Teil 1 hier.
Christopher Clark - Revolutionary Spring: Fighting for a New World 1848-1849 (Hörbuch) (Frühling der Revolution: Europa 1848/49 und der Kampf für eine neue Welt (Hörbuch))
In Clarkes nächstem Abschnitt, Patrioten und Nationen, befasst er sich mit einer damals noch völlig neuen, aber umso wirkmächtigeren Idee: dem Nationalismus. Die Idee der Nation war eine künstliche, auch wenn die Nationalisten alles versuchten, um irgendwelche "natürlichen" Grenzen zu konstruieren. Gerade für Konservative war die Idee oft ein Gräuel, weil sie bestehende Traditionen umwarf und zudem mit einer radikalen Gleichheitsvorstellung verknüpft war: wo die Monarchen aktuell aus Gottes Gnaden regierten, waren sie, selbst mit absoluter Macht ausgestattet, in der Nation doch aus der Masse legitimiert, dem Anathema jedes Konservativen. Die Künstlichkeit der Idee erforderte seitens der Nationalisten einen gewaltigen Bildungsakt: großen Teilen der Bevölkerung musste nahegebracht werden, was die Nation war, wodurch sie sich definierte und dass sie alle dazu gehörten. Der Nationalismus war eine Bewegung vorrangig der jungen Männer, die sie auch mit Gewalt durchzusetzen versuchten. Gleichwohl sollte er nicht mit seinen Auswüchsen gegen Ende des 19. und vor allem dem Schlachten des 20. Jahrhunderts gleichgesetzt werden: zwar gab es genügend Geschmacklosigkeiten, wie den französisch-deutschen Konflikt um den Rhein ("Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze"), aber der Nationalismus war paradoxerweise eine gesamteuropäische Bewegung, und eine nicht unerhebliche Gruppe von Freiheitskämpfern focht in diversen nationalen Befreiungskämpfen. Der große Gegner aller Nationalisten waren die multiethnischen Reiche, allen voran das der Habsburger, weswegen sie in Wien auch ihren erbittertsten Gegner fanden.
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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2023/06/rezension-christopher-clark.html