SdK 63: Helene Dearing über Elternkarenzmodelle

Regelungen zur beruflichen Freistellung nach der Geburt eines Kindes gehören in Europa mittlerweile zum Standard – das gilt für Mütter und Väter. Gleichzeitig unterscheiden sich die nationalen Umsetzungen erheblich voneinander. Die Ökonomin Helene Dearing untersucht Elternkarenzmodelle in der Europäischen Union im Kontext des Spannungsfeldes zwischen Erwerbsarbeit und Familienarbeit. Das heißt, ihr Interesse gilt der Frage, wie sich verschiedene Formen von Elternkarenz bzw. Elternzeit auf die Gleichstellung von Frauen auswirken. Elternkarenz ist ein wichtiges Instrument der Gleichstellungspolitik, an dem sich unter anderem ablesen lässt, welche Familienmodelle staatlich bevorzugt werden.

Linkliste: Helene Dearing (DOC-team, Institut für Sozialpolitik an der WU Wien), Elternzeit (Wikipedia), Feminist economics (Wikipedia), EU-SILC

Quelle: https://stimmen.univie.ac.at/podcast/sdk63

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Seltsame Wege. Straßennamen heute

 

Historische Orientierung gesucht! In öffentlichen und virtuellen Räumen werden derzeit hitzige Debatten über Straßenumbenennungen geführt. Gestritten wird um Fragen der Ehre und Tradition. Kommunale Geschichtspolitik trifft auf heterogene Geschichtsbedürfnisse.

 

Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen

Vom Graseweg zur Bäckergasse – frühe Straßennamen sind dem alltäglichen Sprachgebrauch entlehnt und folgten den räumlichen Orientierungsbedürfnissen der StadtbewohnerInnen. Dies änderte sich im 19. Jahrhundert. Das expandierende Straßennetz wurde als symbolisches Instrument städtischer Geschichtspolitik entdeckt und in den Dienst politisch-ideologischer Identitätsstiftung gestellt. Entlang politischer Zäsuren wurden seither zentrale historische Orientierungsachsen wiederholt umbenannt – vom Schlossplatz zum Platz der Republik und zurück. Ebenso können Traditionsstränge im semantischen Netz der Stadt fortschrieben oder aber als Artefakte marginalisiert werden. Dem Flaneur erschließt sich die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen nur bedingt. Dagegen eröffnen jüngste Untersuchungen zu Straßennamenkorpora oder zu Diskursen um Straßenumbenennungen den Blick auf das historisch gewachsene Benennungs- und Identitätsprofil deutscher Städte und die damit verbundenen Geschichtsbilder und Wertorientierungen.

Wirklich neue Wege?

Während die Vergabe und Umbenennung von Straßennamen bislang ein Arkanum der Kommunalpolitik zu sein schien, erregt die Frage der Zukunftsfähigkeit städtischer Wegweiser zunehmend öffentliche Aufmerksamkeit. Ausgelöst von lokalen Debatten um „NS-belastete“-Straßennamen beginnt man nicht nur in Wien1 oder Münster2 mit der systematischen Erfassung, Analyse und Veröffentlichung der Straßennamenkorpora. Einerseits wird auf diesem Wege eine breit zugängliche Diskussionsgrundlage geschaffen: Biografien einst geehrter Namensgeber werden neu bewertet, die symbolische Bedeutung von Erinnerungsorten wird vergegenwärtigt und der Kontext der Benennung erhellt. Andererseits gewinnen weiße Flecken städtischer Erinnerungskultur, aber auch Muster der Marginalisierung gruppengebundener Traditionen an Kontur. Ob man dies als Demokratisierung städtischer Geschichtspolitik interpretieren kann, die auf Transparenz, Diskurs und Reflexivität setzt, bleibt abzuwarten.

Divergente Interessen

Überregionale Trends in der Benennungspraxis sind jedoch unübersehbar: Monumentalisches Erinnern weicht mit der Debatte um NS-belastete Straßennamen kritischer Identitätsreflexion. Mit ehrend-mahnender Erinnerung an die Opfer zweier deutscher Diktaturen aber auch deutscher Kolonialpolitik gewinnen Straßennamen als symbolische Form der Wiedergutmachung an Bedeutung.3 Aktuell erregt so in Hamburg die auf das Engagement von Bürgerinitiativen zurückgehende Wanderausstellung „freedom roads! Koloniale Straßennamen und postkoloniale Erinnerungskultur“ öffentliche Aufmerksamkeit.4 Wie in Münster entdeckt städtische Geschichtspolitik die Straßennamen aber auch als ökonomisches Kapital. Der Hindenburgplatz wird zum Schlossplatz. Mit der Aura des Authentischen lockt man TouristInnen, betreibt city branding. Und jeder Monopoly-Spieler ahnt: Immobilienbesitzern verheißt die Adresse Wertsteigerung.

