Osloer Munch-Museum lanciert Crowdsourcing für Coding der Briefe an Edvard Munch

Foto: Munch-Museum, Oslo / Norway

Foto: Munch-Museum, Oslo / Norway

Die Briefe und Texte von Norwegens bedeutendstem bildenden Künstler Edvard Munch (1863-1944), der viele Jahre auch in Deutschland lebte und arbeitete, sind bereits online, ediert und kommentiert. Nun legt das Osloer Munch-Museum nach: Per Crowdsourcing geht es nun auch an die Briefe an Munch, die digital in Text und Bild veröffentlicht und per XML/TEI erschlossen werden sollen. Nach dem Vorbild des erfolgreichen Crowdprojekts Transcribe Bentham werden via Wiki die automatisiert erfassten Briefabschriften mit den Scans der Originalbriefe abgeglichen; anschließend erfolgt die Erschließung mit XML/TEI Level 4. Vorbildlich hat man hier erklärt, dokumentiert und unterstützt, um auch in Sachen “Spitze Klammern” gänzlich unerfahrenen Freiwilligen die Möglichkeit zur Mitwirkung zu geben – ein perfekter Einstieg ins Textcoding. So stehen u.a. deutschsprachige Videotutorials und ein komfortables Editionsfenster mit umfangreicher Werkzeugleiste bzw. -schaltflächen für die bequeme (und fehlerminimierte) Codierung zur Verfügung. Nach Freigabe durch die Redaktion werden die fertig bearbeiteten Briefe auf http://www.emunch.no der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.  Ein gelungenes Modell, das auch in Deutschland vermehrt Schule machen könnte.

Laut Hilde Bøe, Projektleiterin und Redakteurin von http://emunch.no/, stellt das Projekt im skandinavischen Raum den ersten Versuch einer solchen Teamarbeit zwischen Museum und Publikum dar. Im Munch-Museum ist man gespannt, wie diese Art digitaler Gemeinschaftsarbeit  – in den digitalen Geisteswissenschaften im Ausland zunehmend populär – angenommen wird. «Wir benötigen Freiwillige, die Handschriften in norwegischer, dänischer, schwedischer, französischer und nicht zuletzt in deutscher Sprache lesen können, denn etwa die Hälfte der Briefe an Munch ist deutschsprachig,» so Bøe. Freiwillige sollten außerdem die Bereitschaft zum digitalen Arbeiten in einem Wiki mitbringen, benötigen ansonsten jedoch keine Vorkenntnisse.

Unbenannt

Gut verständliche Erläuterungen und Richtlinien, Online-Support und Videotutorials erleichtern den Einstieg ins Wiki.

 

Das Arbeitsfenster mit Werkzeugleiste, Transkription und Faksimile.

 

«Das Museum besitzt rund 5.800 an Edvard Munch adressierte Briefe, und es ist fantastisch, dass diese jetzt zusammen mit den Briefen Munchs im Internet zugänglich gemacht werden», meint die leitende Konservatorin des Museums, Ute Kuhlemann Falck. «Es handelt sich um historisches Quellenmaterial, das nicht nur für die Munch-Forschung von Interesse ist, sondern auch für andere Forschungsfelder, die wir noch gar nicht absehen können.»

Die andere Seite der Korrespondenz zugänglich zu machen, trägt dazu bei, Munchs eigene Texte zu erläutern, auszuloten und zu nuancieren – ein sehr wichtiger Schritt, so Forschungsbibliothekar Lasse Jacobsen. Man hofft, durch die Arbeit auch weitere Briefautoren zu identifizieren – enthält die Korrespondenz doch einen Teil bislang nicht namentlich zugeordneter Verfasser. Unter den zahlreichen bekannten Namen finden sich u.a. Julius Meyer-Graefe, Gustav und Luise Schiefler, Harry Graf Kessler, August Macke, Elisabeth Förster-Nietzsche, Christian Krohg, August Strindberg und Stèphane Mallarmé.

