Booksprint #CoScience: erste Einblicke hinter die Kulissen

booksprintGemeinsam in wenigen Tagen ein Buch schreiben:  geht das? Auf Einladung von Lambert Heller und dem Open Science Lab der Technischen Informationsbibliothek (TIB) fuhr ich an diesem Montag nach Hannover, um dort mit weiteren zwölf Wissenschaftler/innen (siehe unten) innerhalb von wenigen Tagen ein Handbuch zu verfassen zum Thema “CoScience: Forschen und Publizieren mit dem Netz”. Thema und Art der Entstehung entsprechen sich hier. Ein Experiment für uns alle, so viel stand fest.

Die ersten beiden Tagen, in denen ich vor Ort mitgearbeitet habe, sind gerade vorbei, der Sprint geht aber noch weiter. An Tag drei schreiben wir an verteilten Orten virtuell auf der eingerichteten kollaborativen Plattform weiter. Zeit jedoch, für ein kurzes Zwischenresümee sowie für erste Einblicke hinter die Kulissen dieses Booksprints.

Ein Buch entsteht – oder was schreiben wir noch gleich?

Los ging es am Montag Morgen mit einer Vorstellungsrunde. Nicht alle kannten sich, manchen war man bisher nur virtuell begegnet. Auch das eine neue Erfahrung: Zusammenarbeit von Personen, die sich nicht kennen und trotzdem versuchen werden, einen einheitlichen “Sound” für ein Buch zu finden. Dann die Frage nach der Ausrichtung des Buches: Während Titel und Thema mit dem Stichwort “CoScience” vorgegeben waren, stand die Struktur des Buches zur Diskussion. Sehr gut gefiel mir dabei, dass dies ergebnisoffen und damit tatsächlich kollaborativ und nicht anhand von vorgegebenen Parametern geschah. Schnell einigten wir uns darauf, dass es ein Handbuch werden sollte, eine Art Nachschlagewerk oder Hilfestellung, in erster Linie für den wissenschaftlichen Nachwuchs sowie für all diejenigen, die mit den neuen kollaborativen Werkzeugen forschen und publizieren möchten und einen Überblick über das große Angebot, Anleitungen dazu und Beispiele benötigen. Das Ganze natürlich kurz und knackig, denn es ist ein Booksprint und wir haben kaum Zeit.

Also wenig Meta, aber viel Praxis. Nur, was genau wollen wir schreiben? Eine Art Kochbuch vielleicht? Oder ein Tag im Leben der Forscherin X, die verschiedene Aufgaben erledigt, wobei unterschiedliche Tools zum Einsatz kommen? Wie bekommt man beim kollaborativen Schreiben, bei dem man gleichzeitig an verschiedenen Ecken arbeitet, einen roten Faden hin? Spätestens hier wurde deutlich, dass es zwei Arten von Booksprintern gibt: die, die gleich loslegen und schreiben wollen im Vertrauen, dass dann schon etwas dabei herauskommt, und diejenigen, die erst Struktur und Planung möchten, weil das Schreiben dann schneller geht. Ich gebe zu, dass ich zur letzteren Fraktion gehöre.

Dieser Prozess der Festlegung der wichtigsten Parameter (Sprache des Buches, Länge der Beiträge etc.) geschah im Pad, in dem auch durchaus eifrig über Metathemen (sowie Essen und Trinken) diskutiert wurde. Um Themencluster zu bilden, verließen wir dann jedoch den digitalen Raum und schrieben unsere Vorschläge: auf Kärtchen! Ein interessanter Mix an Methoden also, um zu einer Gliederung bzw. zu Themenbereichen zu kommen. Warum auch nicht, erlaubt ist, was funktioniert.

booksprint2Danach ging es endlich ans Schreiben: Die ersten Entwürfe entstanden in Pads, wo es zu der typischen Mischung aus farblichen Textstücken kam. Diese wurden dann auf die Plattform übertragen, ein Wiki-ähnliches Werkzeug eingerichtet vom Open Science Lab. Den Nachmittag verbrachten wir schreibend, zumeist in kleinen Gruppen an einem Thema. Das Buch entstand von den Rändern her, zerfaserte dabei allerdings auch. Schrieben wir überhaupt ein Buch, oder war es doch ein Wiki? Ein Gedanke, den die Software vielleicht nahe legte. In der ersten Manöverkritik am Abend versuchten wir, uns noch einmal das Spezifische am Thema – also CoScience -, am Booksprint, an der Kombination der Autoren vor Ort vor Augen zu führen. Was ist das Besondere an diesem Buch? Wie kann man verhindern, dass wir nicht ein Wiki schreiben, nur schlechter als das große Vorbild, weil in kurzer Zeit entstanden?

In der weiteren Manöverkritik am nächsten Tag einigten wir uns nach eingehender Diskussion darauf, den Artikeln eine gemeinsame Struktur zu geben. Den “echten” Sprintern dauerte diese Diskussion natürlich zu lange, sie wollten schreiben. Aber wir Sprint-Planer waren glücklich, dass unser Handbuch dadurch ein eigenes Gesicht bekam und die anschließende Redaktion der Beiträge leichter fiel (bilde ich mir zumindest ein).

Die Erfahrung des kollaborativen Schreibens

Gemeinsam mit Lambert arbeitete ich vorwiegend am Kapitel Wissenschaftskommunikation und hier vor allem an den Teilen Bloggen und Twitter (klar). Wer schon mal gemeinsam zeitgleich an einem Text gearbeitet hat, wird diese Form des kollaborativen Schreibens zu schätzen wissen: Es ist schön und in gewisser Weise beruhigend zu sehen, wie der Text an vielen Stellen gleichzeitig wächst. Für uns Einzelkämpfer Wissenschaftler, die wir oftmals alleine an Texten arbeiten, ein motivierendes Erlebnis. Überhaupt sitzt man beim kollaborativen Schreiben nicht alleine mit seinem Text da: Rückmeldungen gibt es über Anmerkungen und Kommentare, kleine Fehler, die anderen auffallen, werden sofort ausgebessert, Ergänzungen vorgenommen, so dass der Text auch durch andere stetig in Bewegung ist. Beim Booksprint, so wie er hier die ersten zwei Tage durchgeführt wurde, gibt es zudem den Vorteil, dass die Co-Autoren im gleichen Raum sitzen und man sich jederzeit unterhalten und Einzelfragen diskutieren kann. Dies kann man über einen Chat sicherlich auch tun, jedoch ist die spezielle Art, mit der digitale  Methoden gemeinsam im analogen Raum eingesetzt werden, ein besonderes Erlebnis, vielleicht mit einem Tweetup vergleichbar.

