Science Slam: Über den Säbelzahntiger und Hitlers Schreibtisch

Die Schlange vor dem Bonner Pantheon am 20. Oktober 2014 war lang. Kurz nach Einlass um 19 Uhr waren schon alle Plätze belegt. Wissenschaft in zehn Minuten einem breiten Publikum zu präsentieren scheint sehr gut anzukommen. Der Science Slam, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, ist kein Geheimtipp mehr. Das Haus der Wissenschaft in Braunschweig veranstaltete ihn schon zum zweiten Mal im Rahmen des Wissenschaftsjahres “Die digitale Gesellschaft” – dieses Jahr zum ersten Mal in Kooperation mit der Max Weber Stiftung.

Die Teilnehmer des Science Slams im Wissenschaftsjahr, der am 20.10. im Bonner Pantheon stattfand.

Die Teilnehmer des Science Slams im Wissenschaftsjahr, der am 20.10. im Bonner Pantheon stattfand.

Auf der Bühne stellten sich insgesamt fünf Kandidaten der Jury, die aus dem Publikum bestand. Nikolai Horn von der Akademie für Sozialethik und Öffentliche Kultur startete als Erster und ging der Frage nach, ob das Internet einen kategorischen Imperativ braucht. In Zeiten, in denen Online-Trolle jegliche Grundlagen eines höflichen Umgangs vermissen lassen und Raubkopien ein Kavaliersdelikt darstellen, stellte Horn – angelehnt an Immanuel Kant – die These auf:

Handle im Netz gemäß denjenigen Grundsätzen, von denen du zugleich wollen kannst, dass sie als handlungsregelnde Maßstäbe auch im analogen Leben allgemein gelten!

Im nächsten Slam erklärte Tobias M. Scholz vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre der Universität Siegen, dass sich das Human Resource Management in ein Human Automation Resource Management weiterentwickeln müsse und dass man gar nicht so viel Angst davor haben solle, dass ein Roboter den Arbeitsplatz wegnehmen könnte, denn Roboter könnten einige Dinge vielleicht besser als ein menschliches Gehirn. Dafür habe der Mensch aber auch einige Vorzüge gegenüber dem Roboter. Frei nach Douglas Adams empfahl Scholz: “Don’t panic! It’s mostly harmless.”

Sebastian Köffer vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement der WWU Münster machte am Beispiel der berühmtesten Arbeitnehmerin Deutschlands deutlich, dass Smartphones, Tablets oder Blogs aus der privaten Nutzung immer mehr in die Arbeitswelt übergehen. Köffer präsentierte Studien, die gezeigt haben, dass IT Consumerization zu Vorteilen in Produktivität, Arbeitszufriedenheit und Innovationen führen kann. Gleichzeitig gehe damit auch eine Vermischung von Freizeit und Arbeit einher. Das Slam wurde aufgelockert durch Bilder und Zitate aus der Popkultur.

Hitlers Schreibtisch - ein  frühes Beispiel für IT Conzumerization?

Hitlers Schreibtisch – ein frühes Beispiel für IT Conzumerization? 

Vom Institute for Movement and Neurosciences der Deutschen Sporthochschule Köln slammte Stefan Schneider über seine Hypothese, dass die Entwicklung von stressbedingten, neuropsychlogischen Erkrankungen proportional zur Digitalisierung einer Gesellschaft verläuft. Während unser Gehirn unter Stress immer noch davon ausginge, dass wir entweder ein Mammut erlegen oder vor einem Säbelzahntiger fliehen müssten, sähen unsere Stresssituationen heute ganz anders aus. In einem digitalen Arbeitsumfeld fehle vielen die körperliche Bewegung. Diese Hypothese überprüfte Schneider im Rahmen des Projektes Mars-500.

Digitale Demenz und Google Glass – wie wirkt sich Mediennutzung eigentlich auf unser Gehirn aus? Diese Frage stellte sich Boris Nikolai Konrad, mehrfacher Weltmeister im Gedächtnissport, vom Donders Insitute for Brain, Cognition and Behavior. Spannend und leicht verständlich präsentierte er wie sich das “Wearable” Google Glass auf das Gehirn auswirkt, aber auch wie man mit der Brille das Gedächtnis trainieren und sie als Lernhilfe nutzen kann.

Das Publikum entschied sich für Sebastian Köffer und Stefan Schneider. Beide Slammer werden am 1. Dezember 2014 am Finale in Berlin teilnehmen.

Der Science Slam wurde vom Haus der Wissenschaft in Braunschweig aufgezeichnet und wird demnächst auch hier im gablog zu sehen sein.

