Ich wurde aufmerksam gemacht auf den Artikel „Die sollen ruhig spielen“ in der Wirtschaftwoche vom 8.10.2012. In diesem geht es u.a. um Mitarbeitermotivation, die man durch Spiele zu erreichen versucht. Als Beispiel wurde die Mitarbeiterin Jennifer, die in einem Callcenter arbeitet, genannt. Sie habe sich nach der gamifizierenden Umgestaltung ihres Arbeitsplatzes frisch motiviert gefühlt. Zitat: “Ihre Motivation wächst spürbar, als sie von zu Hause arbeitet und sich von dort ihrem 20-köpfigen Team anschließen kann“. Von zu Hause aus arbeiten spart dem Arbeitgeber schon mal eine Menge Geld. Toll, wenn der Arbeitnehmer selbst für seinen Arbeitsplatz sorgt. Weiter heißt es: „Gemeinsam mit ihren Kollegen begibt sie sich nun auf Schatzsuche mit einem virtuellen Piratenschiff – und in den Wettbewerb mit anderen Teams. Gehen Anrufe ein, bekommt Jennifer nun Punkte gutgeschrieben, wenn sie Daten akkurat eingibt. Eine Software analysiert außerdem Stimme und Stresspegel – tritt Jennifer souverän auf, gibt es extra Punkte…“. Überwachung total also. In einem Job, in dem das Geld bestimmt nicht vom Himmel regnet. Wenn Arbeitgeber meinen, damit Mitarbeiter motivieren zu können, sind sie falsch gewickelt. Das ist Sklaventreiberei. Nichts anderes!
Hier eine Ansage an alle Arbeitgeber und Firmenchefs, die diese Art der gamifizierenden Anwendungen einsetzen oder planen einzusetzen: Wacht endlich auf! Schult eure Führungskräfte und euch selbst gleich mit. Schmeißt die psychisch Gestörten in euren Betrieben, wie die Narzissten, raus. Bezahlt eure Arbeitnehmer leistungsgerecht. Sorgt dafür, dass die Kommunikation im Unternehmen fließt und dass eure Mitarbeiter sich ernst genommen fühlen. Dann braucht ihr keine Spiele, dann läuft der Laden. Ihr habt soziale Verantwortung für eure Mitarbeiter. Nehmt sie wahr und versteckt euer Unvermögen nicht hinter teuren Investitionen, die ihr mal eben einkauft und installiert. Für euch mag das für eine Weile funktionieren, denn für den Burnout eurer Mitarbeiter zahlt ihr ja nicht. Ihr schmeißt sie weg und saugt einfach den nächsten aus. Wir, der Rest der Gesellschaft, wir zahlen das. Und natürlich die, die es erwischt. Die, die keine andere Wahl haben. Die solche Jobs annehmen müssen. Die Punkte sammeln müssen, um ihr Gehalt sauer zu verdienen. Habt ihr schon mal das Wort „Ethik“ gehört?
Ich kann mich auch den folgenden Aussagen von Nora Stampfl [1] nicht anschließen. Zitat:“ Es wächst eine Generation heran, die mit Computerspielen groß geworden ist. Für diese Menschen ist es selbstverständlich, Aufgaben spielerisch zu lösen, Spiele sind für sie eine zweite Muttersprache. Um als Arbeitgeber attraktiv zu sein, müssen sich Unternehmen in diese Art des Denkens hineinversetzen können.“ Diese Meinung ist Wasser auf die Mühlen der Unternehmer, die meinen, mit Gamification eine höhere Ausbeute ihrer Mitarbeiter zu erreichen. Hier fehlt ein deutlicher Appell hinsichtlich eines ethischen Einsatzes dieser Anwendungen, den es ja durchaus gibt und für die der Artikel der Wirtschaftswoche Beispiele bringt.
Wer meint, Gamification sei Ersatz für den wertschätzenden Umgang mit Mitarbeitern, muss aufpassen, dass sein Piratenschiff nicht eines Tages absäuft.
!!!
Weitere Artikel:
Manfred Engeser: Die sollen ruhig spielen, Wirtschaftswoche Nr. 41 vom 8.10.2012
[1] Nora Stampfl: Die verspielte Gesellschaft: Gamification oder Leben im Zeitalter des Computerspiels, Hannover 2012
Quelle: http://games.hypotheses.org/699