Schimmel ist einer der weniger gern gesehenen Begleiter der täglichen Arbeit in Archiven und Bibliotheken. Seine Lebensweise, die Grundlagen seines Wachstums, die von ihm im Papier ausgelösten Prozesse und die Gesundheitsgefahren für den Menschen müssen verstanden werden, um damit richtig umgehen zu können. Der Erhalt eines Bestandes kann durch Schimmel in Frage gestellt werden – aber was noch viel wichtiger ist (und worüber nicht so gern geredet wird): Schimmel stellt eine große Gefahr für die menschliche Gesundheit dar, besonders, wenn man ihm dauerhaft ausgesetzt ist.
Buchseite mit üppigem Schimmelbefall
“Jetzt war ich bei drei Bibliothekstagungen, und drei Mal war Schimmel ein Thema.” – Dieser Satz, der jüngst bei einer Veranstaltung in Salzburg fiel, drückt die Situation, in der sich Bibliotheken und Archive befinden, sehr gut aus. Schimmel ist der häufigste Schädling, der in Archiven und Bibliotheken vorkommt, er ist allen gut bekannt und er stellt eine Gesundheitsgefahr dar. Es ist also kein Wunder, dass Tagungen von Archivaren und Bibliothekaren manchmal eher wie eine Selbsthilfegruppe schimmelgeplagter Mitarbeiter erscheinen. Doch soll hier keinesfalls moniert werden, dass darüber gejammert würde. Das Erzählen der eigenen Erlebnisse mit der Schimmelbelastung führte in den letzten Jahren zu einem verstärkten Erfahrungsaustausch, gerade unter den kirchlichen Bibliotheken. Das Wissen und die Erfahrungen, die sich die Mitarbeiter des Archivs der Erzdiözese Salzburg und der Salzburger Diözesanbibliothek in den letzten Jahren angeeignet haben, soll hier präsentiert werden. In diesem zweiten Teil der Serie zur Bestandserhaltung soll allerdings noch nicht auf bestandserhalterische Maßnahmen im Bezug zu Schimmel eingangen werden. Hier soll es um den Schimmel als solchen und seine Lebensweise gehen. Außerdem sollen vor den bestandserhalterischen Maßnahmen die wesentlich wichtigeren Mittel zur Sicherung der eigenen Gesundheit zur Sprache gebracht werden.
Schimmel ist ein Pilz und erfüllt daher in der Natur die Rolle des Destruenten, also die Rolle dessen, der komplexe Molekülgebilde aufspaltet und damit wieder als Nährstoffquelle verfügbar macht. Das versucht ein Pilz natürlich auch bei Papier. Schimmel geht dabei immer den Weg des geringsten Widerstandes – er siedelt sich also dort an, wo seine Ernährungsgrundlage mit einfachen Mitteln sichergestellt ist und bleibt auch dort zunächst an der Oberfläche. Und ein Drittes ist zu bedenken: Schimmel ist ubiquitär, er ist in der Atemluft, auf jeder Oberfläche in Form von Sporen enthalten, Staub besteht unter anderem aus Schimmelsporen und Pilzhyphen – das sterile Archiv ist also ein nicht erreichbarer Zustand, völlige Schimmelfreiheit kann nicht das Ziel der Bestandserhaltung sein. Was bedeuten diese drei Faktoren in der Praxis: Staub bietet für den Schimmel eine beinahe ideale Ansiedlungsmöglichkeit: er bietet genügend leicht erreichbare Nahrung und enthält die Keimzellen seines Wachstums (Sporen und Pilzhyphen) bereits in unterschiedlicher, aber oft recht hoher Konzentration, in sich. Stark staubige Bücher neigen also in einem Fall von erhöhter Luftfeuchtigkeit und Temperatur eher dazu, Schimmelbefall zu zeigen, als gereinigte, saubere Bücher. Schimmelpilze reagieren außerdem