Essbare Wappen II: Lebkuchen und Marzipan als Medien der Wappendarstellung

 

In dem “Hausbuch der Landauerschen Zwölfbrüderstiftung” aus dem Jahre 1520 lässt sich die Abbildung einer erstaunlichen Form von Wappendarstellungen finden (Siehe Abb. 1): Der Lebküchner Hanns Buel begutachtet hier einen frisch gebackenen Lebkuchen mit kritischem Blick. Deutlich sind auf dem Lebkuchen sowohl in seinen Händen als auch auf denen, die neben ihm auf einem Tisch liegen, Wappendarstellungen zu erkennen. Zur Herstellung dieser Lebkuchen benötige Buel zuvor wahrscheinlich einen sogenannten Model, eine Holzform mit eingekerbtem Muster, um damit Backwerk zu formen. Mit solchen Modeln konnte auch Marzipan mit verschiedensten Motiven – ob religiös oder profan – bereichert werden. Hinweise gibt es u.a. auf Abbilder von Herrschern, Allegorien, Tierfabeln und auch auf erotische Szenen.[1] Wieso Wappen auf Lebensmitteln dargestellt wurden, wer die dafür benötigten Backformen produzierte und wer sie in Auftrag gab, untersucht Ronald Salzer exemplarisch in seinem Aufsatz “Des Kaisers süße Propaganda”. Dabei stützt er sich auf einen in der niederösterreichischen Burg Grafendorf entdeckten Wappenmodel aus Keramik. Seine Untersuchung soll daher im Folgenden mit Blick auf die Verwendung heraldischer Kommunikation im Mittelalter näher vorgestellt werden. Der Wappenmodel von Grafendorf – ein Beispiel Anhand heraldischer Indizien datiert Salzer die Scheibe mit einem Durchmesser von 18 cm zwischen die Jahre 1508 und 1519. […]

 

 

Quelle: http://heraldica.hypotheses.org/1022

Weiterlesen

26. Auf einen Espresso mit Kant

 

Phi: Herr Kant, Sie trinken keinen Espresso. Hat Ihnen der kategorische Imperativ geboten, sich so zu verhalten?

Kant: Nein. Ich trinke Espresso. Jedoch nur einmal am Tag und das morgens um sechs Uhr.

Phi: Also sind Sie der Meinung, dass der kategorische Imperativ hier keine Anwendung findet.

Kant: Sehen Sie, keinen Espresso nach 6 Uhr morgens zu trinken, ist für mich eine Entscheidung der Klugheit. Als ich jünger war, nannte ich sowas dem damaligen Modewort ensprechend “assertorisch” einen assertorischen Imperativ. Wenn ich nämlich Abends gut einschlafen möchte, sollte ich kein Koffein in mir haben. Die einzig kluge Entscheidung ist es deshalb, keinen Espresso nach sechs Uhr morgens mehr zu trinken. Sie kennen ja die Halbwertszeit von Koffein im Körper.

Phi: Das heißt, sie unterscheiden den bekannten kategorischen Imperativ von einem anderen Imperativ, den Sie manchmal assertorischen Imperativ nennen, indem der erstere dieser beiden “per se” geboten ist, ohne an die Auswirkungen dessen, was man tut, zu denken. Der zweite hingegen ist abhängig von den Zielen. Oder habe ich Sie da missverstanden?

Kant: Genau. Kategorisch ist zum Beispiel das Verbot zu lügen. Dabei darf man nicht auf die Konsequenzen gucken. Es ist einfach so.

Phi: Und was wäre ein assertorischer bzw. hypothetischer Imperativ?

Kant: Das Espressobeispiel war doch ganz gut, oder? Aber wenn Sie möchten, nenne ich Ihnen noch ein anderes. Wenn ich ein Bild an die Wand hängen möchte, dann muss ich beispielsweise einen Nagel in diese Wand schlagen. Ich muss also für das Ziel, das ich verfolge, den Nagel notwendig in die Wand schlagen. Wie beim Espresso verfolge ich ein Ziel. Der kategorische Imperativ hingegen wird nicht im Hinblick auf ein Ziel formuliert, sondern gilt eben unabhängig von allen Konsequenzen. Er gilt per se. Übrigens, der hypothetische Imperativ ist entweder assertorisch oder aber problematisch. Assertorisch ist nur die eine Variante. Problematisch ist hingegen die andere Variante des hypothetischen Imperativs, wenn ich mich richtig erinnere.

Phi: Viele Menschen denken sich, Kant sei ein Nörgler gewesen. Drei Ihrer Werke haben den Begriff “Kritik” im Titel. Haben diese Mensch damit Recht?

Kant: Der Begriff Kritik wird heute anders verstanden, als noch zu meiner Zeit, in der “assertorisch” eben, wie gesagt, auch ein modernes Wort gewesen ist, wie heute bei Ihnen “Laser” oder “Babo”. Ich hätte die Imperative heute wahrscheinlich Babo-Imperative genannt. (lacht). Kritik äußere ich heute lediglich an Ihren letzten Blog-Einträgen, die stark an Witz und Qualität nachgelassen haben. Kritik heißt heute nämlich nur, dass mir etwas nicht gefällt und ich dies äußere. In den Titeln meiner Untersuchungen benutze ich das Wort “Kritik” aber anders. Es bedeutet so viel wie “Beurteilung”, “Untersuchung”. Lassen Sie sich also nicht davon in die Irre führen.

Phi: Schön, dass überhaupt jemand unsere Blog-Einträge verfolgt!

Kant: Mit Kopfschütteln.

Phi: Hauptsache wir bewegen irgendetwas. – Aber Spaß bei Seite. Ein weiterer Kritikpunkt an Ihrer Philosophie wurde von Hegel geäußert. Er nannte Ihre Pflichtenethik, also die Ethik, die aus den Geboten des kathegorischen Imperativs folgt, eine Ethik, die zum “Blenden” anregt, weil man eigentlich nichts außer Anerkennung erhaschen wolle. Hat Hegel damit recht?

Kant: Wer ist Hegel? – Meine Meinung dazu ist folgende. Menschen streben nach Glück, ja. Aber das ist nicht, was wichtig ist. Ich widerspreche diesen antiken Denkern. Denn Glück will jedes Wesen erreichen, nicht nur der Mensch. Wir sind aber als Menschen Vernunftwesen. Damit können wir einsehen, was richtig und was falsch ist. Der kategorische Imperativ ist die Formel, die uns diese vernünftige Einsicht erlaubt. Was soll daran Blendertum sein?

Phi: Schwierig an Ihrem Ansatz ist eben diese rigorose Pflicht, die aus dem kategorischen Imperativ folgt, unabhängig von allen anderen Bedürfnissen. Wer würde schon das Lügenverbot durchziehen, wenn ein Freund in Gefahr wäre?

Kant: Ja, das Lügenverbot. Das habe ich nur deshalb formuliert, weil dort wirklich deutlich wird, was eine Pflicht bedeutet. Also nageln Sie mich nicht darauf fest. Schließlich kann man auch folgende Maxime durch den kategorischen Imperativ prüfen lassen: “Helfe einem Freund immer, wenn er in Not ist”.

Phi: Was würde dann dabei rauskommen?

Kant: Eine der fünf Formulierungen des kategorischen Imperativs lautet: “Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.” Kann es ein allgemeines Gesetz, also eins, das für alle Vernunftwesen immer gilt, werden, einem Freund nicht zu helfen? Natürlich nicht. Wir können nun eine Maxime formulieren, die so lautet: “Alle Maximen gelten nur, wenn sie konfliktfrei formuliert werden können”.

Phi: Lieber Herr Kant, wir haben heute also von Ihnen gelernt, dass der kategorische Imperativ ein Mittel ist, um Maximen, die man sich setzt, zu prüfen. Dabei ist die Konsequenz, die aus diesen Maximen folgt, unwichtig. Bei den hypothetischen Imperativen ist die Konsequenz hingegen zu beachten. Außerdem haben wir gelernt, dass die Suche nach Glück nicht durch die Imperative abgedeckt ist, sondern ihnen widersprechen kann. Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Kant: Danke Ihnen auch, yolo.

 

 

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/282

Weiterlesen

Die Bilderfreigabe von Getty Images – faires Angebot oder Danaergeschenk?

 

Timeo Danaos et dona ferentes … In meinem Beitrag zur Verwendung fremder Bilder (Oktober 2013), über dessen Auszeichnung ich mich natürlich gefreut habe, bin ich am Schluss auf extrem bildlastige Angebote wie Tumblr oder Pinterest eingegangen, bei denen die millionenfache Urheberrechtsverletzung geradezu Programm ist: “Die Fotografen-Lobby kann noch so sehr mit Schaum vor dem Mund gegen das massenhafte Teilen geschützter Bilder im Internet eifern: Ich bezweifle, dass sie die Flut eindämmen kann.” Getty Images hat sich nun zu einem bemerkenswerten Schritt entschlossen und macht unter anderem Bloggern ein legales Angebot: Unter bestimmten Bedingungen darf ein nicht unbeträchtlicher Teil des Getty-Bildbestands kostenlos mittels einer Einbettungs-Funktion genutzt werden. Dass die Fotografen, unter denen die Betonköpfe das große Wort zu führen scheinen, empört sind, war absehbar. Aber auch sonst gab es sehr viele kritische Stimmen (nicht nur im gewohnt miesepetrigen Deutschland), was mir doch ein wenig ungerecht erscheint. Ärgerlich sind Falschdarstellungen, die Gettys Angebot möglichst restriktiv auslegen.

Spektakulärer Kurswechsel

Die 1995 gegründete Bildagentur war für ihre aggressive und unbarmherzige Rechtewahrnehmung berüchtigt. Auch viele deutsche Nutzer wurden im Auftrag der Agentur vor allem durch die “Abmahn-Kanzlei” Waldorf Frommer abgemahnt. Es fällt daher schwer, den Wandel von der beißfreudigen Bulldogge zum bloggerfreundlichen Kuschelhund zu glauben. In einem einschlägigen Forum wird bereits gemutmaßt, Getty werde seine Bilder plötzlich kostenpflichtig werden lassen. Also eine Art trojanisches Pferd?

Die harte Rechteverfolgung hat den massenhaften Bilderklau überhaupt nicht stoppen können. Die unglückliche Eskalations-Devise “Mehr desselben” (ich habe sie im Nachwort zu meiner Urheberrechtsfibel 2009 analysiert) hat nicht funktioniert – daher das Umdenken. Im digitalen Zeitalter brauchen wir ein völlig anderes Urheberrecht, das auf das Abmahnunwesen und die Kriminalisierung verzichtet. Zugleich muss der Wandel jedoch “sozialverträglich” gestaltet werden. Auch Berufsfotografen müssen ihre Mieten zahlen und ihre Familien unterhalten können. Es mag paradox erscheinen, wenn ich als vehementer Verfechter freier Inhalte Getty in Schutz nehme, aber neben der Bekämpfung von Copyfraud bei gemeinfreien Bildern und ihren Reproduktionen (“Was gemeinfrei ist, muss gemeinfrei bleiben!”), neben der Forderung, dass im Bereich der Wissenschaft auf Bildurheberrechte verzichtet wird und auf CC-BY oder Public Domain gesetzt wird, und – last but not least – neben dem Appell, der Bildung (im weitesten Sinn) dienliche Bilder freizugeben (siehe vor allem Wikimedia Commons) muss man doch die Realitäten des Bildermarkts in Rechnung stellen. Hätte Getty erklären sollen “Wir werden nunmehr zur Wohlfahrtsorganisation und stellen alle unsere Bilder unter CC-BY zur Verfügung”? Ich zolle dem Schritt, eine kostenlose und legale Alternative anzubieten, ausdrücklich Respekt, denn er geht definitiv in die richtige Richtung.

Die durchaus vorhandenen Risiken und Nebenwirkungen sind online breit beleuchtet worden. Ich empfehle die FAQ von Rechtsanwalt Schwenke, der bei aller Kritik doch zu dem Schluss kommt: “Ich persönlich finde es gut, dass Getty diesen Weg geht und sich an der “Sharing Culture” beteiligt und vor allem einen großzügigen Maßstab bei kommerzieller Nutzung anlegt. Damit werden die Nachteile, die das Urheberrecht für (Semi)Privatnutzer mit sich bringt, ein Stück aufgewogen und der “Grass Roots” Journalismus unterstützt. Ferner haben die Bilder eine gute Qualität und auch sind die Gefahren illegaler Uploads geringer, als bei Bildern unter Creative Commons-Lizenzen”.

