Traditionell ist die Schulpolitik ein beliebtes Wahlkampfthema für Landespolitiker.
Quelle: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Online-Lernen/content/10234
Geschichtswissenschaftliche Blogs auf einen Blick
Traditionell ist die Schulpolitik ein beliebtes Wahlkampfthema für Landespolitiker.
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Vom 19.-20. März 2012 fand in Den Haag das Abschluss-Symposium von Interedition zum Thema “Scholarly Digital Editions, Tools and Infrastructure” statt. In dem vielfältigen Programm des Symposiums wurden aktuelle und teils brandneue Entwicklungen im Bereich der Technologien rund um digitale Edition vorgestellt: von hoch flexibel interagierenden microservices über wohldefinierte Tools bis hin zu Infrastrukturprojekten mit Bezug zur digitalen Edition und zur Aufbereitung und Analyse konkreter Textsammlungen.
Im Bereich der microservices wurden beispielsweise mehrere Ergebnisse der Interedition Bootcamps vorgestellt: so unter anderem im Bereich der Kollationierung der flexible Verbund von CollateX mit einem Variant Graph Modul und einem Regularisierungsinterface (Tara Andrews, Troy Griffit, Joris van Zundert); mehrere micoservices im Bereich von Open Annotation und Linked Data (Grant Dickie, Moritz Wissenbach, Marco Petris); ergänzt wurden diese Beiträge durch Reflexionen darüber, wie Kollationierungstools wie Juxta oder CollateX mit oft sehr unterschiedlich kodierten TEI-Texten zurechtkommen können (Gregor Middell).
Im Bereich der eigenständigen Tools standen etablierte Projekte im Vordergrund: beispielsweise die Versioning Machine, die seit 1993 stetig weiterentwickelt wird und deren Bedeutung nicht zuletzt darin liegt, dass sie DH-Neulingen eindrücklich veranschaulicht, welche Möglichkeiten das digitale Medium mit sich bringt (Susan Schreibman); oder das Kollationierungstool Juxta, das mit einer schicken Desktop-Version, zahlreichen Funktionen und (ganz aktuell) mit der verstärkten Expansion in Richtung Webservice und API beeindruckte (Nick Laiacona).
Im Bereich der Infrastrukturen war einerseits Textgrid als Virtuelle Forschungsumgebung vertreten, wobei der Vortrag deutlich machte, wie die Weiterentwicklung dieser Umgebung stetig voranschreitet, unter anderem durch die Integration weiterer Tools, wie bspw. MEISE, der Editor für MEI-Dateien (Celia Krause, Philip Vanscheidt). Und auch DARIAH wurde vorgestellt, wobei der Fokus auf den konkreten DARIAH-Services lag, die DARIAH Entwicklern und Herausgebern von digitalen Editionen anbieten kann, vom Developer Portal über die Bit Preservation bis zu Referenzdaten-Services (Christiane Fritze, Christof Schöch).
Ebenfalls zum Thema Infrastrukturen, aber aus einer etwas anderen Perspektive, gab es zwei weitere Beiträge: ein knackiges Plädoyer dafür, dass doch lieber alle dazu beitragen sollten, einen gemeinsamen Daten- und Tool-Ozean zu managen, anstatt dass jeder ein kleines, privates Aquarium baut (Martin Wynne); und einen Beitrag mit dem schönen Titel “Smaller is Smarter”, der dazu provozierte, die positiven Erfahrungen mit “agile development” und “programming sprints” in den Interedition Bootcamps auch in großen Infrastrukturprojekten wie DARIAH zu nutzen (Doug Reside), wobei letztlich deutlich wurde, dass beide Ansätze sicherlich vor allem in ihrer Komplementarität am nützlichsten sein werden.
An Beiträgen, die weniger aus der Perspektive der Tools auf die Forschung, denn aus der Perspektive eines konkreten Forschungsprojektes auf die Durchführung und technische Umsetzung blickte, mangelte es aber auch nicht. Unter anderem wurde das Womens Writers in History-Projekt vorgestellt, in dem es zentral darum geht, die Rezeptionsgeschichte der Werke weiblicher Autoren in einer Datenbank zu modellieren (Suzan van Dijk, Gertjan Filarski), oder das Ancient Greek Dependency Treebank Projekt, in dem das altgriechische Korpus des Perseus Projects mit morphologischen, syntaktischen und pragmatischen Annotationen angereichtert wird (Marie-Claire Beaulieu, Mathew Harrington, Francesco Mambrini).