stark auf Veränderung der Umgebungsbedingungen: schon eine kurzzeitige Erhöhung der Luftfeuchtigkeit, etwa durch einen Ausfall der Klimaanlage, kann dazu führen, dass Schimmel zu wachsen beginnt, aber auch eine Verschlechterung seiner Umgebungsbedingungen führt zu gewissen, unter Umständen unerwünschten Reaktionen: Beispielsweise kann Bestrahlung durch UV-Licht, etwa in Form von Sonnenlicht, zwar den Schimmel abtöten, zuvor versucht der sich allerdings, je nach Art, durch massive Pigmenteinlagerung zu schützen. Diese Pigmenteinlagerung ist dann natürlich auch im Papier gut sichtbar, selbst wenn der Schimmel beseitigt wurde. Eine Artbestimmung anhand der Farbe ist beim Schimmel durch diese Eigenschaft der starken Abhängigkeit von Umgebungsbedingungen daher auch kaum möglich – wie wir später noch sehen werden, aber auch nicht sehr hilfreich. Schimmel wächst, wie gesagt, dort, wo es für ihn einfach ist – also zuerst an der Oberfläche, in Ritzen, in die er eindringen kann, wenn z.B. Staub einrieselt, in Buchrücken, in Mikroklimaten, die in Magazinen durch ungünstige Aufstellung entstehen können. Ein durch Schnallen gut geschlossenes, an einem durchlüfteten Ort aufgestelltes Buch ist vor Schimmelgefahr relativ sicher. Schließlich versucht Schimmel sich so schnell und so weit als möglich auszubreiten. Durch Schimmelbefall entstandene Stäube enthalten in hoher Konzentration Sporen und Pilzhyphen – sie unvorsichtigerweise im Magazin zu verteilen, etwa durch Unachtsamkeit beim Buchtransport, kann fatal enden.
Vom Schimmel abgebautes Papier in einem Buch des 16. Jhs.
Oben wurde bereits angedeutet, dass Schimmel eine Gesundheitsgefahr für den Menschen darstellt. Eine eher selten vorkommende direkte Ansiedlung von Schimmelpilzen am Menschen – Schimmelpilze, die auf Papier leben, haben üblicherweise Anforderungen an ihre Umwelt, die sich stark von den Bedingungen des menschlichen Körpers unterscheidet – ist in jedem Fall als schlimmstes Szenario im Auge zu behalten. Der Befall von Atemwegen, Augen, Mund und Fingern kann vorkommen und lang anhaltende gesundheitliche Probleme mit sich bringen. Eine Desinfektion der Hände nach direktem Kontakt mit Schimmel, Schutzkleidung, und Sauberkeit sind hier der beste Schutz – doch dazu in einem späteren Artikel. Eine oft unterschätzte Gefahr, die noch dazu nicht davon abhängt, ob der Schimmel noch am Leben ist oder nicht, sind die vom Pilz gebildeten Toxine, Stoffwechselprodukte, die Allergien und in manchen Fällen auch Krebserkrankungen auslösen können. Erste Symptome einer zu hohen Schimmelkonzentration vor allem in der Atemluft sind Müdigkeit, erhöhte Feuchtigkeit der Nasenschleimhaut, Juckreiz, Appetitlosigkeit. Diese Stoffwechselprodukte bleiben auch dann vorhanden und gefährlich, wenn der Schimmel abgestorben ist, oder durch verschiedene Methoden abgetötet wurde. In manchen Fällen kann das Abtöten sogar zu einer Erhöhung der Gesundheitsgefahr führen, wenn z.B. durch Gammabestrahlung die Schimmelzellen aufplatzen und sämtliche Stoffwechselprodukte freigelegt werden.
Literaturempfehlung:
Meier, Christina/Petersen, Karin: Schimmelpilze auf Papier. Ein Handbuch für Restauratoren ; biologische Grundlagen, Erkennung, Behandlung und Prävention. Tönning 2006.
Quelle: http://aes.hypotheses.org/245