Einige neue Fragen, die mit dem kollaborativen Schreiben entstehen, müssen beantwortet werden: Was bedeutet ein Begriff wie “Autor”, wenn man zu viert einen Text schreibt, einige viel schreiben, andere nur hier und da ein Komma ergänzen? Reicht dafür die Unterscheidung zwischen “Autor” und “Beiträger” (Contributor)? Was passiert, wenn der Text in einer zukünftigen Version so verändert wird, dass ich als Autorin mit dem Inhalt nicht mehr einverstanden bin?

Eine interessante Erfahrung ist auch der Zeitmangel beim Booksprint. Es muss schnell gehen, eine Schreibblockade kann man sich nicht erlauben. Vielleicht verhindert das Format, das soetwas überhaupt entsteht: Die Zeit ist so sehr reduziert, dass jeder Einwurf “aber dies fehlt und das hättet Ihr noch” ohnehin deplaziert wirken würde. So schreibt man einfach befreit darauf los, ein bisschen, wie beim Bloggen manchmal. Und der Zeitmangel hat in unserem Fall auch bewirkt, dass alle konzentriert arbeiteten. So wurde beispielsweise kaum getwittert, was mich, ehrlich gesagt, durchaus erstaunt hat.

Wie geht es weiter?

Dies ist wohlgemerkt nur ein Zwischenbericht. Der Booksprint läuft noch, eine Evaluation wird es sicherlich noch geben. Das Buch soll als Print- und Online-Ausgabe erscheinen und wird beim Konferenzforum Future Talk der CeBIT (Halle 9, Stand F44) am 11. März 2014 um 13.30 Uhr vorgestellt. Damit soll das Projekt jedoch nicht abgeschlossen sein, vielmehr soll das Handbuch danach zu einer liquid-Publication und nach seiner schnellen Entstehung durch die Fachcommunity ständig erweitert und aktualisiert werden. Dafür werden in Kürze Autoren gesucht!

Inwiefern die Methode auf andere Themen, beispielsweise historische, übertragbar ist, bleibt offen. Ich könnte mir vorstellen, dass man im Bereich der Geschichtswissenschaft ein Booksprint nach einer gemeinsamen Tagung veranstaltet und damit ein neues Format für die obsolet werdenden Tagungsbände schafft. Das müsste man vielleicht einfach mal ausprobieren.

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Weitere Informationen

Nachtrag vom 17.6.2014: Hier geht’s zum Handbuch: http://handbuch.io/w/Handbuch_CoScience

Booksprint #CoScience, vom 3.-5. März 2014.

Autor/innen vor Ort:  Ina Blümel, Stefan Dietze, Martin Fenner, Sascha Friesike, Christian Hauschke, Christian Heise, Lambert Heller, Robert Jäschke, Mareike König, Martin Mehlberg, Janna Neumann, Heinz Pampel, Marco Tullney. Von Zuhause arbeitet Daniel Mietchen mit.

Über den Booksprint im Blog der TIB: http://blogs.tib-hannover.de/tib/2014/02/07/book-sprint-coscience/

Pressemitteilung TIB: CeBIT 2014: TIB präsentiert das Open Science Lab, http://www.tib-hannover.de/de/die-tib/aktuelles/aktuelles/id/496/.

Twitter: #CoScience

Ergänzungen (22.4.2014)

Markus Trapp, Book Sprint CoScience – Gemeinsam forschen und publizieren mit dem Netz, in: Text und Blog, 12.3.2014, http://textundblog.de/?p=5845.

Lambert Heller, Video und erste Lessons Learned: Der Book Sprint #CoScience geht ins Web und auf der CeBIT weiter, in: TIB Blog, 13.3.2014, http://blogs.tib-hannover.de/tib/2014/03/11/video-und-erste-lessons-learned-der-book-sprint-coscience-geht-ins-web-und-auf-der-cebit-weiter/#comment-27606.

Video über das Schreiben (ohne Ton): TIB|Open Science Lab #BookSprint #CoScience, http://www.youtube.com/watch?v=ftCm6rY2INs&feature=youtu.be.

Video über das Projekt, incl. Vorstellung auf der Messe (mit Ton): TIB|Open Science Lab: Booksprint #CoScience, http://www.youtube.com/watch?v=Hp4v-fz185Y&feature=youtu.be

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2108

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Die elektronische Datenbank der Korrespondenz von Constance de Salm (1767-1845) ist jetzt online!

Von November 2011 bis März 2013 hat ein am Deutschen Historischen Institut in Paris angesiedeltes vierköpfiges Team (Dr. Eva Dade, Eva Knels, Hannah Schneider, unter der Leitung von Florence de Peyronnet-Dryden) die reichhaltige Korrespondenz von Constance de Salm (über 7000 Briefe) inventarisiert, die sich im Archiv der Société des Amis du Vieux Toulon et de sa Région befindet. Die Ergebnisse dieses Projekts sind nun in einer elektronischen Datenbank einzusehen, die auf dem Forschungsnetzwerk und Datenbanksystem der Universität Trier (FuD) beruht. In dieser Datenbank kann der interessierte Forscher nach Schlagwörtern, Personen- und Ortsnamen, Datum usw. suchen. Außerdem bietet das Inventar eine Zusammenfassung über den Inhalt jedes einzelnen Dokuments. Auf Anfrage haben registrierte Leser zudem Zugriff auf das digitalisierte Abbild der Dokumente.

 

Mehr darüber: www.constance-de-salm.de

 

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2094

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Comic Strip – Richters Märchenbuch für Erwachsen

1959_Schwarze Maenner                      Gerhard Richter: Schwarze Männer, Vorarbeit für  das Märchenbuch für Erwachsene, 1959.

Im Dezember 1962 lebt Gerhard Richter, damals nennt er sich noch Gerd, seit anderthalb Jahren in Düsseldorf, wo er im dritten Semester an der Kunstakademie bei Karl Otto Götz (* 1914) studiert. Seine erste Ausstellung, gemeinsam mit dem Studienfreund Manfred Kuttner (1937-2007), ist zwei Monate zuvor zu Ende gegangen und ohne einen kommerziellen Erfolg geblieben. In dieser Situation berichtet Richter an einen Freund in Dresden von einem Projekt, das ihn schon seit einiger Zeit beschäftigt: „Wenn wir nicht in’s Kino gehen (…) u. kein Besuch kommt u. wir nirgends hingehen, stempele ich meine Männer. Habe sie wieder neu umgemodelt, anders arrangiert u. ein neues Buch daraus gemacht.“ Mit seinem Hinweis auf das neue Buch bezieht er sich zugleich auf einen früheren Zeichenblock, den er bereits in Dresden mit Bildergeschichten sogenannter „schwarzer Männer“ gefüllt hatte und der sich heute in der Sammlung des Gerhard Richter Archivs befindet. 1957 tauchen diese Figuren  auch in den ersten Blättern der ELBE-Drucke auf. Fünf Jahre später greift Richter das Motiv der schwarzen Männer erneut auf. Die zuvor gezeichneten Figuren ersetzt er jetzt durch einen selbst geschnittenen Stempel. Inhaltlich wie formal sind seine Erzählungen nun umfangreicher und komplexer, sowie von ausführlichen, allerdings weitgehend unlesbaren Texten begleitet. Ein halbes Jahrhundert war dieses Buch vergessen, bevor es kürzlich wieder aufgefunden wurde.