Den Abschluss des Symposiums bildete der Vortrag von Joris van Zundert, der Leiter von Interedition, der auf die Erfahrungen aus dem vierjährigen Projekt zurückblickte. Deutlich wurde dabei, dass eine Vision (ein lockeres Netzwerk interoperabler microservices), eine flexible und innovative Arbeitsweise (Bootcamps) und vor allem, motivierte und kompetente Menschen (Programmierer und Editionswissenschaftler) sowie genügend Reisemittel (in diesem Fall COST Action-Mittel) zusammenkommen müssen, damit all die faszinierenden und hochaktuellen Tools entstehen können, die Interedition jetzt vorweisen kann. Auch wenn die Veranstaltung eigentlich das Abschluss-Symposium war, ist kaum vorstellbar, dass es nicht irgendwie weitergeht! Und was ist mit den Archäologen und Tauchern? Zu dieser Geschichte muss jeder Joris van Zundert selbst fragen.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=356
Expertengespräch zur Begleitung des DFG-Projekts „Virtuelles deutsches Urkundennetzwerk (VdU)“ in Marburg
25.05.2012 10:00 Uhr – 16:00 Uhr
Die Urkunden des Mittelalters und der Frühen Neuzeit gehören nicht nur zu den wichtigsten archivischen Quellengruppen, ohne die eine Erforschung der europäischen Vergangenheit kaum denkbar wäre. Als in der Regel einblättrige Stücke eignen sie sich auch besonders gut zur Digitalisierung sowie Präsentation und Bearbeitung im Internet. Seit einigen Jahren nehmen daher Digitalisierungsprojekte von Urkundenbeständen deutscher Archive zu. Das DFG-geförderte Projekt „Virtuelles deutsches Urkundennetzwerk (VdU)“ hat sich unter anderem die Entwicklung einer virtuellen Arbeitsumgebung zum Ziel gesetzt hat, welche an die Anforderungen von Forschung und Lehre angepasst werden soll.
Mit einem Expertengespräch soll nun auch der externe Sachverstand eingebunden werden: Gemeinsam mit führenden Mediävisten, Archivaren und Digitalisierungsdienstleistern werden Perspektiven der Urkundendigitalisierung im Allgemeinen erörtert und Vorschläge für ein wissenschaftlich und organisatorisch sinnvolles nationales Programm entwickelt.
Ort: Marburg, Hessisches Staatsarchiv, Friedrichsplatz 15
Veranstalter: DFG-Projekt „VdU“, Hessisches Staatsarchiv Marburg, Deutsche Kommission für die Bearbeitung der Regesta Imperii, Abteilung Historische Grundwissenschaften und Historische Medienkunde der LMU München
Programm
10.00 Begrüßung (Dr. Andreas Hedwig, Prof. Dr. Irmgard Fees)
10.30 Prof. Dr. Claudia Märtl (MGH): Die Relevanz der Beschäftigung mit mittelalterlichen Urkunden heute
11.00 Prof. Dr. Enno Bünz (Universität Leipzig): Digitalisierungsprojekte und die Probleme der Bearbeitung spätmittelalterlicher Urkundenbestände
11.30 Prof. Dr. Michael Menzel (Humboldt-Universität Berlin): Welche Prioritäten sind bei der Digitalisierung von Urkundenbeständen aus der Sicht der Forschung zu setzen?
12.00 Diskussion
12.30 Mittagspause
14.00 Dr. Andreas Hedwig (Hessisches Staatsarchiv Marburg): Welche Prioritäten sind bei der Digitalisierung von Urkundenbeständen aus der Sicht der Archive zu setzen?
14.30 Prof. Dr. Franz Fuchs (Universität Würzburg): Was ist unbedingt erforderlich, um mit digitalisierten Urkunden zu arbeiten?