Quelle: http://gab.hypotheses.org/1453

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Programm und Sprache

Eigentlich hatte ich einen Artikel zu meiner Sicht auf das Verhältnis zwischen Programmiersprachen und Fremdsprachen hier in diesem Blog geplant. Monsieur @quantenwelt, der mit einem Tweet meinen Nachdenkprozess überhaupt erst in Gang gesetzt hatte, schlug aber vor, dass wir das im Kneipenlog an der Bar klären. Und wer schlägt schon eine Einladung in die eigene Lieblingskneipe aus? Zum Gespräch also hier entlang.

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/1200

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“N. Packard (Hrsg.): Sociology of Memory. Papers from the Spectrum” – Eine Rezension von Takemitsu Morikawa

Die Herausgeberin Noel Packard organisiert zu jeder Jahrestagung der „Pacific Sociological Association“ die Veranstaltung „Sociology of Memory“. Mit diesem Sammelband dokumentiert sie das Ergebnis ihrer Veranstaltungsreihe in Form einer Zwischenbilanz. Die Leitbegriffe, die den roten Faden des Bandes bilden sind: … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7364

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Das ernste Spiel mit den Würfeln

Im Krieg setzt man sein Leben aufs Spiel – diese Metapher kann man vielfach variieren und fortsetzen, auch in der Variante, daß das Leben ein Würfelspiel ist: Man muß halt Glück haben, und dies gilt insbesondere für den Soldaten. Die Konnotation des Würfel- und Glückspiels mit dem Soldatenstand war in der Vormoderne und eben auch in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs geläufig. Dieser Thematik hat sich jetzt Barbara Stollberg-Rilinger in einem Aufsatz angenommen, der kürzlich erschienen ist: Um das Leben würfeln. Losentscheidung, Kriegsrecht und inszenierte Willkür in der Frühen Neuzeit, in: Historische Anthropologie 22 (2014), S. 182-209. Im Zentrum steht also gar nicht das Würfeln als Zeitvertreib der Söldner, sondern sein Einsatz bei Kapitalstrafen im Militär: Wer von den Delinquenten tatsächlich hingerichtet werden sollte, wurde mithilfe des Würfels ausgelost. Der Beitrag geht sehr grundsätzlich vor: Zunächst wird das Losen als Entscheidungsverfahren betrachtet, dann der dazu einschlägige gelehrte Diskurs in der Vormoderne. Dabei geht es auch um die Frage, welche Rolle das Losverfahren im damaligen Kriegsrecht spielte. Schließlich werden einige Beispiele aufgegriffen, um die vormodernen Normen an der historischen Praxis zu messen.

Der Aufsatz selbst ist nicht auf die Epoche des Dreißigjährigen Kriegs, sondern auf die gesamte Frühe Neuzeit bezogen. Dies empfiehlt sich schon deswegen, weil es gar nicht so sehr viele Beispiele für einen Losentscheid bei Hinrichtungen im Krieg bzw. beim Militär gibt – für ein einigermaßen tragfähiges Sample muß man schon durch die Jahrhunderte gehen. Vor allem aber ist dieses Vorgehen sinnvoll, weil sich auf diese Weise die historische Entwicklung besser nachvollziehen läßt. Ich will an dieser Stelle den Argumentationsgang gar nicht im Einzelnen referieren, die Lektüre dieser Seiten sei jedem Leser auch als Beispiel für gute Wissenschaftsprosa empfohlen. Hervorheben möchte ich aber den Umstand, daß der gelehrte (Rechts-)Diskurs, der sich stark auf das antike Vorbild der Dezimation stützte, mit einem nicht kodifizierten Kriegsrecht konkurrierte. Zumindest gilt dies für die Beispiele aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs.

Hier wird zunächst die Bestrafung des Regiments Madlo angeführt, das nach der katastrophalen Niederlage in der zweiten Schlacht bei Breitenfeld 1642 zur Dezimation verurteilt wurde. Dieses Verfahren folgte, wie Stollberg-Rilinger zeigt, ganz dem antiken römischen Vorbild. Anders hingegen das zweite Beispiel, das Frankenburger Würfelspiel im Jahr 1625: Dies war letztlich eine Bestrafungsaktion nach einer unterdrückten Revolte oberösterreichischer Bauern, die sich den angekündigten Rekatholisierungsmaßnahmen widersetzten. Die zu Bestrafenden waren also keine Söldner, und die Bestrafung folgte nicht einem Urteil am Ende eines Prozesses, sondern sollte recht unverblümt als blutiges Exempel zur Abschreckung dienen. Daß durch das Würfeln – je zwei Delinquenten würfelten in Frankenburg gegeneinander um das Leben  einige Rebellen doch noch mit dem Leben davon kamen, sollte wohl als Mäßigung der eigentlichen Bestrafung erscheinen. Tatsächlich aber signalisierte das Frankenburger Losverfahren, daß auf die Bauern militärische Normen angewandt wurden, was diese erst recht als Hohn empfinden mußten. Ein Jahr später brach dann der eigentliche Oberösterreichische Bauernaufstand los; weder hatten die Hinrichtungen die Bauern abschrecken noch die Begnadigungen per Würfelentscheid die Stimmung beruhigen können.