Das Buch beginnt mit der „Entstehung des Mannes in 10 Phasen“, so kündigt es eine der wenigen identifizierbaren Textstellen an, und illustriert auf den folgenden Seiten den Dialog zwischen Individuum und anonymer Masse. Solche lesbaren Begriffe oder kurze Halbsätze bieten dem Leser immer wieder einen Einstieg in den Text an, der sich jedoch regelmäßig als eine Sackgasse erweist. Tatsächlich hat Richter den Text in einer erfundenen Pyseudoschrift abgefasst.

Die einzelnen Geschichten und Motive verfolgt und variiert Richter jeweils über mehrere Seiten, bevor er sein Interesse einem neuen Thema zuwendet. Dabei wird ihre Ausführung zunehmend vielschichtiger und erfindungsreicher. Nachdem die erste Erzählung mit dem Ableben des Protagonisten und seiner Himmelfahrt als Engel endet, illustriert Richter verschiedene Arten gewaltsamer Todesursachen. An anderer Stelle in dem Buch finden sich zwei Doppelseiten auf denen er mehrere akrobatische Konstellationen seiner schwarzen Männer mit geometrischen Formen durchspielt. Die sechseckigen Flächen druckt er dabei mit einer eingefärbten Schraubenmutter auf das Papier. Für Wolkenformationen und Erdoberflächen trägt er die schwarze Farbe mit der Fingerkuppe oder dem Handballen auf. An anderer Stelle verwendet Richter Rasierklingen, Geldstücke oder strukturierte Stoffe als Druckformen. Sein grafischer Stil zeichnet sich dabei durch einen lebendigen Kontrast zwischen dichten schwarzen Flächenformen, vor allem bei den gestempelten Figuren, und einer zarten ornamentalen Linienführung und Handschrift aus. Hier erlaubt sich Richter gelegentlich eine nahezu barocke Opulenz. Alle diese gestalterischen Elemente finden sich bereits in Richters Dresdener Illustrationen angelegt; 1962 wird er sie allerdings viel elaborierter ausführen.

Der amerikanische Zeichner und Cartoonist Saul Steinberg (1914-1999) ist für Richters eigenen Stil Vorbild und Inspiration. Dessen Illustrationen lernt er noch in den 1950er Jahren über Abbildungen in westdeutschen Zeitschriften kennen. Von Steinberg hat er sich den stilistischen Kontrast zwischen flächiger Reduktion und linearer Dekoration und vor allem die sinnbefreite ornamentale Handschrift angeeignet.

Bereits im Oktober 1962 hatte Richter die  schwarzen Männer in ein angemessenes Verhältnis zu seinem malerischen Werk gerückt: „Das liegt natürlich am Rande u. hat mit Kunst kaum was zu tun; und mit den auftretenden Vergleichbarkeiten heißt’s auch Vorsicht.“ Trotzdem lässt sich eine überraschende Ähnlichkeit zu Richters späterem Umgang mit fremden Textmaterialien ausmachen. In seinen künstlerischen Buchprojekten hat er immer wieder Texte und Bilder so nebeneinander gestellt, dass sie sich gegenseitig weder beschreiben noch erklären und doch einander verstärken. Dieses Verfahren setzt er erstmals 1966 bei der Textcollage für den Katalog der galerie h (zusammen mit Sigmar Polke) ein, und es findet 2009 einen vorläufigen radikalen Höhepunkt mit dem Künstlerbuch Obrist. O’brist, bei dem Richter die Aufsätze des Kurators zu sinnentleerten Wortfragmenten zerlegt.

Als Richter 1962 an den Illustrationen arbeitet, befindet er sich in einer prekären finanziellen Situation, die ihn immer wieder zwingt, neben seiner künstlerischen Ausbildung an der Akademie, kommerzielle Aufträge und Hilfsarbeiten anzunehmen. So entsteht das Buch zwar ohne Auftrag, doch in der Hoffnung, einen Verlag zu interessieren, oder sich mit den Arbeiten zumindest für andere Illustrationsaufträge zu empfehlen. Im Dezember 1962 berichtet Richter auch von solchen, vergeblich gebliebenen Bemühungen: „Hatte sie ja schon mal eingeschickt u. wieder zurückbekommen. Jetzt versuch ich’s wieder. Hoffnung besteht nicht viel. Sicher kriege ich wieder einen sehr netten Brief u. allerlei Lob u. das übliche Bedauern, daß der finanzielle Mißerfolg voraus zu sehen wäre, weil, schlechte Erfahrungen mit ‚Märchen für Erwachsene‘ usw. usw.“

Wenn das Buch nach mehr als fünf Jahrzehnten nun auf Wunsch des Künstlers und herausgegeben vom Gerhard Richter Archiv doch noch veröffentlicht wird, dann nicht, weil aus dem damaligen Gerd der berühmte und bedeutende Gerhard Richter geworden ist. Diese frühen Zeichnungen, die uns eine so unbekannte Seite des Künstlers präsentieren, faszinieren auch heute noch durch ihren Erfindungsschatz und ihren grafischen Reichtum.

Comic StripGerd Richter. Comic Strip 1962, herausgegeben von Dietmar Elger, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2014 (Schriften des Gerhard Richter Archiv, Band 13). ISBN: 978-3-86335-508-1
38.- €

 

 

Quelle: http://gra.hypotheses.org/1161

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Gerhard Richters Tafelwerk – Der Atlas im Lenbachhaus

Richter_Micromega_Presse24_220_02Vollendet! Nein! Gerhard Richters Schubladen sind noch voller Ideen und Projekte.  Und so wird in München “nur” der vorläufig endgültige ATLAS von Richter ausgestellt.

Für Helmut Friedel ist es die letzte Ausstellung als Leiter des Münchner Lenbachhauses. Dabei ist ihm noch einmal Großes gelungen. Es ist die 100. Richter-Ausstellung im Lenbachhaus und damit auch ein persönlicher Dank des Kurators und zugleich eine Hommage an Gerhard Richter und seinen Bilderkosmos, der in seiner Einzigartigkeit und Vielfalt seines Gleichen sucht.

Der ATLAS besteht aus tausenden von Fotos, Skizzen und Zeitungsausschnitten die Richter seit 1962 sammelt und seit 1965 auf Kartons aufklebt. Während die ersten Tafeln ein Sammelsorium verschiedener Zeitungsbilder sind, die von einander unabhängig nebeneinander zum Stehen kommen, beginnt Richter später seine Tafeln nach Motiven und Projektskizzen zu sortieren.

