüning, Kurzer Überblick zur Technik der Pressefotografie in Deutschland von 1920-1940, in: Diethart Kerbs/Walter Uka (Hg.), Fotografie und Bildpublizistik in der Weimarer Republik, Bönen 2004, S. 11-26.
[5]       Vgl. Knoll, Paul: „Presse“, in: Wolf-W., Karl, Angewandte Photographie in Wissenschaft und Technik, 4 Teile, Berlin 1911, Bd. III, S. 77-95, besonders S. 84.
[6]       Vgl. Bernd Weise, Pressefotografie II. Fortschritte der Fotografie- und Drucktechnik und Veränderungen des Pressemarktes im Deutschen Kaiserreich, in: Fotogeschichte 9 (1989), Nr. 33, S. 27-62.
[7]       Vgl. Bernd Weise, Pressefotografie III. Das Geschäft mit dem aktuellen Foto: Fotografen, Bildagenturen, Interessenverbände, Arbeitstechnik. Die Entwicklung in Deutschland bis zum Ersten Weltkrieg, in: Fotogeschichte 10 (1990), Nr. 37, S. 13-36.
[8]       Vgl. Herbert Molderings, Eine Schule der modernen Fotoreportage. Die Fotoagentur Dephot (Deutscher Photodienst) 1928 bis 1933, in: Fotogeschichte 28 (2007), Nr. 107, S. 5-21.
[9]       Knoll, Presse, S. 84.
[10]      Die Liste der Autodidakten umfasst so unterschiedliche Personen wie Gisèle Freund, Jewgeni Chaldej, Robert Capa, Margaret Bourke-White und Robert Lebeck. Sie lässt sich beliebig fortsetzen, da es noch heute kaum Angebote für die Ausbildung von Fotojournalisten gibt. Bereits in den 1920er-Jahren erschienen zahlreiche Ratgeber, die Amateurfotografen die wirtschaftliche Verwertung ihrer Bilder erleichtern sollten, z.B. Carl Dietze, Der Illustrations-Photograph, Leipzig 1905; es folgten zahlreiche Neuauflagen bis 1933 (8. Aufl.). Heute gibt es zwar Studiengänge für Fotografie, die aber oft nicht speziell auf die Erfordernisse des Fotojournalismus ausgerichtet sind, während Bildredakteure in der Regel ein journalistisches Studium absolvieren und sich über Fort- und Weiterbildungen für die Bildredaktion qualifizieren.
[11]      Vgl. Diethart Kerbs/Walter Uka/Brigitte Walz-Richter (Hg.), Die Gleichschaltung der Bilder. Zur Geschichte der Pressefotografie 1930-1936, Berlin 1983.
[12]      Vgl. z.B. Klaus Honnef/Frank Weyers (Hg.), Und sie haben Deutschland verlassen … müssen. Fotografen und ihre Bilder 1928-1997, Bonn 1997; zum britischen Exil: Colin Osman, Der Einfluss deutscher Fotografen im Exil auf die britische Pressefotografie, in: Neue Gesellschaft für Bildende Kunst (Hg.), Kunst im Exil in Großbritannien 1933-1945, Berlin 1986, S. 83-103.
[13]      John G. Morris, Get the Picture. A Personal History of Photojournalism, New York 1998, S. 32; vgl. auch Dora Jane Hamblin, That Was the Life, New York 1977, S. 32. Henry Luce war der Gründer und Herausgeber des Magazins, John G. Morris leitete während des Zweiten Weltkriegs von London bzw. später von Frankreich aus die europäische Bildredaktion.
[14]      Morris, Get the Picture, S. 27.
[15]      Vgl. Ute Daniel, Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert, Göttingen 2006.
[16]      Diese Themen nennt im Großen und Ganzen schon Knoll, Presse, S. 85.
[17]      Vgl. James Curtis, Mind’s Eye, Mind’s Truth: FSA Photography Reconsidered, Philadelphia 1989.
[18]      Nicole Hoppe, Visualisierungsstrategien in der Printpresse, in: Clemens Zimmermann/Rainer Hudemann/Michael Kuderna (Hg.), Medienlandschaft Saar von 1945 bis in die Gegenwart. Bd. 3, München 2010, S. 221-271, hier S. 247f.
[19]      Margaret Bourke-White zum Beispiel verarbeitete alle längeren Kriegseinsätze und Auslandsaufenthalte zu Bildbänden, die von renommierten Häusern wie Viking Press oder Simon & Schuster verlegt wurden.
[20]      Museum of Modern Art/MoMA: The Family of Man, New York 1955; Jean Back, Viktoria Schmidt-Linsenhoff: The Family of Man 1955-2001. Humanismus und Postmoderne: Eine Revision von Edward Steichens Fotoausstellung, Marburg 2004.
[21]      Ein einschlägiges Beispiel sind Harald Hauswalds Fotografien von Punks in der DDR, die nach Aussage des Fotografen einfach zeigten, was „da war“, die aber gleichermaßen als Kritik an den sozialen Verhältnissen in der DDR zu lesen waren und auch gelesen wurden. Vgl. den Kurzfilm von Marc Thümmler, Radfahrer, BRD 2008. Zur Geschichte des Fotojournalismus in der DDR vgl. Stefan Ulfert, Zentralbilder. Über Pressefotografie in der DDR, in: Fotogeschichte 30 (2010), Nr. 115, S. 53-61.
[22]      So unterhalten die meisten demokratischen Regierungen eigene Informationsdienste wie das 1949 gegründete Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Beispiele für die Artikulation von Kritik am Sozialismus sind die Aufnahmen einiger DDR-Fotografen, die sich 1990 zu der Agentur Ostkreuz zusammenschlossen.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/02/17/pressefotografie/

