Die Tegernseer Schlossbibliothek und ihr Ende

Nur kurz fand im August 2014 der Verkauf der Schlossbibliothek Tegernsee Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Wissenschaft. Um dennoch diese spannenden Vorgänge um diese durchaus interessante Adelsbibliothek nicht gänzlich in Vergessenheit geraten zu lassen, wurde folgende Dokumentation zusammengestellt. Denn sowohl die Bibliothek selbst, als auch der Weg zu ihrer Veräußerung waren hochspannend.

Historischer Hintergrund: Kloster und Schloss Tegernsee

Das Benediktinerkloster Tegernsee, gegründet im 8. Jahrhundert, war eines der bedeutendsten Klöster Altbayerns. Es wurde, wie alle anderen bayerischen Klöster 1803 aufgehoben. Die umfangreiche Bibliothek gelangt in Staatsbesitz.

1817 erwarb König Maximilian I. von Bayern die Klosteranlage und ließ sie in den folgenden Jahren durch Leo von Klenze zum königlichen Sommerschloss umbauen. 1875 ging das Schloss durch Erbgang innerhalb der Familie an die wittelsbachische Seitenlinie der Herzöge in Bayern über, die es heute noch (zusammen mit Wildbad Kreuth) besitzen.

Die Seitenlinie der Herzöge in Bayern geht zurück auf den Pfalzgrafen Wilhelm von Pfalz-Gelnhausen (1752-1837), der 1799 den Titel eines Herzogs in Bayern erhielt. Die herzogliche Linie starb 1973 aus, wurde aber durch Adoption aus der Hauptlinie fortgesetzt (Max in Bayern, geb. 1937).[1]

Vom „Psallierchor“ zur Bibliothek

Die in Rede stehende Bibliothek hat nichts mit der ehemaligen Klosterbibliothek zu tun. Sie wurde erst nach 1817 eingerichtet und befand sich im früheren Psallierchor der Klosterkirche. Der Psallierchor, wo die Mönche ihr Chorgebet verrichteten, befand sich im Chor der Klosterkirche hinter dem Hochaltar. Dieser Bereich wurde 1824/25 durch den Einzug einer Wand durch Leo von Klenze von der nun als Pfarrkirche dienenden Klosterkirche abgetrennt. Er diente zunächst als Möbellager.[2] In dieser Funktion ist er noch 1895 bezeugt.[3]

Erst nach 1895 ist in den ehemaligen Psallierchor die Bibliothek der Herzöge in Bayern von einem anderen Standort verbracht werden. Die Regale, in denen die Bücher aufgestellt waren, sind nicht originär für den Standort im Psallierchor hergestellt worden, sondern wurden erkennbar den dortigen Raumverhältnissen angepasst.[4] Die Zuschreibung der Regale an Leo von Klenze, die durch den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse, Georg Bromme, vorgenommen wird,[5] ist nicht belegbar.[6]

Als Ende der 1970er Jahre das Gymnasium Tegernsee in das Schloss zog und der Freistaat Bayern zu diesem Zweck den Ost- und Südflügel des Schlosses erwarb, verlor die Bibliothek ihren Zugang. Deswegen wurden Anfang der 1980er Jahre Baumaßnahmen durchgeführt, um einen neuen Zugang aus dem herzoglichen Teil des Schlosskomplexes zu schaffen.[7]

Der Bibliotheksraum ist im 20. Jahrhundert nicht modernisiert worden und sanierungsbedürftig. Es fehlen Stromanschluss und Heizung.[8]

Erwerb durch die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee

2010 erwarb die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee unter ihrem Vorstand Georg Bromme ein Dauernutzungsrecht auf ewige Zeiten an dem Raum sowie den Bücherbestand von über 11.000 Bänden. Anlass war das 175jährige Jubiläum der Kreissparkasse, die von einem der letzten Tegernseer Mönche gegründet worden war.

Die Verhandlungen dauerten anderthalb Jahre.[9] Die Kreissparkasse zahlte für das Dauernutzungsrecht 1,5 Mio €. Die Bücher wurden für 150.000 € erworben (aufgrund eines Wertgutachtens).[10] Dieses Wertgutachten fertigte das Münchner Auktionshaus Zisska & Schauer an.[11]

Vorabverkäufe

Die herzogliche Familie hat allerdings vor dem Verkauf Teile der Schlossbibliothek veräußert und durch das Münchner Auktionshaus Zisska & Schauer versteigern lassen, also eben jenes Auktionshaus, das im Auftrag der herzoglichen Familie auch das Wertgutachten für den Verkauf der Restbibliothek an die Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee erstellte.[12]

Das Gutachten für die Kreissparkasse erweckt den Eindruck, dass die Bibliothek ungeschmälert verkauft würde. Dass parallel zu den Verkaufsverhandlungen besonders wertvolle Bücher versteigert wurden, wird verschwiegen. Bereits 2010 war das Frankfurter Allgemeinen Zeitung aufgefallen, dass „Zisska & Schauer … nur äußerst dezent auf die ‚Bibliothek aus süddeutschem Adelsbesitz‘“ hinwies.[13]