Manche dieser Motive arbeitet Richter zeitnah und manche später zu Gemälden aus. Andere Motive nimmt der Künstler immer wieder auf, experimentiert mit ihnen und verwirft sie am Ende doch. Dazu gehören zum Beispiel die Holocaust-Bilder. Bilder von Konzentrationslagern, die die Opfer des Nationalsozialismus zeigen. Ihr Überleben bei vollkommenen Verlust ihrer menschlichen Würde, hat den Künstler zusehends bewegt. Erste Überlegungen, den Bilder habhaft zu werden und in Kunstwerke zu überführen, gehen auf die 60er Jahre zurück. Damals verwirft der Künstler die Bilder und die daran gebundene Ausstellungsidee. Als Richter ein Kunstwerk für den Deutschen Reichstag in Berlin entwerfen soll, denkt er zuerst die Installation jener Bilder des Holocaust. Er projiziert sie auf die Fläche, tausende Bilder von unbeschreibaren Schicksalen, die die Geschichte Deutschlands und damit verbundene Verantwortung für die Zukunft anzeigen. Erst nach langem Hin- und Her entscheidet sich Richter gegen die Fotoinstallation, zu kleinteilig und unübersichtlich wirkt das Werk. Die Fotos machen der Farbfeldmalerei Platz, die wenig später dem endgültigen Entwurf der deutschen Flagge weicht.

Anhand dieser Werkgruppe wird die Bedeutung des “Atlas” deutlich. Er ist das Bildgedächtnis des Künstlers. Dabei handelt es sich um Motive und Ideen, die den Künstler oft aus einem unbenennbaren Grund faszinieren. Darunter befinden sich Motive und Ereignisse, die nicht in Worte gefasst werden können und denen Richter versucht mit dem Pinsel gerecht zu werden: formal, inhaltlich, moralisch sowie ästhetisch.

Bis zum 9. Februar ist der Bilderkosmos Richters in München zu sehen. Einen Einblick in die Ausstellung geben diverse TV-Beiträge:

 

Gerhard Richter. Atlas – Mikromega
Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau
23. Oktober 2013 bis 9. Februar 2014

 

Quelle: http://gra.hypotheses.org/1091

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“Gerhard Richter Painting” noch bis 3. Oktober 2013 online

downloads-leftCorinna Belz besuchte Gerhard Richter 2009 mit der Kamera in seinem Atelier und durfte dem Maler bei der Entstehung zweier Abstrakter Bilder über die Schulter schauen. Entstanden ist ein filmisches Portrait des Künstlers, der an seinen Bildern ebenso zweifelt wie an der Kraft des gesprochenen Wortes, denn „Über Malerei zu reden ist ja nicht nur sehr schwierig, sondern vielleicht sogar sinnlos, weil man immer nur das in Worte fassen kann, was in Worte zu fassen geht, was mit der Sprache möglich ist und damit hat ja eigentlich Malerei nichts zu tun.“ (Gerhard Richter 1966)

Die zurückhaltende Darstellung des Künstlers wurde 2012 zum besten Dokumentar- film gekürt und erhielt den Deutschen Filmpreis. Seitdem wird er international zu verschiedenen Anlässen gezeigt.

Am 26. September 2013 strahlte der WDR den Film “Gerhard Richter. Painting” aus. Er ist noch bis zum 3. Oktober 2013 hier online verfügbar.

 

Quelle: http://gra.hypotheses.org/1073

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Auch Anti-Eurozentrismus kann zur Ideologie werden – Interview mit Jürgen Osterhammel

osterhammelJürgen Osterhammel ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Konstanz. International große Beachtung hat er für sein 2009 erschienenes Buch „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“ bekommen. Er erhielt dafür 2009 den NDR Kultur Sachbuchpreis für das beste Sachbuch des Jahres. 2010 wurde Jürgen Osterhammel mit dem Leibnizpreis ausgezeichnet. 2012 mit dem Gerda Henkel Preis. Das folgende Interview ist soeben auf Französisch erschienen in der Revue d’histoire du XIXe siècle, 46 (2013), im Themenheft “L’espace du politique en Allemagne au XIXe siècle“. Jürgen Osterhammel hat die Fragen von Quentin Deluermoz und Mareike König schriftlich beantwortet. Wir veröffentlichen hier die deutsche Originalfassung.

Herr Osterhammel, wie ist die Idee entstanden, ein Buch über die Weltgeschichte des 19. Jahrhunderts zu schreiben und wie lange haben Sie an diesem Opus Magnum gearbeitet?

Bücher dieser Art entstehen in Deutschland im Allgemeinen als Teil mehrbändiger Reihen und auf Initiative von Verlagen. Das war in diesem Fall anders. Ich habe das Vorhaben ganz allein entwickelt und dafür auch niemals die Drittmittelfinanzierung beantragt, die nach der deutschen Praxis eigentlich eine Selbstverständlichkeit gewesen wäre. Das Buch hat drei Wurzeln. Ursprünglich wollte ich eine Geschichte der europäischen Kolonialreiche im 19. Jahrhundert schreiben, merkte dann aber, dass der niederländische Historiker Henk L. Wesseling gerade dabei war, genau ein solches Werk zu verfassen. Also trat ich gewissermaßen die „Flucht nach vorn“ an. Hinzu kam zweitens die Überlegung, dass bei uns schon seit Jahren über die Möglichkeiten von Weltgeschichtsschreibung theoretisch gestritten worden war, aber niemand sich in die Niederungen der tatsächlichen Ausarbeitung begeben hatte. Und drittens wollte ich versuchen, meine Interessen an allen möglichen Aspekten der Geschichte – von der Wirtschaftsgeschichte über die Ideengeschichte bis hin zur Geschichte der internationalen Beziehungen – in einem Buch zusammenzuführen. Die jahrelangen Kämpfe zwischen Sozial- und Kulturgeschichte zum Beispiel schienen mir überholt zu sein. An dem Buch habe ich etwa sechs Jahre lang gearbeitet, allerdings mit langen Pausen, da ich nur relativ kurz von der Lehre befreit war.

In Ihrem Buch betonen Sie die Besonderheit des 19. Jahrhunderts im Hinblick auf die Weltgeschichte. Könnten Sie diesen Punkt erläutern, z.B. im Vergleich zur Globalgeschichte oder zur connected history des 16. bis 18. Jahrhunderts, die stärker die Ausgeglichenheit zwischen den einzelnen Teilen der Welt betonen, während Sie das besondere Gewicht Europas unterstreichen.