15.00 Prof. Dr. Hedwig Röckelein (Universität Göttingen): Zur Digitalisierung universitärer Lehrsammlungen
15.30 Dr. Daniel Jeller (ICARUS): Technische Details: Wie sehen erschwingliche Lösungen aus?
16.00 Abschluß (Prof. Dr. Manfred Thaller)
Bei Interesse der Teilnehmer bietet das Hessische Staatsarchiv Marburg im Anschluß an den Workshop eine Führung durch die Urkundenabteilung an (Leitung: Dr. Francesco Roberg).
Die Teilnahme ist kostenlos; Anmeldung erbeten bis zum 15. Mai 2012 per E-Mail an:
Stadtarchiv Speyer
hiltrud.zellner@stadt-speyer.de
Tel. +49 (0) 62 32/14 22 65
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=348
Ein Besuch auf der Leipziger Buchmesse hat mich auf eine Literaturgattung aufmerksam gemacht, die oft Gegenstand harter – und oft grenzüberschreitender – Auseinandersetzung über die “richtige” Geschichtsdarstellung gewesen ist: Lehr- und Geschichtsbücher. Während ich an einer Vielzahl von Lehrbuchverlagen vorbeiging, erinnerte ich mich an einen Zeitungsarikel der norwegischen Aftenposten aus den frühen 1960er Jahren. Darin forderte der Autor – ganz nach dem Titel des Artikels »Hårdt tiltrengt revisjon av lærebøkene i de tyske skoler« (21. Januar 1961) – eine Korrektur der deutschen Geschichtsbücher. Unter anderem kritisierte der Artikel “die unkorrekte Darstellung des Überfalls [auf Norwegen und Dänemark 1940, Anm. RZ]” sowie die apologethische Erklärung zur Besetzung der nordischen Nachbarn. Auf besonderes Unverständnis stieß das völlige Weglassen von detaillierteren Schilderungen zum deutschen Terror und dem Besatzungsregime in Norwegen.
Dies habe ich zum Anlass genommen, mir die aktuellen Lehrbücher zweier großer Verlage auf genau diese Kritik hin anzuschauen. Ich wollte wissen, wie der Überfall auf die skandinavischen Länder während des Weltkrieges in den heutigen Schulbüchern dargestellt wird und welchen Umfang die Beschreibung der anschließenden Besatzungsherrschaft einnimmt.
Vorweg sollte ich noch erwähnen, dass die beiden Beispiele weder repräsentativ für alle Geschichtsbücher auf dem deutschen Büchermarkt sind, noch dem stark förderalen Bildungssystem der Bundesrepublik mit all seinen verschiedenen Lehrplänen Rechnung tragen. Mir kommt es daher eher auf die Tendenzen der Aussagen als den genauen Wortlaut an.
Das erste Werk, das ich mir anschaute, war Geschichte und Geschehen, Oberstufe Gesamtband des Klett-Verlags. Hier wird der Überfall (und nur dieser) in drei Zeilen abgehandelt. So heißt es unter der Überschrift Deutschlands Führung verrechnet sich in Europa:
“Um sich wichtige Rohstoffe für die Rüstungsindustrie gegen einen möglichen britischen Zugriff zu sichern (schwedisches Eisenerz), überfiel Deutschland im April 1940 die neutralen Staaten Dänemark und Norwegen.” (S. 426)
Weitere Verweise auf das Besatzungsregime habe ich nicht gefunden (kann diese aber auch nicht 100% ausschließen, schließlich konnte ich die Lehrbücher nur an einem Messestand durchsehen).
Als Vergleichsexemplar habe ich das Geschichtslehrbuch Kursbuch Geschichte (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern) des Cornelsen-Verlages herangezogen. Unter den Unterpunkt Eroberungs- und Besatzungspolitik heißt es wieder auf drei Zeilen [sic]:
“Bevor das Deutsche Reich seine Offensive im Westen eröffnete, besetzte die Wehrmacht Dänemark und Norwegen, um die Nordflanke sowie die für die Kriegsführung notwendige Versorgung mit Erzen abzusichern.” (S. 449)
Wieder konnte ich keine Hinweise auf die eigentliche Besatzung oder wenigstens einen Verweis auf weiterführende Informationen entdecken. Stattdessen dominieren in den Geschichtsbüchern die Geschehnisse an der Ost- und Westfront. Skandninavien wird mehr oder minder ausgeklammert bzw. nur am Rande erwähnt.