Unterzeichnet ist das Gutachten von Herbert Schauer, dem Geschäftsführer des Auktionshauses. Herbert Schauer wurde 2013 verhaftet, da er verdächtigt wurde, an Bücherdiebstählen aus einer neapolitanischen Bibliothek beteiligt gewesen zu sein.[14] Er wurde zwischenzeitlich unter zweifelhaften Umständen zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt, befindet sich aber seit Juli 2014 wieder auf freiem Fuß.[15] Während seiner Haft stellte jedoch das Münchner Auktionshaus fest, „dass Herr Schauer über Jahre hinweg massive Veruntreuungen zum Schaden Dritter wie auch des Hauses selber begangen hat.“ [16] Herbert Schauer schied daher im August 2014 aus dem Auktionshaus Zisska & Schauer als Gesellschaft aus, das Haus nennt sich nun Zisska & Lachner. Auf eine Strafanzeige gegen Schauer wurde verzichtet.[17]

Unter den damals versteigerten Büchern befanden sich auch solche mit dem Besitzvermerk von Marie Therese von Österreich-Este, der letzten bayerischen Königin. [18]

Diese sehr wertvollen Werke wurde noch im August 2014 durch das Wiener Antiquariat Antiquariat Inlibris, Gilhofer Nfg. GmbH angeboten, mit Preisen bis zu 125.000 €.[19] Weitere Werke wurden durch die Antiquariate Thomas Rezek, Meindl & Sulzmann und Stefan Wulf angeboten, ferner anscheinend durch das Auktionshaus Bassenge.[20]

Beim Übergang der Räumlichkeiten an die Kreissparkasse waren die Fächer für Tafelwerke leergeräumt.[21]

Außerdem wurden vor dem Verkauf Teile des Buchbestandes, die bei der herzoglichen Familie verbleiben sollten, in einen anderen Raum des Schlosses verbracht.[22]

Der genaue Bestand der an die Kreissparkasse verkauften Bücher wird mit 11.643 Büchern angegeben.[23]

Planungen der Kreissparkasse

Zur Erschließung der Büchersammlung stellte die Kreissparkasse am 1. Februar 2011 einen Archivar ein: „Von Seiten der Sparkasse wird als Ziel definiert: Alle Voraussetzungen zu schaffen, damit die Bibliothek als kulturhistorische Perle des Landkreises Miesbach angesehen wird. Den Bestand sichern und entsprechend seiner Bedeutung als hochadelige Privatbibliothek des 18. und 19. Jahrhunderts im süddeutschen Raum für wissenschaftliche Auswertungen (Diplom- und Doktorarbeiten) zur Verfügung zu stellen.“[24]

Ebenso wurde die Arbeit an einem Nutzungskonzept für den Raum begonnen. Gedacht war an eine Art Begegnungsstätte für kunsthistorische und geschichtliche Führungen, Kammerkonzerte und Lesungen sowie ein multimediales Infossystem für Schüler.[25]

Der Weg zur Veräußerung

Georg Bromme schied Ende April 2012 als Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee aus. Bereits vorher hatte die Realisierung des Umnutzungskonzepts des Bibliotheksraums gestockt, da erheblicher Sanierungsbedarf bestand und ein fehlender zweiter Rettungsweg eine öffentliche Nutzung verhindert.

Brommes Nachfolger Martin Mihalovits beendete im Mai 2012 die Zusammenarbeit mit dem Archivar, der die Bibliotheksbestände erschließen sollte. Die Kreissparkasse entschloss sich ferner 2012, „alle nicht betriebsnotwendigen Immobilien zu veräußern. Dazu gehört auch der Psallierchor.“[26] Die Kreissparkasse bot den Psallierchor seit 2012 der Erzdiözese München und Freising an, konnte jedoch hier keine Einigung über den Preis erzielen. Die Kirche, die als einziger Käufer in Frage kommt, hatte jedoch kein Interesse an dem Buchbestand.[27]

Im Zusammenhang mit der Affäre um den früheren Miesbacher Landrat Jakob Kreidl geriet im Frühjahr 2014 die Sponsoring-Praxis der Kreissparkasse Miesbach-Tegernsee unter Georg Bromme ins Licht der Öffentlichkeit. Folge war eine Prüfung durch zuständige Rechtsaufsichtsbehörde, die Regierung von Oberbayern.

