Wandeln zwischen den Welten – Verkleidung als Akt der Befreiung in Assassin’s Creed: Liberation

Aveline de Grandpré wechselt in verschiedene Kostüme, damit in soziale Klassen und zeigt nebenbei, dass Spielmechaniken Geschichtsbilder erzeugen.

Aveline de Grandpré wechselt in verschiedene Kostüme und damit ihre gesellschaftliche Klasse – nebenbei zeigt sie, dass Spielmechaniken Geschichtsbilder erzeugen.

von Felix Zimmermann, Universität Köln

Assassin’s Creed III: Liberation (bzw. die grafisch überarbeitete Version Assassin’s Creed: Liberation HD) brachte einige Premieren für die Spielereihe. Nicht nur schlüpfte man erstmals in die Rolle einer weiblichen Assassine, sondern konnte über die prominent im Spiel platzierte Verkleidungsmechanik sogar zwischen drei verschiedenen Personas[1] der Protagonistin Aveline de Grandpré wechseln. Im Rahmen des Masterseminars „Pirates, Madams, Voodoo Queens: A Gender History of New Orleans“ von Dr. Rebecca Brückmann an der Universität zu Köln schien es reizvoll, Assassin’s Creed: Liberation[2] als Untersuchungsgegenstand zu wählen. Dessen Handlung spielt im New Orleans des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

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Quelle: http://gespielt.hypotheses.org/1010

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Terra X und die Authentizität: Des Kelten neue Kleider (Teil 1)

In der ersten Jahreshälfte 2016 plant die ZDF Dokusendung Terra X eine Sendereihe über die “Kelten” auszustrahlen. Die Doku – eine Zusammenarbeit des ZDF mit der BBC – läuft in ihrer für England zusammengestellten Version bereits auf der BBC und ist … Weiterlesen

Quelle: https://archphant.hypotheses.org/246

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“Geheimnisvolle Farbe” aus China? “Das Geheimnis der Farben” neu gelesen

Auf die Bedeutung von Farben für die Kulturgeschichte wurde auch auf de rebus sinicis schon wiederholt hingewiesen[1]. Victoria Finlays Das Geheimnis derFarben. Eine Kulturgeschichte[2] enthält über die zehn Kapitel – Ocker, Schwarz und Braun, Weiß, Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett – verstreut so manche Passage mit “China-Bezug”.

Die Ausführungen über chinesische Tusche kreisen nicht nur um die Malerei, sondern auch um den Daoismus (S. 110-112). Auch über die Vorbereitungen zum Gebrauch der Tusche wird der Leser informiert: “In China erlebte ich, wie ein Kalligraph ein Stückchen Pinienrußtinte auf dem Tintenstein seines Großvaters zerrieb, noch bevor er sich für die Papiersorte entschied auf der er schreiben wollte.”  (S. 88)

Im Zusammenhang mit der Bedeutung von Farben für das gesellschaftliche Leben und für soziale Hierarchien wird einerseits das dem Kaiser vorbehaltene Gelb (S.

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Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1687

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Kulturgeschichte Chinas im Netz (XII): Virtual Collection of Asian Masterpieces

Die Virtual Collection of Asian Masterpieces entstand ursprünglich als Projekt von ASEMUS (The Asia Europe Museum Network). Mehr als 120 Museen haben bislang eine Auswahl aus ihren Meisterwerken dafür bereitgestellt. Der Relaunch der im Jahr 2007 erstellten Website erfolgte 2013. [1]

Diese virtuelle Sammlung läßt sich nicht nur nach Sachgebieten/Art der Kunstgegenstände beziehungsweise nach dem geographischen Ursprung der Objekte durchsuchen, sondern auch nach einzelnen Sammlungen. Die Liste der an dieser Initiative beteiligten Sammlungen weist derzeit zwölf Museen aus der Volksrepublik China aus.

Die Sammlung liefert derzeit (Stand: 24.6.2015) im Hinblick auf den geographischen Ursprung der Objekte für China 656 Treffer (dazu kommen noch je ein Treffer in der Kategorie “China or Japan” bzw.