Was ich über die besondere Bedeutung Europas im 19 Jahrhundert sage, ist in der Tat von denjenigen kritisiert worden, die uns ermahnen, immer und überall an der „Provinzialisierung Europas“ zu arbeiten. Ich halte einen solchen Standpunkt für dogmatisch und unhistorisch. Auch Anti-Eurozentrismus kann zur Ideologie werden. Die relative Macht militärischer und ökonomischer Zentren muss als Variable behandelt werden. Das ist eine Binsenweisheit für alle, die sich mit Staatensystemen und imperialen Strukturen in der longue durée beschäftigen; die heutigen Weltlage bietet markante Beispiele dafür. Auch verändert sich die Strahlkraft einzelner Zivilisationen. Im 19. Jahrhundert ging der Aufbau großräumiger Kommunikations- und Ordnungssysteme primär von Europa aus. (West)-Europa wurde in vielen Teilen der Welt zum kritisch bewunderten Referenzmodell. In meinem Buch „Die Entzauberung Asiens“ (1998, Neuausgabe 2010) hatte ich das globale „Gleichgewicht“ des 18. Jahrhunderts ausführlich dargestellt. Dadurch ist mir der Kontrast zum 19. Jahrhundert, den Sie erwähnen, besonders deutlich aufgefallen.

 In der Einleitung wie auch in mehreren Kapiteln in Ihrem Buch betonen Sie die Besonderheit der Jahrzehnte von 1860 bis 1880 in diesem weltgeschichtlichen 19. Jahrhundert. Könnten Sie präzisieren, was Sie zu dieser Schwerpunktlegung, die aus dem Blickwinkel der französischen Geschichte besonders ist, veranlasst hat?

Die verschiedenen Periodisierungsmuster, mit denen Historiker immer arbeiten müssen, ohne sie jemals verdinglichen zu dürfen, decken sich auf den verschiedenen Raumebenen nicht. Eine globale Periodisierung ist selbstverständlich eine noch viel stärkere Abstraktion als die chronologische Strukturierung einer einzelnen Nationalgeschichte, für die es viele tiefe Wurzeln in einer gemeinsamen kollektiven Erfahrung gibt, außerdem eine viel wirksamere Mythenbildung. Mir scheint, dass eine wachsende Zahl von Historikerinnen und Historikern zumindest für Europa und die USA in den Jahren um 1880 so etwas wie einen Übergang zur Moderne wahrnimmt. Ich vermeide den Moderne-Begriff, weil er mir analytisch zu vage ist, aber ich denke, dass auf vielen Feldern der beobachtbaren historischen Wirklichkeit in den 1870er und 1880er Jahren neue Strukturbildungen erkennbar sind. Das reicht von der sogenannten Zweiten industriellen Revolution über die Expansion und Effektivierung des Kolonialismus bis zu einer schubartigen Konzentration wissenschaftlicher Innovationen und zu den Anfängen einer ästhetischen Avantgarde. Auch diese Tendenzen – das führt zu Ihrer früheren Frage zurück – gingen vorwiegend vom „Westen“ aus, wurden aber in anderen Teilen der Welt zumindest in ihren Fernwirkungen wahrgenommen, Imperialismus, Kolonialismus und der Ausbau internationaler Märkte direkter als andere.

verwandlung

Es ist bemerkenswert, dass Sie Ihr umfangreiches Unterfangen als Einzelperson vorgelegt haben, gibt es doch einige Synthesen einer transnationalen Geschichte, um bei einer etwas bescheideneren Form zu bleiben, die kollektiv entstanden sind (z.B. die Arbeiten von Thomas Bender über die USA, oder in Frankreich „Histoire du monde au XVe siècle“ von Patrick Boucheron). Gerade für Frankreich ist ein vergleichbares Einzelunterfangen kaum denkbar. Können Sie erklären, für diejenigen, die Ihre Arbeit nicht kennen, worin das Interesse einer Einzelarbeit besteht im Vergleich zu einer kollektiven Arbeit?

Ich möchte Ihnen widersprechen, wenn Sie die moralische Kategorie der Bescheidenheit ins Spiel bringen. Ich glaube nicht, dass sie zu einer Zeit, in der wir lehrenden und forschenden Wissenschaftler von Politikern und Wissenschaftsmanagern täglich neu zur „Innovation“ gedrängt werden, legitim ist. Die wissenschaftliche Kritik sorgt in den Wissenschaftskulturen des Westens verlässlich dafür, dass Unbescheidenheit – oder sagen wir krasser: Hochstapelei – keine Chance hat. Ein historiographisches Experiment kann ebenso scheitern wie ein chemisches im Laboratorium. Da ich gemeinsam mit dem Harvard-Historiker Akira Iriye eine sechsbändige „History of the World“ herausgebe, deren erster Band im Oktober 2012 erschienen ist und die am Ende mehr als 4000 Seiten stark wird, ist mir auch die Arbeitsweise im Autorenteam vertraut. Beide Verfahren haben Vorzüge und Nachteile. Der Einzelautor lebt in ständiger Überforderung und riskiert es, auf manchen Gebieten den neuesten Stand der Forschung zu verfehlen. Andererseits hat er die Gesamtarchitektur eines Werkes besser unter Kontrolle, kann seine interpretierenden Akzente konsistenter setzen und für die Einheitlichkeit des Stils sorgen. Darin unterscheidet sich Weltgeschichtsschreibung in keiner Weise von Synthetisierungen anderer Reichweite. Gerade die französische Historiographie bietet dafür bewunderte Vorbilder, allen voran Marc Blochs „La Société féodale“.

Könnten Sie noch ein paar Worte sagen zum gegenwärtigen Ruf, den Synthesen in der Geschichtswissenschaft haben? In den Jahren 1980 bis 1990 standen diese aufgrund ihres zu umfassenden und essentiellen Charakters stark unter Druck, was zu anderen, eher dekonstruierten Formen der Geschichtsschreibung geführt hat (Wörterbücher, Lexika, Kataloge). Sind Synthesen heute wieder wichtig geworden, vor allem in der Weltgeschichtsschreibung, die ja oftmals als besonders „risikoreich“ dargestellt wird?

Der „Ruf“ von Synthesen im Allgemeinen ist mir gleichgültig. Vielleicht war es eine (mir weniger bewusste) Nebenabsicht meines Buches, ihn zu verbessern. Allerdings können Synthesen immer nur Nebenprodukte sein. Ich halte meine beiden Forschungsmonographien für wichtigere Leistungen als „Die Verwandlung der Welt“. „Risikoreich“ ist eine Synthese nur, was die persönliche Reputation ihres Autors betrifft. Vermutlich wäre ich selbst weniger mutig gewesen, wenn ich nicht eine sichere Stelle als Hochschullehrer hätte und aus dem Alter heraus wäre, in die man sich noch um neue Professuren bewerben kann. Im Übrigen: die in allen Ländern fleißig geschriebenen und veröffentlichten Lehrbücher (oder „textbooks“) sind auch „Synthesen“. Ich habe mich aber ausdrücklich bemüht, nicht aus didaktischen Gründen allzu sehr zu vereinfachen. Nur so erklärt sich der außerordentliche Umfang des Buches, das nicht speziell für Studierende geschrieben wurde.