Es gibt keinen funktionierenden Filter nur für zum Teilen freigegebene Bilder, sehr attraktive Bildergruppen sind ausgeschlossen. Es muss strikt der Einbettungscode wie er ist (also der Iframe) verwendet werden (was etwa dazu führt dass in Archivalia aufgrund des Iframe-Verbots von Twoday keine Getty-Bilder verwendet werden können), der jetzt schon Werbung für Getty (und einen Backlink) transportiert und zukünftig wohl auch mit anderer Werbung angereichert werden soll. Die Größe kann nicht geändert werden. Getty behält sich das Recht vor, die Bilder jederzeit wieder zu entfernen.

Aus wissenschaftlicher Sicht kann man mangelhafte Metadaten kritisieren. “3 Turkish dervishes in native costume” ist alles, was man über obiges historisches Foto erfährt. Eine Datierung und sei sie auch ungenau ist aber unverzichtbar. Von daher kann es gut sein, dass viele WissenschaftsbloggerInnen zu wenig wirklich brauchbares Material bei Getty finden.

Man konnte nicht erwarten, dass Getty das eigene Geschäftsmodell durch eine Freigabe auch für kommerzielle Nutzungen torpedieren würde. Von daher ist es erfreulich, dass werbefinanzierte Angebote nicht ausgeschlossen sind. “Blogs that draw revenues from Google Ads will still be able to use the Getty Images embed player at no cost. “We would not consider this commercial use,” says Peters. “The fact today that a website is generating revenue would not limit the use of the embed. What would limit that use is if they used our imagery to promote a service, a product or their business. They would need to get a licence.” (bjp-online) Wer dagegen ein Creative Commons Bild, das die Einschränkung NC besitzt, in einem Blog mit Google-Ads benutzt, bewegt sich mindestens in einer Grauzone und kann möglicherweise abgemahnt werden. Sicher wird es im Einzelfall noch Streit geben (erneut der Hinweis auf RA Schwenkes FAQ), aber Wissenschaftsblogs dürften keine Probleme mit dieser Einschränkung haben. Genuine Werbeaktivitäten (zu denen auch Gewinnspiele zählen) können allerdings nicht kostenlos bebildert werden.

Dass Getty nur redaktionelle Verwendungen freigibt, scheint mir eher unproblematisch, denn es nicht davon auszugehen, dass die Firma ihren generösen Schritt durch kleinliche Restriktionen kaputtmachen wird. Redaktionell ist als Gegenbegriff zu kommerziell aufzufassen. Natürlich kann keine Rede davon sein, dass die meisten Tumblr-Blogs Fotos nur “im Zusammenhang mit Ereignissen, die berichtenswert und von öffentlichem Interesse sind” (Terms) teilen. Hier muss sich Getty das Anbringen eines Tumblr-Buttons anrechnen lassen, bei dem man keinen Code kopieren muss und auch nicht irgendwelchen Nutzungsbedingungen zustimmen. Wenn also nur wenige Tumblr-Blogs keine bloßen “Bilderschleudern”, von denen oft sehr viele Bilder je Tag und zwar ohne redaktionellen Text (abgesehen bestenfalls von einer Bildunterschrift) geteilt werden, sind, bedeutet das Anbringen eines Tumblr-Sharing-Buttons nichts anderes als die Aufforderung zum kostenlosen Teilen nach Tumblr-Art. Was bei Tumblr rechtens ist, muss bei Pinterest & Co. billig sein. Wenn ich ein Blumenbild (oder süße Häschen, siehe Bild unten) zum Teilen freigebe, kann ich nicht erwarten, dass es im Zusammenhang mit einem öffentlich interessierenden Ereignis geteilt wird. Wer sich an die Regeln hält und nicht-kommerziell nutzt, darf also auch rein illustrativ nutzen.

Happy embedding!

Nicht nur Getty verwendet Einbettungscodes, sondern auch YouTube, Flickr oder Pinterest, um nur die bekanntesten zu nennen. Ich habe mich vor kurzem mit den rechtlichen Rahmenbedingungen bei Flickr in Archivalia befasst und war selbst überrascht, dass man Flickr-Bilder legal auch dann teilen, also auf anderen Websites verwenden darf, wenn sie nicht unter einer CC-Lizenz stehen. Grundsätzlich gilt bei der Verwendung solcher Einbettungscodes: Abgesehen von irrtümlichen Abmahnungen (diese gibt es häufiger als man annehmen sollte) droht keine Abmahnung, wenn

a) der Inhalt vom Berechtigen (Urheber oder Inhaber entsprechender Nutzungsrechte) auf der Website eingestellt wurde

b) die Bedingungen der Website (z.B. Verwenden nur des vorgegebenen Einbettungs-Codes) eingehalten wurden

c) die AGB der Website, die diese Weiternutzung ermöglichen, wirksam sind (aber auch dann braucht der Nutzer nicht notwendigerweise Angst haben).

Da Flickr seinen Nutzern die Wahl lässt, ob sie Sharing erlauben wollen oder nicht, darf man die vorgegebenen Teilungsmöglichkeiten ganz legal nutzen. Ständige deutsche Rechtsprechung ist: “Ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, muss mit den nach den Umständen üblichen Benutzungshandlungen rechnen” (so das LG Köln). Wer zum Teilen einlädt, kann nicht abmahnen, wenn tatsächlich geteilt wird.

OMG, der Datenschutz!

Die nicht selten recht hysterische Tonlage, mit der – vor allem In Deutschland – Datenkraken gegeißelt werden, nervt mich schon lange. Ja, mittels des Iframe ist datenschutzrechtlich bedenkliches Tracking möglich. Mich persönlich stört das eher weniger (zumal Getty nicht die NSA ist). Wer sich bei Getty darüber aufregt, dass die Einbettungsfunktion Tracking ermöglicht, darf dann auch kein einziges YouTube-Video einbinden. Überhaupt kann man das Social Web so gut wie vergessen, wenn es um die hergebrachten Grundsätze des Datenschutzes geht. Auf Facebook & Co. kann man derzeit nicht datenschutzkonform agieren.

Ja, man zahlt – wie häufig – mit Daten und wird zum Werbeträger (vorerst nur für Getty selbst). Ich finde das nicht unfair. Man muss sich nur einmal ansehen, was man für das Häschenbild unten bei Getty regulär zahlen müsste (von 119 bis 449 Euro). Zu rufen “There’s No Such Thing as a Free Lunch” und dann auf die kostenlosen Creative Commons Bilder zu verweisen erscheint mir widersprüchlich. Auch bei CC zahlt man mit Anerkennung (Attribution) und Einhaltung der Lizenzbedingungen. Und selbstverständlich gibt es im Urheberrecht einen kostenlosen Lunch: nämlich die Public Domain, ein reich gedeckter Tisch, den es unbedingt auszubauen gilt.

Niemand ist gezwungen, das aus meiner Sicht durchaus großzügige Angebot von Getty Images anzunehmen, und jeder, der es tut, kann die Bilder jederzeit wieder rauswerfen. Es gilt, die weitere Entwicklung und das weitere Verhalten von Getty zu beobachten. Wer sich an Gettys Regeln hält, sollte aber bis auf weiteres keine bösen Überraschungen erleben.

Reaktionen (in Auswahl)

Archiv-Freigabe: Diese Getty-Bilder dürfen Sie jetzt gratis einbetten

FAQ zur Einbettung der Bilder von Getty Images – Urheberrechtlich top, Datenschutzrechtlich flop

Getty Images bietet kostenlos einbettbare Bilder

Getty Images: Kostenlose Bilder mit Nebenwirkungen

Getty Images: nutzen? Nein!!!

Getty Images und die Sache mit der “nichtkommerziellen Nutzung” – wir haben nachgefragt

Gratisbilder für alle – attraktiv oder gefährlich? bzw. Das neue Angebot von Getty Images an Blogger: Attraktiv oder gefährlich?

Kostenlose Bilder sind nicht umsonst

Stockfotografie: Gettyimages bietet kostenlose Nutzung ausgewählter Bilder

Getty Embed Tool Already Subverted: You Can Crop Out the Credit Line

Getty Images Allows Free Embedding, but at What Cost to Privacy?

Getty Images allows free embed of 35 million photographs

Getty Images Image Embed: Progressive or Destructive?

Getty Images goes free: is embedding an alternative to copyright?

Getty Images: not quite free to use

 

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2183

Weiterlesen

Alle Ergebnisse der Abstimmungen: Und der #dehypoAward 2014 geht an…

3563135804_2e4f0155a4Die Jury hat abgestimmt und das Publikum hat gewählt. Hier also die Ergebnisse unseres Blogawards 2014, den wir anlässlich des zweiten Geburtstags der deutschsprachigen Plattform für geistes- und sozialwissenschaftliche Blogs de.hypotheses.org organisiert haben. Gewählt bzw. gezählt wurde dabei in vier Kategorien: die Jury bestehend aus Wissenschaftlichem Beirat, Redaktion und Community Management wählte ihre persönliche Top-3 der Blogbeiträge aus dem Slider und Top-5 der Blogs. Der Spezialpreis der Jury geht an das Blog, das am häufigsten im Slider und auf der Startseite vertreten war. Und schließlich gibt es den Publikumspreis, bei dem die Community über die Top-5 der beliebtesten Blogs der Plattform abgestimmt hat.

 

 I.                   Publikumspreis

Wir beginnen mit dem Publikumspreis: Zur Wahl standen die über 90 Blogs, die im Katalog von OpenEdition aufgenommen sind und im letzten Jahr aktiv waren. Die Kandidaten hatten wir in der Reihe “Was soll ich denn nur wählen?” vorgestellt. Insgesamt haben 355 Personen ihre Stimme abgegeben. Und so hat die Community abgestimmt:

Platz 1

1914 – Mitten in Europa – http://1914lvr.hypotheses.org/

Insgesamt 81 Stimmen entfielen auf dieses Blog, das ein Verbundprojekt begleitet, mit dem der Landschaftsverband Rheinland (LVR) an den Beginn des Ersten Weltkrieges erinnert. Herzlichen Glückwunsch!

Platz 2

Soziologieblog – http://soziologieblog.hypotheses.org/

Auf Platz 2 wurde das Soziologieblog, das von Studierenden und junge Nachwuchswissenschaftler/innen begleitend zum Soziologie-Magazin gemacht wird, mit 52 Stimmen gewählt. Wir gratulieren!

Platz 3

Geschichte zwopunktnull – http://zwopktnull.hypotheses.org/

Mit 50 Stimmen ganz knapp dahinter kam das Blog von Christian Brunnenberg über Digitales in Geschichtsunterricht und Geschichtsdidaktik auf Platz 3. Félicitations!

Platz 4

Soziale Medienbildung – http://medienbildung.hypotheses.org/

Das Gemeinschaftsblogs des Fachbereichs Sozialwesen und des Zertifikatprogramms “Soziale Medienbildung” des Zentrums für wissenschaftliche Weiterbildung an der Hochschule Fulda erhielt insgesamt 36 Stimmen und sicherte sich damit Platz 4. Wir gratulieren!

Platz 5

musermeku – http://musermeku.hypotheses.org/

Platz 5 in dieser Kategorie geht mit 29 Stimmen an das Blog “Museum, Erinnerung, Medien und Kultur” von Angelika Schoder und Damián Morán Dauchez. Herzlichen Glückwunsch!

Wir gratulieren allen sehr herzlich, danken der Community für die Stimmabgabe und hoffen, dass dabei so manches bisher unbekanntes Blog entdeckt werden konnte!

 II.                   Top 3 der Blogbeiträge aus dem Slider (Jurywahl)

Zur Erinnerung: Hier wählten die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats, der Redaktion und des Community Management aus den 45 Beiträgen, die im vergangenen Jahr im Slider waren, jeweils ihre drei Lieblingsbeiträge aus. Hier das Ergebnis der Abstimmung:

Platz 1

Bodo Mrozek: An der plakativen Front: Eine Fälschung macht Geschichte - http://pophistory.hypotheses.org/527

In der Begründung der Jury heißt es: „Der Beitrag zum Swing-Plakat zeigt exemplarisch, wie man durch eine interessante Themenwahl zum richtigen Zeitpunkt viel Aufmerksamkeit erhalten kann.“ Wir haben es mit einer „wunderbaren Fallstudie“ zu tun, die „schwungvoll“, „sehr anschaulich und überzeugend“ geschrieben ist. Kurz: „ein gut recherchierter, ausgezeichnet bebilderter Beitrag zu einem ungewöhnlichen Thema“ und ein „glänzendes Beispiel dafür, wie ein aktueller Anlass – in diesem Fall die Ausstrahlung eines medial gehypten Fernsehspiels – dazu genutzt werden kann, Geschichtsmythen zu widerlegen.“ Herzlichen Glückwunsch an Bodo Mrozek!