Leider hatte ich bisher keine Möglichkeit diese Textstellen mit anderen deutschen Lehrbüchern aus den ersten Nachkriegsjahrzehnten zu vergleichen.
In Anbetracht der Fülle an Material, das die Autoren in nur wenigen Seiten überblicksartig darzustellen versuchen, ist die Kürze der Beschreibung nicht überraschend. Dennoch laden auch heute noch die deutschen Lehrbücher zur gleichen Kritik ein, die bereits vor über 50 Jahren im Aftenposten-Artikel aufgeführt wurde. Zumindest findet man keine Anspielung auf die “Race-to-Scandinavia”-These allá Walther Hubatsch (siehe letzter Post). Leider versäumen auch heutige Geschichtsbücher, auf die Rolle des Zweiten Weltkriegs für die Selbst- und Deutschlandwahrnehmung unserer skandinavischen Nachbarn einzugehen. Im Allgemeinen sollten die Deutschlandbilder unserer unmittelbaren Nachbarn im Unterricht Einzug halten, um die nationale Nabelschau im Geschichtsunterricht weiter entgegenzuwirken und ein europäisches Geschichtsverständnis zu fördern.
Weniger überraschend, aber nicht minder enttäuschend ist die fehlende Differenzierung zwischen den Besatzungsverläufen in Norwegen und Dänemark. Dies ist eine Disparität, auf die in beiden Ländern großen Wert gelegt wird und in Deutschland zu oft unterschlagen wird. (1)
(1) Vgl. Dahl, Hans F., et al. (Hrsg.): Danske tilstander, norske tilstander – Forskjeller og likheter under tysk okkupasjon 1940-45, Oslo: Forlaget Press, 2010.
Quelle: http://geschichtsweberei.blogspot.com/2012/03/rome-reborn-22_21.html
Quelle: http://geschichtsweberei.blogspot.com/2012/03/rome-reborn-22_21.html
Von einer Krise der europäischen Integration zu sprechen, wirkt fast schon abgedroschen. Es ist gerade sechs Jahre her, da wurde – kurz vor dem Ausbruch der neuen, großen Weltwirtschaftskrise und nicht zuletzt auch in der PROKLA (Nr. 144 Europa, September 2006) – eine Verfassungskrise der EU diagnostiziert. Krisen in der Geschichte der europäischen Integration sind nichts Neues. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise 2008/09 haben jedoch zu einer Eskalation der Widersprüche dieser Integration geführt. Wie die „Eurosklerose“ der 1970er und frühen 1980er Jahre infolge der Krise des Fordismus könnte auch die gegenwärtige Krise der EU am Ende zu einem neuen Schub der Vertiefung der europäischen Integration führen. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Europäische Währungsunion und möglicherweise auch die Europäische Union zerbrechen. Klar ist nur, dass der Status Quo so nicht mehr haltbar ist. Die bisherige Krisenpolitik hat jedenfalls nicht zu einer Überwindung der Krise geführt, geschweige denn zu einer Aufhebung der ihr zugrunde liegenden Widersprüche. Die Ursachen der Krise und mögliche Lösungsstrategien werden in allen gesellschaftlichen Lagern kontrovers diskutiert: Unterstützung Griechenlands und anderer verschuldeter Staaten oder Insolvenz, aber Verbleib in der Euro-Zone, Aufspaltung der Euro-Zone sind nur einige der Szenarien. Die Beiträge des geplanten Heftes sollen die Zusammenhänge zwischen der gegenwärtigen Verschuldungs- und Bankenkrise in Europa und den Widersprüchen des gegenwärtigen, finanzialisierten Modells kapitalistischer Akkumulation einerseits und den Widersprüchen der europäischen Integration andererseits in den Blick zu nehmen. Vor diesem Hintergrund stellen sich zahlreiche Fragen:
1. Vordergründig werden Schuldenbremse und Austeritätspolitik damit begründet, das Vertrauen der Gläubiger und Finanzinvestoren („der Märkte“) in die Eurozone wieder herzustellen. Es ist jedoch absehbar, dass die von der „Troika“ (EU-Kommission, EZB, IWF) geforderte Politik nicht nur in Griechenland zu einer Verschärfung der ökonomischen Krise führt. Die in den USA und England praktizierte Politik, dass die Zentralbank unbegrenzt Staatsanleihen aufkauft, wird der EZB untersagt. Welche unterschiedlichen Interessen stehen hinter diesen Differenzen? Welche Möglichkeiten hätte die EZB tatsächlich? Und welche Bedeutung hat dabei die hybride Struktur des Euro-Raums, der sich durch eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik auszeichnet? Welche Rolle spielen die verschiedenen Akteure der Krisenpolitik: EU-Kommission, IWF, Frankfurt-Group, EZB? Wie unterscheiden sich Krisen- und Austeritätspolitik in den einzelnen europäischen Staaten? Wie sind der Aufstieg und Niedergang der ehemaligen neoliberalen Erfolgsmodelle (wie des „keltischen Tigers“ Irland) zu bewerten?