Eigentlich taugt das Frankenburger Würfelspiel nicht, wenn man nur Beispiele für die Bestrafung von Militärs gelten lassen will (die Autorin weist selbst darauf hin; S. 203 u.205). Hier bleibt dann nur das Regiment Madlo nach Breitenfeld 1642. Tatsächlich ein prominentes Exempel, das auch publizistisch Wellen geschlagen hat. Gibt es doch noch mehr Beispiele für Dezimationen, eben nur in kleinerem Rahmen, die vielleicht deswegen nicht so bekannt sind? Im Aufsatz sind auf S. 206 noch zwei „kleine“ Vorfälle genannt, mir selbst fällt dazu nichts weiter ein – was nicht viel heißen muß. Aber wenn wir diesen Befund gelten lassen, steht schon die Frage im Raum, warum die Dezimation so selten angewandt wurde. Denn vor drakonischen Strafen schreckten die Obrigkeiten damals bekanntlich nicht zurück. Aber vielleicht zauderten sie doch, wenn es um die hier angesprochenen Dimensionen ging: Auch wenn nur jeder Zehnte zur Hinrichtung ausgewürfelt wurde, erreichten diese Hinrichtungen doch ein Ausmaß, das an Kapitalvernichtung grenzte. Eine Armee kostete unglaublich viel Geld, die Söldner anzuwerben und zu unterhalten verlangte enorme finanzielle Leistungen. Die Investition in dieser Weise zu liquidieren, mochte schwer fallen. Zumal das Losverfahren womöglich auch noch unter den insgesamt wenig kampffähigen Söldnern die Kriegsknechte treffen konnte, die tendenziell von guter soldatischer Qualität waren. Und ob ein solches Bestrafungsverfahren die betreffende Kriegspartei als potentiellen Arbeitgeber für Söldner attraktiv erscheinen ließ, die ihre Kriegsdienste anboten, war zu bezweifeln. Fraglos behielten Würfel für die Söldner ihren ungebrochenen Reiz – aber sicher nur beim Glücksspiel.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/564

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Das zeitgeschichtliche Defizit der Aktenkunde

Ich arbeite in einem Arbeitskreis des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare mit, der sich mit den Problemen der Aktenkunde der Zeitgeschichte auseinandersetzt. Vor kurzem haben Robert Kretzschmar, Karsten Uhde und ich einen Zwischenbericht veröffentlicht. Wer dieses Blog liest, hat bemerkt, dass es auch hier immer wieder um zeitgeschichtliches Material geht.

Das Defizit “der” Aktenkunde, wie sie sich in gängigen Handbüchern und Kompendien manifestiert, für das 20. Jahrhundert ist evident und hat wohl seinen Anteil an der Nichtrezeption des aktenkundlichen Methodenangebots in der Historikerzunft.

Auch die Editoren zeitgeschichtlicher Akten stellen sich “ihre” maßgeschneiderte Aktenkunde empirisch aus der Arbeitspraxis zusammen (siehe z. B. Pautsch 2008). Was sollten sie auch anderes tun? Viel anwendungsreifes Wissen würden sie in den Handbüchern nicht finden. Dass damit aber auch epochenübergreifendes Grundlagenwissen um die Zusammenhänge des Kanzlei- und Registraturwesens keine Chance auf Rezeption hat, steht auf einem anderen Blatt.

Wie ist dieses Defizit entstanden? Ich meine nicht einmal die digitale Gegenwart, sondern die Überlieferung bis zur Mitte der 1980er-Jahre, die jetzt nicht mehr der archivgesetzlichen Sperrfrist unterliegt und Gegenstand der Forschung wird.