Platz 2

Klaus Graf: Recht für Blogger: Darf ich fremde Bilder verwenden? – http://redaktionsblog.hypotheses.org/1706

Das sagt die Jury zu diesem Artikel: „Der Beitrag von Klaus Graf steht stellvertretend für viele andere von ihm verfasste, die instruktiv die wichtigsten rechtlichen Bestimmungen bzw. aus seiner bisherigen Erfahrungen gewonnene Regeln zusammenfassen und auch dem/der nicht so mit der Materie vertrauten LeserIn nahebringen.“ Kurz: Der Artikel „schafft wichtige Klarheit“ darüber, dass unklare Rechtsfragen die freie Entfaltung der digitalen Geschichtswissenschaft behindert.

Platz 3

Den Dritten Platz teilen sich vier Artikel, die stimmgleich abgeschnitten haben und hier in alphabetischer Reihenfolge nach Autorenname geordnet genannt werden:

Christian Boulanger: Wie man sich auf eine wissenschaftsnahe Stelle (nicht) bewirbt – http://gab.hypotheses.org/695

Die Jury findet: “Der Beitrag von Christian Boulanger ist äußerst nützlich für alle Nachwuchswissenschaftler und fasst zwar vielfach Bekanntes zusammen, dies jedoch sprachlich witzig und anschaulich. Bewerbungen, die seinen Tipps folgen, haben sicherlich höhere Aussichten auf Erfolg”.

Kerstin Küster: “Emma, die Nackte” oder vom Akt im öffentlichen Raumhttp://gra.hypotheses.org/722

In der Begründung der Jury heißt es: „Der Beitrag stellt in bewundernswerter Kürze einen Denkanstoß dar und lotet auch auf einer generischen Ebene das Zusammenspiel zwischen Kunst, Wissenschaft und sozialen Netzwerken aus (hier im Bereich der Sperrung von Bildern/Seiten, die Kunstobjekte mit vermeintlich “obszönem” Charakter darstellen). Das Format entspricht genau der Textsorte Blog und regt zur intellektuellen Auseinandersetzung an.“

Lilian Landes: (Digital) Humanities Revisited – Challenges and Opportunities in the Digital Age. Oder: Wie man Gräben isst – http://rkb.hypotheses.org/576

Die Jury zeigt sich angetan: Der Artikel von Lilian Landes ist ein „wichtiger Beitrag zur Positionierung der deutschsprachigen digitalen Geschichtswissenschaft“. Er ist „einfach gut geschrieben”, dabei “nicht nur flott, sondern auch informativ“.

Claudine Moulin: Codices im Netz – Die Digitalisierung mittelalterlicher Handschriften und ihre Konsequenzen - http://annotatio.hypotheses.org/353

So begründet die Jury ihre Wahl: Claudine Moulin hat „ausgehend von einem Tagungsbericht einen wirklich programmatischen Artikel“ geschrieben. “Digital Humanities als Normalfall, gänzlich unaufgeregt und nah an den Dingen“.

Wir gratulieren allen Autorinnen und Autoren dieser Beiträge und wünschen dem Publikum bei der neuerlichen oder erstmaligen Lektüre dieser Blogposts viel Spaß!

III.                   Top-5 der Blogs (Jurywahl)

In dieser Kategorie wählten Wissenschaftlicher Beirat, Redaktion und Community Management aus den Blogs aus, die im Katalog von OpenEdition sind und im letzten Jahr aktiv waren. Und so wurde abgestimmt:

Platz 1

DK-Blog: Quellen, Literatur, Interpretationen zum Dreißigjährigen Krieg – http://dkblog.hypotheses.org/

In der Begründung der Jury heißt es: “Das Blog verbindet die substanzielle Kenntnis eines arrivierten Wissenschaftlers auf diesem Gebiet mit dem neuen Format – auch in der Art des Schreibens und der regelmäßigen Frequenz. Die Gattung der Quellenmiszelle wird hier auf überzeugende Weise wiederbelebt. Jedes Posting ist wohlproportioniert, gut formuliert und bringt Neues zu einem wichtigen Forschungsfeld der Frühneuzeitforschung. Sachkenntnis trifft sich hier mit der Lust an neuen Vermittlungsformen. Das vielleicht originellste deutschsprachige geschichtswissenschaftliche Blog.” Wir gratulieren Michael Kaiser zu Platz 1!

Platz 2

Auf Platz 2 finden sich mit gleicher Stimmenzahl drei Blogs, hier alphabetisch gelistet:

Mind the gaps – http://mindthegaps.hypotheses.org/

Die Jury findet: “Auch für Nicht-SinologInnen stets hoch spannend, mit wunderbaren kulturhistorischem Sinn und Stil. So geht Habilitation heute!”

Ordensgeschichte – http://ordensgeschichte.hypotheses.org

Aus der Begründung der Jury: „Das Blog ist lebendig und zeichnet sich durch hohe Qualität der Beiträge aus, die von jüngeren, aber auch erfahrenen Wissenschaftler/innen geschrieben werden. Das Blog zeigt sich offen, lädt zu Mitarbeit und zu Verbesserungen ein. Sehr gefällt außerdem der vorbildliche Einsatz der sozialen Medien, vor allem die mit Zotero gemeinsam erstelle Bibliographie. Insgesamt großes Kompliment!“

Pophistory – pophistory.hypotheses.org

Das sagt die Jury: „Thema und Beiträge sind spannend und interessant und hätten noch mehr Aufmerksamkeit verdient. Zwar gab es quantitativ bei den Beiträgen einen kleinen Hänger im vergangenen Jahr, aber wir hoffen auf mehr, da einfach viele gute einzelne Artikel mit interessanten Beobachtungen dabei sind.“

Platz 3

Platz 3 teilen sich stimmengleich zwei Blogs:

Mittelalter – http://mittelalter.hypotheses.org/

Die Jury meint: “Ein lebendiges, vielfältiges, stets aktuelles und von vielen Beiträgern und Beiträgerinnen geführtes Blog. Besonders nützlich ist der Bereich “Opuscula”, in dem verschiedene Formen von “Kleinpublikationen” erprobt werden. Das Blog zeichnet sich durch professionellen Aufbau und Organisation aus und setzt insbesondere auf Vernetzung. Ein gelungenes Beispiel für das Engagement von (Nachwuchs)wissenschaftlern im interdisziplinären Austausch. Toll!”

Aktenkunde – http://aktenkunde.hypotheses.org/

In der Begründung der Jury heißt es: „Im Blog werden interessante Themen an einzelnen Beispielen ganz anschaulich dargestellt, so wird ein vermeintlich langweiliges Sujet spannend. Publiziert werden sehr fundierte Artikel und Analysen, die zwar manchmal speziell, aber trotz der trockenen Materie gut gemacht und gut geschrieben sind, so dass man doch einfach weiterliest.“

Platz 4

Auf Platz 4 finden sich stimmengleich zwei Blogs:

Minus Eins Ebene – http://minuseinsebene.hypotheses.org/

Das sagt die Jury: “Ein vorbildliches dissertationsbegleitendes Blog: flotte Schreibe, interessante Blickwinkel und eine gelungene Vermischung aus aktuellen Themen und Blogbeiträge zum Dissertationsprojekt. Sehr gut!”

Nordic history Blog – http://nordichistoryblog.hypotheses.org/

Die Jury findet: “Ein Gemeinschaftsblog mit vielen sehr gut geschriebenen und informativen Beiträgen. Sehr schön ist die Einbindung des Sondersammelgebiet Skandinavien der UB Kiel, die regelmäßig interessante Webressourcen vorstellt. Das sollte Schule machen!”

Platz 5

Auf Platz 5 schließlich drängen sich mit gleicher Stimmenzahl gleich neun Blogs, und zwar in alphabetischer Reihenfolge:

Achtundvierzig – http://achtundvierzig.hypotheses.org/

Aus Sicht der Jury ein Blog mit zahlreichen „ausführlichen Beschreibungen der Teilprojekte der Mitarbeiter“, aber auch „eigens für das Blog verfasste Tagungsberichte sowie insbesondere Rezensionen und Miszellen“. Gelobt wird vor allem die Bereitschaft zur Vernetzung und zur Zusammenarbeit mit anderen Blogs!

Archivar – Kamera – Weltkrieg – http://kriegsfoto.hypotheses.org/

So äußert sich die Jury: „Ein vorzügliches, materialnahes archivalisches Blog, mit dem wichtiges fotohistorisches Material zugänglich gemacht wird.“

Das 19. Jahrhundert in der Perspektive – http://19jhdhip.hypotheses.org/

Die Meinung der Jury dazu: „Das DHI Paris ist wie eigentlich immer vorn dabei in Sachen Geschichtsblogs. Für ein institutionelles Blog ist dieses zudem erstaunlich kollaborativ. Weiter so!“

De rebus sinicis – http://wenhua.hypotheses.org/

“Ein Blog mit vielen interessanten und sehr gut geschriebenen Artikeln, das die Sinologie verdienstvoll einem größerern Publikumskreis öffnet”, meint dazu die Jury.

Deutsche Nachkriegskinder – http://zakunibonn.hypotheses.org/

Die Jury findet: “Zwar gerade erst gestartet, aber ein Blog zu einem spannenden Projektthema, das innovativ über Crowdfunding finanziert wird und viel Potential erahnen lässt.”

Philosophie – Phisolophie – http://philophiso.hypotheses.org/

Aus der Sicht der Jury ein Blog mit „gut geschriebenen Texten, die Interesse am Thema wecken und einen oftmals schmunzeln lassen, so dass man denkt: genau so ist es!“

Quadrivium – http://quadrivium.hypotheses.org/

So begründet die Jury ihre Wahl: Ein Wissenschaftsblog „ganz nah dran am geozentrischen Weltbild des Mittelalters – dabei wissenschaftliche Reflexion zur eigenen Dissertation mit öffentlicher Vermittlung gut kombinierend. Wir freuen uns auf mehr!“

Soziologieblog – http://soziologieblog.hypotheses.org/

Das meint die Jury: “Ein Blog, das eine Zeitschrift begleitet und vielfältige Themen fundiert und gut geschrieben aufgreift. Ein hervorragendes Beispiel für das Engagement des wissenschaftlichen Nachwuchses.”

TEXperimentales – http://texperimentales.hypotheses.org/

Hier genügt ein schlichtes Wort der Jury: „authentisch!“, obwohl es im vergangenen Jahr einen quantitativen Einbruch gab. Wir hoffen auf weitere (Meta)-Beiträge!

Auch hier gratulieren wir ganz herzlich allen Bloggenden!

IV.                   Spezialpreis der Redaktion

Und schließlich kommen wir zur letzten Kategorie, dem Spezialpreis der Redaktion. Zur Erinnerung: Dieser Spezialpreis sollte an das Blog vergeben werden, das am häufigsten mit Beiträgen auf der Startseite und im Slider der Plattform vertreten war. Nun ergab die mühsame Auszählung allerdings, das gleich vier Blogs mit jeweils drei Beiträgen im letzten Jahr im Slider vertreten waren. Daher wird der Spezialpreis also viermal vergeben, und zwar an:

Herzlichen Glückwunsch an alle vier und ein Dank vor allem, für die hochwertigen Beiträge!

Der zweite Spezialpreis wird an das Blog verliehen, das mit den meisten Beiträge auf der Startseite vertreten war. Hier geht der Preis an:

Glückwunsch an Monika Lehner, die mit 45 Beiträgen damit sogar das Redaktionsblog schlägt! Eine tolle Leistung, handelt es sich doch nicht etwa um ein Gemeinschaftsblog, sondern um ein habilitationsbegleitendes Blog einer einzelnen (fleißigen) Wissenschaftlerin.

Damit endet der Blogaward 2014. Wir gratulieren allen Bloggenden und ihren Blogs, allen Autorinnen und Autoren! Ein herzliches Dankeschön an die Mitglieder der Jury, die abgestimmt und die Laudatio mit vorbereitet haben. Ein ganz großes Dankeschön geht an das Community Management, das im Hintergrund schwer gewerkelt hat, um den Blogaward mit den verschiedenen Abstimmungen umzusetzen. Und schließlich ein Dank an alle, die dazu beigetragen haben, dass unser Blogaward 2014 als das verstanden wurde, was er sein sollte: ein Dank an die gesamte Community für ihr Engagement und eine Werbung für das Wissenschaftsbloggen und bestehende Blogs, die sich durch Qualität, Kreativität und Vielfalt auszeichnen.