Wiki: http://www.emunch.no/wiki/index.php/Briefe_an_Edvard_Munch
Einführung und Erläuterungen, Videotutorials: http://www.emunch.no/wiki/index.php/Erste_Schritte
Richtlinien für Transkription und Erschließung: http://www.emunch.no/wiki/index.php/Richtlinien
Direkt zum Archiv: http://www.emunch.no/wiki/index.php/Handschriften
eMunch – Edvard Munchs Texte (digitales Archiv): http://www.emunch.no/

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3668

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DFG fördert “herausragende Forschungsbibliothek” des IOS

Im Rahmen der Förderung herausragender Forschungsbibliotheken hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein Projekt des IOS zum “Aufbau eines Portals georeferenzierter versteckter Karten zu Ost- und Südosteuropa (GeoPortOst)” in vollem Umfang bewilligt. Das beantragte Vorhaben stellt ein Pilotprojekt für den elektronischen Nachweis und die georeferenzierte Präsentation versteckter Karten dar. Als Ausgangsbasis dient ein Zettelkatalog mit dem Nachweis von 16.000 unselbständigen Karten zu Osteuropa (davon 400 urheberrechtsfrei), die sich in Monografien und Sammelbänden befinden. Dieser Katalog wird zunächst in die Datenbank des B3Kat retrokonvertiert. Zudem werden weitere 250 Bücher (Erscheinungszeitraum zwischen 1850 und 1918) zu Südosteuropa, die Karten enthalten, daraufhin durchgesehen, ob diese geeignet sind, einen Beitrag für die Forschung zu leisten. Auf diese Weise können weitere 500 urheberrechtsfreie Karten ausgewählt und katalogisiert werden. Nachdem diese formale Erschließung abgeschlossen ist, werden die 900 vor 1918 erschienenen Karten mittels GND inhaltlich beschrieben. Anschließend werden sie digitalisiert und mit der proprietären Applikation Georeferencer zunächst rudimentär georeferenziert. Nach Erstellung eines Metadatensets werden die Karten für die Georeferenzierung durch Crowdsourcing freigegeben. Schließlich werden die versteckten Karten in ein Portal (GeoPortOst) eingebunden und recherchierbar gemacht. Damit werden versteckte Karten erstmals elektronisch nachgewiesen. Für die Ost- und Südosteuropaforschung entsteht dadurch ein zentraler Ort für die Recherche von Karten. Das Projekt steht somit in der Tradition der Tiefenerschließung von Bibliotheksbeständen des Instituts für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) und seiner Vorgängereinrichtungen.

Quelle: http://ostblog.hypotheses.org/166

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Musikgeschichte als Sonatenform oder das Ende der Musik als Reprise der Geschichte

Seit meiner Lektüre von Alexander Demandts Metaphern für Geschichte (1978) halte ich gerne und ausgiebig Ausschau nach Sprachbildern für Musikgeschichte. Demandt teilt häufig verwendete Metaphern nach Bedeutungsfeldern ein. Dabei unterscheidet er organische, technische, Jahreszeiten-, Theater- und Bewegungsmetaphern. Als ich kürzlich in Musikzeitschriften aus den 1950er Jahren blätterte, begegnete mir folgende Vorstellung: Die Musikgeschichte verlaufe wie eine Sonatenform. Auch wenn es sich hier strenggenommen um keine Metapher, sondern um einen Vergleich handelt, drängt sich die Frage auf: Wie ist Musikgeschichte als Sonatenform zu verstehen? Haben wir es mit einer Double-function Form1 in ungeahnter Dimension zu tun?

Eine kurze Erläuterung der Sonatenform vorab: Es handelt sich dabei um eine (zumeist) dreiteilige Form, die seit dem 18. Jahrhundert vornehmlich in Sonaten, kammermusikalischen Werken und Symphonien zu finden ist. Idealtypisch – hinsichtlich der Formenvielfalt allerdings notwendigerweise verkürzt – lässt sich das Formmodell so darstellen: Im ersten Teil, der „Exposition“, werden zwei Themen vorgestellt bzw. es gibt zwei Bereiche, die in einem Kontrast (Tonart, Charakter) zueinander stehen. Im zweiten Teil, der „Durchführung“, erfolgt die motivisch-thematische Verarbeitung des zuvor vorgestellten Materials. Und schließlich wird im dritten Teil, der „Reprise“, die Exposition wiederholt, wobei der zuvor aufgestellte Kontrast hier (tonartlich) aufgelöst wird.

Nun schreibt Frederick Goldbeck, Musikkritiker und Musikologe, im Jahre 1954: „Es sieht ganz so aus, als entspräche der Gang der Musikgeschichte dem Gang der so schicksalsträchtigen Sonatenform. Vom Mittelalter bis zu Beethoven: Exposition aller Themen, von der Gregorianik bis zur Sonate. Von Beethoven bis zum Ende der Romantik: Durchführung, Modernität als Stauung, Dynamik, Dissonanz; Stretta der Harmonik und des Kontrapunkts. Von Debussy an: Zyklus der Wiederholung, variierende Wiederaufnahme und paradoxe Gleichzeitigkeit, [sic] aller Themen, Modernität als Auseinandersetzung mit der wieder vergegenwärtigten Vergangenheit.“2