Im Zentrum der aktenkundlichen Forschungslandschaft steht ein Monolith, ebenmäßig und unnahbar: Heinrich Otto Meisners “Handbuch für Archivbenutzer” preußischer Akten, 1935 veröffentlicht und 1952 und 1969 in erweiterter, aber nicht unbedingt verbesserter Form neu herausgebracht. Wer Meisners Ideen verstehen möchte, lese die erste Auflage, sagte mir einmal Lorenz Beck. Die Methodik, zu der auch eine an der Verfassungsgeschichte orientierte Periodisierung gehört, einmal dahingestellt, enden alle drei Werke, das letzte sogar explizit, im Stoff mit dem Jahr 1918, dem Ende der “monarchischen Zeit”.

Meisner hat das Lehrgebäude der Aktenkunde errichtet, die Fundamente wurden aber schon vor dem Ersten Weltkrieg gelegt, namentlich durch Martin Haß (1909). Man muss sich vor Augen halten, dass diese Grundlegung noch in das Kontinuum der monarchischen Zeit fiel. Wilhelm II. konnte zumindest seinen Offizieren immer noch Kabinettsordres schreiben wie Friedrich Wilhelm I. Das heute so eklatant empfundene Auseinanderdriften von Aktenkunde und Akten gab es einfach noch nicht. Auch die bis heute einzige dezidiert zeitgeschichtlich orientierte Aktenkunde von Hermann Meyer erschien just 1920 und behandelte nun einmal die eigene Zeitgeschichte – mit einem Kapitel zur Einbettung des Kaisers in den Geschäftsgang der deutschen Diplomatie (65-80)…

Meisners Werk hat bis heute keinen vergleichbaren Gegenentwurf gefunden. Kurt Dülfer präsentierte 1957 in einem Großaufsatz eine abweichende Methodologie in Teilbereichen, Jürgen Kloosterhuis 1999 im gleichen Format eine Synthese von Meisners Gegenstand und Dülfers Zugang. Der Rahmen der monarchischen Zeit wurde nicht gesprengt.

Das hat wohl auch damit zu tun, dass es eine normale Forschungslandschaft gar nicht gibt. Es gibt Handbücher und Kompendien, aber nur einen ganz schmalen Unterbau an dezidierten Spezialuntersuchungen aktenkundlicher Phänomene. Ich meine, eine recht vollständige Kopiensammlung zu besitzen. Sie passt in drei Aktenordner.

Mit solchen Einzeluntersuchungen müsste das unentdeckte Land der zeitgeschichtlichen Aktenkunde kartiert werden. Sie müssten von Archivaren geschrieben werden, die die Akten kennen. Aus verschiedenen Gründen passiert das jedoch zu selten. Ich werde am 10. November in meinem Beitrag zum Wiener Workshop “Bloggen in Geschichtswissenschaft und Archivwesen” auch dazu etwas sagen.

Die einzige zusammenhängende Überschreitung der Meisnerschen Grenzen hat sein Schüler Gerhard Schmid in dem hier bereits besprochenen Lehrbuch geleistet, das indessen zum einen “graue” Literatur ist und zum anderen nur die Zeit bis zu seiner eigenen Entstehung abdecken kann: 1959. Da gründete Xerox gerade erst seine (west-)deutsche Tochterfirma, und das Übel des Massenkopierens, ein Phänomen mit massiven Auswirkungen für die Aktenkunde, nahm seinen Anfang. Wer an der Grenze der 30-Jahre-Schutzfrist forscht, kommt auch mit Schmid nur noch bedingt weiter.

Für Österreich hat Michael Hochedlinger 2009 einen österreichischen Meisner vorgelegt. Damit wurde nicht nur endlich einmal ein anderes Staatswesen als Preußen zur Referenz erhoben – Hochedlinger erweiterte auch die Phänomenologie bis in das elektronische Zeitalter. Das ist sehr wichtig, doch bleibt das sinnstiftende Lehrgebäude noch das von Meisner und Dülfer.

Hochedlingers Werk behebt indessen ein anderes, schwer wiegendes Hindernis für die breite Rezeption der Aktenkunde, denn es ist ausgesprochen verständlich geschrieben. Kann man Meisner trotz seiner nicht selten hermetischen, auf eine pseudojuristische Trennschärfe abzielenden Begriffswelten eine gewisse Stilhöhe nicht absprechen, so drückten sich mancher seiner Nachfolger schlicht unverständlich aus.

Die Waage zu halten zwischen quellennahen Beschreibungen des Kanzleiwesens und der Bildung trennscharfer Forschungsbegriffe ist vielleicht die größte Herausforderung des Aktenkunde schreibenden Archivar.

Verlangt die Aktenkunde der Gegenwart grundlegend neue erkenntnisleitende Konzepte? Das muss anhand praktischer Einzeluntersuchungen geklärt werden, die zu aller erst eine anschlussfähige Wissenschaftssprache aufweisen müssen.