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2148

Weiterlesen

Hello, Goodbye hist.net: Verein zum Andenken an Peter Haber gegründet

hist.net in der bisherigen Form gibt es nicht mehr – sondern ist neu: ein Verein. Gestern fand die Gründungsversammlung des Vereins hist.net statt, der laut Statuten “die Förderung der digitalen Geschichtswissenschaften in ihren verschiedenen Ausprägungen [bezweckt]; insbesondere setzt er sich ein für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in den digitalen Geschichtswissenschaften. Hierfür kann der Verein unter anderem Preise ausloben, Veranstaltungen organisieren, Lehrgänge entwickeln, Projekte verfolgen und Kooperationen mit geeigneten juristischen und natürlichen Personen eingehen.”

Damit möchte der Verein nicht nur das Andenken an Peter Haber pflegen, sondern soweit möglich seinen Verdiensten und Ideen für die Entwicklung der digitalen Geschichtswissenschaften eine Basis für weiteres Gedeihen bieten.

Die Gründungsversammlung (im kleinen Kreis) wählte folgende Personen in den Vorstand:

  • Jan Hodel, Präsident
  • Elias Kreyenbühl, Aktuar
  • Pascal Föhr, Kassier
  • Ursina Fäh, Beisitzerin
  • Sandra Haber, Beisitzerin

Beitritte zum Verein sind jederzeit möglich – bitte ein einfaches, formloses Mail unter Angabe der Postadresse an aktuar[at]hist.net schicken. Die Aufnahmebestätigung samt Einzahlungseinladung folgt dann in den nächsten Wochen, wenn das Vereinskonto eingerichtet ist. Die Jahresmitgliedschaft beträgt 50.- CHF (ermässigt für Personen in Ausbildung: 30.- CHF). Auch juristische Personen können Mitglied werden.

Diese Änderung in der Organisationsform wird auch an dieser Website und diesem Weblog nicht spurlos vorbeigehen. Wir arbeiten in den nächsten Monaten an a) einem neuen Auftritt, der die Zwecke des Vereins darstellt und unterstützt und b) die bisherigen Inhalte von hist.net in geeigneter Form archiviert und der interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht.

Im Zuge dieser Änderungen werden in diesem Weblog in Zukunft Beiträge von Vereinsmitgliedern zu lesen sein – also auch von anderen Personen als meiner Wenigkeit.

Alles weitere wird hier an dieser Stelle berichtet, sobald die Zeit dafür reif ist. Für die zweite Jahreshälfte 2014 ist eine erste Mitgliederversammlung geplant, an der auch der Stand der Überlegungen, wie die Vereinsziele erreicht werden könnten, präsentiert werden soll.

__________

Dieser Beitrag erschien im Wortlaut am 1. März 2014 auf dem Blog hist.net: http://weblog.hist.net/archives/6735.

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2145

Weiterlesen

Frankreich im centenaire 2014: 100 Jahre Erster Weltkrieg

 

Der 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs wirft seine Schatten voraus. Das gilt selbstverständlich nicht nur für Frankreich. Auch in Deutschland bereitet sich eine Interessenkoalition der „üblichen Verdächtigen“, bestehend aus Museen, Medien und Wissenschaft mit Ausstellungen, Fernseh-Dokus, Tagungen, Publikationen etc. auf den großen Moment vor, dem die Logik eines runden Jahrestages in der Aufmerksamkeitsökonomie der Öffentlichkeit einen besonderen Platz verschafft.

Doch in nur wenigen Ländern sind die Jahre 1914–1918 so im kollektiven Bewusstsein verankert wie in Frankreich, wo der Erste Weltkrieg nicht einfach nur histoire, sondern viel stärker noch mémoire ist und damit eine diskursive Sinnressource darstellt, die für Gegenwart und Zukunft gleichermaßen Orientierung gibt.

Verschiedene Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich der Erste Weltkrieg in den letzten 30 Jahren geradezu zum Ursprungsmythos des modernen Frankreich entwickelt hat: Im Kontext des alle westlichen Länder betreffenden memory booms, in dessen Folge „Erinnerung“ – mit den Worten Martin Sabrows – die „Pathosformel der Gegenwart“ geworden ist, entstand vor allem, wenngleich keinesfalls nur in den dreizehn vom Krieg betroffenen départements im Nordosten des Landes, ein regelrechter „activisme 14–18“ (Nicolas Offenstadt), der sich aus ganz unterschiedlichen Motivationen heraus dem Erhalt der Spuren des Krieges verschrieb. Ebenfalls eine Rolle spielte das ansteigende Interesse an der Familiengeschichte (Genealogie-Forschung), die den Ersten Weltkrieg mit seinen in Frankreich signifikant höheren Opferzahlen als stärkeren Einschnitt erscheinen ließ als die Jahre 1939–1945. Parallel dazu schwächte sich durch die sich durchsetzende kritischere Sicht auf das Verhalten der Franzosen in den Jahren des Zweiten Weltkriegs die Bindekraft des résistance als französische Master-Erzählung ab.

Demgegenüber zeichnet sich das Erste-Weltkriegs-Gedenken durch eine weitgehende Anschlussfähigkeit aus. Das gilt einerseits für tendenziell eher linke Diskurse, die z. B. um die fusillés pour l’exemple, d. h. die von der Militärjustiz während des Krieges hingerichteten französischen Soldaten, kreisen und auf einer allgemeinen Ebene die vollkommene Unterwerfung des Individuums unter den totalen Staat der Kriegsjahre beklagen. Ebenso lassen sich andererseits eher rechte Deutungen integrieren, welche die cohésion nationale der Kriegsjahre, also den solidarischen Zusammenhalt der Nation in den langen Jahren des Kriegs grundsätzlich positiv bewerten. Unabhängig von diesen Differenzen lässt sich aber festhalten, dass eine opferzentrierte Sicht bei weitem dominiert. Der Krieg gilt als nationale und europäische Katastrophe und nicht das Ende, d. h. der Sieg, steht im Vordergrund, sondern das Gedenken an seine Schrecken, stets verbunden mit einem emotionalen Plädoyer für Frieden und Völkerverständigung und – auf der politischen Ebene – einem klaren Bekenntnis zur europäischen Integration.

Der centenaire ist also wichtig, er ist nicht einfach nur ein runder Jahrestag wie in Deutschland, er ist ein Schlüsselmoment, an dem sich lokale, regionale wie auch nationale Identitäten kristallisieren. Ein Moment der Selbstreflexion, an dem die großen Fragen gestellt (und idealerweise beantwortet) werden, was es eigentlich heißt, citoyen in Frankreich und Franzose in Europa zu sein. Der häufige Vergleich des centenaire 2014 mit dem bicentenaire der Französischen Revolution von 1989 illustriert jedenfalls eindringlich den zentralen Stellenwert des Ersten Weltkriegs in der politischen Kultur im Frankreich der Gegenwart.

Es überrascht daher nicht, dass die französischen Planungen für das kommende Jahr schon seit einiger Zeit auf Hochtouren laufen. Bereits im März 2011 gab Präsident Nicolas Sarkozy den Auftrag, mit den Programmüberlegungen zu beginnen, und ein daraufhin entstandener, nach seinem Verfasser Joseph Zimet benannter Bericht definierte im September des gleichen Jahres die großen Linien der Gedenkfeierlichkeiten. Im „Rapport Zimet“ werden die folgenden Weichenstellungen vorgenommen: Zum einen erfolgt eine grundsätzliche Einteilung der Gedenkfeierlichkeiten in verschiedene Phasen. Während im Jahr 2014 der (Zentral-)Staat die Federführung übernimmt, sollen in den ja ebenfalls mit zahlreichen centenaires gesättigten Jahren 2015–2017 collectivités territoriales (régions, départements) und Zivilgesellschaft die Initiative übernehmen, um z. B. der symbolisch wichtigen Schlachten von Verdun, der Somme und dem Chemin des Dames zu gedenken. Zum Ende des Gedenkzyklus, 2018/2019, soll dann Paris wieder das Heft in die Hand nehmen, wobei es für diese Phase noch keine konkreteren Vorstellungen gibt. Diese Arbeitsteilung ist sicher auch vor dem Hintergrund einer angespannten Kassenlage zu verstehen. In erster Linie spiegelt sie aber die Tatsache wider, dass der centenaire keinesfalls eine von oben verordnete Angelegenheit ist, sondern dass es ganz im Gegenteil auf der lokalen wie regionalen Ebene eine Vielzahl von Initiativen und Projekten gibt, die in der Summe das Engagement des Zentralstaats bei weitem überschreiten.

Zum anderen setzt der Rapport Zimet sehr stark auf die Internationalisierung des Gedenkens im Allgemeinen und auf einen deutsch-französischen Schwerpunkt im Besonderen. So wird ein „solider erinnerungskultureller deutsch-französischer Sockel“ geradezu zur Voraussetzung des Gelingens des centenaire stilisiert – ein angesichts des vollkommenen Fehlens eines öffentlichen Weltkriegs-Gedenkens in Deutschland wohl nicht unproblematisches Postulat, das gleichwohl die hohe symbolpolitische Bedeutung des Kriegsgedenkens verdeutlicht: Vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise stellt der centenaire  aus französischer Sicht eine hervorragende Gelegenheit dar, die Solidität und Dynamik der deutsch-französischen Beziehungen in Szene zu setzen.

Gedenkstätte auf dem Militärfriedhof Notre- Dame-de-Lorette in Ablain-Saint-Nazaire.Gedenkstätte auf dem Militärfriedhof Notre-Dame-de-Lorette in Ablain-Saint-Nazaire.

Zur operativen Umsetzung dieser Überlegungen wurde im April 2012 mit der Mission du centenaire de la Première Guerre mondiale 1914–2014 eine interministerielle Struktur ins Leben gerufen, die den Auftrag hat, die verschiedenen pädagogischen, kulturellen, wissenschaftlichen und im engeren Sinne gedenkpolitischen Aktivitäten zu koordinieren und in Abstimmung mit dem Élysée die großen Gedenkveranstaltungen des Jahres 2014 zu organisieren. Aktuell sieht das Programm, das Anfang November 2013 vom Staatspräsidenten offiziell verkündet werden wird, vier Großveranstaltungen auf französischem Boden vor: Einen 14-Juillet im Zeichen des Ersten Weltkriegs, dezentrale Gedenkfeierlichkeiten zur  Mobilmachung vom 1.–3. August, eine eher klassisch, d. h. militärisch gefasste Veranstaltung zum Gedenken an die Marne-Schlacht (12. September) und als Höhepunkt den 11-Novembre, mit der Einweihung eines großen Denkmals in Notre-Dame-de-Lorette (siehe Bild), das die Namen der im Nord-Pas-de-Calais gefallenen Soldaten aller Nationen, soweit sie bekannt sind, alphabetisch auflistet. Darüber hinaus ist die Mission du centenaire eine der treibenden Kräfte hinter dem europäischen Projekt „Sarajevo, coeur de l’Europe“, das um den Jahrestag des Attentats von Sarajevo im Juni vor Ort ein umfangreiches Kulturprogramm vorsieht.

Dies ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Allein für 2014 haben 900 Einzelprojekte (Tagungen, Konzerte, Ausstellungen etc.) das offizielle Label der Mission, eine Art Gütesiegel, erhalten und es ist zu erwarten, dass sich diese Zahl in weiteren Labellisierungs-Runden noch deutlich erhöht. Schließlich sind so manche für 2016 bzw. 2017 geplante Projekte noch nicht in die konkrete Planungsphase eingetreten.

Für das Deutsche Historische Institut (DHI) Paris ist die hohe Intensität des centenaire eine spannende Herausforderung und eine willkommene Gelegenheit, seine Expertise als zentraler deutschfranzösischer Mittler im Bereich der Geisteswissenschaften einzubringen. Dabei ist klar, dass trotz der kultur- oder gedenkpolitischen Relevanz des Themas eine ausschließlich wissenschaftliche Agenda verfolgt wird. Seit gut zwei Jahren gibt es einen Forschungsschwerpunkt zum Ersten Weltkrieg und das Institut ist hervorragend in die französische wie internationale Forschungslandschaft integriert. Die Tatsache, dass das DHI Paris u. a. im Wissenschaftlichen Beirat der Mission du centenaire, des Mémorial de Notre-Dame-de-Lorette und im comité directeur des Centre de recherche de l’Historial de la Grande Guerre Péronne vertreten ist, spricht eine deutliche Sprache. Im kommenden Jahr wird es neben einer Reihe von kleineren Veranstaltungen fünf große Tagungen geben, an denen sich das DHI Paris federführend oder als Partner beteiligt. Genannt seien hier lediglich eine in Zusammenarbeit mit den Universitäten Paris-Est Créteil und Marne-la-Vallée organisierte Tagung zum Thema „Les défenseurs de la paix 1898–1917“ und eine einwöchige Sommeruniversität, die gemeinsam mit dem Centre de recherche de l’Historial de la Grande Guerre, der École des Hautes Études en Sciences Sociales (EHESS) und den Universitäten von Amiens und Clermont-Ferrand durchgeführt wird. Darüber hinaus arbeitet das Institut zusammen mit der Mission du centenaire an einer Sammlung besonders aussagekräftiger deutscher und französischer Quellen zum Ersten Weltkrieg, die von jeweils einem deutschen und französischen Historiker kommentiert und kontextualisiert werden und die auf der Webseite der Mission (centenaire.org) einem interessierten Publikum den Mehrwert einer deutsch-französischen histoire croisée demonstrieren.