Die Regierung von Oberbayern beanstandete – neben der Finanzierung der Geburtstagsfeier des Landrats oder Reisen des Landrats und der Bürgermeister – auch den Erwerb des Psallierchors samt der Bibliothek als unzulässig.[28]

Ferner „bat“ die Regierung von Oberbayern die Kreissparkasse, Rückforderungen, Rückabwicklungen und Schadensersatzansprüche zu prüfen. Diese betrafen auch die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Prüfberichts (Mai 2014) bereits eingeleitete Wiederveräußerung der Bibliothek in Tegernsee.[29]

Veräußerung des Buchbestandes 2014

Bereits im Frühjahr 2014 stellten Mitglieder des Tegernseer Altertumsgauvereins überrascht fest, dass die Bücher aus der Bibliothek verschwunden waren.[30] Mit der Veräußerung des Buchbestandes beauftragte die Kreissparkasse das Berliner Auktionshaus Hauff & Auvermann, das die Bücher in zwei Teilauktionen versteigern will. Von diesen hat die erste im Mai 2014 stattgefunden, eine nächste sollte im Oktober folgen.[31]

Auf der Website des Auktionshauses Hauff & Auvermann war im August 2014 die Maiauktion dokumentiert. Es fehlen jedoch bei allen Büchern Provenienzangaben. Tegernseer Bücher lassen sich nur indirekt aus dem Bestandsprofil und den Rückenschildner mit Nummerus-currens-Signaturen erschließen. Die Bücher wurden teilweise regalweise verkauft. [32] Im Internet wurden Bücher aus der Schlossbibliothek Tegernsee, die in der Maiauktion verkauft wurden, vom Antiquariat Hermsdorf (Antiquariat Pennartz) angeboten.[33]

Öffentliche Auseinandersetzung 2014

Der frühere Kreissparkassenchef Bromme setzte sich im Juli 2014 öffentlich gegen den Verkauf der Bibliothek zu Wehr und bezeichnet diesen als „Akt der Barbarei“ und die Zerstörung eines wertvollen kulturellen Gesamtwerks. Der Verkauf sei ein Verstoß gegen Artikel 4 Abs. 1 des bayerischen Denkmalschutzgesetzes, daher eine Ordnungswidrigkeit und „gemeinschädliche Sachbeschädigung“.[34]

Das Landesamt für Denkmalpflege wurde aufgrund dieser Vorwürfe als Gutachter eingeschaltet und kam im August 2014 zu dem Ergebnis, die Bücher hätten keine kulturhistorische Bedeutung. Denn der Buchbestand lasse weder einen Bezug zum ehemaligen Kloster und jetzigem Schloss noch zur ehemaligen Kloster- und jetzigen Pfarrkirche erkennen.“ Weder die Sammlungsgeschichte noch der Sammlungsschwerpunkt stünden im Bezug zu den beiden Baudenkmälern. Eine Bedeutung nach dem Denkmalschutzgesetz sei damit nicht zu erkennen.[35]

Zum Bestand

Die Geschichte der Bibliothek ist nicht erforscht. Ein Katalog lag der Kreissparkasse nicht vor.[36] Der Buchbestand wurde jedoch systematisch abfotografiert.[37]

Für die Bewertung des Bestandes, der an die Kreissparkasse übergehen sollte, ließ Herzog Max in Bayern ein Wertgutachten durch das Auktionshaus Zisska & Schauer erstellen. [38]

Demnach wurde der der Aufbau der Bibliothek von Herzog Wilhelm in Bayern begonnen (gest. 1837) und durch Pius in Bayern (1786-1837), Max in Bayern (1808-1888) und Carl Theodor in Bayern (1839-1909) fortgeführt. Dazu kamen kleinere Bestände aus dem Besitz von Vorfahren, der jeweiligen Prinzen und Prinzessinnen. Letzter größerer Beitrag waren die Bücher der letzten Königin von Bayern, Marie Therese von Österreich-Este (1849-1919). Die Bücher der Herzöge Wilhelm und Pius befanden sich ursprünglich in Banz (bis 1933 Eigentum der Herzöge) und wurden erst im 20. Jahrhundert nach Tegernsee gebracht. Der größte Teil des Bestandes kam aus der Bibliothek von Herzog Max in Bayern.[39]

Inhaltlich ist das Spektrum sehr breit. Das Gutachten von Zisska & Schauer hebt besonders die Bestände Recht und Wirtschaft, Geschichte (vor allem damalige Zeitgeschichte, wenig Antike), Theologie (keine wissenschaftliche Literatur, sondern Alltagsfrömmigkeit [Gebetbücher etc.]), deutsche Literatur (Schwerpunkt: ausgehendes 18. Jahrhundert, Mitte 19. Jahrhundert, darunter viel Entlegenes, aber auch viele dekorative Werkausgaben von „Starautoren“ wie Schiller, Goethe, Jean Paul), ausländische Literatur (v.a. französische) und Geographie (große Überblicksdarstellungen des 19. Jahrhunderts) hervor.[40]

Der Bestand war entweder zeitgenössisch gebunden oder noch in den originalen Bindungen der Verleger aufgestellt. Die Bücher trugen fast alle Bibliotheksmarken mit einer Nummerus-Currens-Signatur.[41] Beim Übergang an die Kreissparkasse war der Bestand jedoch nicht systematisch nach dieser nummerus-currens-Signatur aufgestellt.[42] Der Erhaltungszugstand war gut.[43]