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China-News: Der Tod des Jiaqing-Kaisers (1820) in österreichischen Zeitungen

Die lose Reihe China-News widmet sich Zeitungsmeldungen, die Ereignisse in China behandeln. Am Beispiel der Meldungen über den Tod eines Kaisers in österreichischen Blättern sollen hier gezeigt werden, auf welchen Wegen Nachrichten aus Ostasien nach Wien kamen – und wie lange es dauerte, bis ein Ereignis in den österreichischen Zeitungen auftauchte.

Jiaqing-Kaiser

清 佚名 《清仁宗嘉庆皇帝朝服像. By Annonymous Qing Dynasty Court Painter (Palace Museum, Beijing) [Public domain], via Wikimedia Commons

Am 25. Tag des 7. Monats des Jahres Jiaqing 25 (清仁宗嘉慶25年7月25日), am 2. September 1820 starb der Jiāqìng 嘉慶-Kaiser im kaiserlichen Sommerpalast (Bì Shŭ Shānzhuāng 避暑山庄) in Rèhé 热河.[1] Die konkrete Todesursache ist unbekannt, die Angaben in den Renzong rui huangdi shilu 仁宗睿皇帝實錄  sind kryptisch und gaben später zu zahlreichen Spekulationen Anlass, unter anderem: er wäre vom Blitz erschlagen worden.[2]

Es dauerte, bis die Nachricht vom Tod des Kaisers nach Europa kam, die ersten Meldungen finden sich Ende Dezember, also nach etwa drei Monaten:

Kaiserthum China. Authentischen Nachrichten zufolge ist der Kaiser von China, Kia-Kin, mit Tode abgegangen.
(Der Wanderer Nr. 363 (28.12.1820), 624. Online: ANNO)

Nach sichern Nachrichten aus Kjachta[3] ist der Kaiser von China, Kia – Kin, mit Tod abgegangen.
(Wiener Zeitung Nr. 297 (30.12.1820), 1180. Online: ANNO)

Nach sichern Nachrichten aus Kiachta ist der Kaiser von China, Kia – King [sic!], mit Tod abgegangen.
Österreichischer Beobachter Nr. 365 (30.12.1820), 1687. Online: ANNO

Von Wien ins schlesische Opava [dt. Troppau] brauchte diese Nachricht einige Tage. Am 5.1.1821 bringt die Kaiserliche-Königliche schlesische Troppauer Zeitung mit Angabe der Quelle die Meldung aus dem Österreichischen Beobachter.((Kais. König. Schlesische Troppauer Zeitung Nr. 2 (5.1.1821) 11. Online: ANNO.)).

Einige Monate später, im April 1821, taucht das Thema wieder in den Zeitungen Wiens auf.

Nachrichten aus Canton [Guangzhou 廣州] vom 18. October, in Englischen Blättern, melden, daß der Kaiser von China gestorben sey, zwey seiner Söhne kämpften um die Thronfolge, und einige Provinzen hätten dieß benutzt, um sich gegen die regierende Dynastie zu empören. Dabey richtete die von Bengalen eingebrachte Cholera-Krankheit in China große Verheerungen an.
(Wiener Zeitung Nr. 78 (4.4.1821) 309. Online: ANNO)

Ganz ähnlich die Nachricht in der Lemberger Zeitung:

China. Canton, den 18. October. Wir haben hier die Nachricht von dem erfolgten Tode des Kaisers von China erhalten. Dieser Vorfall hat zu einem Streite zwischen seinen beiden Söhnen die Veranlassung gegeben; beide machen Anspruch auf den Thron. Verschiedene Provinzen des Chinesischen Reiches sollen sich in Folge dieses Streites in einem Insurrections-Zustande befinden. [...] (H.C.)[4]
(Lemberger Zeitung Nr. 45 (13.4.1821) 233 – Online:  ANNO)

Ende April kommen Wiener Zeitungen erneut auf die Vorgänge in China zurück:

China. Aus Batavia vom 26. November enthalten Hamburger Blätter Folgendes: Der Kaiser von China ist am 25sten Tage des siebenten Monaths (nach unserer Zeitrechnung am 2. September) zu Ye-h-kol in der Tatarey (Mongoley ?) plötzlich an demselben Tage, als er dort angekommen war, mit Tode abgegangen. Alle Chinesen haben auf erhaltenen Befehl, auf 100 Tage Trauer angelegt. Der zweyte Sohn des Verstorbenen[5] folgt ihm in der Regierung, da der älteste schon in seiner Kindheit verstorben ist. [...]
(Wiener Zeitung Nr. 98 (28.4.1821) 389 – Online: ANNO)

Weitgehend ident findet sich die Meldung auch im Österreichischen Beobachter vom 28.4.1821.[6] In den Wochen danach finden sich in dien Blättern Meldungen über das “Testament”[7]  des Jiaqing-Kaisers, das dieser am 2. September 1820, dem Tag seines Todes verfasst haben soll. Der Österreichische Beobachter, der sich auf “Londoner Blätter” beruft, bringt nur eine kurze Notiz.[8] Andere Blätter drucken den Text vollständig ab, unter anderem die Wiener Zeitung ((Wiener Zeitung Nr. 104 (5.5.1821), 413 – Online: ANNO.)) und -  nach dem Wanderer – die Klagenfurter Zeitung, dort wird das Datum fehlerhaft (“20. September 1820″ anstatt 2. September 1820) angegeben.[9]

