Wie hältst Du’s mit der Qualität? Gretchen online

Dieser Blogpost ist als Beitrag zur Vorbereitung der Tagung „Nachwuchs in den Geisteswissenschaften“ am 10. und 11. Juni am Deutschen Historischen Institut Paris gedacht, die die Frage nach den Folgen der digitalen Revolution auf den geisteswissenschaftlichen Nachwuchs stellt (#dhiha5). Am Ende der Veranstaltung soll ein gemeinsam von französischen und deutschen Nachwuchswissenschaftlern auf den Weg gebrachtes Manifest stehen.

Wie man ein solches Unternehmen vorbereitet? Mit einer Blogparade. Vier Themenbereiche:

1. Wie verändert die Digitalisierung unsere Forschungskultur?

2. Wie sollten Nachwuchswissenschaftler während des Studiums auf die Umbrüche vorbereitet werden?
3. Wie können die beiden wissenschaftlichen Eckpfeiler „Qualitätssicherung“ und „Evaluierung“ ins Digitale transferiert werden?
4. Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf das wissenschaftliche Curriculum und wie stehen die Bedürfnisse des Nachwuchses zum Angebot der Forschungsförderer?

Auf geht’s, ich beschäftige mich mit Punkt 3. Und bin gespannt, was die französischen Kollegen aus der Fragestellung machen, denn ich hege die dunkle Ahnung, dass ein Terminus wie „Qualitätssicherung“ ein typisch deutscher ist und dass gerade der Umgang mit Netzformaten zur Kommunikation und Publikation in Frankreich sehr viel weniger skepsisbehaftet und deutlich spielerischer ist als bei uns, und das eben nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im professionellen, gar wissenschaftlichen Kontext.

Aber fangen wir mit dem zweiten Begriff an, der „Evaluierung“. Es scheint auf der Hand zu liegen, dass mit steigendem Anteil wissenschaftlicher Online-Publikationen ein permanentes Schrauben an den (häufig zementiert wirkenden) Anerkennungsmechanismen innerhalb der Wissenschaft stattfinden sollte, wie sie etwa bei Berufungen oder Drittmittelvergaben angewendet werden. Mit Online-Publikationen sind hier explizit nicht nur eBooks oder Open-Access-Zeitschriften gemeint, die in der Regel ISB- und ISS-Nummern besitzen und zumindest formal schon heute problemlos in den wissenschaftlichen CV Eingang finden (wobei das Problem des Impact Factors offenkundig bleibt, hier aber außen vor bleiben soll). Gemeint sind also insbesondere auch jene scheinbar innovativen Netz-Publikationsformate wie Blogs, Mikroblogs (z.B. Twitter) oder Wikis. Tatsächlich bestimmen sie im privaten Bereich längst das Leben des Nachwuchses – nicht so das professionelle. Web 2.0 bleibt Privatvergnügen und wird dem Doktorvater oft in vorauseilendem Gehorsam hinter vorgehalter Hand gebeichtet – weil an vielen Lehrstühlen ein geringes Maß an Erfahrung mit neuen Textformaten dementsprechende Vorurteile nährt. Ganz gleich, wie anspruchsvoll die vom Nachwuchs online kommunizierten Inhalte sind, die Assoziation mit ungezählten privaten Blogs und Foren, deren Anspruch nicht weit über den Austausch von Häkelmustern hinausgeht, klebt wie Teer an den Schreibtischen vieler Professoren. Und die Skepsis scheint dominant vererbt zu werden, zumindest gewinnt man diesen ernüchternden Eindruck im Gespräch mit jungen Wissenschaftlern. Que faire?

Ich versuche es hier so konkret wie möglich:

