Vor 40 Jahren – am 6. Oktober 1973 – begann der Jom-Kippur-Krieg. Er veränderte nachhaltig die Beziehung amerikanischer Juden zu Israel und ist ein Ausgangspunkt der Holocaust-Erinnerungskultur, wie sie heute existiert.
Fünf Jahre zuvor hatte der Sechs-Tage-Krieg (1967) einrucksvoll die Stärke Israels demonstriert. Drei arabische Armeen wurden geschlagen und das Westjordanland, der Sinai und der Golan erobert. In Hinsicht auf den Holocaust wurde der Krieg als Salvation Myth interpretiert, wie es Peter Novick ausdrückte. Das Martyrium des jüdischen Volkes, mit dem Holocaust als Höhepunkt, wurde durch den Sechs-Tage-Krieg beendet. In der Euphorie nach dem Krieg glaubte man, dass Israel allen Gefahren trotzen könne. Für die Erinnerung an den Holocaust hätte dies mit Novicks Worten bedeutet: „Had the victory of 1967 brought an end to Israel’s travails, the Holocaust might have entered American Jewish consciousness in this fashion – as a subordinate, historicized and transcended element in a salvation myth.“ [1]
Erschüttert wurde diese Auffassung fünf Jahre später durch den Jom-Kippur-Krieg. Am 6. Oktober 1973 wurde Israel von Ägypten und Syrien angegriffen, während viele Soldaten aufgrund des Feiertags Jom Kippur demobilisiert waren. Israel stand einer erdrückenden Übermacht gegenüber und wurde in kurzer Zeit an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, was Verteidigungsminister Moshe Dajan dazu veranlasste, die „Zerstörung des Dritten Tempels“ – also das Ende Israels – zu befürchten. Angeblich forderte er wiederholt den Einsatz von Atomwaffen, deren Besitz Israel bis heute offiziell dementiert. Es war jedoch nicht nur der überraschende Angriff an einem Feiertag, der Israel in diese katastrophale Situation gebracht hatte. Das Land war im Allgemeinen auf einen derartigen Angriff nicht vorbereitet. Es hatte die Stärke seiner Gegner achtlos unterschätzt: ein Resultat des überlegen gewonnen Sechs-Tage-Kriegs.
Israels Niederlage konnte nur durch massive Unterstützung durch die Vereinigten Staaten verhindert werden, die über eine Luftbrücke innerhalb kurzer Zeit militärisches Material im Wert von über 10 Milliarden Dollar in das Land brachten. Die hohen Verluste Israels zeigten, dass das Land nicht länger der sicherste Ort auf der Welt für Juden war, was den Mythos des Sechs-Tage-Kriegs erschütterte. Eine Katastrophe wie der Holocaust war wieder in den Bereich des Möglichen gerückt. Gleichzeitig war das Verhältnis zwischen Israel und den USA durch den Krieg und die allgemeine geopolitische Situation belastet. Die USA waren damit beschäftigt, sich aus Vietnam zurückzuziehen und wollten die brüchigen Beziehungen zu der Sowjetunion nicht gefährden. Zudem führte der Konflikt zu einem kostspieligen Anstieg des Ölpreises (Ölpreiskrise 1973). Im Zuge des Jom-Kippur-Kriegs sahen amerikanisch-jüdische Gruppierungen die Isolation Israels als eine große Bedrohung für die Existenz des Landes. Um der Isolation entgegenzuwirken, war es notwendig, die Erinnerung an den Holocaust zu stärken: nicht als historisiertes und nachrangiges Ereignis der Vergangenheit, sondern als aktuelles und potentiell wiederholbares Problem.
[1] Peter Novick. The Holocaust in American Life, New York: Houghton Mifflin, 1999, S. 151.
Quelle: http://fyg.hypotheses.org/126