Im Juli 1821 wird der Tod des Jiaqing-Kaisers noch einmal Thema – es gibt die ‘offizielle’ Meldung:

China. [...] Die Pekinger Zeitung [d.i.  Jīng bào 京報 ["Peking Gazette"].)) zeigt den Tod des Kaisers Kea King [d.i. Jiaqing] folgendermaßen an: Am fünfundzwanzigsten Tage des siebenten Mondes traten Se. kaiserliche Majestät in der Stadt Jeho Jhre Reise an, um unter den Unsterblichen zu wandeln.
(Österreichischer Beobachter Nr. 202 (21.7.1821) 931 – Online: ANNO

Wortident findet sich diese Meldung unter anderem in der Wiener Zeitung (26.7.1821)[10], in der Lemberger Zeitung (30.7.1821)[11] und in der Troppauer Zeitung (3.8.1821)[12], die sich auf die Wiener Zeitung beruft.

Die kleine Presseschau zeigt die Wege, auf denen Nachrichten aus Ostasien nach Wien kamen: Auf dem Landweg kamen Meldungen über Russland, in der Regel aus Sankt Petersburg, wohin Nachrichten aus China über Kâhta kamen. Auf dem Seeweg kamen zum einen ‘englische’ Meldungen, die zumeist aus Guangzhou stammten, dem einzigen Platz, wo (nicht-russische) Ausländer Handel treiben konnten, zum anderen Meldungen aus Hamburg, die zumeist über Handelsplätze in Südostasien kamen. Der Landweg dauerte etwa drei Monate, der Seeweg dauerte – vor der Einführung von Clippern[13] – etwa sechs Monate. In Anbetracht der technischen Möglichkeiten der Zeit, und der vielen Stationen, über die eine Nachricht ging, bevor sie in einer Zeitung abgedruckt wurde, erscheint inhaltliche Kohärenz und faktische Richtigkeit der Nachrichten bemerkenswert.

  1. Die Anlagen des Palastes in Rehe, des Bì Shŭ Shānzhuāng 避暑山庄 ["Mountain Villa for Avoiding the Heat"] wurden im 18. Jahrhundert errichtet, die Kaiser verbrachten dort die Sommermonate. Seit 1994 steht das “Mountain Resort and its Outlying Temples, Chengde” auf der UNESCO-Welterbe-Liste.
  2. S. dazu: Fabien Simonis <fabsimonis@yahoo.com>: “Cause of Death of Qing Jiaqing Emperor (response)” In: H-ASIA <h-asia@msu.edu>, 12 March 2007, archived at  h-asia discussion logs for March 2007) <abgerufen am 13.2.2014>.
  3. Der Ort Kâhta [Кяхта] war durch den 1727 geschlossenen Vertrag zwischen China und Russland als Handelsplatz zwischen den beiden Reichen festgelegt worden und war nicht nur Umschlagplatz für Waren, sondern auch für Nachrichten.
  4. “H.C.” steht für Hamburgischer Correspondent.
  5. D.i. der Daoguang-Kaiser [Dàoguāng Dì 道光帝] (17.9.1782-25.2.1850).
  6. Österreichischer Beobachter Nr 118 (28.4.1821) 552 – Online: ANNO.
  7. Gemeint ist damit das yízhào 遺詔, ein vom verstorbenen Kaiser hinterlassenes Schreiben, s. Grand dictionnaire Ricci de la langue chinoise Bd. III, Nr. 4549, S. 434.
  8. Österreichischer Beobachter Nr. 125 (5.5.1821) 588 – Online: ANNO.
  9. Klagenfurter Zeitung Nr. 37 (9.5.1821) 5 – Online: ANNO.
  10. Wiener Zeitung Nr. 170 (26.7.1821), 677 – Online: ANNO.
  11. Lemberger Zeitung Nr. 91 (30.7.1821) 480 – Online: ANNO.
  12. Kais. Königl. Schlesische Troppauer Zeitung Nr 62 (3.8.1821) 549 – Online: ANNO.
  13. Die schnellsten dieser Schiffe, die die jeweils erste Tee-Ernte einer Saison nach Europa brachten, legten in den 1860ern die Strecke von der Mündung des Min-Flusses bei Fuzhou nach London in knapp 4 Monaten zurück, die Taeping, die das legendäre “Great Tea Race of 1866″ gewann, legte die Strecke in 102 Tagen zurück.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1284

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aventinus studiosa Nr. 2 [16.02.2014]: »studiosa. Internetressourcen für das Studium der Geschichte« von Andreas C. Hofmann, begr. auf Grundl. v. “Kursbuch Geschichte”

Vormalige Linkliste der Fachschaft Geschichte der LMU München auf Grund­lage von “Kursbuch Geschichte. Tipps und Regeln für wissen­schaftliches Arbeiten”. Die Liste wurde über im Kursbuch Geschichte angebotene Inhalte hinaus erweitert und um nicht mehr funktionsfähige Angebote gekürzt. http://www.studiosa.andreashofmann.eu

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/02/4964/

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Boah! Das ist so off-topic!! oder: Zu einer Interjektion zwischen Lenkfeld und Malfeld?