 

 

Quelle: http://grandeguerre.hypotheses.org/1437

Weiterlesen

Warum sollten Archive worüber wie bloggen? Oder: Die Herausführung der Archive aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit.

 

(Ein Beitrag zur Blogparade anlässlich des zweiten Geburtstages von siwiarchiv)

Natürlich ist es vermessen, für das Thema Archive und Bloggen einen der ganz großen Sätze der deutschen Geistesgeschichte zu bemühen. Einerseits. Andererseits lässt sich mit Blick auf den digitalen Auftritt der Archive durchaus eine selbstverschuldete Unmündigkeit von Kant’schen Dimensionen konstatieren: Unmündigkeit meint hier das Unvermögen, sich der immensen Möglichkeiten der digitalen Welt zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, weil die Ursache derselben nicht am Mangel der Möglichkeiten, sondern an der Entschließung und dem Mut liegt, sich dieser Medien zu bedienen. Wir erleben gegenwärtig einen derartig allumfassenden Medienbruch, wie er wohl zuletzt mit der Erfindung des Buchdrucks zu erleben gewesen war, aber so richtig ist das bei den Archiven nicht angekommen. Gut, die Mail hat weithin den Brief ersetzt und die Homepage (wenn auch keineswegs allerorten) die gedruckten Flyer und Beständeübersichten. Und die ganz Mutigen sind jetzt sogar schon bei Facebook dabei. Aber die Konzepte hinter diesen neuen, den sozialen Medien sind kaum einmal rezipiert, geschweige denn umgesetzt worden: Interaktivität, Kommunikation, Offenheit, Vernetzung. Archive haben es geschafft, ihren analogen Arbeits- und Denkstrukturen ein digitales Mäntlein umzuhängen ohne aber ihre Arbeit digital zu definieren. Das ist misslich, langfristig wird daran aber kein Weg vorbeiführen. Und allerspätestens dann wird es eine Basis in der digitalen Welt brauchen. Und an dieser Stelle kommt die obige Frage ins Spiel: Warum sollten Archive worüber wie bloggen?

Archive sollten bloggen, um wahrgenommen zu werden.

Archive sind wie schwarze Löcher. Man weiß wenig über sie. Das gilt für den Großteil der Bevölkerung, die in einem Archiv allenfalls eine bibliotheksähnliche Einrichtung mit alten Dokumenten in unzugänglichen Kellerräumen vermutet. Das gilt für Behörden, denen häufig genug nicht klar ist, dass ihre eigenen Altakten nicht in den Papiermüll, sondern in ein Archiv gehören. Das gilt selbst für fortgeschrittene Nutzer, die wohl eher das vorhandene Archivgut als quasi gottgegeben nutzen als die Überlieferungsbildung nachzuvollziehen. Alle diese Gruppen müssen Archive als hermetisch abgeschlossene Räume wahrnehmen, deren Innenleben ihnen nur soweit offenbart wird, wie es für das sporadische Miteinander unvermeidlich ist. Das gilt aber auch für die Archivarinnen und Archivare, also für die Fachöffentlichkeit. Natürlich nicht in dem Sinne, dass man nicht weiß, was Archive im Allgemeinen machen, sondern in dem Sinne, dass man nicht weiß, was denn die Archivarinnen und Archivare andernorts im Speziellen denn so machen. Ich habe als nordrhein-westfälischer Archivar keine Ahnung, was denn die Kolleginnen und Kollegen in, sagen wir, einem bayerischen Staatsarchiv oder einem mecklenburg-vorpommerischen Kommunalarchiv machen. Und das, obwohl ich mir sehr sicher bin, dass wir vielfach vor ähnlichen Fragen und gleichen Problemen stehen. Wir haben aber kein reguläres Medium, um unsere Fragen publik zu machen, unsere Überlegungen zu teilen, unsere Lösungen zu entwickeln. Selbst als Kollege kann ich nicht hinter die fensterlose Mauer schauen, mit der sich Archive nicht nur physisch umgeben. Ein Blog löst diese hermetische Abschottung auf. Mit einem Blog können Archive ihre Arbeit begleiten und transparent machen. In einem Blog könnte man – zumindest ausschnittsweise – verfolgen, was Archive umtreibt. Über ein Blog lassen sich Zielgruppen erreichen, die vielleicht Interesse an Arbeit und Beständen eines Archivs haben, gegenwärtig aber keine Informationen vermittelt bekommen. Archive sind einzigartige Einrichtungen am Schnittpunkt von Verwaltung, Kulturpflege und Wissenschaft und verfügen (nach Prantl) sogar über „Systemrelevanz“. Ihre Bedeutung steht und fällt mit ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Wahrgenommen aber wird man zunehmend über soziale Medien – und Blogs sind das soziale Medium schlechthin, um Inhalte in den digitalen Raum zu vermitteln.

Archive sollten bloggen, um digital sprachfähig zu sein.

Das Internet ist ein gigantischer universaler Diskursraum. Im Internet bewegen sich Millionen von Menschen, die über Millionen von Themen diskutieren. Natürlich gehört auch Geschichte dazu und damit sind auch Archive berührt. Partizipieren können Archive aber nicht an einer einzigen dieser Diskussionen. Archive sind nämlich digital nicht sprachfähig. Ihre einzige Möglichkeit, ihren Interessenten im virtuellen Raum etwas mitzuteilen, ist die Homepage – ein hierarchisches und statisches Medium, dessen Struktur jeglichen Kommunikationsakt auf das einseitige Verkünden sakrosankter Verlautbarungen reduziert. Eine Homepage ist damit für die Präsentation persistenter Informationen prädestiniert, etwa für E-Texte oder Online-Findmittel inkl. Digitalisate. Ein soziales Medium ist sie allerdings nicht, sie erlaubt kein Miteinander, keinen Austausch, keinen Diskurs. Will man mit seinen Nutzern in einen Dialog eintreten, so kann nicht die Homepage das Medium der Wahl sein, wohl aber das Blog. Ein Blog verkündet keine unveränderlichen Fundamentalinformationen, sondern ist Teil eines allgegenwärtigen kontinuierlichen Diskurses, etwa über archivische, historische und kulturelle Themen. Mit einem Blog kann ein Archiv aktuelle Arbeiten, markante Themen oder spezifische Probleme an einen interessierten Adressatenkreis vermitteln. Mit einem Blog macht ein Archiv ein Gesprächsangebot: Es berichtet von seinen Aufgaben und Projekten, die Nutzer reagieren auf die gebotenen Informationen. Blogbeiträge werden rezipiert und mit Blogbeiträgen andernorts beantwortet. Manches wird Zuspruch ernten, anderes Widerspruch. Nutzerinteressen werden ersichtlich, Nutzerressourcen erschlossen, Nutzerbindungen geschaffen. Ein Blog führt Archiv und Nutzer in einem gemeinsamen Diskursraum zusammen. Wo die Homepage der Balkon ist, von dem ein Ausrufer die wichtigsten Informationen verkündet, da ist das Blog der Tisch, an dem Gesprächspartner auf Augenhöhe zusammenfinden und über ihre Anliegen diskutieren.

Archive sollten bloggen, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Niemand kann ernsthaft annehmen, dass das Internet, das Social Web, das Semantic Web nur eine Zeiterscheinung sein werden. Ganz im Gegenteil: Digitalisierung und Virtualisierung werden weiter zunehmen. Geschehen wird das auch und gerade dort, wo Archive tätig sind: im Bereich der Informationsdienstleistung. So werden bereits in den nächsten Jahren Millionen von Digitalisaten online vorliegen und die Nutzung von Archiven auf eine neue Grundlage stellen. Nutzer werden Archiven zunehmend virtuell begegnen. Solche veränderten Nutzungsgewohnheiten werden aber auch neue Strukturen bedingen, um miteinander zu kommunizieren. Archive brauchen nicht nur leistungsfähige Präsentationsplattformen (z.B. Archivportale), sie brauchen auch Kommunikationskanäle, um ihren Nutzern begleitende Informationen näher zu bringen. Die sozialen Medien eignen sich wunderbar, um den Kontakt zwischen Archiven und Nutzern herzustellen. Manche von ihnen sorgen für die Vernetzung (z.B. Facebook, Twitter), andere aber transportieren die Inhalte, insbesondere nämlich Blogs. Wer dieses Prinzip heute nicht versteht, wird es schwer haben, morgen seine Adressaten zu erreichen. Dabei sind Blogs (wie auch allen anderen soziale Medien) keineswegs die Zukunft, sie sind bereits die Gegenwart. Zukunft sind sie lediglich für die deutschen Archive, die sich ihrer Möglichkeiten bis jetzt noch nicht gewahr worden sind. Gerade deshalb sind die Pioniere gar nicht genug zu loben, die einer konservativen Branche den Weg zu neuen Medien und Möglichkeiten bereiten – alles Gute, siwiarchiv, auf viele weiter Jahre!

Und natürlich: Sapere aude!

 

 

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1244

Weiterlesen

585 Bücher der Stralsunder Archivbibliothek fehlen – der Kepler-Band wird jetzt in New York für eine Viertelmillion Dollar angeboten

 

Anlass der Gründung dieses Weblogs im Dezember 2012 waren die skandalösen Vorkommnisse im Stadtarchiv Stralsund, die ich in Archivalia umfassend dokumentiert habe (über 270 Beiträge zu Stralsund; Best of). Nach einem Hinweis von Falk Eisermann am 22. Oktober 2012 auf eine von mir überlesene Passage einer Stralsunder Pressemitteilung konnte ich die Fachwelt im Herbst 2012 soweit mobilisieren, dass sich ein Sturm der Entrüstung erhob und nach einem Gutachten von Nigel Palmer und Jürgen Wolf die Hansestadt Stralsund sich veranlasst sah, die für 95.000 Euro an einen bayerischen Antiquar verscherbelte kostbare Gymnasialbibliothek mit über 6000 alten Drucken ab dem 16. Jahrhundert zurückzukaufen.

Im LISA-Portal hatte ich am 13. November 2012 zusammenfassend das Vorgehen der Stadt gegeißelt. Philipp Maaß, der Initiator der Stralsund-Petition, unterrichtete in einem Beitrag für die bibliothekarische Fachzeitschrift BuB, der hier nachgelesen werden kann über den Skandal, während der im Februar 2013 im Bibliotheksdienst erschienene Aufsatz des Speyerer Altbestands-Spezialisten Armin Schlechter erst jetzt kostenlos einsehbar ist. In LIBREAS stellte ich “Lehren aus der Causa Stralsund” vor.

Nun hat der NDR herausgefunden, dass der renommierte New Yorker Händler Jonathan Hill den Kepler-Druck aus der Gymnasialbibliothek für eine Viertelmillion Dollar anbietet. Wieso Margret Ott für diese bescheidene Recherche-Leistung (das Angebot ist online verfügbar) ein dickes Lob spendet, erschließt sich mir nicht. Im Nordmagazin des NDR-Fernsehens wird behauptet, es sei unklar, wie der Händler zu dem Druck gekommen sei. Wenig genauer auf der NDR-Website: “Bei einer ersten Auktion vor ein paar Monaten hatte das Werk 45.000 Euro erzielt.” Diese journalistische Fehlleistung fügt sich ins Bild: Die Journaille hatte sich in der Causa Stralsund nach meiner Einschätzung als unfähig und tölpelhaft erwiesen; meine Rechercheergebnisse als Blogger wurden entweder nicht zur Kenntnis genommen oder meist stillschweigend vereinnahmt.