Dieser Text ist freilich mit zwinkerndem Auge geschrieben. Dennoch, umsonst ist das Bild einer Sonatenform nicht gewählt. Welche Auffassung von Musikgeschichte steckt also dahinter? Ein kurzer Umriss: Bis zur Klassik werden neue musikalische Momente gesetzt, es werden Formen, Satztechniken und Ordnungsprinzipien des Tonvorrats entwickelt. In der Romantik werde das Gegebene „durchgeführt“, es werde dynamisiert, verschärft, von allen Seiten beleuchtet. Die musikalische Moderne und alles darauf Folgende stelle dann eine Wiederholung des Bisherigen dar: Es handle sich um einen Abschnitt der Musikgeschichte, in dem nichts genuin Neues passiert. Eine starke These! Selbst die Zwölftonmusik, die in den 1920ern und teilweise noch in den 1950ern als radikal und revolutionär galt, versteht Goldbeck als Spielart der Tonalität (aus der Phase der Exposition): „Hier wird dem dynamisch-harmonischen Prinzip unbedingt die Treue gehalten. Hier folgt Dissonanz auf Dissonanz […].“3 Die Folge von Dissonanzen, so lautet sein Argument, sei letztlich zurückzuführen auf die Vorstellung von Dreiklängen (Konsonanzen), die sich dahinter verberge.

Angesichts von so unterschiedlichen musikalischen Phänomenen wie Neoklassizismus und Zwölftonmusik fragt sich Goldbeck: „ […] sind das nicht lauter tastende, naive Versuche, sich in der neuen Situation der erweiterten Perspektive zurechtzufinden und Vergangenheit und Gegenwart zu kontrapunktieren?“4 Dabei fasst er diese neue Situation so auf: Bis zu Richard Wagner habe die zeitgenössische Musik immer die bisherige Musik ersetzt. Dies sei nun nicht nicht mehr der Fall; die zeitgenössische Musik erweise sich „als unersetzlicher Augenblick dieser Musikgeschichte und als unumgängliche Auseinandersetzung mit dieser Musikgeschichte.“5 Goldbeck möchte hier nicht dem Historismus das Wort reden, vielmehr wird in seinen Ausführungen eine (frühe) postmoderne Einstellung sichtbar: Es gibt keine neuen Ideen mehr, sondern lediglich das Aufgreifen des schon Verfügbaren. Die Moderne als Reprise der Geschichte: Äußert sich hier eine Variante von Hegels These zum Ende der Kunst? Einer Kunst, in der keine bedeutende neue Entwicklung stattfinden kann, weil sie nach Goldbeck nicht anders kann als in den „Zyklus der Wiederholung“ einzutreten?

Zu dieser Deutung der Musikgeschichte gibt es vieles anzumerken, ich möchte hier nur zwei Kritikpunkte herausgreifen. 1) Viele Komponisten zielten in den 1950er Jahren ausdrücklich darauf ab, mit der Tradition zu brechen und ganz neue Musik zu komponieren, etwa mit synthetisch erzeugten Klängen in der elektronischen Musik. Diese Entwicklung hat – so lässt sich mit einigem Recht sagen – tatsächlich ein neues Kapitel in der Musikgeschichte aufgeschlagen (um ebenfalls ein Bild zu wählen). 2) Eine Auseinandersetzung mit Musikgeschichte, um Goldbecks Worte aufzugreifen, war auch für Komponisten im 19. Jahrhundert unumgänglich. Die musikalischen Neuerungen etwa eines Richard Wagner sind ohne seine kreative Rezeption von verschiedenen Komponisten (Beethoven, Gluck u.a.) und Strömungen nicht zu denken. Inwiefern ein qualitativer Unterschied besteht zwischen der Art, wie Wagner und wie Schönberg Tradiertes aufgreifen und verarbeiten – im Sinne von Durchführung und Wiederholung – ist nach meiner Auffassung nicht einzusehen.

Doch der Vorstellung einer Reprise als „variierende Wiederaufnahme und paradoxe Gleichzeitigkeit“ in Hinblick auf die Moderne ist auch etwas abzugewinnen. Besonderes Merkmal des Musiklebens des 20. und 21. Jahrhundert ist die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Musikgeschichte nach den technischen Revolutionen der Medien. Darüber hinaus ist seit gut 100 Jahren in der (abendländischen) klassischen Musik kein vorherrschender Stil, keine vorherrschende Strömung oder Kompositionstechnik mehr auszumachen. Viele (aber nicht alle) Komponisten gehen heute davon aus, dass ihnen jedes Material aus jeder Epoche für ihre eigenen Werke frei verfügbar ist.