Ich möchte das Wochenende nutzen, um über etwas nachzudenken, auf das ich durch zwei Sitzungen unseres Forschungskolloquiums gestoßen bin. Die Interjektion BOAH. Eine Beschäftigung damit regte zuerst Ilham Messaoudis Diskussionspapier an. Sie untersucht sprachvergleichend deutsches und türkisches Erzählen – wie es so schön heißt: mulimodal. In ihrem Gesprächsausschnitt, dessen Analyse wir diskutiert haben, kam BOAH auffallend häufig und an einigen wichtigen Stellen vor: sowohl äußerungsinitial als auch responsiv. Ebenso äußerungsinitial präsentierte sich BOAH in einem Tweet, den Johannes Paßmann in einem Diskussionspapier präsentierte. Dieser ist glücklicherweise öffentlich einsehbar:

boah entfaven ist so hitler

Mir stellte sich nun besonders die Frage, was diese Interjektion interaktional leistet, was ihr spezifischer kommunikativer Zweck ist. Dafür kann man als erstes fragen, was Interjektionen eigentlich sind; gleichwohl kann und sollte vielleicht sogar die Fragerichtung umgekehrt sein oder noch besser: wechselhaft, dialektisch… der Ordnung halber mache ich es jetzt hier recht linear, wenngleich wir sehen werden, dass wir damit an eine Grenze stoßen werden.

In seiner Habilitation hat Ehlich (1986) eine systematische Rekonstruktion von Interjektionen im Ansatz der Funktionalen Pragmatik vorgenommen. Das ist ein verhältnismäßig altes Buch und so ist dort funktional-pragmatische Konzeptarbeit erster Stunde noch zu beobachten. Eine knappe und aktuellere Übersicht seiner Erkenntnisse findet sich in Ehlich (2009) im “Handbuch der deutschen Wortarten” (hrsg. von Ludger Hoffmann) – einem Buch, das eigentlich stark an der Dekonstruktion der Wortartenkategorie arbeitet, um sich des Erbes griechisch-lateinischer Grammatikschreibung zu entledigen; einem Erbe, das gerade für Fälle wie die Deixeis (vgl. Ehlich 1979) und die Interjektionen keine passende Antwort parat hatte und diese sprachlichen Mittel einer linguistischen Analyse lange Zeit kaum oder nur unter begrifflicher Verlegenheit zugänglich machte. Diese beiden ‘alten’ Bücher Konrad Ehlichs sind allein schon deshalb heute noch außerordentlich aufschlussreich, weil sie die Geschichte der Sprachwissenschaft derart durchsichtig machen, das nachvollziehbar wird, wie heute noch zentrale grammatische Kategorien sich einer Jahrtausende alten philosophischen Tradition verdanken, die Erkenntnisse über Sprache erst einmal gar nicht zum Ziel hatte (vgl. Ehlich 1979, 152) und in ihrer Folge wesentliche Strukturkennzeichen von Sprache in der überkommenen Grammatik verdeckt werden: zuforderst ihre Handlungsqualität.

Aber zurück zu den Interjektionen: Erst in der lateinischen Grammatikschreibung zur Wortart erhoben (interiectio – Dazwischenwerfen; vorher, d.h. bei den Griechen waren sie Adverbien), sind sie lange Zeit eng verknüpft mit Emotionalität (vgl. Ehlich 2009, 424f.). Deswegen und auch aufgrund der formalen Andersartigkeit und der syntaktischen Unberechenbarkeit dieser “Hertzwörtgen” (Longolius 1715, 33) war ihre Bestimmung lange alles andere als systematisch.

Im Theoriegebäude der Funktionalen Pragmatik werden die Interjektionen dem Lenkfeld zugeordnet, mit ihnen prozessiert man also expeditive Prozeduren. “Beim Lenkfeld geht es um die direkte, unmittelbare Einflussnahme in die Handlungsverläufe des je anderen.” (Ehlich 2009, 434) Über den kommunikativen Zweck von Interjektionen als Mittel des Lenkfeldes schreibt Ehlich (1986, 241) in seiner Habil:

Den Interjektionen kommt also in ihren unterschiedlichen Ausprägungen (und dadurch mit unterschiedlicher Verteilung der Gewichte im einzelnen) die gemeinsame Funktion zu, eine unmittelbare Beziehung zwischen Sprecher und Hörer im Diskurs herzustellen und zu unterhalten. Diese direkte Beziehung ermöglicht es, eine elementare interaktionale Übereinstimmung hinsichtlich des Kontakts überhaupt, hinsichtlich der emotionalen Befindlichkeit, hinsichtlich der diskursiven und mentalen Wissensverarbeitung und hinsichtlich des weiteren Handlungsverlaufs zu gewährleisten.

Die Interjektionen eint also mit den Bestimmungen der expeditiven Prozeduren, wie der Vokativ und der Imperativ sie ebenso darstellen, eine direkte, ‘unmittelbare’ Einflussnahme auf “das hörerseitige Handeln” (Redder 1998, 67). Daneben bearbeiten sie eine Reihe ganz unterschiedlicher Zwecke die “interaktionale Übereinstimmung” (Ehlich 1986, 241) betreffend: Kontakt, Befindlichkeit, Wissensverarbeitung, Handlungsverlauf. Gerade die emotionale Befindlichkeit ist es, die uns später wieder begegnen wird, wenn wir zu BOAH kommen und sie wird begrifflich einige Probleme machen.