Folgende 2011 publizierte Einschätzung beruht im wesentlichen auf der Bestandsanalyse durch Wertgutachten: „Die Bibliothek im Tegernseer Psallierchor wurde über Generationen aus Buchbeständen der Herzöge in Bayern, beginnend mit Wilhelm in Bayern (1752-1837) zusammengetragen und befand sich ursprünglich in der Wittelsbacher Besitzung Kloster Banz. Sie umfasst mehr als elftausend Bände, beginnend mit dem 17. Jahrhundert (plus ältere Einzelexemplare). Zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Buchbestandes zählen theologische Werke, Handbücher zu Recht, Verwaltung und Wirtschaft und Gesamtdarstellungen zur Geographie, Botanik und Zoologie. Im Bereich der Belletristik überwiegen Werksausgaben, darunter zahlreiche Übersetzungen englischer und französischer Schriftsteller des 19. Jahrhunderts; bemerkenswert auch: Werke zur französischen Revolution und zur napoleonischen Zeit.“[44]

Andere Beteiligte sprechen auf dieser Basis von einem „Querschnitt durch den Wissenshorizont einer europäischen Herrscherfamilie“ im 19. Jahrhundert. [45]

Aus den derzeit im Antiquariatsmarkt angebotenen Bänden sowie der Presseberichterstattung ist ersichtlich, dass weitere, im Gutachten nicht erwähnt bzw. nur summarische aufgezählte Provenienzen in die Bibliothek eingeflossen sind:

  • Einige Bände stammen aus der Zeit, in der das Schloss im Besitz der königlichen Linie war. Sie tragen den Stempel „Prinz Carl v. Bayern Güter-Administration Tegernsee“.[46] Prinz Carl von Bayern (1795-1875) war von 1841 bis zu seinem Tod Eigentümer des Schlosses Tegernsee.
  • Daneben sind noch vereinzelte Bücher aus dem Kloster Tegernsee in den Bestand gelangt. Im August 2014 war die Rede von rund 60 Büchern, die dem Altertumsgauverein Tegernsee verkauft werden sollren.[47] Dies hängt eventuell damit zusammen, dass die Tegernseer Mönche bereits vor 1803 im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen Bücher versteckt hatten.[48]

 

 

[1] Einen guten Überblick bietet: Roland Götz/Edmund Schimeta, Das königliche Tal. Auf den Spuren der Wittelsbacher am Tegernsee, Miesbach/Tegernsee 2005.

[2] Roland Götz, Der Tegernseer Psallierchor. Die Geschichte einer Entdeckung, in: Tegernseer Tal 153 (2011/I), S. 12-17.

[3] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014. – Der Kirchenhistoriker Dr. Roland Götz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Archiv des Erzbistums München und Freising. Er stammt aus Tegernsee und wuchs, da sein Vater seit den 1950er Jahren als Angestellter des herzoglichen Brauhauses eine Dienstwohnung hatte, im Schloss Tegernsee auf.

[4] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014.

[5] http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/psallierchor-tegernsee-ex-chef-georg-bromme-schiesst-gegen-kreissparkasse-3707176.html (17.7.2014).

[6] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014.

[7] Zur Schulgeschichte: http://www.gymnasium-tegernsee.de/wp/geschichte-kloster-tegernsee/. Ansonsten: Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014.

[8] Vgl. http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/psallierchor-tegernsee-kreissparkasse-miesbach-bleibt-fehlkauf-sitzen-3414988.html

[9] http://www.merkur-online.de/lokales/miesbach/tegernseer-tal/schatz-hinter-altar-977299.html (25.10.2010).

[10] Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr: Bericht zur Überprüfung der Vorgänge im Landkreis Miesbach am 14.05.2014 im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayer. Landtags (LT-Drs. 17/1145), S. 20. Online unter https://www.ksk-mbteg.de/download.php?file=cG9vbC9wdWJsaWthdGlvbmVuL0JlcmljaHRfb2JiX3ZNdklycC9wZGZsaXN0ZV9nZW4ueG1s&id=4

[11] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 22. August 2014. Das Gutachten datiert vom 22. Juli 2010.

[12] Vgl. „Bücher in München. Neues vom Adel“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.11.2010, URL: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/auktionen/buecher-in-muenchen-neues-vom-adel-11067473.html [14.2.2015]

[13] Vgl. „Bücher in München. Neues vom Adel“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.11.2010.