Entsorgung vs. Erinnerungsstolz

Im Feld der Kommunalpolitik ist die ehrende Funktion von Straßennamen unstrittig.  Umbenennungen werden gern als Ausweis eines städtischen „Geschichtsbewusstseins“ inszeniert. UmbenennungsgegnerInnen prangern dagegen die Form der „Entsorgung der Vergangenheit“ an, die in „Geschichtslosigkeit“ münde.5 Mit analytischer Distanz kann man wie Götz Aly den Quellenwert des städtischen Schilderwaldes preisen – ein Friedhof der Ahnen, der die Selektivität und Vergänglichkeit historischer Deutungen demonstriert und damit den Zeitgeist jeder Schilderstürmerei offenbart.6 Andere sehen eine Geschichte „mit Ecken und Kanten“ als didaktische Chance. Einst ehrende Zeichen würden so zu Mahnmalen gegen das Vergessen. Erläuterungstafeln unter Straßenschildern demonstrieren nicht zuletzt den „Erinnerungsstolz“ der Gegenwart, beseelt vom Wunsch, dem gesellschaftlichen Lern- und Wandlungsprozesses Dauer zu verleihen.

Postmodernes Spiel

Die Debatte um die historische Orientierungsfunktion städtischer Straßennamen ist im Gange – viele Fragen sind offen: Ob und wie die „zerbrochenen Spiegel“ deutscher Geschichte symbolisch repräsentieren? Hauptstraße oder Sackgasse – welche Räume öffnen für heterogene politische, religiöse, soziale und ethnische Identitätsbedürfnisse, für Mehrheiten und Minderheiten, unterschiedliche Generationen? Obsiegt die Ökonomisierung der Geschichtskultur? Sind Straßennamen zukünftig gewinnbringendes Kapital in den Händen des Stadtmarketing? Lehnen wir uns zurück, beobachten wir mit analytischer Distanz, wie das postmoderne Spiel mit Sinn und Bedeutungen nicht nur im virtuellen Raum,7 sondern auch auf unseren Straßen zu historischer Orientierungslosigkeit führt? Nein! Die Beschreibfläche ist limitiert. Mit Karl Schlögl bleibt „Namensgeschichte immer auch Herrschaftsgeschichte“8 und geschichtspolitischer „Straßenkampf“ damit ein unverzichtbares Mittel kollektiver Identitätsvergewisserung.

 

Literatur

  • Sänger, Johanna: Heldenkult und Heimatliebe. Straßen- und Ehrennamen im offiziellen Gedächtnis der DDR, Berlin 2006.
  • Pöppinghege, Rainer: Wege des Erinnerns. Was Straßennamen über das deutsche Geschichtsbewusstsein aussagen, Münster 2007.
  • Werner, Marion: Vom Adolf-Hitler-Platz zum Ebertplatz. Eine Kulturgeschichte der Kölner Straßennamen seit 1933, Köln/Weimar/Wien 2008.

Externe Links

 

Abbildungsnachweis
© Saskia Handro. Im Jahr 2010 umbenannte Straße in Münster.

Empfohlene Zitierweise
Handro, Saskia: Seltsame Wege. Straßennamen heute. In: Public History Weekly 1 (2013) 4, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2013-255.

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DHd-Blog: Studienfach: Digital Humanities. Bericht vom DARIAH-Dozenten-Workshop zu DH-Curricula am 4. September 2013 in Köln

Die Digital Humanities sind ein Forschungsfeld, ein weit gespannter Fächer an Methoden und ein universitäres Lehrfach – das an etlichen Standorten als Studienprogramm „Digital Humanities“ oder „als spezialisierteres Studienprogramm, das dem Bereich der DH zuzurechnen ist“, angeboten wird. Vertreter dieses Faches haben ein natürliches Interesse daran, ihr Fachgebiet als solches besser sichtbar zu machen. Ein […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/09/4703/

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Mehr als nur ein Ausstellungsbesuch – Museumsbesuche als Therapie

In ihrem Gastbeitrag schreibt Stefanie Malter über die Bedeutung von Museums- und Ausstellungsbesuchen als eine von mehreren Methoden in der Ergotherapie für Menschen, die an psychischen chronischen Erkrankungen leiden oder von seelischer Behinderung bedroht sind. Als Beispiel stellt sie die Besichtigung der Aachener Domschatzkammer vor. Die gemeinsame Unternehmung kultureller Aktivitäten, wie zum Beispiel der Besuch einer Ausstellung, stellt im Rahmen einer Therapie für Menschen mit psychischen Erkrankungen einen wichtigen Aspekt dar. Neben physischen Aspekten, wie der Anregung zu mehr Bewegung, der Reduktion innerer Spannungen und der Verbesserung [...]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/709

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“Kulturelles Erbe in der Cloud”, 21.-22.11.2013, Graz

Und gleich noch eine Veranstaltung in Österreich, diese allerdings in Graz, soll hier angekündigt sein:

Die nunmehr vierte Tagung in der Reihe “Digitale Bibliothek” steht unter dem Thema “Kulturelles Erbe in der Cloud“.