Wie jedes Sprachbild verrät der Vergleich mit der Sonatenform einiges darüber, wie der jeweilige Autor (Musik-) Geschichte auffasst, welche Selektionen und Hierarchisierungen er vornimmt und was er für den zukünftigen Verlauf prognostiziert. Als abgeschlossenes symmetrisches Gebilde hat die Sonatenform als Geschichtsbild keine Zukunft der Musik zu bieten. (Das oft beschworene Ende der Kunst wird von Goldbeck zwar als solches nicht benannt, als Denkfigur wohl aber impliziert.) Doch verweist das Bild der Sonatenform auf ein entscheidendes Merkmal der Musik seit dem 20. Jahrhundert, nämlich die Gleichzeitigkeit höchst unterschiedlicher Musiken und Ästhetiken, die – mehr oder weniger konfliktreich – nebeneinander existieren.

 

 

1„Double-function Form“ bedeutet, dass eine musikalische Form, nach der gewöhnlich ein einzelner Satz gestaltet ist, auch die übergeordnete Form eines mehrsätzigen Werkes bestimmt.

2Frederick Goldbeck, “Dissonanzen-Dämmerung”, in: Melos 21 (1954), S. 5.

3Ebd., S. 4.

4Ebd., S. 5.

5Ebd., S. 5.

Quelle: http://avantmusic.hypotheses.org/151

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Österreichische Zeitschrift für Volkskunde online

Die Österreichische Zeitschrift für Volkskunde (1947ff) wurde mitsamt den Vorgängerzeitschriften Zeitschrift für österreichische Volkskunde (1895-1918) und Wiener Zeitschrift für Volkskunde (1919-1944) eingescannt, die PDFs stehen nun bis zum Jahrgang 2011 unter http://www.volkskundemuseum.at/ozv_jahrgange zur Verfügung.
[via Alltagsdinge/Susanne Breuss]

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/894831738/

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Das Community-Management stellt sich vor: Lisa Bolz

Lisa BolzSeit Juni 2014 bin ich im Team des Community-Managements von de.hypotheses.org und Mitarbeiterin am Deutschen Historischen Institut Paris im Bereich der Wissenschaftskommunikation. Zudem suche ich regelmäßig nach Zeit für meine Dissertation zur Auslandsberichterstattung in der deutsch-französischen Presse sowie zum Zirkulieren internationaler Informationen im Journalismus. Die Arbeit entsteht als Cotutelle an der École des Hautes Études en Sciences de l’Information et de la Communication und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und wird demnächst im Blog “Das 19. Jahrhundert in Perspektive” näher vorgestellt.

Nach vielen Jahren als freie Mitarbeiterin im Lokaljournalismus konnte ich nicht anders als Stift und Notizblock gegen Tastatur und Bildschirm einzutauschen, um über meine Auslandsaufenthalte zu schreiben (hier oder hier). Durch das Bloggen über meine Alltagserfahrungen in verschiedenen Ländern habe ich erlebt, wie etwas Unbekanntes während des Schreibens vertraut werden kann und wie ich Leser an dieser Erfahrung teilhaben lassen kann. In Paris wohne ich übrigens seit September 2012 in und seitdem hat mich die Stadt mit all ihren Facetten nicht mehr losgelassen.

Wissenschaftlich interessiere ich mich vor allem für Medien- und Kommunikationstheorien, internationale und interkulturelle Kommunikation, Journalismusforschung sowie deutsch-französische Pressegeschichte. Ich mag die Atmosphäre in Bibliotheken, habe einen Hang zu statistischen Verfahren in Sozial- und Geisteswissenschaften, lese mit Vorliebe möglichst ausgefallene Theorien und stöbere nur zu gerne in den Zeitungen des 19. Jahrhunderts.

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2402

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Tagungsprogramm des Workshops

Kein Bund fürs Leben?
Eheleute vor kirchlichen und weltlichen Gerichten

Workshop zur Ehegerichtsbarkeit vom Mittelalter bis in die Neuzeit
10. bis 11. September 2014
Seminarraum Geschichte 2 (2. Stock, Stiege 9)
Universität Wien (Universitätsring 1, 1010 Wien)

Als einen (vorläufigen) Schlusspunkt unseres Forschungsprojekts veranstalten wir im September einen Workshop. Gemeinsam mit internationalen Forscherinnen und Forschern wollen wir Ideen, Konzepte, Begriffe, Probleme und (Zwischen-)Ergebnisse diskutieren. Neben dem Austausch auf theoretisch-methodischer Ebene bzw. auf einer konkreten empirischen Basis soll das In-Beziehung-Setzen von Studien zur Ehegerichtsbarkeit unterschiedlicher Regionen und Zeiten im Mittelpunkt des Workshops stehen.