[14] Vgl. „Deutschland hat ihn ausgeliefert. In den Sternen steht derzeit der Hausarrest“, in Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.04.2014, URL: http://www.faz.net/aktuell/deutschland-hat-ihn-ausgeliefert-in-den-sternen-steht-derzeit-hausarrest-12901340.html [14.2.2015]

[15] Vgl. „Herbert Schauer. Überraschend frei‘, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.7.2014, URL: http://www.faz.net/aktuell/herbert-schauer-ueberraschend-frei-13064529.html [14.2.2015]

[16] Communiqué Nr. 3 des Auktionshauses ZISSKA, SCHAUER & CO. KG vom 19.05.2014, URL: http://de.zisska.de/aktuelles [1.9.2014]

[17] Communiqué Nr. 4 des Auktionshauses ZISSKA & Lacher Buch- und Kunstauktionshaus GmbH & Co. KG vom 09.08.2014, URL: http://de.zisska.de/aktuelles [1.9.2014]. Vgl. auch „Vielfältige Ungereimtheiten und unerklärliche Vorgänge“ vom 21.5.2014, URL http://www.boersenblatt.net/798758/ [14.2.2015],

[18] Vgl. „Bücher in München. Neues vom Adel“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.11.2010. Es handelt sich u.a. um die Bücher mit der Einlieferungsnummer 2 im Herbstkatalog von Zisska & Schauer 2010 (Zisska & Schauer. Buch- und Auktionshaus. Auktion 56. Freiwillige Versteigerung am 10.-12. November 2010 [Katalog 56], München 2010).

[19] Vgl. https://inlibris.at/?s=Tegernsee&cat=6&lang=de [21.8.2014]. Zur chronologischen Einordnung: Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014.

[20] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 22. August 2014. Dr. Götz hat aus den entsprechenden Internetauftritten am 28. Dezember 2010 Ausdrucke gefertigt. Am 22. August 2014 bot das Antiquariat Rezek noch sechs Werke aus der Schlossbibliothek Tegernsee an. Das Auktionshaus Bassenge bot noch am 22. August 2014 an: Noë, Heinrich, Die Burgen von Tyrol in Bild und Wort, 1878, aus dem Besitz des Herzogs Max in Bayern, allerdings ohne Tegernseer Provenienznachweis.

[21] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014.

[22] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014.

[23] http://www.tegernseerstimme.de/zeitkapsel-im-schlos-tegernsee-eroffnet-die-vergessene-bibliothek-und-ihre-geschichte/18341.html (4.5.2015)

[24] Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr: Bericht zur Überprüfung der Vorgänge im Landkreis Miesbach am 14.05.2014 im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayer. Landtags (LT-Drs. 17/1145), S. 20.

[25] Roland Götz, Der Tegernseer Psallierchor. Die Geschichte einer Entdeckung, in: Tegernseer Tal 153 (2011/I), S. 12-17, hier: 15.

[26] Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr: Bericht zur Überprüfung der Vorgänge im Landkreis Miesbach am 14.05.2014 im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayer. Landtags (LT-Drs. 17/1145), S. 20.

[27] Vgl. http://www.merkur-online.de/lokales/miesbach/tegernseer-tal/kirche-moechte-herzogliche-bibliothek-tegernseer-schloss-kaufen-2302423.html (4.5.2012); http://www.merkur-online.de/lokales/miesbach/tegernseer-tal/psallierchor-tegernseer-kirche-teures-praesent-sucht-kaeufer-2804259.html (16.3.2013); http://www.merkur-online.de/lokales/miesbach/tegernseer-tal/psallierchor-soll-kirche-gehoeren-2972730.html (24.6.2013); http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/kreissparkasse-will-psallierchor-quirinus-tegernsee-verkaufen-3372681.html (19.2.2014); http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/psallierchor-tegernsee-kreissparkasse-miesbach-bleibt-fehlkauf-sitzen-3414988.html (14.3.2014).

[28]Weder Räumlichkeiten noch Gegenstände dienen dauerhaft dem unmittelbaren Geschäftsbetrieb der KSK. Auch ein zulässiges Handeln im Rahmen der Gemeinnützigkeit scheidet aus. Die Förderung von Kunst und Kultur wäre zwar ein grundsätzlich zulässiger gemeinnütziger Zweck. Allerdings ist es gerade nicht Aufgabe der Sparkasse, hierzu Investitionen selbst zu tätigen. Der Geschäftsbetrieb einer Sparkasse ist nicht dafür geeignet, selbst Projekte der Wissenschaft und Kunst zu betreiben. Vielmehr wäre eine Förderung durch Spenden oder Sponsoring einzelner Veranstaltungen oder Projekte Dritter der richtige Weg.“ Vgl. Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr: Bericht zur Überprüfung der Vorgänge im Landkreis Miesbach am 14.05.2014 im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayer. Landtags (LT-Drs. 17/1145), S. 21, URL: http://www.landkreis-miesbach.de/media/custom/221_2728_1.PDF?1400143458

[29] Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr: Bericht zur Überprüfung der Vorgänge im Landkreis Miesbach am 14.05.2014 im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayer. Landtags (LT-Drs. 17/1145), S. 22. Ebenda S. 20: „Auch bezüglich des Buchbestandes laufen derzeit Bemühungen, diesen auf zwei antiquarischen Buchauktionen zu versteigern.“