2. Was hat es mit der Behauptung auf sich, daß es bei der herrschenden Krisenstrategie um die Durchsetzung deutscher imperialistischer Interessen ginge? Die Kontroversen um das „richtige“ Krisenmanagement erscheinen häufig als Gegensätze zwischen nationalen Regierungen: Während die deutsche und die französische Regierung z.B. für eine Finanztransaktionssteuer plädieren, blockt die britische Regierung dies ab. Während in Großbritannien gefordert wird, die EZB solle unbeschränkt Staatsanleihen aufkaufen, wird dies in Deutschland abgelehnt. Die britische Regierung verteidigt explizit den Finanzplatz London, an dem ein großer Teil der britischen Einkommen erwirtschaftet wird. Aber inwiefern kann man angesichts transnationaler Unternehmen und eines globalen Konkurrenzkapitalismus davon sprechen, dass die jeweiligen nationalen Regierungen die Interessen nationaler Kapitale vertreten? Inwieweit unterscheiden sich die Interessen des „deutschen“, „französischen“ oder „britischen“ Kapitals? Inwieweit sind die Kontroversen zwischen Regierungen Ausdruck kapitalistischer Konkurrenz und imperialistischer Rivalität? Und handelt es sich zunehmend um ein Europa unter deutscher Dominanz?
3. Die Krise der EU und des Euro sollte nicht isoliert betrachtet werden, sie findet in einer krisen- und konflikthaften Weltwirtschaft statt. Während sich in den USA die Ökonomie nur langsam von der Krise 2008/09 erholt, nimmt sowohl die öffentliche als auch die private Verschuldung immer schneller zu und die politische Klasse der USA ist in der Frage, wie mit Krise und Verschuldung umzugehen sei, zutiefst gespalten. Gleichzeitig werden die kapitalistischen Schwellenländer immer stärker. Sowohl auf den Absatzmärkten für Fertigwaren als auch auf den Rohstoffmärkten verschärft sich die Konkurrenz mit dem nordamerikanischen und westeuropäischen Kapital. Wie wirken sich diese globalen Bedingungen auf die Krise in Europa aus?
4. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus den Antworten auf all diese Fragen für eine emanzipatorische Politik? Die Linke erscheint bezüglich der Krisenpolitik genauso uneins wie die Intellektuellen des Kapitals. Was könnten kurzfristige Forderungen sein? Sollte die Forderung nach Schuldenstreichung in Zentrum stehen, oder greift eine solche Forderung zu kurz, weil ihre Realisierung lediglich zu einer Zuspitzung der Krise führen würde? Bietet für einzelne Länder wie Griechenland der Austritt aus der Eurozone tatsächlich die Perspektive für eine andere Politik? Ist der Nationalstaat die wichtige Arena für linke Politik oder ist dies eher die europäische Ebene? Sollte es um die Unabhängigkeit der Nationalstaaten oder um Demokratisierung der EU gehen? Oder ist eine dritte, neutrale Position erforderlich, die versucht, Löhne, Sozialleistungen, öffentliche Dienstleistungen und demokratische Errungenschaften gegen die Austeritätspolitik zu verteidigen, ohne sich dabei für oder gegen den Euro auszusprechen? Was könnten mittel- oder längerfristige Ziele sein? Wie könnte ein Konzept für ein sozialistisches Europa aussehen? Inwieweit ist eine Beeinflussung der europäischen Politik im emanzipatorischen Sinne überhaupt realistisch? Andererseits, was wären die Folgen einer Auflösung der Eurozone bzw. der Europäischen Union?