Interessierte sind herzlich willkommen!


 

Vorläufiges Tagungsprogramm (als PDF)

Mittwoch, 10. September 2014

13:00 Uhr
Begrüßung

13:15–16:30 Uhr
Spielregeln und Spielräume
Chair und Respondenz: Karin Neuwirth, Johann Weißensteiner

Andrea Griesebner (Wien)
Rechtliche Rahmenbedingungen frühneuzeitlicher Eheprozesse. Eine praxeologische Annäherung

Duane Henderson, Miriam Hahn (München)
Zwischen concordia und sententia. Das Zusammenspiel außergerichtlicher und gerichtlicher Konfliktlösungen in den Freisinger Offizialatsbüchern des 15./16. Jahrhunderts

Iris Fleßenkämper (Münster)
„Ein wachendes Auge auf beide Persohnen haben“: Zur Rolle der Kirche bei der Regulierung von Ehekonflikten in der frühneuzeitlichen Grafschaft Lippe

Kaffee/Tee

17:00–18:30 Uhr
Von der Eingabe zur Abfrage: Online-Datenbanken

Andrea Griesebner, Georg Tschannett (Wien)
Über die Datenbank des Wiener Forschungsprojekts

Duane Henderson, Miriam Hahn (München)
Über die Datenbank des Freisinger Forschungsprojekts

 

Donnerstag, 11. September 2014

9:30 – 13:00 Uhr
I Argumentative Strategien
Chair und Respondenz: Michaela Hohkamp, Rainer Beck

Susanne Hehenberger (Wien)
Das fehlende fleischliche Band. Sexuelles Unvermögen in Ehetrennungs- und Annullierungsklagen vor dem Wiener und Passauer Konsistorium

Claire Chatelain (Lille)
Ein adeliges Beamtenpaar vor Gericht: Eingesetzte Kapitalsorten im Eheverfahren zur Trennung von Tisch und Bett am Ende der Regierungszeit von Ludwig XIV.

Ulrike Bohse-Jaspersen (Hagen)
Weiblichkeitskonzepte und Männlichkeitsvorstellungen in der spätkolonialen Gesellschaft Boliviens. Martina Vilvado y Balverde gegen Antonio Yta – eine Klage auf Eheannullierung in Sucre aus dem Jahr 1803

Mittagessen

14:30 – 16:30 Uhr
II Argumentative Strategien
Chair und Respondenz: Caroline Arni, Elinor Forster

Georg Tschannett (Wien)
„Das ist eine Liebe!“ Ehebruch, Untreue und andere (Liebes-)Verhältnisse. Geschlechtsspezifische Narrationen und Sexualnormen in den Scheidungsakten des Wiener Magistrats (1783 bis 1850)

Zuzana Pavelková Čevelová (Prag)
Ehestreitigkeiten vor dem erzbischöflichen Gericht in Prag


Quelle: http://ehenvorgericht.wordpress.com/2014/06/23/tagungsprogramm-des-workshops/

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China im Kartenbild: Exacta et accurata delineatio (1595)

Jan Huygen van Linschoten (1563-1611) hatte in seiner Zeit als Sekretär des João Vicente da Fonseca (um 1530-c.1530 -1587), des Erzbischofs von Goa, auch Zugang zu Kartenmaterial und Informationen über die portugiesischen Handelswege in Asien. Nach seiner Rückkehr nach Europa verkaufte er die Informationen dem Amsterdamer verleger Cornelis Claesz, der sie 1596 unter dem Titel  Itinerario: Voyage ofte schipvaert van Jan Huyghen van Linschoten naar Oost ofte Portugaels Indien … 1579-1592[1] veröffentlichte. Das Werk, das einen wesentlichen Beitrag zur kolonialen Expansion der Niederlande in Asien bildete,, war reich illustriert.

Eine der Karten, die für Jan Huygen van Linschotens Itinerario  angefertigt wurde, war ein Blatt, das Südostasien, einen Teil Chinas, Japan und Korea zeigt – und bald auch separat verkauft wurde.

Diese Exacta et accurata delineatio[2] zeigt – wie der Titel sagt – die Küsten Chinas und Südostasiens, Teile des Malaischen Archipels sowie Japan Korea.