[30] http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/kloster-tegernsee-buecher-psallierchor-kreissparkasse-will-verkaufen-3649709.html (24.6.2014)

[31] http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/buecher-haben-keine-kulturhistorische-bedeutung-3793934.html (20.8.2014)

[32] http://www.buchauktionen-berlin.de/inhaltverzeichnis.php [20.8.2014]

[33] http://www.ebay.de/itm/Adelsbibliothek-Lessing-30-Baende-Karl-von-Bayern-Wittelsbacher-Tegernsee-1824-/141366352372; http://www.befr.ebay.be/itm/Adelsbibliothek-Cottin-Oeuvres-12-Bande-Wittelsbacher-Tegernsee-1815-/141302724609?pt=Antiquarische_B%C3%BCcher&hash=item20e64c7801; http://www.ebay.de/itm/Antoine-Leonard-Thomas-Oeuvres-Adelsbibliothek-Wittelsbacher-Tegernsee-1768-/141382433517; http://www.ebay.de/itm/Adelsbibliothek-221-Baende-Wittelsbacher-Tegernsee-/141321306898 [August 2014]

[34] http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/psallierchor-tegernsee-ex-chef-georg-bromme-schiesst-gegen-kreissparkasse-3707176.html (17.7.2014).

[35] http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/buecher-haben-keine-kulturhistorische-bedeutung-3793934.html (20.8.2014)

[36] Dr. Götz teilte am 21. August 2014 mit, dass bei den Umbauten in der Bibliothek um 1980 ein Inventar durch den 2013 verstorbenen Münchner Antiquar Raimund Kitzinger erstellt wurde. Dies habe ihm Herr Kitzinger in einem Gespräch mitgeteilt.

[37] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014.

[38] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 22. August 2014.

[39] Gutachten über die Bibliothek Schloß Tegernsee, Zisska & Schauer, 22. Juli 2010.

[40] Gutachten über die Bibliothek Schloß Tegernsee, Zisska & Schauer, 22. Juli 2010.

[41] Gutachten über die Bibliothek Schloß Tegernsee, Zisska & Schauer, 22. Juli 2010. Gut erkennbar auch auf diversen Fotos der Bücher.

[42] Telefonische Auskunft von Dr. Roland Götz, 21. August 2014.

[43] Gutachten über die Bibliothek Schloß Tegernsee, Zisska & Schauer, 22. Juli 2010

[44] Roland Götz, Der Tegernseer Psallierchor. Die Geschichte einer Entdeckung, in: Tegernseer Tal 153 (2011/I), S. 12-17, hier: 17.

[45] Telefonische Auskunft von Dr. Michael Heim, 21. August 2014.

[46] Das Berliner Antiquariat Hermsdorf bot im Sommer eine Ausgabe sämtlicher Werke Lessings von 1824-1825 aus der Tegernseer Bibliothek an, die den Besitzstempel „Prinz Carl V. Bayern Güter-Administration Tegernsee“ tragen. Vgl. http://www.ebay.de/itm/Adelsbibliothek-Lessing-30-Baende-Karl-von-Bayern-Wittelsbacher-Tegernsee-1824-/141366352372? – http://www.befr.ebay.be/itm/Adelsbibliothek-Cottin-Oeuvres-12-Bande-Wittelsbacher-Tegernsee-1815-/141302724609?pt=Antiquarische_B%C3%BCcher&hash=item20e64c7801 nennt als Vorbesitzer den Prinzen Carl von Bayern (gest. 1875) und ebenfalls Königin Therese. Die Links wurden im August 2014 konsultiert.

[47] Vgl. http://www.merkur-online.de/lokales/region-tegernsee/tegernsee/buecher-haben-keine-kulturhistorische-bedeutung-3793934.html (20.8.2014) bzw. http://www.tegernseerstimme.de/psallierchor-buecher-ohne-klosterbezug/140740.html (20.8.2014)

[48] Vgl. Stephan Kellner/Annemarie Spethmann, Historische Kataloge der Bayerischen Staatsbibliothek München: Münchner Hofbibliothek und andere Provenienzen (Catalogus codicum manuscriptorum Bibliothecae Monacensis 11), Wiesbaden 1996, S. 469.