Tatsache ist: In der Nacht vor der Bekanntgabe des Rückkaufs am Dienstag, dem 20. November 2012 hatte ich fieberhaft daran gearbeitet, einen umfangreichen Archivalia-Beitrag fertigzubekommen, nachdem ich am Sonntag zuvor einen anonymen Tipp von einem Käufer bekommen hatte, bei den Reiss-Herbstauktionen seien Bücher aus der Gymnasialbibliothek Stralsund versteigert worden. Ich ging den Reiss-Online-Katalog durch und kam zu dem Schluss: Die Einlieferungen der Reiss-Auktionen mit den Nummern 41, 95, 152, 177 und 169 setzen sich ausschließlich aus Stücken zusammen, die aus dem Stadtarchiv Stralsund stammen. Eine außerordentlich grobe Schätzung für den Gesamterlös ergab gut 140.000 Euro für etwa 190 Titel. Am 30. Oktober 2012 erbrachte der jetzt in New York angebotene Kepler-Druck von 1621 (mit Beibänden) als Nr. 4841 bei Reiss in Königstein 44.000 Euro.

Angesichts der Rückkauf-Meldung vom gleichen Tag verpuffte mein Scoop und wurde auch in der Folgezeit von der etablierten Presse nicht registriert. Vermutlich hat der New Yorker Händler den Kepler-Band und zwei weitere kostbare Werke aus Stralsund, die er für sehr viel weniger Geld anbietet, bei Reiss ersteigert oder über einen Zwischenhändler bezogen.

Die Stadt Stralsund mit ihrem Beauftragten Dr. Burkhard Kunkel hat nach der Rückkaufentscheidung vom November 2012 so gut wie nichts richtig gemacht, was die Rückführung weiterer Bestände angeht. 

Im Fernsehen sagt Kunkel, es fehlten 585 Bücher. Diese Zahl dürfte sich lediglich auf die Gymnasialbibliothek beziehen. Unklar ist, was der Antiquar Hassold vor dem Rückkauf bereits vertickt hatte. Eine nicht näher bezifferbare Anzahl von Büchern aus der Gymnasialbibliothek sind für immer verloren, da Hassold sie als unverkäuflich vernichtet hatte. Außer den Reiss-Auktionen kamen einige Stralsunder Werke  auch bei dem Münchner Auktionshaus Zisska und Schauer, dessen ehemaliger Geschäftsführer Schauer wegen seiner Verwicklung in die Causa Girolamini in Italien in Untersuchungshaft sitzt, unter den Hammer. Den dort erworbenen unikalen Türkendruck hat die Bayerische Staatsbibliothek immerhin zurückgegeben.

Absolut lächerlich ist, dass im Mai 2013 laut Meldung der Stadt Stralsund gerade einmal sieben (in Zahlen: 7) Titel zurückgegeben worden waren.

Dank einer Fehlentscheidung des BGH zum Hamburger Stadtsiegel-Fall sind auf öffentlicher Auktion verkaufte Bände rechtsgültig in das Eigentum des jeweiligen Erwerbers übergegangen. Für die anderen Bände kann man zumindest die Auffassung vertreten, dass sie nach wie vor Eigentum der Stadt Stralsund sind. Es ist ein Unding, dass die Stadt Stralsund weder einen öffentlichen Rückgabe-Aufruf (z.B. durch Anzeigen in Sammler-Organen wie “Aus dem Antiquariat”) gestartet hat noch eine mit der Kommunalaufsicht abgestimmte Stellungnahme zum Eigentums-Status des entfremdeten Bestands abgegeben hat. Nicht jeder Sammler verhält sich so abscheulich wie der Eigentümer des durch seine Einträge unersetzlichen Hevelius-Drucks, der ihn nicht zurückgeben will.

Wie in meinem Archivalia-Beitrag vom 20. November ausdrücklich angeregt, hätten durch rasches Handeln beim Auktionshaus Reiss wenigstens die unverkauften (also auch nicht rechtsgültig in anderes Eigentum übergegangenen) Stücke aus Stralsund gerettet werden können.  Geschehen ist aber: nichts.

Noch skandalöser als das denkbar unprofessionelle Vorgehen bei der Rückholung der Bestände der Gymnasialbibliothek ist die Untätigkeit, was die vor dem Sommer-Verkauf 2012 als angebliche Dubletten durch die damalige Archivleiterin Nehmzow und ihren nicht weniger abscheulichen Vorgänger rechtswidrig veräußerten Altbestände angeht. Nach wie vor können Hassold und seine Kumpane ungehindert seltene Pomeranica aus Stralsund verkaufen, von denen womöglich nicht wenige durch Besitzeinträge unikalen Charakter haben. In diesem Bereich hat die Stadt Stralsund offenkundig nichts unternommen, obwohl durch meine eingehenden Recherchen bewiesen wurde, dass auch unantastbare Bestände der Ratsbibliothek in die unfassbaren Verkäufe einbezogen waren.  Mindestens zwei Bücher wurden aus dem Barock-Ensemble der Löwen’schen Bibliothek von Hassold im Handel angeboten, eines davon noch am 30. November 2012! Ein weiteres Stück stammte aus der Kirchenbibliothek St. Nikolai.

Die perfide Strategie der Stadt Stralsund und ihres Dr. Kunkel besteht also darin, lauthals zu erklären, dass man die entfremdeten Teile der Gymnasialbibliothek zurückholen wolle. In Wirklichkeit agiert man aber völlig ineffizient und verschließt die Augen vor den nachgewiesenen Verkäufen wertvollen Buchguts vor dem Verkauf der Gymnasialbibliothek im Sommer 2012. Diese rechtswidrig veräußerten Bücher (durch Nehmzow, die Staatsanwaltschaft will sich im März 2014 zum Verfahrensstand äußern, und auch schon ihren Vorgänger Hacker) gehören nach meiner Rechtsauffassung ebenfalls nach wie vor der Stadt Stralsund und müssten mit aller Energie, zu der die Stadt und ihr Dr. Kunkel offenkundig nicht fähig sind, zurückgeführt werden!

 

 

 

 

 

 

Quelle: http://kulturgut.hypotheses.org/334

Weiterlesen

Vorankündigung: de.hypotheses Blogaward 2014 #dehypoAward

Blogaward 2014 SliderAm 9. März 2014 feiert de.hypotheses seinen zweiten Geburtstag – für uns Grund und Anlass, das Wissenschaftsbloggen und die Community von de.hypotheses ins Licht der Aufmerksamkeit zu rücken. Wie im letzten Jahr wollen wir das mit einem Blogaward tun.Wer jetzt an den ADAC denkt, dem sei versichert, dass auch uns das Archaische dieser Form der Auszeichnung bewusst ist. Wenn wir uns trotzdem dafür entschieden haben, dann aus zwei Gründen: Zum einen wollen wir damit für das Wissenschaftsbloggen werben und auf die Qualität, die Kreativität und die große Bandbreite der Blogs hinweisen. Zum anderen trauen wir uns zu, das mit der hoffentlich richtigen Mischung aus Spass, Ernst und Transparenz durchzuführen.

In den zwei Jahren ihrer Existenz hat die Community von de.hypotheses maßgeblich zur Verbreitung und zur Akzeptanz des wissenschaftlichen Bloggens im deutschsprachigen Raum beigetragen. Die stetig wachsende Community stellt anschaulich unter Beweis, dass es einen Bedarf an dieser ganz eigenen Form der Publikation und der Kommunikation gibt, und wie bemerkenswert dieses insgesamt doch noch junge Textgenre von den Bloggenden mit Leben gefüllt wird. Mit dem Blogaward 2014 wollen wir uns bei allen für ihr Engagement bedanken.

Die Wahl wird dieses Jahr nicht einfach: Unsere Plattform für geisteswissenschaftliche Blogs versammelt mittlerweile über 140 deutschsprachige Blogs, davon sind 93 in den Katalog von hypotheses aufgenommen. Die Bandbreite der Blogs reicht formal von dissertations- oder editionsbegleitenden Blogs, Blogs von Forschergruppen, thematischen Einzel- oder Gemeinschaftsblogs, Quellenblogs, Blogs von Einrichtungen etc. und inhaltlich von Archäologie, Geschichte, Kunstgeschichte, Didaktik und Digitales, bis Soziologie, Computerlinguistik, Medienbildung, Literaturwissenschaft sowie Archiv- und Bibliothekswesen.

Anders als im letzten Jahr wollen wir in diesem Jahr einen Award in vier Kategorien ausloben:

1.+2.) Top-5 der Blogs und Top-5 der Einzelbeiträge

Eine Jury bestehend aus Beirat, Redaktion und Community Management von de.hypotheses wählt in geheimer Abstimmung die Top-5 unserer Blogs und Beiträge für den Zeitraum März 2013 bis Februar 2014.  Zur Wahl stehen diejenigen Blogs, die in den Katalog von Hypotheses aufgenommen sind und die im letzten Jahr aktiv waren. Bei den Beiträgen stützt sich die Wahl auf die Artikel, die im Slider der Plattform-Homepage waren (insgesamt 45). Kriterien für die Bewertung sind Inhalt, Wissenschaftlichkeit, Stil der Beiträge, Beitrag zur Wissenschaftskommunikation und Vernetzung.

Anmerkung: Unser Redaktionsblog steht dabei nicht zur Wahl, wohl aber die einzelnen Blogs und Beiträge von Mitgliedern des Beirats und der Redaktion. Wie auch bei der Auswahl der Beiträge für Slider und Startseite wählen wir uns natürlich nicht selbst, das ist klar!

3.) Publikumsaward: Beliebtestes Blog

Hier ist die Community gefordert! Zur Wahl gestellt werden wie oben diejenigen Blogs der Plattform, die im Katalog von Hypotheses sind und die im letzten Jahr aktiv waren. Eine gesonderte Ankündigung für die Wahl folgt nächste Woche. Genug Zeit also, um das Blog noch schnell aufzuhübschen (siehe Beitrag “schöner Bloggen“).

Aber bitte: Die Wahl sollte nicht etwa Anlass sein, um das eigene Blog über verschiedene IP-Adressen mehrfach zu wählen oder sich in anderer Form unwürdig zu verhalten. Vielmehr stellt die Wahl eine Gelegenheit dar, über den Tellerrand des eigenen Blogs zu schauen und andere Blogs der Plattform wahrzunehmen. Wir hoffen auf rege Teilnahme!

4.) Spezialpreis der Redaktion

Der Spezialpreis der Redaktion geht an das Blog, das am häufigsten mit Beiträgen auf der Startseite und im Slider der Plattform vertreten war. Hier könntet Ihr bereits jetzt selbst auszählen, ob Euer Blog der Gewinner des Spezialpreises  ist. Wem das zu umständlich ist (denn das ist es!), der kann einfach das Ergebnis abwarten, das am 10. März 2014 bekannt gegeben wird.

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Zu gewinnen gibt es vor allem neue Erkenntnisse über die anderen Blogs, eventuell ein bisschen Ruhm und Ehre sowie bei Gewinn einen schön gestalteten Button für das Blog (siehe den Sieger des letztes Jahres, das NordicHistoryBlog). Wir sind gespannt, wen wir am 10. März 2014 jeweils unter den Top-5 präsentieren können!

Hashtag: #dehypoAward

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/1971

Weiterlesen

Die Magdalenenflut 1342 – ein unterschätztes Jahrtausendereignis?

 


an(no) m° ccc° xl ii do ver drank hermen goltsmet in der groten vlot to sentemargret(en) dage
.[1]

Vermutlich war es der wohlhabende Göttinger Goldschmied und Ratsherr Hans, der seinem 1342 verstorbenen Vater Hermann ein seiner Profession gemäßes Denkmal setzte.[2] Auf der Spitze der Göttinger Albanikirche ist die oben stehende Inschrift, auf einem Reliquienkreuz noch oberhalb der Wetterfahne angebracht, bis heute erhalten geblieben. Nun ist der niedersächsische Goldschmied nicht einfach ein Opfer eines beliebigen Hochwassers geworden, sondern in der mutmaßlich schwersten Flutkatastrophe Mitteleuropas in den letzten 1000 Jahren ertrunken: Der nach dem Festtag der Heiligen am 22. Juli benannten Magdalenenflut von 1342.

Als im letzten Sommer an Donau, Elbe und Saale die zweite Extremflut seit dem Milleniumswechsel tausende Menschen bedrohte, fand auch ein selbst unter Mediävisten oft wenig bekanntes Ereignis wie die Magdalenenflut 1342 erneute mediale Aufmerksamkeit. Dies steht in deutlichem Gegensatz zum (Des-)Interesse der Geschichtswissenschaft: Explizit mediävistische Auseinandersetzungen mit der Magdalenenflut 1342 finden sich so gut wie nicht[3], etwas besser ist es bei der Nachbardisziplin Archäologie bestellt.[4] Betrachtet man hingegen die Publikationen aus dem im weitesten Sinn naturwissenschaftlichen Bereich mit historischem Fokus, aber auch umweltgeschichtlichen Werken, fällt auf, dass durchaus viel auf das Flutereignis von 1342 verwiesen wird.[5] Dies bedeutet allerdings keineswegs in jedem Fall eine intensive Beschäftigung damit, v.a. nicht mit der schriftlichen Überlieferung.[6] Dabei ist die Quellenlage durchaus vielversprechend, wie im Folgenden kurz skizziert werden soll.