Literatur

Berwinkel, Holger/Kretzschmar, Robert/Uhde, Karsten 2014. Aus der Werkstatt der Aktenkunde. Der Arbeitskreis “Aktenkunde des 20. und 21. Jahrhunderts” des VdA. Archivar 67. S. 293-295. (online)

Dülfer, Kurt 1957. Urkunden, Akten und Schreiben in Mittelalter und Neuzeit. Studien zum Formproblem. Archivalische Zeitschrift 53. S. 11–53.

Haß, Martin 1909. Über das Aktenwesen und den Kanzleistil im alten Preußen. Forschungen zur brandenburgisch-preußischen Geschichte 22. S. 521–575. (online)

Hochedlinger, Michael 2009. Aktenkunde. Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit. Wien.

Kloosterhuis, Jürgen 1999. Amtliche Aktenkunde der Neuzeit. Ein hilfswissenschaftliches Kompendium. Archiv für Diplomatik 45. S.465–563. (Preprint online)

Meisner, Heinrich Otto 1935. Aktenkunde. Ein Handbuch für Archivbenutzer mit besonderer Berücksichtigung Brandenburg-Preußens. Berlin.

Meisner, Heinrich Otto 1952. Urkunden- und Aktenlehre der Neuzeit. 2. Aufl. Leipzig.

Meisner, Heinrich Otto 1969. Archivalienkunde vom 16. Jahrhundert bis 1918. Leipzig.

Meyer, Hermann. 1920. Das Politische Schriftwesen im deutschen Auswärtigen Dienst. Ein Leitfaden zum Verständnis diplomatischer Dokumente. Tübingen. (online)

Pautsch, Ilse Dorothee 2008. Die „Akten zur auswärtigen Politik der Bundesrepublik Deutschland“ – Ein Arbeitsbericht über die Erschließung der Bestände des Politischen Archivs des Auswärtigen Amts. Archivar 60. S. 26-32. (online)

Schmid, Gerhard 1959. Aktenkunde des Staates. Potsdam.

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/261

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Neu in der Wikipedia: 48 Artikel zu „1848/49“ in Deutschland

Der Autor dieses Beitrags, Ziko van Dijk, hat von April bis Oktober 2014 achtundvierzig Wikipedia-Artikel zur Revolution von 1848/1849 geschrieben. Im Folgenden beschreibt er die Herausforderungen für einen Wikipedia-Autor und einige Grundgedanken seines Projekts. Für die Bereitstellung dieses Gastbeitrags sei Herrn van Dijk herzlichst gedankt. Über die Bedeutung der Wikipedia, einer der meistgenutzten Websites der Welt, braucht man an sich kein Wort zu verlieren.  Wer etwas nachschlagen will, fragt in der Regel Google und erhält von der Wikipedia eine Antwort. Bereits 2006 meinte der […]

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/760

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Clément Lenoble (Lyon): Religion und wirtschaftliche Rationalitäten. Die kirchlichen Rechnungsschriften in der Provence und Italien (13.-15. Jahrhundert)

Deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrags vom 20. Oktober 2014: Religion et rationalités gestionnaires: Les écritures comptables ecclésiastiques en Provence et en Italie (XIIIe-XVe siècle) Betrachtet man die konkrete Praxis der kirchlichen Verwaltung sowie der Wirtschaftsführung der Institution Kirche, so haben die … Continue reading

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/1376

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Balkanissimo: Fußball-Länderspiel Serbien – Albanien, 14. Oktober 2014

Hochklassiger Fußball und Flaggenzeigen, das gehört international fast seit dem Beginn des Rasensports zusammen. Die Art, in der am Abend des 14. Oktober 2014 im Stadion von Partizan Belgrad beim Länderspiel zwischen Serbien und Albanien albanischerseits Flagge gezeigt wurde, hat man so trotzdem noch nie gesehen, und das hatte seine Folgen. Als circa in der 41. Spielminute eine Drohne im Stadion segelte und eine historisierende Karte des albanischen Siedlungsraums mitsamt Abbildungen des albanischen Staatsgründers Ismail Qemali und von dessen kosovarischem Zeitgenossen Isa Boletini sowie dem englischen Begleittext „Autochthonous“ mit sich schleppte, war bald darauf der Teufel los. Der für den SC Freiburg spielende Defensivspieler Stefan Mitrović übte sich in einer Abwehr der anderen Art, indem er mit einem hohen Sprung die provokante Fahne vom Himmel holte. Albanische Spieler stürzten zur Verteidigung des Stoffteils heran, einige Schläger aus dem Publikum stürmten das Spielfeld und prügelten wild auf die skipetarischen Spieler ein. Diese wehrten sich und wurden durch ihre Gegenspieler nunmehr tapfer gegen die von außen kommenden Prügler abgeschirmt. Bald blieb ihnen aber nur noch die von Wurfgeschossen begleitete Flucht in die Katakomben. Schon vor dem Einflug der Drohne war das Spiel wegen bengalischer Feuer beim Spielstand von 0:0 unterbrochen worden; zum Wiederanpfiff kam es nun nicht mehr. Welche Folgen der Spielabbruch und das ganze Geschehen für die beiden Fußballverbände und Mannschaften in der Qualifikationsrunde zur EM 2016 haben werden, in deren Rahmen das Skandalspiel gehörte, werden wir seitens der UEFA am 23. Oktober erfahren.