In Ihrem Buch haben Sie sich für eine originelle Organisation des umfangreichen Stoffes entschieden. Sie sehen von den üblichen räumlich-zeitlichen Strukturen ab und stellen dafür bestimmte Dynamiken und spezifische Themen in den Vordergrund, deren Überlagerung ein komplexes, multidimensionales und originelles Raster hervorbringt, das die Verwandlung der Welt im 19. Jahrhundert ausmachte. Ihr Buch entzieht sich damit den Meistererzählungen und ihren methodischen Ansätzen, die solchen Arbeiten oftmals zugrunde liegen (Teleologie, „große Motoren“, marxistische oder liberale Perspektive etc.). Warum haben Sie sich dafür entschieden?

Sie haben die Verfahrensweise vorzüglich beschrieben oder schon auf ihre Stärken hingewiesen. Das Buch versucht eine mittlere Ebene zwischen einer reinen Materialpräsentation und einer geschlossenen Epochendeutung zu halten. Man hat seine Form als „modular“ beschrieben, ich würde „offen“ vorziehen. Es spart nicht mit Deutungsangeboten, aber es verzichtet auf die rhetorischen Mittel, sie den Lesern aufzudrängen. Deshalb sind alle diejenigen enttäuscht, die nach einer knappen und eindeutigen Gesamtthese suchen.

Auch erscheint Ihre Geschichte im Vergleich zu ähnlichen Arbeiten wie die von Hobsbawm oder Bayly in der Schreibart sehr originell: Ihr Buch ist klar strukturiert (Kapitel, Unterkapitel, 1, 2, 3), die Sätze sind direkt, der Ton neutral, manchmal vielleicht sogar etwas kalt. Die Vorteile für eine effiziente Lektüre liegen auf der Hand (z.B. bei der Vorbereitung von Seminaren). Warum haben Sie sich für diesen sehr objektiven Stil entschieden?

Ich selbst habe den Stil nicht als „objektiv“ empfunden oder bewusst so gewählt, aber ich sehe, dass Sie mit dieser Charakterisierung etwas Wichtiges getroffen haben. Zudem ist das Buch in keiner Weise „narrativ“, obwohl Verlage in ihrer Werbung gerne den klischeehaften Eindruck erwecken, Geschichte werde immer nur „erzählt“. Für mehr Kolorit hätte man noch mehr Platz benötigt. Auch bin ich selbst durch die Schule der Klassiker der Soziologie, vor allem Max Webers, gegangen. Dort kann man Prägnanz lernen.

 Ist eine Übersetzung Ihres Buches ins Französische vorgesehen ?

 Sie ist in Arbeit und wird bei Seuil erscheinen.

Herr Osterhammel, vielen Dank für das Interview.

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Rezension von Quentin Deluermoz des Buches “Die Verwandlung der Welt” in der Revue d’histoire du XIXe siècle 45 (2012), http://rh19.revues.org/4423.

Foto: Jürgen Osterhammel, Universität Konstanz; Titel Abbildung “Die Verwandlung der Welt”, Beck Verlag.

Quelle: http://19jhdhip.hypotheses.org/1325

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Die AG “Digitale Geschichtswissenschaft” im Web 2.0

AG_digigwDie letztes Jahr im September auf dem Historikertag gegründete Arbeitsgemeinschaft für “Digitale Geschichtswissenschaft” im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e.V. wird am 3.9.2013 im Georg-Eckert-Institut für internationale Schulbuchforschung in Braunschweig ihre Eröffnungstagung bestreiten[1]. Die Tagung, zu der man sich noch bis 15. August anmelden kann, steht unter dem Thema “Die digitale Herausforderung an die Geschichte. Forschungsinfrastrukturen und Geschichtswissenschaft”.

Nach einem Auftaktreferat von Prof. Dr. Martin Schulze Wessel (Vorsitzender des Historikerverbands) und der Vorstellung der AG durch Prof. Dr. Simone Lässig (Sprecherin der AG) diskutieren auf dem Podium unter der Leitung von Dr. Annette Schuhmann (ZZF): Dr. Helge Kahler (BMBF), N.N. (DFG), Dr. Stefan Lange (Wissenschaftsrat), Prof. Dr. Charlotte Schubert (Historikerverband/AG DGW) und Prof. Dr. Norbert Lossau (Universität Göttingen). Der Hashtag für die Tagung lautet #digiw2013.

@digigw bei Twitter und Mendeley

Auch im Web 2.0 ist die AG – wie von der Community lange erwartet – vor kurzem aktiv geworden: Bei Twitter hat der Account @digigw Anfang Juli einen fulminanten Start hingelegt und hat derzeit 192 Follower. Es wurde eine Liste Digitales Geschichtsnetz (Digitale Geschichtswissenschaft im deutschsprachigen Raum: Institutionen, Projekte, Stiftungen usw.) angelegt, die man abonnieren kann. Interessierte, die in die Liste aufgenommen werden wollen, können sich über Twitter melden. Bei Mendeley wurde eine Gruppe “Digital History” gegründet, die derzeit 26 Mitglieder hat.

Nun ist es mit der Wahl der Sozialen Netze ja immer so eine Sache und die persönlichen Vorlieben gehen oftmals auseinander. Über Twitter kam folglich mit Hinblick auf die Elsevier-Zugehörigkeit von Mendeley der Kommentar “Good group, but why is it on Mendeley?” Als Alternativen wurden Zotero mit Hinblick auf die bibliographischen Dienste und CiteULike mit Hinblick auf die Gruppenfunktionen genannt. Als Vorbild für den gelungenen Einsatz von Zotero könnte die Zoterogruppe zur Ordensgeschichte dienen.

Die Stärken des Web 2.0 nutzen

Die bisherige Zurückhaltung in Sachen Blogs und Soziale Medien dürfte mit zwei Punkten zusammen hängen: Zum einen gibt es wenige Neuigkeiten und Informationen aus der AG selbst, da sie keine eigenen Projekte hat und derzeit nur jährlich eine Tagung neben der zweijährlichen Mitgliederversammlung beim Historikertag plant. Auch die Arbeitsweise der Untergruppen muss sich wohl erst noch einspielen. Zum anderen gibt es keine personellen und finanziellen Ressourcen, die ein zentral gesteuertes Community Management für Web 2.0-Angebote übernehmen könnte.

Dies alles ist zwar nachvollziehbar, doch werden dabei die eigentlichen Stärken des Web 2.0 sowie der Fokus auf andere Inhalte übersehen: Die Community könnte die Web 2.0-Angebote der AG selbst verwalten und bespielen. Beispielsweise wäre es denkbar, den Twitter-Account – in Anlehnung an “I am Germany” – monatlich einem AG-Mitglied hauptverantwortlich zu übertragen. Daraus ergäbe sich mit Sicherheit eine interessante Dynamik.