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Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1634

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Chinabild in Karikaturen: “A new rôle” (1898)

Im Kontext der Besetzung des Jiāozhōu 膠州-Gebiets und der Verhandlungen über einen Pachtvertrag (1897/1898) erschienen in den satirisch-humoristischen Blättern Europas zahlreiche Texte und Karikaturen, die den deutschen Kaiser als neuen ‘Kaiser von China’ darstellten. Zu den wohl bekannteren (und immer wieder verwendeten[1] Beispielen gehört eine Karikatur von Edward Linley Sambourne (1844-1910), die am 15. Januar 1898 im Punch erschien: “A new rôle!”[2]

Punch cartoons of the Great War (1915)

Punch (January 15, 1898) 14. Quelle: Internet Archive

Der britische Militärattaché Sir James Moncrieff Grierson (1859-1914) berichtete über ein Gespräch mit dem Kaiser über diese Karikatur: “Dann fragte er mich, ob ich sein Bild im ‘Punch’ als Kasier von China gesehen hätte, über das die Kaiserin wütend gewesen sei, das er selbst aber für einen recht guten Witz gehalten habe. [...]”[3]

Die Kaiserin dürfte wohl mehr über den Text erzürnt gewesen sein, denn da heißt es:

Imperial “Manager-Actor” (who has cast himself for a leading part in “Un voyage en Chine” sotto voce). “Um-Ha! With just a few additional touches here and there, I shall make a first-rate Emperor of China.[4]

Doch weder die Großmachtsphantasien noch die Eitelkeit des deutschen Kaisers sollen hier thematisiert werden, sondern ein bisher – trotz wiederholter Verweise auf die Karikatur ((S. auch: Richard Scully: “Mr Punch versus the Kaiser, 1892-1898: Flashpoints of a Complex Relationship.” In: International Journal of Comic Art 13.2 (Fall 2011) , 553-578.)) -  wenig beachtetes Element.

Die Szene zeigt ein Ankleidezimmer, an der Wand im Hintergrund ist über eine Tür das Wappen des Deutschen Reichs zu sehen. Im Vordergrund links steht ein großer Spiegel, dessen Rückseite dem Betrachter zugewandt ist. An den Spiegel gelehnt ist ein Degen mit Portepee, am Griff des Degens hängt eine ‘Pickelhaube’. Am Boden liegen Papiere verstreut: “Lease Kiao chau 99 year[s]“, “Music” und “Un Voyage en Chine”. Im Spiegel betrachtet sich der (durch Gesichtszüge und Bart eindeutig markierte) deutsche Kaiser: Er trägt – abgesehen von Stiefeln und Sporen – ‘asiatische’ Gewänder.

Die ‘asiatischen’ Elemente sind:

  • die Kopfbedeckung (und der lange Zopf)
  • eine wadenlanges Gewand, dessen Saum mit einer breiten Borte eingefasst ist, und
  • eine  Jacke mit weiten Ärmeln.

Die Kopfbedeckung ist eine kleine runde Kappe, von der drei Pfauenfedern nach oben abstehen. Sieht man genau hin, dann ist zu erkennen, dass diese drei Feder wie ‘aufgepappt’ wirken, denn der eigentliche Federschmuck (kǒngquèlíng 孔雀翎 ["Pfauenfedern"][5] ) wird mit einem Ring an dem  Knopf am höchsten  Punkt der Kappe bestigt und hängt nach hinten unten. Die Karikatur “Another Sick Man” vom 8.1.1898[6] zeigt, dass das den Karikaturisten des Punch bekannt war.

Die Jacke  ist aufwändig bestickt mit dem deutschen Adler, der von zwei ‘chinesischen’ Drachen flankiert wird. Das aufwändige Dekor und die breiten Bordüren erinnern zunächst an die von den Porträts chinesischer Kaiser vertrauten Zeremonialgewänder. Sieht man genauer hin, fallen schnell Unterschiede auf: die Kleider/Mäntel der Ahnenporträts sind waden- bis bodenlang, die Ärmel laufen zum Handgelenk schmal zu, die farblich abgesetzten Manschetten zeigen die typische ‘Pferdehuf’-Form[7]
Die Jacke in der Karikatur reicht bis zur Mitte des Oberschenkels und zeigt gerade, sehr weite Ärmel.

