Radio France-Gespräch mit Carlo Ginzburg
MP3: http://rf.proxycast.org/839500350166667264/10193-23.12.2013-ITEMA_20565204-0.mp3
Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick
Quelle: http://provinzialroemer.blogspot.com/2013/12/frankfurter-elektronische-rundschau-zur.html
Die ‘Formosianischen Sprachen’ (langues formosanes, Formosan languages), die Sprachen der indigenen Völker Taiwans, sind für die Historische Linguistik von höchster Bedeutung. Sie bilden nach Blust mit etwa 300.000 Sprechern und 21 Sprachen 8-10 primäre Zweige des Austronesischen, während alle anderen austronesischen Sprachen (mehr als 1.100 Sprachen mit etwa 300 000 000 Sprechern) zu einem einzigen Primärzweig, dem Malaio-Polynesischen, gehören.[1] Während Blusts Theorien nicht unumstritten sind, herrscht weitgehende Einigkeit darüber, dass Taiwan einer der Ursprungsorte der austronesischen Sprachen ist.[2]
Im Jahr 1703 - lange bevor die Sprachen Taiwans in den Fokus der Wissenschaft rückten – war ein exotischer Fremder mit bizarren Gewohnheiten die Sensation in London. Er nannte sich George Psalmanazar (oder Psalmanaazaar) und behauptete, ein ‘Ureinwohner’ von Formosa (Taiwan 臺灣) zu sein, von wo ihn Jesuiten nach Frankreich verschleppt hätten, wo er allerdings die Konversion zum Katholizismus verweigert hätte. In London bekehrte er sich zum Anglikanismus, was ihm bei Henry Compton (1632-1713, Bischof von London 1675-1713) Ansehen brachte und ihm die Türen zur Londoner Gesellschaft öffnete, die nach Berichten aus exotischen Gegenden gierte. Psalmanazar spielte geschickt mit dieser Neugierde, aber auch mit antikatholischen und antijesuitischen Strömungen.[3]
1704 veröffentlichte Psalmanazar An historical and geographical description of Formosa[4] In dieser ‘Beschreibung’ Taiwans, die reine Erfindung ist, finden sich auch Bemerkungen zur Sprache und eine Tafel “The Formosan Alphabet” (Tafel nach S. 268).[5]
Während Psalmanazar bald als Schwindler entlarvt war, zogen seine Bemerkungen zum ‘Formosanischen’ noch in der zweiten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts weite Kreise durch Bücher, die fremde Spachen und Schriften vorstellten, aber auch durch die sogenannten Vaterunser-Sammlungen, also Bücher, die das Vaterunser in 100 und mehr Sprachen abdrucken.
Ein Beispiel ist Benjamin Schultzes Orientalisch- und Occidentalisches A, B, C-Buch aus dem Jahr 1769.[6] Schultze (1689-1760), dem auch der Orientalische und okzidentalische Sprachmeister (1748) zugeschrieben wird, bringt zunächst das “Alphabetum Formosanum” (S. 103).
Im Anschluss präsentiert er (weitestegehend) wortident Auszüge des entsprechenden Kapitels (S. 468-474) aus der deutschen Version von Psalmanazars Description, die 1716 von Philipp G. Hübner vorgelegt wurde..[7]
Das Wissen darum, dass Psalamanazar ein Schwindler war, verbreitete sich bald. Trotzdem blieb Psalamanzars Description im 18. Jahrhundert eine der Quellen für alles, was die Insel betraf. Auch der Verfasser des Artikel “Formosa” in Zedler’s Universal-Lexikon[8] merkt jedoch an:
Man hat aber nicht Ursache, auf dieses Auctoris [d.i. Psalmanazar] Beschreibung von FORMOSA viel zu bauen.[9]
Trotzdem stützt sich der Artikel primär auf Pslamanazar (ablesbar an der Wiedergabe der Ortsnamen), die anderen Quellen, die am Ende des Artikels genannt werden und die wesentlich ergiebiger und verlässlicher gewesen wärhen, scheinen nicht verwendet worden zu sein.
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Der Kauf eines Flugtickets nach Budapest erscheint heutzutage vergleichbar mit dem Erwerb einer Eintrittskarte für die Weltmeisterschaften im Tauziehen. Die Erlebnisse, die man vor Ort sammelt, die Gespräche, die man führt, werfen den reisenden, neugierigen Fragesteller unmittelbar in die Arena. Er wird augenblicklich zum Zuschauer dieses „Spektakels“.
Grundlegend unterschiedliche Auffassungen von Demokratie, Freiheit, Kultur und Kulturpolitik prallen in Ungarn aufeinander. Es wird gezogen und gezerrt, erbittert um Einfluss gekämpft, wobei man den Eindruck bekommt, dass in den letzten Jahren immer häufiger, neben Werten wie Vielfalt oder Offenheit in der (Kultur-)Politik, auch der kleinste gemeinsame Nenner auf der fachlichen Ebene unter die Räder gerät. An welchem Ende des Seils steht man? Nur das zählt einzig und allein.
Quelle: https://visual-history.de/2023/08/10/fotografen-ikonen-und-forschungsaufgaben/