Die geostete Karte zeigt von China die Provinzen

  • “Nanqvii” (Nanjing 南京)
  • “Cheqviam” (Zhejiang 浙江)
  • “Foqviem” (Fujian 福建)
  • “Cantam” (Guangdong 廣東)
  • “Qvancii” (Guangxi 廣西)
  • “Qvichev” (Guizhou 貴州)
  • “Ivnna” (Yunnan 雲南)
  • “Svchvan” (Sichuan 四川)
  • “Honao” (Henan 河南)

Die Küstenlinien im Süden sind detailliert ausgestaltet, je weiter nördlich man kommt, umso unklarer wird das Bild. Im Landesinneren sind nur wenige Punkte namentlich bezeichnet (meist mit portugiesischen Namen) und nur bei ganz wenigen finden sich zusätzliche Anmerkungen, wie z.B. bei der Stadt Guangzhou 廣州, wo es heißt: “Cantaõ. Jesuitar[um] Ecclesiæ” oder bei der Stadt Nanjing, wo Varianten angegeben werden: “Nanquin ali: Nanchin”.

Im Bereich der Provinz “Qvichv” sind ein Elefant und ein Kamel eingefügt, in “Ivnna” ein Rhinozeros und in “Qvancii” eine Giraffe.

Bemerkenswert erscheint, dass Macao [Aomen 澳門] auf der ‘falschen’ Seite der Mündung des Zhujiang 珠江 (der in der Karte als “Rio de Cantaon” bezeichet wird) eingezeichnet ist – und das auf einer Karte, die auf portugiesischen Quellen beruht.

Der Novus Atlas Sinensis des Martino Martini SJ (1614-1661)  brachte um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts erstmals ein genaueres (Karten-)Bild von China nach Europa. Das Werk, das als Meilenstein gilt, zeigt das China der späten Ming-/frühen Qing-Zeit. Die Karten in diesem Atlas prägten  die Vorstellungen der Europäer von dem Reich am anderen Ende der eurasischen Landmasse.[3]

 Blaeu/Martini/Goius Novvs Atlas, Das ist, Weltbeschreibung: [Amsterdam], [1655]

Blaeu, Willem Janszoon; Blaeu, Joan ; Blaeu, Joan [Hrsg.]; Martini, Martino [Hrsg.]; Golius, Jacobus [Hrsg.]: Novvs Atlas, Das ist, Weltbeschreibung: Mit schönen newen außführlichen Land-Taffeln in Kupffer gestochen, vnd an den Tag gegeben: Novus Atlas Sinensis Das ist ausfuhrliche Beschreibung des grossen Reichs Sina [Amsterdam], [1655]
Quelle: UB Heidelberg

Diese Übersichtskarte[4], die den Beginn der ‘modernen’ China-Karten bildet, steht zugleich am Ende einer langen Reihe von Chinakarten, die mit dem heute geläufigen Bild von China wenig gemein haben: ungewohnte Projektionen, Verzerrungen, ‘merkwürdige’ Namen etc.

China im Kartenbild vor 1655 betrachtet kartographische Darstellungen von China und notiert Beobachtungen zum aus diesen Darstellungen ablesbaren Chinabild. Dabei geht es ausdrücklich nicht um kartographiegeschichtliche Fragen oder technische Fragen zur Erstellung und Herstellung der Karten, sondern um das in den Karten abgebildete Wissen um China: um Namen für das Land, für Teile des Landes (Provinzen, Städte, Flüsse, Seen, Gebirgszüge etc.) und um die Grenzen. Berücksichtigt werden dabei sowohl Karten, die quasi als Illustration anderen Werken beigegeben sind, als auch Einzelkarten.

 