The Metropolitan Museum of Art: Woman's Short Informal Robe

The Metropolitan Museum of Art: Woman’s Short Informal Robe (ca. 1900)
Accession Number: 1978.214.2 -  http://www.metmuseum.org

Sie entspricht der Form der Jacken, den Frauen der späten Qing-Zeit bei informellen Anlässen trugen[8].
Die Figur in der Karikatur trägt zu der Jacke  alledings nicht den langen Faltenrock, sondern eine wadenlange weite Hose, deren Säume mit breiten Borten eingefasst sind …

 

 

 

 

 

  1. S. u. a.: Wolfgang J. Mommsen: “Kolonialherrschaft und Imperialismus: Ein Blick zurück” In: Tsingtau. Ausstellung im Deutschen Historischen Museum vom 27. März bis 19. Juli 1998. Online-Veröffentlichung des Ausstellungskataloges;
  2. Punch Vol. (15 January 1898) 14 – Online: Internet Archive. Auch abgedruckt in: Punch cartoons of the Great War (New York: George H. Doran 1915), 21. Internet Archive
  3. Grierson an Bigge, 21. Januar 1898, RA I61/32a. Zitiert nach: John C. G. Röhl: Wilhelm II. Der Aufbau der persönlichen Monarchie. (München: Beck 2001), 1079 und 1377, Anm. 15
  4. ((Punch Vol. (15 January 1898) 14 – Online: Internet Archive.
  5. Zur Bedeutung dieser Auszeichnung s. Uppolit Semenovich Brunnert/V. V. Gagelstrom: Present day political organization of China (New York: Paragon [s. d., Foreword dated Foochow, 1911]) S. 498, Nr. 950.
  6. Punch (8.1.1898) 7 – Online: Internet Archive.
  7. Chin. mǎtíxiù 馬蹄袖 “Pferdehufärmel”.
  8. Weitere Beispiele: Metropolitan Museum: “Woman’s Informal Robe” (China, late 19th–early 20th century; Accession Number: 1979.107); Ebd., “Short Informal Jacket” (China, late 19th century; Accession Number: 46.133.7); Ebd., “Woman’s Short Informal Robe” (China, ca. 1900, Accession Number: 1978.214.2).

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1900

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„Verachtet ist der nackte Mann“. Die literarische Funktion von Kleidung in den Íslendingasǫgur und Íslendingaþættir

Wikingerzeitliches Frauengewand (Foto: Anita Sauckel 2012)

Wikingerzeitliches Frauengewand (Foto: Anita Sauckel 2012)

1000 Worte Forschung: Dissertation LMU München, abgeschlossen im Juli 2012

Das Textkorpus der Isländersagas umfasst ungefähr drei Dutzend in altisländischer Sprache verfasste literarische Prosatexte von unterschiedlicher Länge, die über die Geschehnisse auf Island von den ersten Siedlern (ca. 870 n.Chr.) bis zum Ende der sogenannten Sagazeit (1030 n.Chr.) berichten. Im Mittelpunkt stehen die Schicksale der mächtigsten isländischen Familien des mittelalterlichen Freistaats.