Die klimageschichtliche Datenbank tambora.org bietet ad ann. 1342 bereits einen ersten Eindruck von dem Ausmaß der Flut, wenn auch viel zu viele der Einträge nicht zeitgenössischen Ursprungs sind, so dass sie sich für historisches Arbeiten nicht verwenden lassen. Trotz der notwendigen Einschränkungen zur Benutzbarkeit der Datenbank aus historisch-quellenkritischer Sicht zeigt dieses verdienstvolle Projekt trotz allem die Entwicklungspotentiale kollaborativer Datenbanken gerade im Bereich der Klimageschichte auf. Doch in Kombination mit gedruckten Repertorien meteorologischer Ereignisse aus dem 20. Jahrhundert kann man sich schnell dem Ereignis nähern: Curt Weikinns nach historiographischen Maßstäben auch nicht durchweg verlässliche, aber äußerst materialreiche Quellensammlung zu hydrologischen Ereignissen[7] liefert eine komfortable Ausgangsbasis für die Erforschung der Magdalenenflut. In Kombination mit der Materialsammlung des nicht minder akribischen, aber doch quellenkritischeren Sammlers meteorologischer Nachrichten, Pierre Alexandre[8], zeigt sich, welcher große europäische Raum 1342 unter den Überschwemmungen zu leiden hatte: Ost- und Zentralfrankreich, die Provence, Norditalien, das ganze heutige Deutschland sowie Böhmen, Österreich und Ungarn waren von massiven Fluten betroffen. Im Einzelfall wäre freilich erst noch zu klären, ob es sich dabei um jeweils um ein- und dasselbe Flutereignis handelt. Doch die Ausgangsbasis von über 40 verschiedenen Extremwetterbelegen für 1342 in edierten Chroniken sollte die  weitere Untersuchung der Magdalenenflut deutlich erleichtern. Und dabei ist die Sammlung von Weikinn und Alexandre noch keineswegs vollständig.[9] Auch das eingangs aufgeführte Beispiel mit dem Göttinger Reliquienkreuz ist keineswegs die einzige Inschrift, die als Beleg der Magdalenenflut angeführt werden kann.[10]

Schriftquellen sind also in relativer Fülle vorhanden, und doch ist die Chronologie des meteorologischen Extremjahres 1342 noch lange nicht geklärt, wie ein rascher Blick in die bisherige Forschung und deren (knappe) Aussagen zu Vorgeschichte und Verlauf der Flutkatastrophe zeigt: Intensiver Schneefall im Winter 1341/42 soll zu einer starken Schneeschmelze mit ersten Hochwassern geführt haben, dann folgte ein regenreiches Frühjahr. Der im Sommer noch immer feuchte Boden konnte schließlich die Starkregenfälle Mitte Juni 1342 nicht mehr aufnehmen.[11] Andere Interpreten sehen keine nennenswerten, durch die Schneeschmelze propagierten Hochwässer im Frühjahr 1342.[12] Je nach regionalem Fokus wird auch von einem Eisstoß im späten Winter 1342, – dem der Vorgängerbau der Prager Karlsbrücke zum Opfer fiel –, dann einem Frühjahrshochwasser im April und dem eigentlichen Magdalenenhochwasser im Juli 1342 ausgegangen.[13] Ganz ausgeblendet wird bisher die Lage in Frankreich und Italien, aber auch in Ostmitteleuropa jenseits Böhmens. Warum es so wichtig ist, die Abfolge der Niederschläge und Flutereignisse möglichst sicher zu identifizieren, leuchtet spätestens dann ein, wenn wir die unvermeidliche Frage stellen, was der geophysikalische Hintergrund der Katastrophe von 1342 war.

Eine Vb-Wetterlage braut sich zusammen: Ein sog. Genuatief vom 7. Oktober 1996. (Quelle: Wikimedia Commons)Eine Vb-Wetterlage braut sich zusammen: Ein sog. Genuatief vom 7. Oktober 1996. (Quelle: Wikimedia Commons)

Verantwortlich für die extremen Niederschläge soll eine meteorologische Konstellation gewesen sein, die so auch 1997, 2002 und 2013 die extremen Hochwässer in (Ost-)Mitteleuropa hervorgerufen hat: Eine sogenannte Vb-Wetterlage, bei der ein Tiefdruckgebiet über Norditalien sich über der Adria oder dem Golf von Genua immens mit Feuchtigkeit auflädt und dann eine Zugbahn am Ostalpenrand entlang über das heutige Österreich, Ungarn und Tschechien bis nach Polen einnimmt. Im Kontakt mit wesentlich kälteren Luftmassen im Norden und Westen kommt es zu sehr ergiebigen Niederschlägen über dem skizzierten Teil Ostmitteleuropas bis hin nach Bayern.[14] Doch passt dieses Szenario schon geographisch nicht widerspruchsfrei zur Überschwemmungslage und den Extremniederschlägen des Jahres 1342. Ob noch andere Faktoren wie etwa Vulkanausbrüche[15] zu den Mitverursachern der Starkregen gehören, ist bisher kaum diskutiert worden.

Das meteorologische und klimahistorische Interesse an dem Ereignis liegt auf der Hand. Aber welchen breiteren historischen Erkenntnisfortschritt darf man sich von einer Beschäftigung mit der Magdalenenflut erwarten?
Zum einen natürlich ein besseres Verständnis der Häufung exogener Schocks, denen die mitteleuropäischen Gesellschaften in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ausgesetzt waren. Neben der Magdalenenflut wäre die Abkühlungstendenz seit ca. 1310, die Große Hungersnot von 1315-18, Einfälle von Heuschrecken 1338 und natürlich die Pest 1347ff. zu nennen. Die umweltlich-natürlichen Rahmenbedingungen müssten also zu einer Neubewertung der „Krise des 14. Jahrhunderts“ verstärkt herangezogen werden, ist doch eine letzten Endes sozialdeterministische Tendenz zur Relativierung der krisenhaften Momente im Spätmittelalter hin zu einem überwiegenden Reflex von Diskursen des 20. Jahrhunderts zu beobachten.[16] Vielleicht ist es daher an der Zeit im Zeichen eines material turn – obwohl diese Wende die Mediävistik bisher wenig tangiert – den natürlichen Rahmenbedingungen und konkreten Einflüssen von Umweltveränderungen auf den historischen Prozess auch im Spätmittelalter zu ihrem Recht zu verhelfen, ohne in platte Determinismen zu verfallen.
Eine klarere Vorstellung vom potentiellen Impact der Flut von 1342 liefern allerdings nicht die historischen Quellen allein: Vielmehr sind es die Überlegungen von historisch arbeitenden Geowissenschaftlern, die die Dimensionen des Ereignisses erst recht erahnen lassen, etwa durch Modellrechnungen der Scheitelabflussmenge – der Höchstmenge an Wasser, die in einem Moment einen bestimmten Punkt am Fluss passiert. So ist für den Main im Juli 1342 eine Zahl 3500 m²/s errechnet worden[17], während für das Sommerhochwasser 2013 in Würzburg eine Scheitelabflussmenge des Mains von ‘nur’ 900 m²/s erreicht wurde.[18] Die Konsequenzen für den modernen Hochwasserschutz und seine unterstellten historischen Maximalwerte sind enorm.[19]
Darüber hinaus sind es die Untersuchungen von Geoökologen wie Hans-Rudolf Bork und seinen Schülern, die die apokalyptischen Ausmaße der Erosion in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts vorstellbar und plausibel machen. [20] Ganz entgegen der allgemein vorherrschenden Vorstellung von Erosion als langsamem Prozess betonen die naturwissenschaftlichen Kollegen die massiven Veränderungen innerhalb kürzester Zeit und ordnen, gestützt auf zahlreiche Beispiele aus Mittel- und Nordostdeutschland, etwa die Hälfte des gesamten Erosionsabtrags in Mitteleuropa seit dem Frühmittelalter dem Zeitraum 1313 bis 1348 zu.[21] Dabei nimmt ein Einzelereignis – nach aller Plausibilität die Magdalenenflut von 1342 – eine beträchtliche Rolle ein. Diese Annahmen werden auch durch die Befunde aus Warvenchronologien unterstützt.[22]
Besonders betroffen zeigten sich von der Erosion landwirtschaftliche Nutzflächen in Höhenlagen, die oft erst im Zug des hochmittelalterlichen Landesausbaus erschlossen wurden. Sie verloren nach der geomorphologischen Einschätzung so viel fruchtbare Krume, dass ihre weitere Bewirtschaftung sinnlos wurde. Die Belege dafür lieferten markante, tobelartige Kerbtäler,

Die Wolfsschlucht bei Pritzenhagen/Oberbarnim, Brandenburg. Das Kerbtal ist wesentlich durch einige wenige Erosionsereignisse in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geprägt. (Quelle: Wikimedia Commons)Die Wolfsschlucht bei Pritzenhagen/Oberbarnim, Brandenburg. Das Kerbtal ist wesentlich durch einige wenige Erosionsereignisse in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts geprägt. (Foto: Lienhard Schulz, Lizenz: CC-BY-SA, Quelle: Wikimedia Commons)

durch massive Erosion (‚Schluchtenreissen‘) geschaffen, an deren Ende das weggespülte Erdreich sog. Schwemmfächer bildet. Die genaue Analyse von deren Schichten belegt wenige, einzelne Starkregenereignisse, die über im Material enthaltene Holzkohlestückchen auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert werden können. Im Einzugsgebiet eines untersuchten Schwemmfächers, am Abhang einer Rodungsfläche zu einem See hin gelegen, muss es zu großflächigen Verlusten an fruchtbarem Ackerboden gekommen sein.[23] Ein ähnlicher Befund wurde für spätmittelalterliche Wölbäcker im Eichsfeld festgestellt, die von einem singulären Niederschlagsereignis im 14. Jahrhundert verändert wurden, wobei hier eine Datierung des erodierten Materials über spätmittelalterliche Keramik plausibel gemacht werden konnte.[24] Vor diesem Hintergrund sollten die Wüstungsprozesse des Spätmittelalters über die sozialen, politischen und ökonomischen Erklärungstheorien von Wilhelm Abel hinaus gedacht werden – die meteorologischen Extremereignisse mit ihren mutmaßlich verheerenden Folgen für die Landwirtschaft sind als Faktor unbedingt mit einzubeziehen.[25] Aber auch die ungeklärte Frage nach dem Erlahmen des Landesausbaus in Ostmitteleuropa noch vor der Pest könnte von einer Untersuchung der klimatischen Ungunstverhältnisse seit 1300 profitieren. Im Einzelfall bestätigen auch die Schriftquellen die hydrologisch-bodenkundlich begründeten Hypothesen, wie etwa im Fall des Kloster Loccum bei Hannover: Es ergossen sich vom Himmel nämlich Regenmassen, Gewässer brachen aus der Erde hervor, Flüsse zerstörten die Dämme, Quellen und Gießbäche strömten aus der Erde, die Flüsse erhoben ihre Wasser, so daß sie über ihre Ufer traten, nicht nur die Saaten und viele Pflanzen auf den Feldern, sondern auch die Äcker selbst und die Wege vernichteten, in Burgen, Städte, Dörfer und Kirchen eindrangen, bis über die Altäre anwuchsen, Mauern und Türme umstießen, zahlreiche Menschen und Zugtiere ertränkten und viele andere Schäden herbeiführten.[26]
Es scheint daher sinnvoll, nicht nur nach Hinweisen auf Wüstungsprozesse, sondern auch nach Berichten zu Infrastrukturschäden bzw. Baumaßnahmen zum Hochwasserschutz oder zur Wiederherstellung von Brücken in Rechnungs- und Urkundenbüchern zu suchen. Rainer Schreg etwa hat ein anschauliches Beispiel in einer Urkunde gefunden, das sich auf einen Rechtsstreit im Zusammenhang mit einer Hangrutschung in Esslingen im September 1342 bezieht.[27] Christian Rohr verweist auf eine Donaubegradigung größeren Umfangs beim Kloster Oberalteich.[28] Am 23. September 1342 gewährte Ludwig d. Bayer eine Erhöhung des Brückenzolls für Frankfurt am Main und umliegende Ortschaften für Wiederaufbaumaßnahmen.[29] Außerdem ist nicht ausgeschlossen, dass die Jahrtausendflut von 1342 der zentralen Katastrophe des 14. Jahrhunderts den Weg ebnete: Inwiefern die Ernteeinbrüche in der Folge von 1342 sowie die ebenfalls sehr feuchten, häufig von Nahrungsmangel gekennzeichneten Jahre unmittelbar vor Ausbruch der Pest zum verheerenden Impact des Schwarzen Todes in Europa beigetragen haben, müsste weiter erforscht werden.