  1. Linschoten, Jan Huygen van: Itinerario: Voyage ofte Schipvaert, van Ian Hughen van Linschoten naer Oost ofte Portugaels Indien, inhoudende een corte beschryvinge der selver Landen ende Zeecusten… Beschryvinghe van de gansche Custe van Guinea, Manicongo, Angola, Monomotapa, ende tegen over de Cabo de S. Augustiin in Brasilien, de eyghenschappen des gheheelen Oceanische Zees; midtsgaders harer Eylanden, als daer zijn S. Thome S. Helena, ‘t Eyland Ascencion… Reys gheschrift vande Navigatien der Portugaloysers in Orienten… uyt die Portugaloyseche ende Spaensche in onse ghemeene Nederlandtsche tale ghetranslateert ende overgheset, door Ian Huyghen van Linschoten. (Amstelredam : Cornelis Claesz, 1596) – Digitalisate (auch zu diversen Übersetzungen) → Bibliotheca Sinica 2.0.
  2. Exacta et accurata delineatio cum orarum maritimarum tum etiam locotum terrestrium quae in regionibus China, Cauchinchina, Camboja sive Champa, Syao, Malacca, Arracan et Pegu, una cum omnium vicinarum insularum descriptione, ut sunt Sumatra, Java utraque, Timora, Moluccae, Philippinae, Luconia et de Lequeos, nec non insulae Japan et Corea… / Henricus F. ab Langren, sculpsit a° 1595 ; Arnoldus F. a Langren, delineavit ([La Haye]: apud A. Elsevirum 1599). Digitalisate (u.a.): gallica, SLUB Dresden/Deutsche Fotothek, UCM Biblioteca Complutense.
  3. Der Text, der diese Karten ergänzt, wird – abgesehen von den ewig gleichen Verweisen auf die ‘erste’ Erwähnung von X, Y und Z – von der Forschung bislang eher stiefmütterlich behandelt.
  4. Das verlinkte Digitalisat der UB Heidelberg gehört zu den eher schlichter ausgestatteten – manche (wie etwa das Exemplar der Universitätsbibliothek Wien wirken als wären die Grenzen mit Textmarkern in Neongelb, Neongrün/blau und Neonpink) gezogen.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1546

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Herbert List als Industriefotograf

Der Schmelzer Heinrich Kirschner am Hochofen, 3. August 1955, Fotograf: Herbert List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Als Industriefotograf ist uns Herbert List (1903-1975) praktisch nicht geläufig. Wir kennen seine hervorragenden Porträtfotografien, so von den Malern Chagall, Braque, Miró und Picasso, seine journalistischen und künstlerischen Arbeiten wie „Licht über Hellas“ und viele Aufnahmen für die Bildagentur „Magnum“.

Industrieaufträge im engeren Sinne sind nur für die Phoenix-Gummiwerke in Hamburg und die August Thyssen-Hütte (ATH) nachgewiesen. In vier Kampagnen hat List 1954 bis 1959 in Duisburg-Hamborn dieses Werk fotografiert. Jetzt hat das ThyssenKrupp Konzernarchiv diesen exzeptionellen Fundus wiederentdeckt und zeigt ihn bis 31. Juli 2014 in einer Ausstellung im Foyer der Hauptverwaltung von ThyssenKrupp Steel Europe in Duisburg.

Im Werkverzeichnis Lists sind die Duisburger Kampagnen nur am Rande erwähnt.[1] Eigentlich sollte der Fotograf und enge Freund Lists, Max Scheler (1928-2003), den Auftrag bekommen. Obwohl dieser 1953 schon einige Aufnahmen gemacht hatte und sich mit der Leitung der Öffentlichkeitsarbeit bei Thyssen prinzipiell einig war, musste Scheler wegen eines anderen Auftrags absagen. Herbert List sprang kurzfristig ein.

In den Jahren 1954 bis 1959 verbrachte Herbert List jeweils zwischen zwei bis drei Wochen auf der August Thyssen-Hütte. Das Unternehmen hatte dabei klare Vorstellungen von den Bildinhalten: List sollte das Werk, das in den 1930er-Jahren eines der modernsten in Europa gewesen, im Krieg schwer beschädigt und 1953 neu begründet worden war,[2] in seiner Leistungsfähigkeit dokumentieren und die neu entstehenden Ofenanlagen und die verschiedenen Fertigungsstraßen fotografieren. Gewünscht waren Außenaufnahmen, die Dokumentation der aktuellen Baumaßnahmen bzw. Anlagen und die Präsentation der Fertigungsprozesse. Erst die beiden letzten Serien richteten den Fokus auch auf den arbeitenden Stahlwerker.

Blasender Konverter im Thomas-Stahlwerk, März 1954, Fotograf: Herbert List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Blasender Konverter im Thomas-Stahlwerk, März 1954, Fotograf: Herbert
List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Das Unternehmen wollte dabei frei über die Aufnahmen verfügen und für seine Zwecke nutzen. Daher kaufte es Positive wie Negative an. Die Aufnahmen Lists fanden letztlich Eingang in Werbebroschüren, Messepräsentationen, Geschäftsberichte, repräsentative Fotoalben für Aufsichtsrats- und Vorstandsmitglieder und in die interne und externe Öffentlichkeitsarbeit; große Abzüge wurden auf Hauptversammlungen gezeigt. Einige List-Bilder zierten die Büros von Vorständen des Unternehmens. Auch bei der Weltausstellung in Brüssel 1958 griff Thyssen bei seiner Ausstellung im Deutschen Pavillon auf Fotografien Lists zurück.