Bei der Einrichtung einer Facebook-Gruppe braucht es – ähnlich wie bei den Gruppenbibliographien -  keine Zentrale. Einmal eingerichtet kann dort jede/r für die Gruppe interessante Neuigkeiten direkt posten. Damit läge der Schwerpunkt nicht auf den Neuigkeiten aus der AG selbst, sondern auf den Neuigkeiten aus dem Bereich “digitale Geschichtswissenschaft” allgemein. Und das wäre ja nicht das Schlechteste. Sinnvoll wäre wohl allerdings, jetzt nicht einfach kumulativ ein soziales Netz nach dem anderen zu bedienen, sondern sich vorab grundsätzliche Gedanken zu machen. Vielleicht gibt es dazu ja Anregungen aus der Community?

  1. Zum Programm der Tagung (PDF) http://www.historikerverband.de/fileadmin/_vhd/Arbeitsgemeinschaften/ag-digitale-gw/Dokumente/Tagungsprogramm_AG_DGW_2013_09_03.pdf

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1960

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Der Maler und das Model(l)

Heidi malt - und es verwundert kaum. In Köln wird im August ein Bild der modelnden Moderatorin zu sehen sein. Für dieses stand sie jedoch nicht vor der Staffelei, sondern als Künstlerin dahinter. Zugegeben das Œuvre der aus Bergisch Gladbach stammenden Klum ist an einer Hand abzuzählen. Vier Bilder hängen bei den Eltern. Das in Köln ausgestellte fünfte Werk schenkte die damals 19-Jährige ihrem Freund zu Weihnachten. Unkonkret, mutig in Farbwahl und Auftrag zeigt es einen Frauenakt vor blauen Grund, dessen opulente Figur an den Körperidealen des Top-Models zweifeln lässt.

Vom 1. bis 4. August ist dieses Bild neben Werken von weiteren 14 Künstlern, darunter Carsten Mora-Haffke, Ilsabé von Dallwitz und Klaus Tenner zu sehen. Die Ausstellung wird ergänzt durch Arbeiten von Norbert Bisky und Gerhard Richter. Wie es zu dieser bunten Mischung gekommen ist, verrät Ralf Reichartzs, Veranstalter und ausstellender Künstler zugleich, in einem Gespräch mit der Kölnischen Rundschau.

Durch diese Ausstellung wird nun auch Heidi Klum im Gerhard Richter Archiv abgelegt. Damit reiht sie sich in eine Rige von internationalen Prominenten ein zu der auch die Schauspielerin Heike Makatsch, die Pet Shop Boys und Eric Clapton sowie der Innendesigner Rick Mulligan gehören. Während Makatsch gegenüber dem Magazin Schöner Wohnen ihre Vorliebe für die Kunst Richters eingesteht (Nr. 5/2013, S. 194), sind die Pet Shop Boy’s der Überzeugung, auch ohne ein Werk von Gerhard Richters an der Wand glücklich zu sein (Love etc., Album: Yes, 2007). Diesem Motto von 2007 folgte Eric Clapton fünf Jahre später und veräußerte das Abstrakte Bild (809-4) von Gerhard Richter. Im Gegensatz dazu würde Mulligan, den Kölner Künstler mit auf einsame Insel nehmen (Express Köln, 20. April 2013, S. 30).

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den “kuriosen” Episoden des Archivs. Ich bin mir sicher, es werden Weitere folgen!

Ausstellungsinformationen

Zu Besuch 7
Gemeinschaftsausstellung 1.-4. August 2013
Flughafen Butzweilerhof
Butzweilerstr. 35-39
50829 Köln (Ossendorf)

 

 

Quelle: http://gra.hypotheses.org/1013

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Gerhard Richter. Streifen + Glas

Painting / MalereiDie Staatlichen Kunstsammlungen Dresden zeigen ab dem 13. September 2013 in drei Räumen des Albertinums neue, überwiegend für diese Ausstellung entstandene Werke von Gerhard Richter aus den aktuellen Produktionen der Streifenbilder und Glasobjekte.

Die Serie der Streifen entsteht seit 2011. Gerhard Richters Malerei ist dabei das Ausgangsmaterial für die neuen computergenerierten Werke. Dafür hat er das Gemälde „Abstraktes Bild“ (724-4) von 1990 digital in 4096 Ausschnitte zerlegt, die Details gespiegelt, multipliziert, neu kombiniert und als bis zu zehn Meter lange horizontale Streifenbilder gedruckt. Zwei Arbeiten in diesem Format hat Gerhard Richter für eine permanente architektonische Situation in Japan entworfen. Die Ausstellung bietet die Gelegenheit diese spektakulären Streifen zuvor in Dresden zu sehen.

Die Streifen zeigen vor allem auch die ungebrochene Kreativität des 1932 in Dresden geborenen Künstlers. Mit Hilfe eines computergesteuerten Bildverfahrens interpretiert Gerhard Richter seine abstrakte Malerei neu und gelangt dabei zu überraschenden Bilderfindungen. Richter selbst hat ihren Entstehungsprozess als eine Kombination aus Zufall und kontrolliertem Eingriff beschrieben: „Es läuft auf ein sowohl-als auch hinaus: mit dem Zufall was entstehen lassen und dann das Passende zuwählen und neu zusammenstellen.“

Glas spielt in dem Werk von Gerhard Richter bereits seit den 1960er Jahre eine wichtige Rolle. Richters neueste Glasarbeit wird ebenfalls in Dresden ihre Premiere haben und ist eine Weiterentwicklung der Skulptur „9 Stehende Scheiben“ (879-3) von 2002/2010, die gleichzeitig in der ständigen Sammlung im Albertium zu sehen ist. In dem neuen, noch unbetitelten Objekt lehnen die Gläser wie die Flächen eines Kartenhauses aneinander und bieten dem Betrachter eine komplexe Wahrnehmungssituation von Durchblicken und Spiegelungen.

Die Ausstellung Gerhard Richter. Streifen + Glas entsteht in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Winterthur, wo sie vom 18. Januar 2014 an zu sehen sein wird.

Der Katalog zur Ausstellung wird im Verlag der Buchhandlung Walther König erscheinen.

Quelle: http://gra.hypotheses.org/994

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Young Researchers in Digital Humanities: A Manifesto

YesWeDigitalDeutsche Fassung: Wissenschaftlicher Nachwuchs in den Digital Humanities: Ein Manifest

Version française : Jeunes chercheurs et humanités numérique : un manifeste

Versión española: Jóvenes Investigadores en Humanidades Digitales: un Manifiesto

The Humanities and Social Sciences are a vital component of human culture and offer an essential insight into the world in which we live. The Digital Humanities reflect the transition of the Humanities to the digital age. However, they do not only bring with them new technical means, but also new forms of knowledge creation and dissemination within, across and outside academic disciplines.

In the field of Digital Humanities, experimental practices, reflexivity and the collaborative elaboration of standards are deeply interconnected. They are, therefore, an occasion to rethink and extend the Humanities through new materials, methods and hermeneutics. Furthermore, they represent an opportunity to redefine our relationship to society through open access to cultural heritage and the development of collaborative projects which also engage non-academic audiences. Thus, we see them as pivotal in the future of the Humanities.