Die Redaktion lädt zur Einsendung von Exposés von 1-2 Seiten bis zum 28. März 2012 ein. Die fertigen Beiträge müssen bis zum 25. Juni 2012 vorliegen, sie sollten einen Umfang von 50.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen, Fußnoten, Literaturverzeichnis) nicht überschreiten. Zusendungen bitte als doc oder rtf-Datei an:
redaktion@prokla.de
sablowski@soz.uni-frankfurt.de
demirovic@em.uni-frankfurt.de
Von einer Krise der europäischen Integration zu sprechen, wirkt fast schon abgedroschen. Es ist gerade sechs Jahre her, da wurde – kurz vor dem Ausbruch der neuen, großen Weltwirtschaftskrise und nicht zuletzt auch in der PROKLA (Nr. 144 Europa, September 2006) – eine Verfassungskrise der EU diagnostiziert. Krisen in der Geschichte der europäischen Integration sind nichts Neues. Die Folgen der Weltwirtschaftskrise 2008/09 haben jedoch zu einer Eskalation der Widersprüche dieser Integration geführt. Wie die „Eurosklerose“ der 1970er und frühen 1980er Jahre infolge der Krise des Fordismus könnte auch die gegenwärtige Krise der EU am Ende zu einem neuen Schub der Vertiefung der europäischen Integration führen. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Europäische Währungsunion und möglicherweise auch die Europäische Union zerbrechen. Klar ist nur, dass der Status Quo so nicht mehr haltbar ist. Die bisherige Krisenpolitik hat jedenfalls nicht zu einer Überwindung der Krise geführt, geschweige denn zu einer Aufhebung der ihr zugrunde liegenden Widersprüche. Die Ursachen der Krise und mögliche Lösungsstrategien werden in allen gesellschaftlichen Lagern kontrovers diskutiert: Unterstützung Griechenlands und anderer verschuldeter Staaten oder Insolvenz, aber Verbleib in der Euro-Zone, Aufspaltung der Euro-Zone sind nur einige der Szenarien. Die Beiträge des geplanten Heftes sollen die Zusammenhänge zwischen der gegenwärtigen Verschuldungs- und Bankenkrise in Europa und den Widersprüchen des gegenwärtigen, finanzialisierten Modells kapitalistischer Akkumulation einerseits und den Widersprüchen der europäischen Integration andererseits in den Blick zu nehmen. Vor diesem Hintergrund stellen sich zahlreiche Fragen:
1. Vordergründig werden Schuldenbremse und Austeritätspolitik damit begründet, das Vertrauen der Gläubiger und Finanzinvestoren („der Märkte“) in die Eurozone wieder herzustellen. Es ist jedoch absehbar, dass die von der „Troika“ (EU-Kommission, EZB, IWF) geforderte Politik nicht nur in Griechenland zu einer Verschärfung der ökonomischen Krise führt. Die in den USA und England praktizierte Politik, dass die Zentralbank unbegrenzt Staatsanleihen aufkauft, wird der EZB untersagt. Welche unterschiedlichen Interessen stehen hinter diesen Differenzen? Welche Möglichkeiten hätte die EZB tatsächlich? Und welche Bedeutung hat dabei die hybride Struktur des Euro-Raums, der sich durch eine gemeinsame Währung ohne gemeinsame Wirtschafts- und Fiskalpolitik auszeichnet? Welche Rolle spielen die verschiedenen Akteure der Krisenpolitik: EU-Kommission, IWF, Frankfurt-Group, EZB? Wie unterscheiden sich Krisen- und Austeritätspolitik in den einzelnen europäischen Staaten? Wie sind der Aufstieg und Niedergang der ehemaligen neoliberalen Erfolgsmodelle (wie des „keltischen Tigers“ Irland) zu bewerten?