Das Spiel war schon vorab für viele Anwesende eine ganz besondere „Herzensangelegenheit“. Schuld daran war natürlich der offiziell gar nicht anwesende Dritte namens Kosovo. Der Krieg dort ist zwar immerhin 15 Jahre her, aber die emotionalen Wunden auf kosovarischer und serbischer Seite reichen weiter tief. Als seit 2008 jüngster Staat in Europa hat Kosovo weiterhin viele Probleme. Zu ihnen zählt, dass es in den meisten internationalen Sportverbänden wegen serbischen Einspruchs nicht Mitglied ist. Auf dem Fußballfeld folgt daraus, dass inzwischen zwar eine kosovarische Nationalmannschaft besteht, doch die kann höchstens Freundschaftsspiele austragen. Wer aus Kosovo stammt und gut Fußball spielt, tut sich das aus gutem Grund in der Regel nicht an. Davon profitiert nicht nur die Schweizer Nationalmannschaft, sondern vor allem die albanische: nicht weniger als acht der 11 Spieler, die in Belgrad für Albanien auf dem Rasen standen, sind in Kosovo geboren oder kommen aus der kosovarischen Diaspora in der Schweiz und in Deutschland. Die Anspannung, im Quasi-Feindesland vor dem Belgrader Publikum zu spielen, war bei ihnen mit Händen zu greifen. Rückendeckung durch eigene Fans hatten sie keine (diesen war ja vorher im Einvernehmen beider Verbände der Zutritt verboten worden), dafür erklangen von Beginn des Spieles an (und auf dem akustischen Höhepunkt im Stadion dann tausendfach) Gesänge, die auch für raue Fußballverhältnisse nicht gerade nett zu nennen sind. Einer der populärsten ging so: Ubij, zakolji da Šiptar ne postoji!1 Ohne Poesie verdeutscht bedeutet das in etwa: „Töte, schlachte, damit es den Albanesen auf dem Erdball nicht mehr gibt!“

Die Idee, zur Untermalung der Gesamtatmosphäre und zur gezielten Provokation eine Drohne für eine albanische Flaggendemonstration ins Stadion zu schicken, war bei all dem nur halb so originell, wie sie zunächst scheinen man. Bei einem Länderspiel ist sie zwar noch nie zur Anwendung gekommen, aber bei Ligaspielen gab es in Belgrad zuletzt schon öfters Drohnenauftritte. Vermutlich genügte es also für die jetzigen Täter, gelegentlich im Internet serbische Zeitungen zu lesen oder jemanden in Belgrad zu kennen, der von der praktischen Idee zu berichten wusste. Die anschließende albanisch-nationale Adaption dieser Methode war nun sprachlich zielgerichtet auf ein internationales Medienpublikum und auf eventuell des Englischen kundige serbische Stadiongäste ausgerichtet.

Wer aber hat die Eskalation mit der Drohne herbeigeführt? Die in regierungsfernen serbischen Blogs aufkommenden Verschwörungstheorien, dass dahinter Regierungskreise stünden, die den am 22. Oktober anstehenden Besuch des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama in Belgrad torpedieren wollten, kann man wohl beiseitelassen. War es dann Olsi Rama, der im Stadion anwesende jüngste Bruder des albanischen Regierungschefs, wie es im Gefolge serbischer Pressemeldungen auch die deutschen und sonstigen westlichen Qualitätsmedien fast einen ganzen Tag lang unkritisch verbreiten sollten? Dafür spricht auch unabhängig von seinem am Tag darauf von Tirana aus verbreiteten Dementi wohl rein gar nichts – aber praktisch alles spricht dagegen, angefangen von seinem Verhältnis zum älteren Bruder, der offenkundig als erster albanischer Staatschef seit Jahrzehnten nach Belgrad reisen will, bis hin dazu, dass eine regierungsaffine Persönlichkeit aus Albanien wohl kaum mit einer so durch und durch nichtstaatlichen Flagge wie jener durch das Stadion fliegenden identifiziert werden wollte. Sehr viel spricht hingegen dafür, dass es in der Tat nationalistische Fans des albanischen KF Shkëndija aus dem makedonischen Tetovo waren, so wie es in den sozialen Medien aus diesen Kreisen bald darauf neben anderen „Bekennernachrichten“ verlautet wurde.