Three years ago, over 100 members of this emergent community took part in THATCamp Paris 2010. Together, they wrote the first European Manifesto of the Digital Humanities to express their commitment to this new field of studies. Subsequently, the number of individuals and projects involved has increased significantly, giving them much greater visibility.

The academic world, however, with its institutions, actors and practices has not evolved at the same pace. On the one hand, new modes of research – connected, collaborative, horizontal, multimodal, multidisciplinary and multilingual – are being developed. Digital practitioners are engaged in new activities and work with new tools, building databases, developing software, analysing big datasets, defining conceptual models, collaborating through wikis and pads, communicating through websites, blogs and other social media. On the other hand, research institutions often resist or hinder these changes: training for scholars, funding schemes, evaluation criteria, recruitment and promotion procedures have only marginally evolved and do not seem able to make the most out of the digital environment.

The widening gap between flourishing digital practices and their institutional acknowledgment represent a threat for the academic community as a whole and for young scholars in particular, since it casts uncertainty on their future as research professionals.

On 10-11 June 2013 scholars and other members of the academic community met at the German Historical Institute in Paris to participate in the international conference “Research Conditions and Digital Humanities: What are the Prospects for the Next Generation?”. The conference was preceded by an open “call to join the blogparade”, that is to publish online contributions, in order to collectively and publicly prepare the event.

This manifesto is the result of this process. It emphasises the most important aspects of the challenges and the most pressing institutional needs.

I. General

Young researchers in all disciplines face a high level of job insecurity, the consequences of short-term contracts and the risk of never obtaining permanent positions. Digital humanists feel this pressure even more, due to relatively shorter funding periods, few suitable positions and a lack of clear career perspectives.

  • Long-term career perspectives should be available to early career researchers, engineers, and librarians who engage in Digital Humanities work.
  • Senior researchers should encourage, counsel and support them. This aspect is also stressed in the recommendations of the Young Researchers Forum convened by the European Science Foundation in 2011 (Changing Publication Cultures in the Humanities).
  • Fair principles and clearly-defined guidelines should be established to assess the scholarly relevance of digital collaborative contributions and attribute relevant merit to all participants.
  • The diversity of digital media and publication genres need to be accepted as genuine means of scientific communication.

Significant work by digital humanists remains below the radar of internal and external evaluations: it should not be ignored by their peers.

  • Open Access and Open Data publications need to be encouraged and sustained – by opening up participation, supplying adequate funding and increasing academic recognition.
  • The right to re-publish texts needs to be implemented in European and national law, in order to ensure legal security when engaging in the “green road” in Open Access.

Research and teaching with digital tools require specific skills and infrastructures. To create conditions in which those can deploy, we need:

  • Suitable and sustainable academic infrastructures such as repositories, publication platforms, catalogues, social media networks and blogging portals.
  • A public project database providing national and European information on submitted projects in DH, whether successful or rejected, for better orientation and coordination through greater transparency.
  • Ambitious digital training programs in the Humanities, which should address all generations and all levels of skills and needs. Advanced students, junior and senior researchers need appropriate training.

As humanists we value intercultural dialogue and multilingualism. Publications in English should not be exclusive, but encouraged as a complement to publications in other native languages.

II. Research and higher education institutions

Coherent digital strategies should be developed and sustained in every institution. Academic societies and universities should support early-careers in Digital Humanities through adequate funding periods, promotion of tenure and long-term sustainability both for researchers and technology. They should foster early experience in collaborative work, as well as team-based technical expertise.

We advocate for the establishment of specialised working groups to encourage digital undertakings and to allow cross-disciplinary research. Institutions need to support this by creating a scientific ecosystem for Digital Humanities practitioners, including:

  • trusted Open Access platforms
  • long-term archives and technologies and infrastructures for the long-term archiving of research publications and research data in combination with an Open Access and Open Data policy
  • database and software infrastructures (e.g. Big Data and Linked Data applications)
  • efficient tools for the digitisation of analog sources
  • search engines and metadata tools which facilitate the findability, contextualisation and evaluation of digital media
  • promotion of open educational resources and Creative Commons licenses

Scholarly blogging, activities in social media and reviewing in non-traditional formats must be officially recognised and encouraged. Research institutions should provide expertise and training to ensure that the following skills are available: use of social media in research and public communication, encoding, website management, database construction and multimedia editing. All professionals involved must also have sufficient knowledge of legal questions, with particular regard to traditional copyright and open licenses.

III. Funding agencies

It is important that funding agencies take into consideration the needs of scientific communities, since they decide which digital projects, institutions and infrastructures are supported and how their results are evaluated. Funding agencies need to be aware that digital projects, especially when they include a website, never really end: continuous support beyond the initial funding period is essential (e.g. for server costs and technical maintenance).

We need funding agencies to build specific programs to support collaborative research across national borders, sustainable research infrastructures and practical training in the use of digital research tools.

We need funding agencies to develop new evaluation procedures, which take into account both digital formats and digital qualifications.

  • Peer-reviewed texts in print journals can no longer be the only publications to be considered in application and proposal procedures. Various practices of digital scholarly communication, reviewing and publication must be recognised and encouraged.
  • The evaluation of Digital Humanities projects should take new criteria into account: scientific quality, technical quality and usage.
  • The traditional circle of reviewers needs to be broadened: experts on digital media, computer scientists and engineers have to be included in order to allow reliable evaluation.
  • Funding agencies should integrate open peer review and open commentary in their assessment procedures.

 What’s next?

Practitioners and observers often regret the slow pace at which infrastructures evolve. While a new research culture is being established, in which the value of digital means and methods will be fully acknowledged, positive action must be taken to adapt academic structures to new research practices. This is a fundamental and very concrete task for everyone, in each academic field and discipline. We can all contribute to this common reinvention.

The first signers were the participants (on-site and online) of the conference “Research Conditions and Digital Humanities: What are the Prospects for the Next Generation?”. To support the manifesto, please leave a comment below.

Pascal Arnaud
Anne Baillot
Aurélien Berra
Dominique Boullier
Thomas Cauvin
Georgios Chatzoudis
Arianna Ciula
Camille Desenclos
André Donk
Marten Düring
Natalia Filatkina
Sascha Foerster
Sebastian Gießmann
Martin Grandjean
Franziska Heimburger
Christian Jacob
Mareike König
Marion Lamé
Lilian Landes
Matthias Lemke
Anika Meier
Benoît Majerus
Claudine Moulin
Pierre Mounier
Marc Mudrak
Cynthia Pedroja
Jean-Michel Salaün
Markus Schnöpf
Julian Schulz
Bertram Triebel
Milena Žic-Fuchs

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Photo: Yes we digital! by Martin Grandjean, CC-BY-SA.

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/1855

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