2. Was hat es mit der Behauptung auf sich, daß es bei der herrschenden Krisenstrategie um die Durchsetzung deutscher imperialistischer Interessen ginge? Die Kontroversen um das „richtige“ Krisenmanagement erscheinen häufig als Gegensätze zwischen nationalen Regierungen: Während die deutsche und die französische Regierung z.B. für eine Finanztransaktionssteuer plädieren, blockt die britische Regierung dies ab. Während in Großbritannien gefordert wird, die EZB solle unbeschränkt Staatsanleihen aufkaufen, wird dies in Deutschland abgelehnt. Die britische Regierung verteidigt explizit den Finanzplatz London, an dem ein großer Teil der britischen Einkommen erwirtschaftet wird. Aber inwiefern kann man angesichts transnationaler Unternehmen und eines globalen Konkurrenzkapitalismus davon sprechen, dass die jeweiligen nationalen Regierungen die Interessen nationaler Kapitale vertreten? Inwieweit unterscheiden sich die Interessen des „deutschen“, „französischen“ oder „britischen“ Kapitals? Inwieweit sind die Kontroversen zwischen Regierungen Ausdruck kapitalistischer Konkurrenz und imperialistischer Rivalität? Und handelt es sich zunehmend um ein Europa unter deutscher Dominanz?
3. Die Krise der EU und des Euro sollte nicht isoliert betrachtet werden, sie findet in einer krisen- und konflikthaften Weltwirtschaft statt. Während sich in den USA die Ökonomie nur langsam von der Krise 2008/09 erholt, nimmt sowohl die öffentliche als auch die private Verschuldung immer schneller zu und die politische Klasse der USA ist in der Frage, wie mit Krise und Verschuldung umzugehen sei, zutiefst gespalten. Gleichzeitig werden die kapitalistischen Schwellenländer immer stärker. Sowohl auf den Absatzmärkten für Fertigwaren als auch auf den Rohstoffmärkten verschärft sich die Konkurrenz mit dem nordamerikanischen und westeuropäischen Kapital. Wie wirken sich diese globalen Bedingungen auf die Krise in Europa aus?
4. Welche Schlussfolgerungen ergeben sich aus den Antworten auf all diese Fragen für eine emanzipatorische Politik? Die Linke erscheint bezüglich der Krisenpolitik genauso uneins wie die Intellektuellen des Kapitals. Was könnten kurzfristige Forderungen sein? Sollte die Forderung nach Schuldenstreichung in Zentrum stehen, oder greift eine solche Forderung zu kurz, weil ihre Realisierung lediglich zu einer Zuspitzung der Krise führen würde? Bietet für einzelne Länder wie Griechenland der Austritt aus der Eurozone tatsächlich die Perspektive für eine andere Politik? Ist der Nationalstaat die wichtige Arena für linke Politik oder ist dies eher die europäische Ebene? Sollte es um die Unabhängigkeit der Nationalstaaten oder um Demokratisierung der EU gehen? Oder ist eine dritte, neutrale Position erforderlich, die versucht, Löhne, Sozialleistungen, öffentliche Dienstleistungen und demokratische Errungenschaften gegen die Austeritätspolitik zu verteidigen, ohne sich dabei für oder gegen den Euro auszusprechen? Was könnten mittel- oder längerfristige Ziele sein? Wie könnte ein Konzept für ein sozialistisches Europa aussehen? Inwieweit ist eine Beeinflussung der europäischen Politik im emanzipatorischen Sinne überhaupt realistisch? Andererseits, was wären die Folgen einer Auflösung der Eurozone bzw. der Europäischen Union?
Die Redaktion lädt zur Einsendung von Exposés von 1-2 Seiten bis zum 28. März 2012 ein. Die fertigen Beiträge müssen bis zum 25. Juni 2012 vorliegen, sie sollten einen Umfang von 50.000 Zeichen (inklusive Leerzeichen, Fußnoten, Literaturverzeichnis) nicht überschreiten. Zusendungen bitte als doc oder rtf-Datei an:
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