Nach dieser tour de force durch viele denkbare Perspektiven auf die Magdalenenflut 1342 hört dieses Opusculum dort auf, wo sonst die eigentliche historische Arbeit erst einsetzen würde. Das aufgezeigte Panorama, und sei es noch so unvollständig und verkürzt, sollte m.E. Historiker/innen ermutigen, das Jahrtausendereignis von 1342 genauer in den Blick zu nehmen, um einerseits die relativ reichen Schriftquellen systematisch zu sammeln und zu analysieren und andererseits die wertvollen Anregungen benachbarter, aber auch fremder Disziplinen aufzugreifen und das Gespräch mit den Kollegen zu suchen. Erst mit ihrer Hilfe können wir die Tragweite der Magdalenenflut richtig einschätzen und ersehen, ob auch aus geschichtswissenschaftlicher Sicht von einem Jahrtausendereignis gesprochen werden sollte.

[2] Vgl. Urkundenbuch der Stadt Göttingen, Bd. 1: Bis zum Jahre 1400, hg. v. Karl Gustav Schmidt, Hannover 1863, Nr. 236

[4] Rainer Schreg: Die Krisen des Spätmittelalters: Perspektiven, Potenziale und Probleme der archäologischen Krisenforschung, in: Falko Daim; Detlef Gronenborn; Rainer Schreg (Hrsg.): Strategien zum Überleben. Umweltkrisen und ihre Bewältigung, Mainz 2011, S.197-214; Ders., Bodenerosion 1342 – ein Rechtsstreit in Esslingen, in: Archäologik, 19. Januar 2013 und Ders., Unwetterschäden im Raum Tübingen im Jahr 1342 (?), in: Archäologik, 28. August 2013; Udo Recker: Wüstungserscheinungen im Kontext mittelalterlicher Unweltkrisen und Risiken, in: Falko Daim; Detlef Gronenborn; Rainer Schreg (Hrsg.): Strategien zum Überleben. Umweltkrisen und ihre Bewältigung, Mainz 2011, S.197-214

[5] Josef H. Reichholf: Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends, Frankfurt/Main 2007, S.  53f.; Rüdiger Glaser: Klimageschichte Mitteleuropas. 1200 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen, 2. aktual. und erw. Auflage, Darmstadt 2008, S. 230f. Umwelthistorische Werke: Wolfgang Behringer: Kulturgeschichte des Klimas. Von der Eiszeit bis zur globalen Erwärmung, Bonn 2007, S. 146; Christian Rohr: Extreme Naturereignisse im Ostalpenraum. Naturerfahrung im Spätmittelalter und am Beginn der Neuzeit, Köln; Weimar; Wien 2007, S. 226-228.

[7] Curt Weikinn: Quellentexte zur Witterungsgeschichte Europas von der Zeitenwende bis zum Jahre 1850. Hydrographie, Teil 1 (Zeitenwende – 1500), Berlin 1958 sowie fünf weitere Bände bis 1850. Dass damit nur 20% der Weikinnschen Sammlung ausgewertet wurden, lässt sich der Website eines abgeschlossenen Projekts der Sächsischen Akademie der Wissenschaften entnehmen. Es bleibt nur zu hoffen, dass eine baldige Veröffentlichung der dadurch erschlossenen meteorologischen Daten von Weikinn kurz bevorsteht.

[8] Vgl. Pierre Alexandre: Le Climat en Europe au Moyen Age. Contribution à l’histoire des variations climatiques de 1000 à 1425, d’après les sources narratives de l’Europe occidentale, Paris 1987, S. 467-470.

[9] So z.B. ein zufällig durch den Autor gefundener Beleg für Kloster Corvey im Weserland: Anno Domini 1343 [sic!] fuit diluvium aque et inundavit monasterium et castrum istut et fecit dampnum magnum undique et fames diu erat in terra. (Corveyer Abtskatalog von 1467, in: Friedrich Philippi; Otto Grotefend: Neue Quellen zur Geschichte Westfalens in Handschrift 861 der Leipziger Universitätsbibliothek, in: Westfälische Zeitschrift 60 (1902), S. 108-156, hier S. 144). Die Jahresangabe muss korrekt natürlich 1342 lauten.

[10] Zu verweisen wäre auf eine Gedenkinschrift am Würzburger Hof ‚Zum großen Löwen‘: DI 27, Die Würzburger Inschriften bis 1525. Auf der Grundlage des Nachlasses von Theodor Kramer unter Mitarbeit von Franz Xaver Hermann, bearbeitet von Karl Borchardt, Wiesbaden 1988, Nr. 61 u. Abb. 34. Auch auf einem Steinquader der Kirche St. Blasius in Hann.-Münden findet sich ein eindrucksvoller Beleg: DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 9 (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0000901. Eine nur schriftlich belegte Flutmarke in derselben Stadt: DI 66, Lkr. Göttingen, Nr. 10† (Sabine Wehking), in: www.inschriften.net, urn:nbn:de:0238-di066g012k0001007.

[11] Vgl. Gauger, Hochwasser und ihre Folgen (wie Anm. 3), S. 100; Zbinden, Magdalenen-Hochwasser (wie Anm. 6), S. 200.

[12] Vgl. Glaser, Klimageschichte (wie Anm. 5), S. 230.

[13] Vgl. Rohr, Extreme Naturereignisse (wie Anm. 5), S. 226.

[14] Vgl. Zbinden, Magdalenen-Hochwasser (wie Anm. 6), S. 200.

[15] Vgl. dazu die Datenbank Global Volcanism Program:  Denkbar wäre ein nur sehr grob auf 1340 datierter, massiver Ausbruch des Mont Pélee auf Martinique (Karibik) (Eruption No 12424) oder des isländische Hekla (Eruption No 12726).

[16] Vgl. nur ein Beispiel: Peter Schuster, Die Krise des Spätmittelalters. Zur Evidenz eines sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Paradigmas in der Geschichtsschreibung des 20 Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift 269 (1999), S. 19-55

[17] Vgl. Zbinden, Magdalenen-Hochwasser (wie Anm. 6), S. 197f., verweisend auf Gerd Tetzlaff, Michael Börngen, Manfred Mudelsee, Armin Raabe: Das Jahrtausendhochwasser von 1342 am Main aus meteorologisch-hydrologischer Sicht, in: Wasser&Boden 54 (2002), S. 41–49

[19] Vgl. z.B. die Konsequenzen für die Schweizerischen Atomkraftwerke und deren Hochwasserschutz, die sich aus den Ergebnissen einer historischen Rekonstruktion seit dem Beginn des Spätmittelalters ergeben müssten: Oliver Wetter, Christian Pfister, Rolf Weingartner, Jürg Luterbacher, Tom Reist & Jürg Trösch (2011): The largest floods in the High Rhine basin since 1268 assessed from documentary and instrumental evidence, in: Hydrological Sciences Journal 56/5 (2011), S.733-758

[20] Hans-Rudolf Bork; Arno Beyer; Annegret Kranz: Der 1000-jährige Niederschlag des Jahres 1342 und seine Folgen in Europa, in: Falko Daim; Detlef Gronenborn; Rainer Schreg (Hrsg.): Strategien zum Überleben. Umweltkrisen und ihre Bewältigung, Mainz 2011, S. 231-242; Hans-Rudolf Bork u.a.: Spuren des tausendjährigen Niederschlags von 1342, in: Ders. (Hg.): Landschaften der Erde unter dem Einfluss des Menschen, Darmstadt 2006, S. 115–120;  Hans-Rudolf Bork; Markus Dotterweich: Jahrtausendflut 1342, in: Archäologie in Deutschland 4 (2007), S. 20-23; Hans-Rudolf Bork u.a.: Landschaftsentwicklung in Mitteleuropa. Wirkungen des Menschen auf Landschaften, Gotha 1998, hier v.a. S. 226-251.

[21] „Von 1313 bis 1348 wurden in Deutschland zusammen 34 Mrd. t Boden erodiert – etwa die Hälfte des gesamten mittelalterlich-neuzeitlichen Bodenabtrags. Die ackerbaulich genutzten, von Bodenerosion betroffenen Flächen Deutschlands wurden von 1310 bis 1350 im Mittel um etwa 25 cm tiefer gelegt.“ (Ebd., S. 230).

[22] So z.B. die Untersuchung des Schalkenmehrener Maars, vgl. Frank Sirocko (Hg): Wetter, Klima, Menschheitsentwicklung. Von der Eiszeit bis ins 21. Jahrhundert, Darmstadt 2009, S. 167f.

[23] Das gut untersuchte Beispiel findet sich im ostelbischen Ausbaugebiet, in der sog. Wolfsschlucht bei Pritzhagen (Barnim, Brandenburg). Vgl. Bork, Landschaftsentwicklung (wie Anm. 20), S. 66-75. Ähnliche Kerbtäler sind etwa die sog. ‘Rummeln’ im Hohen Fläming, ebenfalls einer von massiven Wüstungsprozessen im Spätmittelalter veränderten Landschaft, die im Ausbauprozess v.a. durch große Getreideanbauflächen auf der Hochebene gekennzeichnet war.

[24] Die Grabung zwischen Rüdershausen und Gieboldeshausen war der Ausgangspunkt der Beschäftigung Borks mit den spätmittelalterlichen Erosionsphänomenen, vgl. Bork, Landschaftsentwicklung (wie Anm. 20), S. 93-102.

[25] Eine echte Beweisführung über Zusammenhänge zwischen klimatischen Veränderungen und Wüstungen hat bisher nämlich seitens der Historiker noch nicht stattgefunden, auch nicht im einschlägig betitelten Artikel von Werner Rösener: Die Wüstungen des Spätmittelalters und die Klimafaktoren, in: Zeitschrift des Vereins für Hessische Geschichte und Landeskunde 115 (2010), S. 57-77.  Ermutigende Befunde aber von archäologisch-naturwissenschaftlicher Seite: Markus Dotterweich;  Jochen Haberstroh: Bodenressourcennutzung und Klimawandel zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Barbara Scholkmann u.a. (Hg.): Zwischen Tradition und Wandel. Archäologie des 15. und 16. Jahrhunderts, Büchenbach 2009 (Tübinger Forschungen zur historischen Archäologie 3), S. 501-510

[26] Nam pluvis a coelo descentibus et aquis de terra emergentibus ruinis aggerum ruptis, fontibus et torrentibus supereffluentibus, flumina levaverunt aquas suas ita, ut metas suas transcendentes non solum segetes et multa viventia in agris, verum etiam ipsos agros et vias dissiparent, castra, civitates, villas et ecclesias intrarent, super altaria ascenderent, muros, domos, turres everterent, plures hominess et jumenta submergando necarent et alia plura damna (De Origine et Abbatibus Monasterii Luccensis, in: Gottfried Wilhelm Leibniz (Hg.): Scriptores Brunsvicensiusm illustrationi inservientes. Bd. 3, Hannover 1711, S. 690-699, hier: 695). Übersetzung nach Christoph Erich Weidemann, Geschichte des Klosters Loccum, hg. v. Friedrich Burchard Köster, Göttingen 1822. Mit ganz ähnlichem Tenor, wenn auch weniger konkret Johann von Viktring, Liber certarum historiarum (MGH SSrG 36, 2) Buch 6, Kapitel 11, S. 225f.

[28] Vgl. Rohr, Extreme Naturereignisse (wie Anm. 5), S. 227, 364f.; RI VII, H. 1,3, Nr. 591; RI VIII, H. 3, Nr. 533

[29] Vgl. Johann Friedrich Böhmer (Hg.): Codex diplomaticus Moenofrancofurtanus. Urkundenbuch der Reichstadt Frankfurt, Frankfurt /Main 1836, S. 578f. Den Hinweis auf die erste der beiden Urkunden verdanke ich Frau Ulrike Fliege (Darmstadt).

Citation: Martin Bauch: Die Magdalenenflut 1342 – ein unterschätztes Jahrtausendereignis?, in: Mittelalter. Interdisziplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, 04. Februar 2014, http://mittelalter.hypotheses.org/3016 (ISSN 2197-6120).

 

 

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/3016

Weiterlesen