Immer wieder beschäftigt mich die Frage, warum und wie religiöse Differenz überspringt in religiöse Gewalt. Besonders spannend finde ich die Katalysatoren, also die Auslöser, Scharniere und Verstärker des Übergangs. Zu diesen gehören in besonderer Weise Gesang und Musik. Entsprechende Hinweise finden sich im Ägypten des Augusts 2013 und in der europäischen Religionsgeschichte des 16. Jahrhunderts. Gibt es eine anthropologische Konstante von Musik als Gewaltauslöserin? Vor einigen Tagen hat Serge Michel, der Korrespondent der französischen Tageszeitung Le Monde in Ägypten, über die Gründe der Gewaltwelle und der Zusammenstöße zwischen koptischen und anglikanischen Christen und Muslimen berichtet. Der genaue Ort des Geschehens war Bani Ahmad, 270 Kilometer südlich von Kairo gelegen, am Samstag, 3. August. Ein Monat war seit der Absetzung von Präsident Mursi durch die Armee vergangen. Seither droht ein Bürgerkeig zwischen islamistischen Mursi-Anhängern und eher laizistisch orientierten Anhängern der Armee und den “Liberalen”. Der Konflikt zwischen Kopten und Muslimen ist in Ägypten seit jeher Teil der inneren Spannungen des Landes. Doch diese finden nun, vermengt mit dem politischen Bürgerkrieg, einen neuen Kontext und neue Artikulationsformen. Am 3. August sprang die Differenz über in Gewalt. Das Treibmittel dafür war laut Serge Michels Reportage ein Lied. In der ersten Version der Ereignisse [...]
Workshop “Rebels without a cause?”, Potsdam, 11. April 2013
Workshop
Rebels without a cause? Jugendgewalt in europäischen Spielfilmen der 1950er bis 1980er Jahre
Die Entwicklung distinkter Jugendkulturen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist eng mit dem Aufstieg der audiovisuellen Massenmedien verbunden. Besonders das Kino wirkte dabei nicht nur als Katalysator, sondern machte dieses Phänomen in populären Filmen – allen voran „Rebel without a cause“ mit James Dean – auch immer wieder selbst zum Thema. Aus heutiger Perspektive stellen diese Filme und die gesellschaftlichen Diskurse, in die sie eingebettet waren, aufschlussreiche Quellen der zeitgenössischen Vorstellungen und Normen sowie deren Wandel dar.
Die Verknüpfung von Jugend und Gewalt hat sich dabei als ebenso bedeutender wie dauerhafter Topos erwiesen. Er bündelt in besonderem Maße jene kulturkritischen Ressentiments, Ängste und Prognosen, wie sie infolge der gesellschaftlichen Dynamik in den westlichen Konsumgesellschaften seit den 1950er Jahren spürbar wurden. Das schließt auch populäre Vorstellungen zur Wirkung der Medien mit ein, denen zufolge Gewalt unmittelbar auf einschlägige Darstellungen in den Medien zurückginge.
Der Workshop widmet sich diesem Thema exemplarisch anhand von Fallstudien zu west- und osteuropäischen Spielfilmen der 1950er bis 1980er Jahre. Neben der Analyse der jeweiligen Repräsentationen von Jugend und Gewalt im Zeitverlauf wird dabei nach den gesellschaftlichen Kontexten, diskursiven Voraussetzungen und (trans-)nationalen Bezügen gefragt. Wie unterschied sich während des Kalten Krieges der Bezug auf das Thema in Ost und West, welche Unterschiede gab es zwischen verschiedenen Nationen? Welche Rolle spielten kommerzielle Interessen und die Zwänge des Genre-Kinos für die Darstellung von Gewalt? Darüber hinaus wird auch der methodologische Aspekt von Spielfilmen als Quelle transnationaler Kulturgeschichte thematisiert. Das ZZF setzt mit dieser Veranstaltung eine seit 2010 bestehende Reihe fort, die Repräsentationen von Politik im populären Film- und Fernsehformaten des 20. Jahrhunderts analysiert.
Veranstalter: Christoph Classen, Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)
Datum: 11. April 2013, Beginn 14 Uhr
Ort: Zentrum für Zeithistorische Forschung, Am Neuen Markt 9d, 14467 Potsdam, Großer Seminarraum
Konferenzsprachen: Deutsch und Englisch
Anmeldungen (bis 8. April) bitte an Frau Nadine Jenke <jenke@zzf-pdm.de>
Rückfragen bitte an Christoph Classen, Tel.: 0331-28992-17 (Fax: -60), <classen@zzf-pdm.de>
Programm:
14:00 Uhr: Begrüßung und Einführung (Jürgen Danyel/Christoph Classen):
14:30 “The ugly tide of today’s teenage violence”: Youth Culture, Crime and the Clockwork Orange Controversy in the UK (Peter Krämer, University of East Anglia, Norwich)
15:00 Diskussion
15:30 Uhr Kaffeepause
16:00 Uhr “Rowdys with a cause”. Der unwiderstehliche Charme der Dekandenz in ostdeutschen Jugendfilmen (Thomas Lindenberger, ZZF)
16:30 Uhr „Diggin’ the Rebob“: „Young-Rebel“-Movies der 1950er Jahre als Quelle transnationaler Kulturgeschichte (Bodo Mrozek, ZZF)
17:00 Diskussion
17:45 Resümee (Christoph Classen, ZZF)
ca. 18:00 Uhr Ende des Workshops