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/3382

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Leporello und Welt zu den „ersten Suchmaschinen“

Gestern sendete Ö1-Leporello ein paar Minuten über die ersten Suchmaschinen, heute wird es von Marc Reichwein in der Welt rezensiert. Er bescheinigt dem Band [s]ehr schön und in leicht bekömmlichen Kapitelchen geschrieben zu sein, ein luzider Episodenführer durch mehrere Jahrhunderte Informationsvermittlung, gleichermaßen mit einer charmant unzeitgemäßen Konzeption von Suchmaschinen und ein hochaktuelles Buch.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022397433/

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Museum-Marketing in der Fondation Beyeler: Von Hollywood-Stars und Internet-Memes

Wenn es darum geht, Besucher für Ausstellungen zu begeistern, müssen sich Museen zunehmend etwas einfallen lassen. Genügten einst vielleicht noch Plakate und Berichterstattung in Print und Radio – idealerweise vielleicht sogar noch ein kleiner Beitrag im Fernsehen – darf es heute gerne „ein bisschen mehr“ sein, um auf Ausstellungen aufmerksam zu machen. Hollywood in Basel Die Fondation Beyeler verspricht mit ihrer Paul Gauguin Ausstellung, die vom 8. Februar bis zum 28. Juni 2015 gezeigt wird, einen der „grossen (sic) europäischen Kulturhöhepunkte des Jahres 2015“. … Museum-Marketing in der Fondation Beyeler: Von Hollywood-Stars und Internet-Memes weiterlesen

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/2721

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Doku über Ronald M. Schernikau in ARD-Mediathek

Sehr schön, die Doku über Ronald M. Schernikau "Verliebt in die DDR" ist für ein paar Tage in der ARD-Mediathek verfügbar. (via @goncourt)

Eine meiner Lieblings-Passagen aus legende ist ja:

eine rose ist eine rose ist eine rose | von gertrude stein stammt der satz: eine rose ist eine rose ist eine rose. der satz ist berühmt.
| 28 | der satz ist berühmt, und er wird ausnahmslos gelesen als: eine rose ist eine rose, nichts weiter als eine rose und immer bloss eine rose.
| 29 | diese lesart ist falsch.
| 30 | der satz lautet: eine rose ist eine rose, ausserdem noch eine rose, zusätzlich eine rose und vielleicht sogar eine rose. eine rose ist immer etwas anders.
| 31 | wer die welt für unveränderbar hält, ist den rosen verloren.


Schernikau, Ronald M.: Legende. Dresden: ddp goldenbogen, 2. Aufl., 2003, S. 439.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022397284/

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Interview: Prof. Vittoria Borsò zu den Schlüsselbegriffen des GRK1678

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Ausschnitt aus: Roland Barthes, L’empire des signes, Paris: Seuil 1970, S. 14f.

‘Materialität’ meint nicht nur Material. Auch ist ‘Produktion’ kein Synonym für Herstellung. Welche Implikationen ‘Materialität’ und ‘Produktion’ theoretisch wie methodisch in literaturwissenschaftlicher Hinsicht besitzen, haben wir daher Prof. Vittoria Borsò gefragt. Vittoria Borsò ist emeritierte Professorin für Romanistik an der HHU Düsseldorf sowie stellvertretende Sprecherin des GRK1678 und zeichnet sich u.a. durch ihr profundes theoretisches Wissen aus. Dazu arbeitete sie in ihrer vielseitigen akademischen Karriere mit Vorliebe interdisziplinär und international. Die ideale Gesprächspartnerin also, um sich den Schlüßelbegriffen unseres Graduiertenkollegs anzunähern.

Liebe Frau Borsò, gleich zu Beginn eine Frage, die banal wirkt, aber schwierig zu beantworten ist: Was ist die Materialität der Literatur?