Die Tetovoer Fans und Hooligans treten unter der Selbsttitulierung als „Ballisten“ ähnlich radikalchauvinistisch auf wie die im am Dienstag im Belgrader Stadion so reichlich vertretenen Hardcorefans und Hooligans von Partizan Belgrad. In der Hooliganlogik ergibt das Ganze denn auch von beiden Stadionfraktionen her reichlich Sinn: Den Gegner bis aufs Blut reizen, wenn man ihn schon nicht verprügeln kann. Die Drohne ist in dieser Auseinandersetzung ein ebensolcher Triumph der einen Seite wie umgekehrt das Einprügeln auf die albanischen Nationalspieler für jene Belgrader Hooligans, die die Absperrungen durchdrungen hatten.

In jeder anderen Logik aber gibt es nur Verlierer dieses Spiels. Die jungen Leute, die in Belgrad aus dem Kosovo für Albanien auf dem Rasen standen, mögen unter großem angestautem psychischem Druck gestanden haben, als sie nach dessen Fangaktion auf ihren serbischen Berufskollegen und Altersgenossen Mitrović losgingen. Trotzdem bleibt ihre Handgreiflichkeit auf dem Platz unentschuldbar, und der beifällige Jubel der jungen Leute von Tirana bis Mitrovica über die Vorkommnisse sollte der albanischen wie der kosovarischen Gesellschaft nur peinlich sein. Die serbischen Institutionen wiederum haben sich bis auf die Knochen blamiert: Mit keinem Wort sind sie rechtzeitig den rassistischen Hassgesängen im Stadion entgegengetreten, eine „feindliche“ Drohne – die ja auch wesentlich Gefährlicheres hätte tragen können als nur einen Fetzen Stoff – konnte in Anwesenheit des serbischen Staatspräsidenten Tomislav Nikolić ihre Kreise ziehen (vgl. mit entsprechender sicherheitstechnischer Kritik,2 4000 zuvor halbmilitärisch aufgebotene Bereitschaftspolizisten und das Ordnerpersonal im Stadium konnten nicht verhindern, dass gegnerische Spieler noch auf dem Rasen Opfer von Schlägerattacken aus dem Publikum wurden. Dazu kommen noch Politiker wie Außenminister Ivica Dačić, der munter über vermeintliche politische Hintergründe schwadronierte und dabei keinerlei Rücksicht auf zwischenstaatliche verbale Gepflogenheiten nahm. Der Balkan insgesamt präsentierte sich dem internationalen Publikum von einer Seite, als ginge es darum, alle über ihn vorhandenen westlichen Klischees zu erfüllen: hasserfüllt, unkontrolliert, desorganisiert. Und die „Internationalen“? Sie stehen kaum besser da: Eine UEFA, die die Brisanz der Partie offenbar nicht einzuschätzen wusste, die mit wechselseitigem Stadionverbot für die Gästefans ihre Schuldigkeit getan zu haben glaubte und nichts dafür tat, damit Serben Albanern und Albaner Serben sportsmännische Achtung entgegenbringen. Dazu kam die EU-Kommission, die über ihre Sprecherin den serbischen Behörden ein mehr als unerklärliches Lob für die „professionelle Handhabung“ der Situation aussprach.3 Das traurige Bild komplettieren die westlichen Medien, die mit Blick auf die Urheberschaft des Zwischenfalls bar eigener Recherche über Stunden nur diejenige (serbische) Version über das Geschehene weitertrugen, die ihnen mit der größeren Vehemenz serviert worden war. Fazit: Ein Trauerspiel, hoffentlich ohne Fortsetzung.

  1. Vgl. http://www.slobodnaevropa.org/content/article/26637528.html und http://www.youtube.com/watch?v=rrDdtVb2tZE.
  2. http://www.b92.net/info/vesti/index.php?yyyy=2014&mm=10&dd=15&nav_category=12&nav_id=911777.
  3. http://www.euractiv.com/video/eu-denies-role-serbia-albania-football-match-flag-stunt-309209.