Seit dem 19. Jahrhundert stehen die Isländersagas im Interesse altnordistischer Forschung. Weiterhin werden sie als Ergänzung zu Bildquellen und Bodenfunden herangezogen, um Lücken bei der Rekonstruktion wikingerzeitlicher Tracht zu schließen. Unproblematisch ist diese Vorgehensweise nicht: Immerhin erfolgte die Niederschrift der Isländersagas in einem zeitlichen Abstand von 200 bis 300 Jahren zu den geschilderten Ereignissen. Als gesichert gilt, dass keine Saga vor dem 13. Jahrhundert niedergeschrieben wurde. Hinzu kommt, dass sich Textilfunde von den in den Texten beschriebenen Kleidungsstücken deutlich unterscheiden, dass die Terminologie einzelner Gewänder unpräzise ist und Stoffbezeichnungen nicht auf die Beschaffenheit der Stoffe schließen lassen bzw. Sammelbezeichnungen für eine Gruppe textiler Gewebe sind. Umso erstaunlicher ist es, dass die minutiös beschriebenen Kleidungsstücke von literaturwissenschaftlicher Seite meist ausschließlich als Illustration einer mittelalterlichen Umwelt interpretiert wurden. Die zahlreichen Beschreibungen seien ein „glänzendes Beiwerk“[1], ein „Zusatz, der des erzählten Hergangs wegen unnötig“[2] sei. Untersuchungen von Kleidung sind für die Isländersagas und Íslendingaþættir (novellenartige Erzählungen, die meist in Königssagas eingeschoben sind) bisher überhaupt nur im Rahmen eng gefasster Einzelstudien von geringem Umfang erfolgt.

Doch wird Kleidung schon in der nordischen Mythologie als integrativer Bestandteil des Menschseins verstanden: So berichtet Snorri Sturluson von der Schöpfung der Menschen durch die Götter, die diese aus Holz formten und ihnen „Namen und Kleidung“[3] gaben. Strophe 49 des Götterliedes Hávamál erwähnt das Einkleiden zweier anthropomorpher Holzfiguren, die sich daraufhin für Menschen halten. Die Strophe schließt mit dem Vers „Verachtet ist der nackte Mann“ (neiss er nøcqviðr halr)[4] – der Mensch wird erst durch Bekleidung zum Kulturwesen.

Ziel meiner Dissertation war eine detaillierte Analyse der in den Isländersagas und Íslendingaþættir auftretenden Kleiderstellen hinsichtlich ihrer unterschiedlichen literarischen Funktion, also vor allem eine durch Kleidung ausgedrückte soziale und psychologische Figurencharakterisierung. Es zeigte sich, dass die meisten Beschreibungen der Veranschaulichung sozialer und geschlechtlicher Distinktionen sowie dem Ausdruck von Emotionen, dienen. Auch handlungsweisende Vorausdeutungen gestalteten die Verfasser der Isländersagas durch das gezielte Einsetzen von Kleidungsstücken und machten die Kleidung somit zu einem integrativen Bestandteil des Sagastils.

So versinnbildlicht die Beschreibung der Kleidung von Oberschichtangehörigen mehr als nur das Vorhandensein ökonomischen Reichtums: Das Zusammenspiel von kostbaren Gewändern, körperlicher Schönheit und vornehmen Tugenden betont die Bedeutsamkeit einzelner Helden über bloßen Besitz hinaus. Gesellschaftliche Großereignisse wie Thingversammlungen dienen den Sagahelden als Bühne zur Präsentation exklusiver Gewänder und somit zur Repräsentation des eigenen sozialen Status. Besonders prachtvoll ausstaffiert sind junge Isländer, die von ihren Auslandsfahrten an fremdländische Königshöfe zurückkehren, wo sie sich Ansehen, Ruhm und Ehre erworben haben. In seltenen Fällen widerfährt den Protagonisten durch Kleidergeschenke auch eine Erhöhung im christlichen Sinne: So erhält der Titelheld der Bjarnar saga Hítdœlakappa von König Óláfr helgi von Norwegen einen seidenen Wadenriemen zum Geschenk, mit dem er sich sogar bestatten lässt. Der mit der Heiligkeit des Königs durchdrungene Seidenriemen verrottet nicht und wird nach der Hebung des Grabes in eine Kirche gebracht, wo er fortan als Gürtel eines Messgewandes Verwendung findet.

Gut gekleidete Helden beeinflussen das Handlungsgeschehen meist positiv. Ausnahmen stellen gut angezogene „fremde Skandinavier“ dar, bei denen es sich häufig um Norweger handelt. Sie sind trotz ansprechendem Äußeren und hohem sozialen Status oftmals negative Figuren, die dem Helden entweder Schaden zufügen oder ihn gar töten wollen.