  • Ein wichtiger erster Schritt ist mit der Gründung wissenschaftlicher Blogumgebungen wie etwa de.hypotheses.org und der Vergabemöglichkeit von ISS-Nummern für etablierte Blogs getan. Dass Letzteres bislang nur durch die französische Nationalbibliothek erfolgt, erscheint symptomatisch für die German Angst vor dem Verfall von Wissenschaftskultur durch das Internet.
  • Ob eine ähnliche Evaluierungsgrundlage für andere Textgenres im wissenschaftlich genutzten Netz möglich ist, bleibt fraglich. Wie etwa sollte sie bei Twitter aussehen? Nationale Einrichtungen für die Anerkennung professionell genutzter Accounts? Keine schöne Vorstellung, zumal der Reiz eines Twitteraccounts für die anderen Twitteranians auch in der richtigen Mischung fachlicher Tweets und dem Ausdruck von Persönlichkeit begründet liegt, wozu eben auch die eine oder andere private Botschaft gehört. Und hier zeigt sich vielleicht eines der Grundprobleme: Social Media ist mit Spaß verbunden, und beides ist leider wenig kompatibel mit offiziellen Evaluierungsrichtlinien.
  • Abgesehen vom Mikroblogging gibt es aber eine Reihe von Online-Formaten, die heute schon häufiger und besser in Antrags- und Bewerbungszusammenhängen verwertet werden könnten (Blogs, Wikis, Kommentare, Preprints usw.). Natürlich ist der Ruf nach mehr Offenheit bei den Förderinstitutionen und Universitäten gerechtfertigt. Andererseits – ganz primär und zuallererst – auch jener nach mehr Mut bei Antragstellern und Bewerbern. Ich hoffe auf eine Generation, die mit derselben Selbstverständlichkeit, mit der sie online kommentiert oder Forschungsskizzen und -diskurse bloggt, die ihr substanziell erscheinenden Beiträge auch in der eigenen Literaturliste im DFG-Antrag aufführt. Und hier sind wir bei einem weiteren Grundproblem: Trauen wir als Wissenschaftler uns wirklich (schon), Substanzielles (nur) online zu publizieren, oder landet es nicht doch auf Papier?

Zurück zur Frage der Qualitätssicherung, die ja zumindest für das Blogwesen bereits anklang, wo Blogportalbetreiber als redaktionsähnliche Filter agieren können, um die Wissenschaftlichkeit publizierter Inhalte sicherzustellen.

Andererseits stellt sich die Frage, ob es nicht geradezu absurd ist, einem Medium die Standards eines alten Mediums (die des Papiers, das nur begrenzten Platz bietet) überzustülpen, nur um die Ansprüche derer zu bedienen, die sich vom alten Medium (noch) nicht lösen. Das Absurde daran ist wohl, dass man auf diese Weise das neue Medium daran hindert, seine spezifischen Mehrwerte und Vorteile zu entfalten, und damit ist der Teufelskreis perfekt, weil die Anreize für Akzeptanz oder gar Umstieg damit beschnitten werden. Seit Langem schon gibt es daher – oft als traumtänzerische Idealisten belächelte – Verfechter der These „publish first filter later“[1] als Antwort auf die immer wiederkehrende Frage, wie denn Qualitätssicherung für wissenschaftliche Netzinhalte organisiert werden solle angesichts der wachsenden Textberge (die es by the way auch auf Papier gibt).

Aber sie haben gute Argumente, diese Verfechter. Internet ist per se weniger Publikation denn Kommunikation. Nahezu alle wirklich erfolgreichen Netzformate setzen auf individuelle Selektion, das heißt den Verzicht auf eine objektive filternde Instanz, an deren Stelle das Individuum als Filter tritt. Das ist natürlich stark vereinfacht, weil es de facto immer filternde Gruppen gibt, die den Einzelnen entlasten: Bei Facebook und Twitter filtern die Bekanntenkreise vor und mit. Bei der Wikipedia sind es die, die neben mir selbst über Spezialwissen zum jeweiligen Artikel verfügen und so weiter. Entscheidend aber ist der Verzicht auf die (vermeintlich) neutrale Vorinstanz. Erfolg hat, was wahrgenommen wird. „Wahrgenommen zu werden“ hat natürlich je nach Thema unterschiedliche Schwellen: Ein gutes Blogpost zu einem abseitigen historischen Spezialthema wird mit 20 ernsthaften Lesern und drei Kommentaren als ähnlich erfolgreich gelten können wie ein tausendfach geklickter Artikel zu Angela Merkels Urlaubsfotos auf Spiegel Online. Es geht nicht um Masse, sondern um Machbarkeit. Zweifellos ist die Machbarkeit, also die Fähigkeit zum Erreichen möglichst vieler potentiell Interessierter, online größer als in einem papiernen Fachjournal mit winziger Auflage. Das qualitativ schlechte Blogpost zum obigen Spezialthema hat nur 5 Leser, keinen Kommentar und bleibt unsichtbar, während der Link zum guten per Emails, Twitter, Literaturliste und Mund-zu-Mund-Propaganda in der Wahrnehmung der Fachkreise hochgespült wird. So sähe das „filter later“ im Idealfall aus. Wie realistisch das Szenario ist, liegt in unser aller Hand.