Im ThyssenKrupp Konzernarchiv sind 255 Schwarz-Weiß-Aufnahmen Lists, 248 Negative und 15 Farbabzüge überliefert. Angekauft wurden aber deutlich mehr Fotografien. Vermutlich gingen rund 20 Prozent der Schwarz-Weiß- und wohl rund 80 Prozent der Farbaufnahmen verloren. In einer Parallelüberlieferung, im Nachlass Lists im Münchner Fotomuseum, sind nur Kontaktabzüge vorhanden.

Was den Bestand besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass im ThyssenKrupp Konzernarchiv zu dem Auftrag Lists ein breiter Schriftwechsel vorliegt,[3] der für die Kontextualisierung der Kampagnen enorm wichtig ist. Aus ihm lassen sich viele Details ablesen, z.B. über die Vorbereitungen für die Aufnahmen, ihre Bewertung durch den Thyssen-Konzern, ihre Verwendung und finanzielle Honorierung.

Und die Fotografien? Sie sind – entsprechend der Zeit und den Intentionen des Auftraggebers – optimistische Aufnahmen aus den bundesdeutschen Wiederaufbaujahren. Aus den Trümmern des zerstörten alten Werksgeländes erwachsen neue, moderne Industrieanlagen gigantischen Umfangs mit den klassischen Bildmotiven der Stahlindustrie: Außenaufnahmen der August Thyssen-Hütte, blasende Konverter, Hochofenabstich, Rohstahl auf dem Weg vom Ofen zur Blockbramme, fröhliche Auszubildende sowie kompetent und zuverlässig arbeitende Stahlwerker. Wer sich die Industriefotografien genauer ansieht, wird feststellen, dass List sich in der Bildregie treu bleibt. Zwar ist es nicht immer das Spiel mit dem Licht, das er so gekonnt in dem Hellas-Buch inszeniert hat. List führt aber den Betrachter oft direkt in das Bild hinein. Dazu benutzt er Eisenbahnschienen, gestikulierende Arbeiter oder Krananlagen. Mein Lieblingsbild: Der Schmelzer Heinrich Kirschner, 1955.

Der Schmelzer Heinrich Kirschner am Hochofen, 3. August 1955, Fotograf: Herbert List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Der Schmelzer Heinrich Kirschner am Hochofen, 3. August 1955,
Fotograf: Herbert List, Quelle: ThyssenKrupp Konzernarchiv

Zur Ausstellung ist ein gleichnamiger Katalog erschienen. Er beschreibt in mehreren Aufsätzen Herbert List, sein Werk und seine Hamborner Aufnahmen. Eine Reihe von Fotografien zur August Thyssen-Hütte ist im Katalog seitenfüllend abgebildet. Die Dokumentation der weiteren Schwarz-Weiß-Fotografien ist allerdings nur in einem Kleinstformat abgedruckt.

Licht über Hamborn. Der Magnum-Fotograf Herbert List und die August Thyssen-Hütte im Wiederaufbau
4. April – 31. Juli 2014
ThyssenKrupp Steel Europe AG
Foyer der Hauptverwaltung
Kaiser-Wilhelm Straße 100
47166 Duisburg
[Von Dezember 2014 bis April 2015 im LWL-Industriemuseum Westfälisches Landesmuseum für Industriekultur in Hattingen.]

Ausstellungskatalog
LWL-Industriemuseum/Robert Laube/Manfred Rasch (Hrsg.), Licht über Hamborn. Der Magnum-Fotograf Herbert List und die August Thyssen-Hütte im Wiederaufbau, 190 Seiten, zahlr. teils farb. Abb., Hardcover, 19,95 €, Klartext Verlag Essen 2014, ISBN: 978-3-8375-1148-2

 


[1] Max Scheler/Matthias Harder (Hrsg.), Herbert List. Die Monographie, München 2000, S. 309.

[2] Vgl. Astrid Dörnemann, „Wesentlich scheint mir auch bei Industriephotos die Wiedergabe der Atmosphäre und der Bewegung.“ Herbert List und die August Thyssen-Hütte, in: LWL-Industriemuseum/Manfred Rasch/Robert Laube (Hrsg.), Licht über Hamborn. Der Magnum-Fotograf Herbert List und die August Thyssen-Hütte im Wiederaufbau, Essen 2014, S. 27-50, hier S. 29.

[3] ThyssenKrupp Konzernarchiv, A/45654; vgl. den Beitrag von Dörnemann (Anm. 2).

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/06/23/herbert-list-als-industriefotograf/

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