Die Vertreter der Unterschicht, die durch ihre schlechte Kleidung sozial stigmatisiert werden, stehen diesen Sagahelden gegenüber. Zu dieser Gruppe gehören Bettler, Landstreicher und Sklaven, aber auch Geächtete und Narren. Ihre ärmlichen, teils ungezieferverseuchten Gewänder offenbaren jedoch auch spezifische Charaktereigenschaften ihrer Träger: Insbesondere die unpassende Kleidung der Sklaven brandmarkt diese nicht selten als Trottel. Die in manchen Fällen bewusst gewählte schlechte Bekleidung der Narren drückt entweder – im Sinne einer erweiterten psychologischen Figurencharakterisierung – die (jugendliche) Unreife ihrer Träger aus oder lässt Sozialkritik aufscheinen. So ignoriert der Titelheld des Hreiðars þáttr heimska bewusst den gut gemeinten Ratschlag seines Bruders, sich am Fürstenhof in erlesene Kleidungsstücke zu hüllen, um die Prunksucht der in der Halle versammelten Gefolgsleute zu karikieren. Unpassende Kleidung ermöglicht Vertretern der Oberschicht darüber hinaus eine Vielzahl von Verkleidungen, mit deren Hilfe sie Ziele erreichen, die ihnen normalerweise verwehrt bleiben würden: So machen die heimliche Beschaffung von Informationen, das Ausführen von Rachetotschlägen oder der Schutz des eigenen Lebens vor Mordanschlägen das gekonnte Einsetzen der Maskerade erforderlich. In der Hallfreðar saga vandræðaskálds verkleidet sich der Titelheld sogar mit großem Aufwand, um einen bekehrungsunwilligen Heiden zu verstümmeln. Durch die Maskerade (sowie durch Devestitur) werden schließlich die Grenzen sozialer Kleiderdistinktion deutlich. Ein Übertreten dieser Grenzen ist charakteristisch für das Kleidungsverhalten der Zauberer; ihre Kombination von Ober- und Unterschichtgewändern lässt keine soziale Einordnung zu.

Kleidung dient in den Isländersagas auch zur geschlechtlichen Distinktion. Von besonderem Interesse ist das Verhältnis von Rollenverhalten und Gewand, das an denjenigen Stellen am deutlichsten hervortritt, an denen Kleidernormen übertreten werden. So nutzen einige Sagafiguren den vestimentären Geschlechterrollenwechsel (Transvestismus), um Ziele zu erreichen, die sie sonst nicht erreichen können. Anders als in kontinentaleuropäischen literarischen Zeugnissen des Hochmittelalters spielt sexuelles Begehren bei dieser Form des Kleidertauschs keine Rolle. Besonders auffallend ist aber das beinahe vollständige Fehlen travestierter männlicher Helden. Allein der Verdacht, ein Mann könne sich weiblich verhalten oder gar weibliche Kleidung tragen, zerstört dessen Ehre unwiederbringlich und bedeutet den Ausschluss aus der Gesellschaft und den Tod. Hingegen verkleiden sich Frauen durchaus als Männer, um sich vor Übergriffen zu schützen oder ihre beschädigte Ehre wiederherzustellen. Ihr Spiel mit den Geschlechterrollen wird zumeist nicht sanktioniert.

Schließlich dienen die Beschreibungen von Kleidung der Veranschaulichung von Emotionen. Aggression, Trauer, Wut aber auch Freude, Liebe und Zuneigung werden von den Sagaverfassern mittels Kleidungsstücken verdeutlicht. Inneres durch Äußeres auszudrücken, gehört zu den Charakteristika des Sagastils: Besonders spannend ist die Beobachtung, dass das Tragen von Kleidungsstücken in der Farbe blár (blau, blauschwarz, schwarz) stets Aggression bis hin zur Mordlust indiziert: So berichtet die Valla-Ljóts saga von Ljótr Ljótólfsson, dass er jedes Mal, wenn ihn die Mordlust (víghugr) überkomme, einen blauschwarzen Rock trage.