Apropos realistisch: Realistisch ist, dass das klassische Peer Reviewing – wie oft blind auch immer – auf absehbare Zeit zumindest in den Geisteswissenschaften tonangebend bleibt. Das (insbesondere deutschsprachige) geisteswissenschaftliche Währungssystem ist behäbig. Der Unterschied zwischen „online“ und „offline“ bleibt so lange ein verhältnismäßig kleiner, wie sich ein vorgelagertes Peer Reviewing „unsichtbar“ abspielt und das vermeintlich fertige Textwerkstück ganz am Ende statt auf Papier ins Netz gegossen wird. Ein vorgelagertes Open-Peer-Reviewing kann es öffnen, eventuell sogar fortentwickeln oder ergänzen, bleibt aber der alten Idee verhaftet, es gäbe so etwas wie einen „fertigen Text“, der zum Zeitpunkt der offiziellen Publikation zumindest temporär statisch sein soll und darf.

Dass dies eine Illusion ist, deren Ursprung im Papier begründet liegt, ist offensichtlich. Um beim oben skizzierten Idealfall zu bleiben: Das gute Spezialpost nimmt natürlich die drei eingegangenen fundierten Kommentare von Kollegen aus aller Welt auf, verarbeitet sie und publiziert ein neues Post, einen Aufsatz oder eine Monographie – selbstverständlich online und selbstverständlich mit Kommentarmöglichkeit. Denn was ist schon fertig.

[1] Z.B. David Gauntlett oder Hubertus Kohle. Der Slogan geht zurück auf Clay Shirky (2008): “Here Comes Everybody. The Power of Organizing Without Organizations”

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/498

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Zur Feminisierung und Infanilisierung des Holocaust

uppsala
Bei der von Tanja Schult und Diana Popescu organisierten Konferenz “Holocaust Memory Revisited”, die letzte Woche im Hugo Valentin-Centrum in der Norlands Nation in Uppsala stattfand, kam es im Anschluss an die Keynote von Silke Wenk am Freitag 22. März 2013 zu einer regen Diskussion über die Thesen in Bezug auf die Feminisierung und Infantilisierung des Holocaust in den letzten Jahren. Wenk’s kritische Anmerkung, dass der Blick auf Kinder den Blick auf die Frauen zu schnell verdrängt habe, fand Beachtung und Zustimmung. Es ist ein Anliegen, dass indes noch intensiver besprochen werden sollte und Anlass zu einer kritischen Hinterfragung der Aufsplitterung in Opferkategorien gibt.

Interessanterweise unbeantwortet blieb meine Frage danach, ob die Fokussierung auf Frauen und Kinder unsere Unfähigkeit und Angst ausdrückt, den männlichen Tätern dieselbe Aufmerksamkeit zu widmen (im Sinne Harald Welzers „Täter: Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“). Das Schweigen auf diese Frage gibt Anlass zum Nachdenken. Ist es so, dass wir selbst als HistorikerInnen diesen Blick auf die Täter nur mit Schweigen beantworten können?

 

Quelle: http://holocaustwebsites.hypotheses.org/112

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4. Konferenz der Reihe „Digitale Bibliothek“: Kulturelles Erbe in der Cloud (22. Nov. 2013, Graz)

Die “Veranstaltungsreihe Digitale Bibliothek” dient dem Erfahrungsaustausch, der Koordination und Kooperation zwischen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen in dem Bereich digitale Bibliotheken. Die jährlichen Tagungen bieten ein Diskussionsforum für die spezifischen Herausforderungen, denen sich die Einrichtungen bei der Gestaltung und Etablierung moderner Online-Wissensspeicher stellen müssen. Ab sofort ist es möglich Abstracts zu Vorträgen und Posterpräsentationen für die “Digitalen Bibliothek 2013″ einzureichen.

Der Call for Papers ist bis zum 1. Juni 2013 geöffnet. Download unter http://www.europeana-local.at/images/call_for_papers_2013.pdf

 

4. Konferenz der Reihe „Digitale Bibliothek“ am 22. November 2013 in Graz:

Kulturelles Erbe in der Cloud

 

Die geplanten Themen 2013 umfassen folgende Aspekte:

Neue Formen von IT-Dienstleistungen für Kultureinrichtungen

  • Typen und Komponenten von Cloud-Computing Systemen
  • Technische Grundlagen
  • Auswirkung auf Geschäftsprozesse und Arbeitsorganisation
  • Standards und Referenzmodelle

Geschäftsmodelle und Nutzungsszenarien

  • Beispielhafte Projekte und Kooperationen
  • Public Private Partnership-Modelle
  • Abgrenzung zu anderen Technologien
  • Rechtliche Aspekte

Services, Technologien und Methoden

  • Digitalisierungs- und Langzeitarchivierungsservices
  • Vokabular-Services
  • Semantische Technologien und Linked Open Data
  • Netzwerk- und Speichersysteme

Gesucht werden Beiträge, die sich mit theoretischen Grundlagen oder praktischen Lösungen aus der Perspektive von Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen auseinandersetzen. Alle fristgerecht eingereichten Beiträge werden vom Programmkomitee begutachtet. Beiträge und ihre Inhalte werden vertraulich behandelt; angenommene Beiträge bis zur Bekanntgabe der Annahme gegenüber dem Autor/der Autorin.