Interjektionen haben nun aufgrund ihrer äußerst ökonomischen Form nur einen geringen Skopus, innerhalb dessen sie interaktional wirksam werden können: Den Punkt, von dem aus sie ihre Wirksamkeit entfalten und den die Interjektierenden mit ihrer Äußerung setzen, hat Ehlich (ebd., 215) für die Untersuchung von HM “diskursive origo” genannt. Die Interjektion scheidet so “Vordiskurs und Folgediskurs” voneinander (ebd., 216). Systematisch ist dieser, wie jeder andere Punkt im Kommunikationsverlauf von “Erwartungen” und “Entwürfen” geprägt (sowohl sprecher- wie hörerseitig), wie es denn weitergehen werde: Interjektionen bearbeiten nun die “Verständigungstätigkeit zwischen den Interaktanten“, indem sie einen abgleichenden Einblick in die Erwartungen, Entwürfe und auch “Risiken” gewähren, die sich ausbilden, sich entwickeln und die drohen können, das Verstehen zu beeinträchtigen (ebd.). Am Punkt der diskursiven Origo wird also durch die Interjektion ein Einblick in die mentale Sphäre des Äußernden gewährt; dieser Einblick ist nun je nach Interjektion je unterschiedlich qualifiziert (siehe die Aufzählung oben). Aber es ist eigentlich leicht verfälschend, von einem Einblick zu sprechen, denn das spräche für eine passive Position des Äußernden, der nur reinschauen lässt, aber nicht quasi durch das offene Fenster greifend, ja lenkend Einfluss nimmt auf den, dem die Interjektion gewidmet ist.

Nun zu BOAH. Zuerst fällt am oben eingeschobenen Tweet auf, dass Interjektionen doch kein “rein diskursives Phänomen” zu sein scheinen (Ehlich 2009, 428). Aber an Kommunikationsformen wie Twitter oder auch z.B. den Facebook-Kommunikationsformen, in denen mir in den letzten Tagen wieder viele BOAHs aufgefallen sind, zeigt sich, dass sich die Dichotomie von Diskurs und Text nicht nur dem Phänomen nach, sondern auch begrifflich auflöst (vgl. Meiler 2013, 64, 90). Wie wäre beim obigen Tweet bei aller öffentlichen Verdauerung und Monologizität und der nur sekundären Möglichkeit von Bidirektionalität hier noch sinnvoll von Diskurs zu sprechen (oder von Text)? Wie dem auch sei; dieses sehr komplexe Problem möchte ich hier heute nicht diskutieren.

Schaut man in die Forschungsliteratur zur BOAH, so tut sich nicht so schnell etwas auf. (Ehrlich gesagt, habe ich das aber auch nicht systematisch betrieben – es ist ja nur ein Wochenendausflug in einen anderen Gegenstand – off-topic eben. Aber getrieben von Google Scholar hat sich dann das ein oder andere aufgetan. Es mag noch mehr zu heben sein!) Die Spur, die ich fand, versteht/verstand BOAH als eine Interjektion der Jugendsprache. Dürscheid (2008, 148) listet BOAH als jugendsprachliche “Routineformel” und verweist in ihrer aufzählenden Darstellung lobend auf die Dissertation von Jannis Androutsopoulos, die sie als anerkanntes “Grundlagenwerk” (ebd.) ausweist, indem sie sagt, dass es als solches “gilt”. Nun, bei Androutsopoulos (1998) findet man BOAH keineswegs als Routineformel behandelt, sondern als Interjektion in der Funktion eines Hörer- und Gliederungssignal (vgl. ebd., 488f., 496f.; u.a. im Anschluss an Weinrich 1993/2003). Weinrich (vgl. 1993/2003, 857-861) unterscheidet situative und expressive Interjektionen, BOAH findet sich bei ihm nicht. Bei Androutsopoulos führt die Spur aber weiter zu Schlobinski/Kohl/Ludewigt (1993), einer Monografie zur “Jugendsprache” mit dem Untertitel: “Fiktion und Wirklichkeit”. Und es zeigt sich z.B. an BOAH, was für ein schwieriges Forschungsfeld die ‘Jugendsprache’ ist, so veränderlich und unein- oder besser unausgrenzbar es ist. Ob BOAH heute noch zur Jugendsprache zu rechnen ist oder jemals zu rechnen war, bezweifelten schon Schlobinski/Kohl/Ludewigt (vgl. 1993, 33). BOAH hat sich heute wohl noch stärker verbreitet und in seiner Bedeutung eine Verallgemeinerung erfahren und damit seinen konnotativen Ballast verloren.

Schlobinski/Kohl/Ludewigt (ebd.) führen das häufige Vorkommen von BOAH in ihrem Korpus (immerhin 11 mal) “eindeutig auf einen medialen Einfluß” zurück: Die um die 1990er “kursierenden Manta-Witze”1, ferner Werner-Comics und der Kabarettist Tom Gerhard gehören demnach zu den Distribuenten von BOAH, die diese Interjektion bis in die Alltagssprache trugen. “Inwieweit das Lautwort durch Comics vorstrukturiert ist, wäre zu prüfen” (ebd.); ebenso, wie zu prüfen wäre, ob es sich dabei früher nicht um eine regional begrenzte Interjektion handelte, die aufgrund der massenmedialen Verarbeitung nun weitere Verbreitung gefunden hat.