Die Verfasser der Isländersagas haben dem Kleidungsverhalten ihrer wikingischen Vorfahren enorme Bedeutung beigemessen. Sie folgten weniger den Vorgaben einer realen wikingerzeitlichen Tracht (wie archäologische Funde sie zeigen), sondern erhoben Kleidung vielmehr zu einem gelehrten Konstrukt und ließen sie zum integralen Bestandteil ihrer Schreibkunst werden. Für die altertumskundliche Diskussion verdeutlicht das nicht zuletzt die methodischen Probleme einer Abgleichung von Sachfund und literarischem Befund. Für die weiterhin intensiv betriebene Sagaforschung hat die Untersuchung nicht zuletzt aufgezeigt, wie bereichernd eine intensivere Analyse vermeintlich bedeutungslosen Beiwerks sein kann.

Anita Sauckel (2013): Die literarische Funktion von Kleidung in den Íslendingasǫgur und Íslendingaþættir (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 83). Berlin/Boston.

[1]     Heller, Rolf 2009: Überlegungen zur Brünne in der Laxdœla saga. In: Heizmann, Wilhelm/Klaus Böldl/Heinrich Beck (Hg.): Analecta Septentrionalia. Beiträge zur nordgermanischen Kultur- und Literaturgeschichte (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 65). Berlin/New York. S. 169–184. Hier: S. 169.

[2]     Kuhn, Hans 1971: Das alte Island. Düsseldorf. S. 76.

[3]     Gylfaginning, c. 9. In: Snorri Sturluson. Edda. Prologue and Gylfaginning, herausgegeben von Anthony Faulkes. 2. Auflage. London 2005. S. 13.

[4]     Hávamál, St. 49. In: Edda. Die Lieder des Codex regius nebst verwandten Denkmälern I. Text. 5., verbesserte Auflage von Hans Kuhn. Heidelberg 1983. S. 17–44. Hier: S. 24.

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/2954

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03. Niebel und die musealisierte Mütze

Selbstentwicklungshilfeminister

Es war einmal ein deutscher Entwicklungshilfeminister, der gar nicht Entwicklungshilfeminister werden wollte und bei dem sich auch niemand erklären konnte, warum ausgerechnet er diesen Job übernehmen sollte. Zudem hatte dieser Entwicklungshilfeminister einen Regierungsposten besetzt, den seine Partei und wahlprogrammgemäß auch er selbst kurz zuvor noch als unnötig und geldverschwenderisch abschaffen wollten. Nicht zuletzt musste man sich fragen, bei welcher „Entwicklung“ dieser Minister hätte helfen können, außer vielleicht bei seiner eigenen karrieretechnischen. Aber es scheint dann insbesondere der letzte Punkt gewesen zu sein, der ihn alle Bedenken über Bord werfen ließ, um im Dienst der Sache, nämlich seiner eigenen, im Jahr 2009 diesen Posten zu übernehmen. Besser irgendein Minister als gar kein Minister.

Seither kann man ab und an beobachten, wie Dirk Niebel möglichst medienwirksam in dieser politischen Arena zu reüssieren versucht, wie er bei großen internationalen Kongressen immer etwas deplatziert wirkt in diesen multikulturellen Zusammenhängen, wie in der Begegnung mit Menschen von anderen Kontinenten die Überraschung über deren FDP-Ferne immer noch groß zu sein scheint, wie ein gewisses Fremdeln mit dem eigenen Amt und den damit zusammenhängenden Aufgaben kaum zu übersehen ist – und wie ein Minister sich mit einer befremdlichen Mütze vor der Hitze Afrikas zu schützen sucht.