Wichtige Termine

Einsendeschluss für Beiträge (nur Kurzfassungen, max. 800 Wörter): 1. Juni 2013

Bitte geben Sie bei Ihrer Einsendung bekannt, ob Sie Ihren Beitrag als Vortrag (30 min) oder Poster (Ausstellung) gestalten wollen.

Benachrichtigung der Autor/inn/en über Annahme/Ablehnung eingereichter Beiträge: 1. Juli 2013

Tagungssprache ist Deutsch. Beiträge sind aber auch in englischer Sprache möglich.

Senden Sie Ihre Kurzfassungen bitte an Frau Mag. Gerda Koch (kochg@europeana-local.at).

Veranstalter

Universität Graz, Zentrum für Informationsmodellierung in den Geisteswissenschaft
EuropeanaLocal Austria, AIT Forschungsgesellschaft mbH

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1481

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Der Historikertag 2012 ist thematisch im High-Tech-Kapitalismus angekommen

Ich hätte ja nicht geglaubt, dass ich das noch jemals über einen Historikertag sage (und ich war wirklich auf einigen), aber die Panels sind dieses Jahr thematisch ausgesprochen spannend. Unter dem Leitthema “Ressourcen – Konflikte”, gibt es ein  Programm, dass sich lohnt, genauer studiert zu werden. Für mich ist dieses Programm ein Zeichen, dass auch in der wissenschaftlichen Forschung die Fragestellungen des globalen High-Tech-Kapitalismus angekommen sind. Ich überlege ernsthaft, ob ich hinfahre.


Einsortiert unter:Veranstaltung

Quelle: http://kritischegeschichte.wordpress.com/2012/06/25/der-historikertag-2012-ist-thematisch-im-high-tech-kapitalismus-angekommen/

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CfP: From Ancient Manuscripts to the Digital Era. Readings and Literacies

An der Universität von Lausanne findet im August 2011 eine internationale Konferenz zur Schriftkultur im digitalen Zeitalter statt. Im Mittelpunkt stehen Kommunikationstechniken von der Antike bis in die aktuelle Zeit. Ein Leitthema bildet laut Ankündigung die Frage nach den Möglichkeiten und Herausforderungen der digitalen Präsentation antiker und moderner Texte. Vorschläge können bis zum 30. April [...]

Quelle: http://digiversity.net/2010/cfp-readings-and-literacies/

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CfP: DH2011

Der Gastgeber der Digital Humanities ist im Jahr 2011 die kalifornische Stanford University, die kürzlich den Call for Proposals veröffentlicht hat. Die Konferenz findet vom 19. bis 22. Juni unter dem Motto “Big Tent Digital Humanities” statt und legt den Schwerpunkt auf Interdisziplinarität. Die Deadline für Proposals, der 1. November 2010, soll in diesem Jahr [...]

Quelle: http://digiversity.net/2010/cfp-dh2011/

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SDH – NEERI 2010 in Wien

In Wien finden vom 19. bis zum 21. Oktober 2010 die gekoppelten Veranstaltungen SDH und NEERI statt. SDH steht für Supporting the Digital Humanities. Erklärtes Ziel der Konferenz ist es, Provider und Benutzer aus den Infrastruktur-Initiativen CLARIN- und DARIAH zusammenzubringen. Auf der zweitägigen Veranstaltung werden Sitzungen zu diversen geisteswissenschaftlichen Fachrichtungen angeboten: Vorrangig vertreten sind Archäologie, [...]

Quelle: http://digiversity.net/2010/sdh-neeri-2010/

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Gefunden: Weitere internetfreie Hochschulzone

Ich setze meine kleine, unsystematische Feldforschung bezüglich Internet-Gebrauch im Hochschulalltag fort. Nach den Beobachtungen in der Basler UB-Cafeteria nehme ich mit einer gewissen Verwunderung die Tagung “Curriculums en mouvement, acteurs et savoirs sous pression-s Enjeux et impacts” unter die Lupe, die grosse Jahrestagung der französischsprachigen Didaktik-Gemeinde der Fächer Geschichte, Geographie und Politische Bildung, die dieses [...]

Quelle: http://weblog.histnet.ch/archives/3459

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