Am Donnerstag werden drei Workshops angeboten -  von 1) Austrian Books Online der ÖNB, 2) Textgrid und 3) Europeanan Cloud -, die nacheinander stattfinden, so dass man alle besuchen kann, wenn man denn möchte.
Am Freitag gibt es Vorträge nicht nur asu dem deutschsprachigen Gebiet zu den Themen 1) Neue Formen von IT-Dienstleistungen für Kultureinrichtungen, 2) Geschäftsmodelle und Nutzungsszenarien und 3) Services, Technologien und Methoden.
Eine Postersession und eine Firmenausstellung runden die Tagung ab.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2328

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Archivwesen: Manfred Thaller (Hrsg.): Das Digitale Archiv NRW in der Praxis. Eine Softwarelösung zur digitalen Langzeitarchivierung, Hamburg 2013

http://www.verlagdrkovac.de/3-8300-7278-3.htm Das „Digitale Archiv NRW“ wurde als Projekt zur landesweiten digitalen Langzeitarchivierung durch das Land Nordrhein-Westfalen initiiert. Ziel dieser Initiative ist es, digitales kulturelles Erbe langfristig zu sichern und zugänglich zu machen. Hierfür wurde an der Professur für Historisch-Kulturwissenschaftliche Informationsverarbeitung in Köln prototypisch eine funktional vollständige Softwarelösung erarbeitet, die in diesem Band sowohl konzeptuell als […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/09/4701/

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Vortrag von Dr. Anja Kruke: “Zwischen Berlin und Paris. Politische Profile der Arbeiterbewegung”, 24.9., 9:30 Uhr

Kruke beleuchtet in ihrem Vortrag die Situation der Arbeiterbewegung am Vorabend des Ersten Weltkriegs und gibt einen Überblick über deren Entwicklung. Dies macht sie exemplarisch am Beispiel der Stadt Köln, die aufgrund ihrer geographischen  Lage und der freundschaftlichen Beziehungen zu Frankreich eine Sonderstellung in der Entwicklung einnimmt. Außerdem spiegelt sich, so Kruke, die Entwicklung der Bewegung auch hervorragend in der Stadtentwicklung Kölns. Die Referentin betont, dass die Genese der Arbeiterbewegung allerdings nicht linear verlief und viele verschiedene Aspekte aufweist. Die innere Spaltung war ihr oft hinderlich. Kruke erwähnt zudem die schwierige Quellenlage, die dadurch zu erklären ist, dass, die Arbeiterbewegung zwar durchaus historisch bewusst gearbeitet habe, viele der Dokumente aber ab 1933 vernichtet wurden. Auch existieren kaum Ego-Dokumente, und die wenigen die existieren, sind vor allem vom im Exil lebenden Mitgliedern der Bewegung verfasst worden, und somit kein Spiegel für die Situation im Land.

Zudem wird die Rolle der Rheinischen Zeitung als „zentraler Knotenpunkt der Kommunikation“ der Bewegung hervorgehoben und erwähnt, dass aus ihren Reihen die meisten wichtigen Persönlichkeiten der politischen Arbeiterschaft hervorgegangen sind. Die Zeitung spiegele somit auch die Entwicklung der Bewegung wieder.

Danach stellt Kruke einzelne Perönlichkeiten der Arbeiterbewegung vor. Ferdinand Lasalle hat die Kontinuität der Bewegung als einziger aus dem Inland bewahrt und wird bis heute in Köln als Gründer des Arbeitervereins verehrt. Im Zusammenhang mit Lasalle wird auch Moses Heß erwähnt. Eine weitere wichtige Persönlichkeit der Bewegung im Rheinland ist Adolf Hofrichter, der laut Kruke beispielhaft für die typische politische Karriere der Zeit war. Des Weiteren wird die AWO-Gründerin Marie Juchacz als Beispiel einer politisch aktiven Frau dargestellt. Die ursprünglich aus Berlin stammende Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin war auch im Krieg noch sehr aktiv und 1919 Abgeordnete der SPD in der verfassungsgebenden Nationalversammlung.

Zum Abschluss ihres Vortrags geht Kruke auf die Reaktion der Bewegung auf den Kriegsausbruch ein. Die Stimmung schien gemischt und schwankte zwischen Fassungslosigkeit und Zustimmung.

Quelle: http://1914lvr.hypotheses.org/469

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