Die Mütze im Museum

Richtigerweise muss man inzwischen sagen: mit der er sich zu schützen versuchte. Denn die vor Kurzem noch aktuelle Verwendung von Niebels Mütze ist inzwischen zur Vergangenheit geworden. Eine Verwendungsweise hat der anderen Platz gemacht, das Kleidungsstück ist zum Ausstellungsstück mutiert. Niebels Mütze ist den Weg alles Symbolischen gegangen: Sie ist ins Museum gewandert. Am 7. März 2013 übergab der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, dem Sammlungsdirektor des Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn, Dr. Dietmar Preißler, die Mütze, die er seit seiner Bundeswehrzeit bei den Fallschirmjägern besaß (die Fallschirmspringerei scheint in der FDP eine gewisse Tradition zu genießen) und die er bei seinen ministerialen Auslandsreisen immer getragen hat. Wir haben es also mit der historischen Großepoche zwischen Frühjahr 2010 (Niebels erste Auslandsreise) und Frühjahr 2013 (Musealisierung der Mütze) zu tun.

In dieser Zeit hat Niebel – diese Mütze tragend – welche historisch aufwühlenden Taten vollbracht oder ihnen wenigstens beigewohnt? Nun, er ist ins nicht-europäische Ausland gereist und hat Fernsehinterviews gegeben, was man eben so macht als Entwicklungshilfeminister. Dabei hat er immer getreu dem Michel-aus-Lönneberga-Motto gehandelt: „Nicht ohne meine Müsse.“ Da kann man nur sagen: Das wurde aber auch Zeit, dass dieses einmalige Stück der jüngeren Zeitgeschichte endlich dem Museum vermacht und dem drohenden Verlust für die Nachwelt entrissen wurde. Entsprechend ließ der Minister auf der Internetseite seines Ministeriums auch der Freude Ausdruck verleihen, „dass meine Mütze heute den Weg in die Geschichtsbücher findet.“ (Ohne allzu beckmesserisch sein zu wollen, aber zunächst ist die Mütze ins Geschichtsmuseum gewandert; ob sie es in die Geschichtsbücher schafft, ist eine andere Frage. Aber vielleicht freut sich der Minister auch, dass sie den Weg in (m)ein Geschichtsblog gefunden hat?)

Mütze und Macht

So erfreulich und geschichtsträchtig dieser Vorgang auch sein mag, einige Fragen drängen sich natürlich auf, bei denen es politisch und vor allem historisch interessant wird. Da wäre einmal die Frage nach der Initiative – wer hat denn dafür gesorgt, dass das gute Stück ins Museum kommt? Ich hege den Verdacht, dass es vielleicht nicht das Museum selbst war. Schließlich hat Niebel schon vor Längerem angekündigt, dass es seine umstrittene Kopfbedeckung noch einmal ins Museum schaffen würde. Aber dass es so schnell gehen würde …

Nächste Frage: Was könnte sich das Museum von dieser vorauseilenden Historisierung versprechen? Sammlungsdirektor Preißler sagte laut Pressemeldung, die Mütze stehe „in einer Reihe mit Kleidungsstücken von Politikern, die über deren Person und die Wahrnehmung in den Medien Auskunft geben“. Joschka Fischers Turnschuhe, Helmut Kohls Strickjacke, Helmut Schmidts Schirmmütze – alles museal nachvollziehbar und tatsächlich Teil des bundesrepublikanischen Bildgedächtnisses geworden. Aber befindet sich Niebels Mütze tatsächlich schon in dieser Liga? Sollte dem nicht so sein, dürfte man weniger die Mütze selbst als vielmehr ihren Träger dafür verantwortlich machen. Das Museum wäre zumindest vorbereitet, wenn dem Politiker doch noch ein kometenhafter Aufstieg vergönnt sein sollte (auch das soll in der FDP ja schon vorgekommen sein). Und einer geschenkten Mütze schaut man nicht auf die Schweißränder.