Schlobinski/Kohl/Ludewigt (1993, 33) sprechen davon, BOAH habe “spezifische Funktionen” in Manta-Witzen. Welche das sein könnten, führen sie nicht aus. Vielleicht lässt sich dem und damit auch der heutigen Verwendung von BOAH nahekommen, wenn man sich mal einen solchen, wahllos ergoogelten Witz anschaut:

Manta-Fahrer in der Wüste: Kommt ‘ne Fee vorbei und sagt: “Zwei Wünsche hast Du frei!” – “Boah, ey! Echt, ey? Goil ey!” – “Ja wat denn nu?” – “Ne Flasch Bier, die nie leer wird!” Manta-Fahrer hat die Flasche Bier plötzlich in der Hand und trinkt und trinkt und trinkt. “Boah, geil ey! Noch so eine, bitte!”  (Quelle)

Auf die Stereotypisierung des Manta-Fahrers muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Deutlich wird die enge Verbindung zu EY, die Schlobinski/Kohl/Ludewigt (vgl. 1993, 141) und auch Androutsopoulos (vgl. 1993, 497) noch beobachten, die sich aber heute mittlerweile aufgelöst oder zumindest gelockert zu haben scheint. (Das meint auch der Duden.)

Der Witz inszeniert eine Dialogsituation zwischen dem Manta-Fahrer und einer Fee. BOAH taucht hier gewissermaßen immer responsiv auf – als Reaktion auf etwas: Zuerst als Reaktion auf die zwei Wünsche und dann in Reaktion auf den erfüllten, ersten Wunsch. Nun nimmt die fehlende Intonation – die gerade für die Interjektionen besonders wichtig ist, da sie ein Subsystem im Deutschen bilden, das tonal differenziert ist (vgl. Ehlich 2009, 429) – der Analyse gewissermaßen die Komplexität. Analysen von Youtube-Videos mit dem Tom Gerhard der 1990er könnten da vielleicht Abhilfe schaffen. Doch zeigt sich in ihnen auch eine starke Inszenierung, die mit der heutigen Verwendungsweise nicht mehr viel gemein hat. Nichtsdestotrotz sollten tonale Untersuchungen von BOAH in unterschiedlichen Positionen vorgenommen werden, um zu prüfen, ob sich auch dort eine Ausdifferenzierung eingestellt hat, die eine Grundbedeutung je nach Verwendungsweise modifiziert.

Hier jedenfalls begnügen wir uns mit der verschrifteten Form und also mit der interaktiven Positionierung. Günstig erscheint es, dass BOAH hier nie als vollkommen “selbstsuffiziente Prozedur” (ebd.) erscheint, sondern immer in Reihung bzw. Durchkopplung mit EY quasi semantisch expliziert wird: vor allem durch geil (das der Duden auch noch als jugendsprachlich führt, was m.E. mittlerweile auch zu revidieren wäre). Das responsive oder gar reaktive BOAH scheint in beiden Fällen etwas vorgängiges positiv zu evaluieren. Hier wird also eine diskursive Origo im oben beschriebenen Sinne gesetzt und mit BOAH retrograd auf den Vordiskurs Bezug genommen, indem er evaluiert, bewertet, eingeschätzt wird. Diese Evaluation, die beim Manta-Fahrer immer eine überzeichnet extreme ist, wird damit der Fee unmittelbar zugänglich gemacht, noch bevor sie durch geil auch in einer symbolischen Prozedur zum Ausdruck gebracht wird. Es ist beinahe so, als müsste eine somatische Reaktion nachträglich, transkribierenden vereindeutigt werden (vgl. Jäger 2008). Diese nachträglich transkribierte Verwendung von BOAH zeigt sich aber nicht in allen Manta-Witzen der oben angegeben Quelle.

Mit Echt, ey? findet im obigen Beispiel noch eine andere Explizierung der BOAH-Bedeutung statt. Die Nachfrage verweist auf einen Bruch im Erwarteten, auf eine Überraschung. Zu dieser Einschätzung kommt auch Androutsopoulos (1998, 496): BOAHs “Grundbedeutung ist der Ausdruck von Überraschung, je nach Ko-Text Begeisterung, Bewunderung, Ratlosigkeit oder Überdruß.” “Sowohl von der Bedeutung als auch von der Lautstruktur her”, so Androutsopoulos (ebd.) etwas weiter oben, sei BOAH mit OH verwandt. Er verweist dabei auf die Analyse von Ehlich (1986, 78f.).

Als Grundbedeutung von OH gibt Ehlich (ebd., 78) die “Bezeichnung von emotiven Zuständen des Sprechers” an. Dem Lautlichen nach steht es “dem Stöhnen nahe”, ist aufgrund seiner tonalen Differenzierung aber sprachlich überformt und “als solches kommunikativ einsetzbar” (ebd., 78f.). Als “Ausdruck des Klagens” verweist es auf eine Verletzung der “Integritätszone des Sprechers” (ebd., 79). Je nach tonaler Differenzierung wird eine “positiv eingeschätzte” oder eine “negative eingeschätzte Betroffenheit” zum Ausdruck gebracht (ebd.). Es scheint damit dem System von AH nahezustehen, das es mit der “Verarbeitung im Erwartungsmechanismus” zu tun hat, während OH eher die “emotionale Betroffenheit” ausdrückt (ebd.).