Quelle: http://ostblog.hypotheses.org/290

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Barbaren (V): In allen Himmelsrichtungen

Vor allem in der chinesischen Antike wurden die nicht-chinesischen Ethnien (“Barbaren”) auch nach den vier Himmelsrichtungen eingeteilt (die “fünfte” Himmelsrichtung – die Mitte – war ja für die Chinesen selbst reserviert).

Mit dem Osten verband man die yi 夷, mit dem Süden assoziierte man die man 蠻, mit dem Westen die rong 戎 und mit dem Norden die di 狄.[1] Während die rong und die di bald aus dem Bewusstsein und damit auch aus den Quellen verschwunden waren, machten die Begriffe man 蠻 und yi 夷 in späterer Zeit eine erstaunliche Karriere.

Nachdem die Mongolen China erobert hatten, teilten sie während ihrer Herrschaft (Yuan-Dynastie 1271-1368) die Bevölkerung in vier Gruppen ein. Nach der aus Inner- und Westasien stammenden Gruppe und den bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts unter mongolische Herrschaft gekommenen Nordchinesen wurden die Südchinesen, die erst mit dem Ende der Südlichen Song-Dynastie (1127-1279) unter die Kontrolle der Eroberer gekommen waren, offiziell als nanren 南人 (“Leute aus dem Süden”) bezeichnet. Meistens wurde diese Gruppe jedoch mit dem abwerteten Begriff manzi 蠻子 (der von den Chinesen selbst für alle indigenen Ethnien des Südens verwendet worden war) bezeichnet. [2] – Auf diesen Begriff gehen auch die Bezeichnungen “Manzi” und “Mangi” bei Marco Polo zurück.[3]

Der Begriff yi 夷 – ursprünglich für die östlichen “Barbaren” gebraucht, hatte spätestens zur Zeit der Ming-Dynastie (1368-1644) eine Umdeutung erfahren – als yibing 夷兵 (“fremde Soldaten”) waren Mongolen, Uiguren und Angehörige anderer innerasiatischer Ethnien bezeichnet worden, die im Norden und Nordwesten des Chinesischen Reiches rekrutiert worden waren, um zeitweilig in der chinesischen Armee Dienst zu tun.[4] Andererseits wurden während der Ming-Zeit auch die Japaner mit dem Begriff dongyi 東夷 (also “Ostbarbaren”) belegt.[5] Der Begriff spielte in den chinesisch-westlichen Beziehungen dann auch zur Zeit der Opiumkriege (1839-1860) eine Rolle. Vom für die chinesische Seite vertraglich festgelegten Verbot, den Begriff yi 夷 weiterhin auf die Europäer (und Amerikaner) anzuwenden, bis zu dessen endgültigen Verschwinden sollte es allerdings noch einige Jahre dauern …

Die ersten vier Teile der Serie:
Barbaren (I): Die “Haarigen”
Barbaren (II): Roh oder gekocht?
Barbaren (III): Großnasen/Langnasen
Barbaren (IV): “Fremde Teufel”

  1. Vgl. dazu den kurzen Überblick bei Endymion Wilkinson: Chinese History. A New Manual (Cambridge MA, Third rev. printing, 2013) 352 f.
  2. Charles O. Hucker: A Dictionary of Official Titles in Imperial China (Stanford 1985) 327 (no. 3922 und ebd., 339 (no. 4099).
  3. Zu den Berichten Marco Polos vgl. zuletzt Hans Ulrich Vogel: Marco Polo was in China. New evidence from currencies, salts and revenues (Monies, markets, and finance in East Asia, 1600-1900; Leiden 2012).
  4. Vgl. Hucker: Dictionary of Official Titles, S. 268 (Nr. 2986).
  5. Vgl. dazu Wilkinson: New Manual, 352. Zur ursprünglichen Anwendung des Begriffs dongyi vgl. Fang Weigui: “Yi” 夷, “Yang” 洋, “Xi” 西 und “Wai” 外. Zum wort- und begriffsgeschichtlichen Wandel des Chinesischen im 19. Jahrhundert.” In: Orientierungen 1/2000, S. 16,

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1440

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“Burchardt, Hans-Jürgen u.a. (Hrsg.) (2012): Sozialpolitik in globaler Perspektive” – Eine Rezension von Katharina Hartl

Die Beschäftigung mit Sozialpolitik und Wohlfahrt in Ländern des globalen Südens ist ein relativ junges Forschungsfeld. In unseren Breiten setzte sie erst Ende der 1980er Jahre, mit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der neoliberalen Wende, ein. Bis heute orientiert sie sich … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7393

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