Dritte Frage: Welche historische Erkenntnis darf der künftige Museumsbesucher von dem Ausstellungsstück erwarten? Es ist richtig, der Zusammenhang von Kleidung und Macht kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Die Botschaften, die eine Elisabeth II. im Krönungsornat, ein Mao Zedong in Arbeiter- oder Soldatenuniform und ein Joschka Fischer in Turnschuhen bei der Vereidigung übermitteln, sind wesentlich prägnanter als langatmige Reden. [1] Hier kann man tatsächlich auf einen Blick erfassen, wofür diese politischen Entscheidungsträger stehen oder wie sie gesehen werden wollen. (Das Bonner Museum kann sich also schon einmal an die Planung eines Anbaus machen, wenn demnächst Angela Merkel ihre gesamte Kollektion an Kostümen vorbeibringt.) Wenn das aber so ist, welche Botschaft wollte Niebel dann vermitteln, als er im Ausland ausgerechnet mit einer Mütze des deutschen Militärs auftauchte? Vielleicht: „Oh, Entschuldigung, ich hatte gerade keinen anderen Schutz gegen die Sonne zur Hand“? „Mein spärliches Ministergehalt genügt leider nicht für eine andere Kopfbedeckung“? „Entwicklungshilfe ist ein Kampfeinsatz“? Oder: „Wenn ich schon eine Randfigur im Kabinett bin und von der Materie wenig Ahnung habe, dann sollte ich dabei wenigstens optisch auffallen“?

Diese eher unangenehm berührende Form der Selbsthistorisierung kann den künftigen Museumsbesucher also am ehesten darüber belehren, wie zukünftige Vergangenheiten in der Gegenwart dazu missbraucht werden sollten, politische und historische Bedeutung zu produzieren, die bedauerlicherweise wenig Substanz hat. Geschichte wird gemacht, das ist schon richtig. Aber glücklicherweise ist daran nicht nur eine Person beteiligt. Über eine wirklich nachhaltige Historisierung und Musealisierung entscheiden immer noch die Nachgeborenen, nicht allein die Gegenwärtigen.

Schade allerdings, dass ausgerechnet diese weit reichende Erkenntnis den Besuchern des Hauses der Geschichte in Bonn bis auf weiteres verwehrt bleibt. Die Mütze verschwindet nämlich erst einmal in der Asservatenkammer (was die Pressemeldungen peinlichst verschwiegen haben). Dabei war es doch das Ziel dieser Aktion, Niebels politischer Karriere genau diesen Gang zu ersparen.

[1] Thomas Frank u.a.: Des Kaisers neue Kleider. Über das imaginäre politischer Herrschaft, Frankfurt a.M. 2002.


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Quelle: https://achimlandwehr.wordpress.com/2013/04/13/03-niebel-und-die-musealisierte-mutze/

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Tagungsbericht EUCist 7: Das monastische Gewand

Am 28. Februar und 1. März 2013 fand an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien die siebte Tagung des Europainstituts für Cistercienserforschung statt. Das Thema war in diesem Jahr das monastische Gewand unter besonderer Berücksichtigung des Cistercienserordens. Aus diesem Anlass waren zahlreiche Referenten und Diskutanten aus Österreich, Deutschland, Frankreich und Tschechien zusammengekommen, um über aktuelle Forschungsarbeiten zu referieren und zu diskutieren. Das chronologische Spektrum der Beiträge reichte dabei von den antiken Grundlagen über das Mittelalter bis zu den Entwicklungen der Neuzeit. Methodisch [...]

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3874

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Ein Fest für die Augen: Auguste Racinets Kostümgeschichte ist wieder zu haben

Nach zuletzt ‘schweren' Themen heute wieder einmal etwas für die Wochenendseiten, mit Bildern. Gemeint ist eine Wiederentdeckung. Zwischen 1876 und 1888 publizierte Auguste Racinet (1825-1893) im Pariser Verlag Firmin-Didot, der sich auch mit zahlreichen großformatigen Ausgaben antiker Autoren einen Namen machte, eine Welt-Kostümgeschichte in sechs Folio-Bänden. Übersetzungen ins Deutsche und Englische folgten rasch. Racinet hatte das Handwerk des Kunstgewerbezeichners...(read more)

Quelle: http://faz-community.faz.net/blogs/antike/archive/2012/09/22/ein-fest-fuer-die-augen-auguste-racinets-kostuemgeschichte-ist-wieder-zu-haben.aspx

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