Allein die vergleichsweise formale Komplexität, die BOAH in seiner lautlichen Kombinatorik aufweist, spricht für eine Vermischung beider Funktionen. Wie das ‘B’ dabei zu erklären ist, wäre noch zu eruieren.

“In äußerungsinitialer Position verweist boah den Hörer auf einen visuellen oder akustischen Reiz oder kündigt an, daß der Sprecher gleich etwas (für ihn) Wichtiges, (möglicherweise) Beeindruckendes sagen wird.” (Androutsopoulos 1998, 496) In einer solchen Position finden wir BOAH auch im obigen Tweet; und auch in Ilham Messaoudis Daten war eine solche Verwendung zu finden. Ich bin aber der Meinung, dass man Androutsopoulos Charakterisierung verallgemeinern müsste, um allen Verwendungen gerecht zu werden. Dabei zeigt der Tweet mit der Konversion von ‘Hitler’ zum Adjektiv ‘hitler’ (was der Konversion von ‘Scheiße’ zum nicht-flektierbaren Adjektiv ‘scheiße’ nahe steht) auf diese notwendige Verallgemeinerung: So wie der adjektivische Symbolfeldausdruck ‘hitler’ semantisch nahezu entleert ist zu so etwas wie ‘im extremen Maße negativ’,2 scheint BOAH in äußerungsinitialer Position nicht unbedingt etwas Wichtiges oder Beeindruckendes anzukündigen, sondern allgemein etwas ‘im besonderem Maße zu evaluierendes/evaluiertes’ vorab zu rahmen. Das zeigt sich auch im Manta-Witz, wo es ja um eine besonders positive Evaluierung geht. Dem Hörer wird von dieser diskursiven Origo aus also kenntlich gemacht, dass etwas kommen wird, das in seiner Qualität neben allem anderen vor allem eines ist: besonders extrem. Darin scheint sich wohl auch in der heutigen Gebrauchsweise der stilisierte Menta-Fahrers und die inszenierte Figur ‘Tom Gerhard’ niedergeschlagen zu haben.

In dem was Ehlich (1986, 79) “die emotionale Betroffenheit” nannte, scheint nun ein kategoriales Problem auf. Der Zweck von BOAH und vielleicht auch der von OH scheint nicht ausschließlich im Lenkfeld aufzugehen. Nun war das Malfeld und die ihm zugehörige expressive Prozedur 1986 begrifflich noch nicht aus der Taufe gehoben. Generell ist es bis heute wenig bearbeitet worden, was seinen schillernden und ungreifbaren Status auszumachen scheint. Der Zweck, den das Malfeld bearbeitet, wird manchmal als “Abgleichung der S+H-Einschätzungen” (Ehlich 2009, 435) charakterisiert, manchmal als “expressiv[e] Verbalisierung von Atmosphärischem und Emotionen, was im Deutschen vor allem durch  intonatorische Modulation, kaum durch einzelne Wörter geschieht” (Redder 1998, 67).3

Ein Problem mit dem Malfeld habe ich insofern, als dass ich die Untersuchung von Einschätzungen, von Emotionalität nicht nur im Intonatorischen sehe; vielmehr ist wohl anzunehmen, dass dieser Zweckbereich auch im Symbolfeld omnipräsent ist. Gerade Differenzierungen der Wortwahl – nicht nur im Schriftlichen – können meiner Erachtens dafür genutzt werden, die eigene emotionale Gestimmtheit bezüglich eines Sachverhalts (wohl paramalend) zum Ausdruck bringen. Diesem aber habhaft zu werden, wird sich als besonders schwierig herausstellen.

Aber zurück zur Interjektion BOAH: Wie sich andeuten ließ, sind mindestens zwei Verwendungsweisen von BOAH zu differenzieren, solange eine Untersuchung tonaler Differenzen noch nicht geleistet wurde: die äußerungsinitiale, also vom Sprecher gesetzte Interjektion und die responsive, also vom Hörer gesetzte Interjektion. Beide leisten m.E. eine Evaluation der zugehörigen Sachverhalte: einmal antizipierend in Bezug auf den Folgediskurs, das andere Mal den Vordiskurs retrograd evaluierend. Beide Male geht es dabei um etwas Extremes: einmal wird dabei dem Hörer angekündigt, dass er sich auf etwas Extremes vorbereiten kann, seine Erwartungsstruktur wird bearbeitet. Das andere Mal gibt der Hörer zu erkennen, dass seine Erwartungsstruktur auf extreme Weise gebrochen wurde.

Zusätzlich aber, so denke ich, geht es bei BOAH nicht nur um den Überraschungseffekt, sondern ebenso um die emotionale Betroffenheit von Sprecher oder Hörer, wie dies Ehlich (1986, 79) für die Nähe zwischen OH und AH beschrieb. Und diese Form der Betroffenheit zu kommunizieren, ist nun eigentlich ein Zweckbereich des Malfeldes, das 1986, wie gesagt, begrifflich noch nicht gefasst war. Es wird mit BOAH also nicht nur interaktional Eingriff auf den jeweils Adressierten genommen und ihm kenntlich gemacht, dass die Erwartungstruktur bearbeitet wird oder wurde. Sondern ebenso wird damit dem jeweils Adressierten kenntlich gemacht, welche emotionale Haltung der Äußernde dazu einnimmt, in welcher Weise also die extreme Evaluation eingeschätzt wird: positiv oder negativ.

Weitere Untersuchungen – vielleicht ja von Ilham Messaoudi – müssten jetzt anschließen, um zu klären, ob es in der gesprochenen Sprache tonale Differenzierungen gibt, die diese expressive Prozedur über dem grundsätzlich expeditiven BOAH operieren lassen und sie somit zu einer biprozeduralen Interjektion machen. Folglich ließe sich dann klären, ob es nur eine Konsequenz der Schriftlichkeit ist, dass diese Biprozeduralität sich auf eine expeditive reduziert, da die Intonation wegfällt, und der expressive Anteil dann kontextuell erschlossen werden muss.

 

*Boah! Ist jetzt doch ganz schön viel geworden! ;) Aber ich beginne, Gefallen zu finden, am Komplex der Interjektionen.

 

Literatur

Androutsopoulos, Jannis K. (1998): Deutsche Jugendsprache. Untersuchungen zu ihren Strukturen und Funktionen. Frankfurt a.M. etc.: Lang.

Dürscheid, Christa (2008): Welchen Stellenwert hat Jugendsprache im Unterricht? In: Denkler, Markus/Günthner, Susanne/Imo, Wolfgang/Macha, Jürgen/Meer, Dorothee/Stoltenburg, Benjamin/Topalović, Elvira (Hg.): Frischwärts und unkaputtbar. Sprachverfall oder Sprachwandel im Deutschen. Münster: Aschendorff.

Ehlich, Konrad (1979): Verwendungen der Deixis beim sprachlichen Handeln. Linguistisch-philologische Untersuchung zum hebräischen deiktischen System. 2 Bände. Frankfurt a.M., Bern, Las Vegas: Lang (Forum linguisticum, 24).

Ehlich, Konrad (1986): Interjektionen. Tübingen: Niemeyer.

Ehlich, Konrad (2009): Interjektion und Responsiv. In: Hoffmann, Ludger (Hg.): Handbuch der deutschen Wortarten. Berlin, New York: De Gruyter, S. 423–444.

Jäger, Ludwig (2008): Transkriptive Verhältnisse. Zur Logik intra- und intermedialer Bezugnahmen in ästhetischen Diskursen. In: Buschmeier, Gabriele/Konrad, Ulrich/Riethmüller, Albrecht (Hg.): Transkription und Fassung in der Musik des 20. Jahrhunderts. Beiträge des Kolloquiums in der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz, vom 5. bis 6. März 2004. Stuttgart: Franz Steiner, S. 103–134.

Longolius, Johann Daniel (1715): Einleitung zu gründlicher Erkaenntniß einer ieden/insonderheit aber Der Teutschen Sprache/Welcher man sich Zu accurater Untersuchung jeder Sprache/und Besitzung einer untadelhafften Beredsamkeit in gebundenen und ungebundenen Reden/Wie auch besonders In Teutschen für allerley Condition, Alter und Geschlechte/Zu einem deutlichen und nuetzlichen Begriff der Mutter=Sprache/bedienen kan. Kein Verlagsort: David Richter.

Meiler, Matthias (2013): Kommunikationsformenadressen oder: Prozeduren des Situationsvollzugs am Beispiel von Weblogs. In: Zeitschrift für angewandte Linguistik 59 (1), S. 51–106.

Redder, Angelika (1994): “Bergungsunternehmen” – Prozeduren des Malfeldes beim Erzählen. In: Brünner, Gisela/Graefen, Gabriele (Hg.): Texte und Diskurse. Methoden und Forschungsergebnisse der funktionalen Pragmatik. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 238–264.

Redder, Angelika (1998): Sprachbewusstsein als handlungspraktisches Bewusstsein – eine funktional-pragmatische Diskussion. In: Didaktik Deutsch 3 (5), S. 60–76.

Schlobinski, Peter/Kohl, Gaby/Ludewigt, Irmgard (1993): Jugendsprache. Fiktion und Wirklichkeit. Opladen: Westdeutscher Verlag.

Weinrich, Harald (2003): Textgrammatik der deutschen Sprache. 2., revidierte Auflage. Hildesheim, Zürich, New York: Olms.

  1. Zu diesen gibt es im übrigen eine Verschwörungstheorie, die der Spiegel kommentierte. Und auch Volkskundler haben sich damit beschäftigt und dabei vielleicht ein wenig über die Stränge geschlagen, wie die ZEIT meint.
  2. Was hier mit ‘hitler’ prädikativ charakterisiert wird, das Entfaven, müsste Johannes Paßmann explizieren.
  3. Redder (1994) konnte ich bisher noch nicht zur Kenntnis nehmen.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/423

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Archivwesen: Neue Entwicklungen und Erfahrungen im Bereich der digitalen Archivierung. Von der Behörden­beratung zum Digitalen Archiv

http://www.gda.bayern.de/publikationen/sonderveroeffentlichungen/ak-14.pdf 14. Tagung des Arbeitskreises “Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen” vom 1. und 2. März 2010 in München, hrsg. von Susanne Wolf, München 2010. Zentrale Problemstellung bei der digitalen Archivierung ist die Bewertung, Übernahme und die Erhaltungsform von Fachverfahren der Behörden durch die Archive, weshalb diese Bereiche erneut thematisiert wurden. Ein Schwerpunkt der Tagung […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/02/4960/

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