Die Poiesis, nämlich das materielle Herstellen, kennzeichnet Literatur als eine Arbeit am sprachlichen Material, die gewohnte Sinnbezüge verändert. Insofern scheint die Rede der Materialität der Literatur unmittelbar evident zu sein. Es sind die materiellen Prozesse von humanen und nicht-humanen Mediatoren, nämlich Schriftstellern und Lesern, aber auch Techniken des Schreibens, Notierens, Druckens und Publizierens. Die Frage der Materialität der Literatur hat mit diesem Fokus Studien zu Handschriften, typographischen Prozessen, Formen des Archivierens u.s.w. neu belebt. Trägermaterialien, Schreibstoffe und –geräte, Formate und Techniken sowie die Genese von Texten werden neu beleuchtet. Doch heißt Materialität mehr als nur das sprachliche Material oder die materiellen Prozesse der Herstellung und Archivierung von Literatur. In einer im Abendland eher vergessenen, aber mächtigen Tradition, die auf das von Aristoteles postulierte Verhältnis zwischen der Form und der Substanz ihrer Materie (Hylemorphismus) zurückgeht, ist Materialität etwas “vorgängiges”, “zuvorkommendes”, das was man zwar in kognitiven Prozessen nicht mehr sieht, aber das Werden der Form zuallererst ermöglicht. Die Materialitätswende der Kulturwissenschaften hat diese Tradition wiederaufgenommen, um in der materiellen Ästhetik von Medien – Sprache, Schrift, Bild – die Dynamik des Werdens und die Potenz des Sich-Ereignens beschreiben zu können. Was ist also Materialität der Literatur? Materialität ist ein pool von akustischen, visuellen, körperlichen, imaginativen Energien, aus dem heraus Sinnprozesse werden und sich transformieren. In diesem Sinne muss man fragen, was Materialität in literarischen Texten macht. Und dies ist mein Interesse. Denn wenn wir so fragen, sehen wir, wie sich in der Materialität der Buchstaben und des Klangs ein Raum öffnet, auf den der Literaturwissenschaftler blickt. Der Raum der literarischen Schrift hat eine Eigenzeit (Rhythmen, Reime etc.) und eine eigene topologische Ordnung, in der sich das Verhältnis von Subjekt und Welt, Dingen und Menschen jeweils anders und neu ereignet. Hier werden affektiv Erfahrungen mobilisiert, Blicke werden beweglich, Kontingenzen in der Ordnung sichtbar, mögliche Welten denkbar. Stéphan Mallarmé hat diesen Raum von kontingenten Dynamiken und möglichen Welten durch die auch mathematisch errechnete Disposition der Schrift auf der weißen Seite sichtbar gemacht. Dies ist durch traditionelle hermeneutische oder semiotische Methoden deshalb nicht fassbar, weil diese Methoden im Material der literarischen Sprache nur den Träger eines außerhalb der Materialität (in der Geschichte, der Struktur oder der Realität) bestehenden Sinns sehen. Wenn man also nicht den Sinn, sondern zunächst die Dynamik des Werdens als Eigensinn der Materialität der Schrift beschreibt, so können unerwartete Fragen oder Sinnhorizonte hervorgehen, die andere Pfaden des Denkens, Sehens, Erfahrens erschließen. Dies ist methodisch höchst produktiv, und zwar nicht nur für diejenige (moderne oder aktuelle) Literatur, die extreme Grenzbereiche der Erfahrung oder des Wissens aufsucht, sondern auch in Bezug auf historische Epochen. Wie anders könnte man die Transformationsprozesse der Schrift von Vita Nuova zur Divina Commedia als den Materialitätsraum entdecken, in dem sich Dante als auctor novus ermächtigt, um im Paradies die Überschreitung der Grenzen des Menschlichen zu wagen? Oder die Schrift des Canzoniere bei Petrarca als Raum eines sich durch Affekte materialisierenden Subjektes? Wie die Linie entdecken, der in einer Art parasitären Genealogie von Brunetto Latini zu Giordano Bruno geht? Wie die immanente Ontologie von Diderot, der materiellen Netzwerken und dem Körper eine Potenzialität zuschreibt, welche die Erkenntniskraft des Geistes überschreitet? Derartige Latenzen, denen ich meine Untersuchungen gewidmet habe, sind bei der diskursiven Markierung des Denkens zugunsten einer Materialitätsblindheit abgewählt oder vergessen worden.

“Materialität” und “Produktion” werden im GRK 1678 in Relation zueinander untersucht. Wie ist diese Relationalität in Bezug auf die Literatur zu denken? Können Sie uns ein Beispiel geben?

Wenn Texte mehr als Container von Inhalten sind, und Inhalte über die Form generiert werden, wie schon die Russischen Formalisten und Prager Strukturalisten postuliert haben, so gilt die Relationalität von Form und Inhalt für die literarische Schrift umso mehr. Heute wissen wir, dass sich diese Relationalität als ein Verhältnis von Materialität und Produktion darstellt. Die Dynamik dieses Verhältnisses ist nicht vorgegeben. Sie entwickelt sich vielmehr im Schreibprozess selbst. Beeindruckender Beleg hierfür ist die Fluidität der Schrift in den Varianten eines Wortes oder eines Satzes bei der Genese literarischer Texte, die man heute in der New Philology bzw. der critique génétique untersucht. Aber wie die Materialität muss ihre Relation zur Produktion auf einer grundsätzlicheren Weise betrachtet werden. Materielle Prozesse der Verdichtung wie Rhythmen, Metaphern, aber auch der Verknappung wie Lücken, Leerstellen, Fragmentierung, minimalistische Tendenzen zur Stilisierung von Alltagsdiskursen oder Kleinformen induzieren über das Imaginäre verschiedene Prozesse der psychomotorischen, affektiven, kognitiven und visuellen Produktion, bei der die Arbeit und die Investition des schreibenden und lesenden Subjektes in Abhängigkeit von der materiellen Beanspruchung des Textes steht. In diesem Sinne hat schon Charles Baudelaire das Schreiben als Arbeit, als travail journalier, bezeichnet. Der Literaturwissenschaftler muss also in der Materialität der Schrift die verschiedenen Strategien, Wege und parcours dieses Verhältnisses beschreiben. Erst diese Beschreibung kann die Produktion eines für die Literatur eigenen, poetologischen Wissens freilegen, das an der Konstitution der jeweiligen historischen Welten beteiligt ist und/oder diese transzendiert bzw. gegenüber Normalisierungsprozessen widerständig ist. Literarische Darstellung lebt aus dem jeweiligen Verhältnis des Materialitätsraums der Schrift und der sich in diesem produzierenden Ereignisse – und dies auch im Sinne einer szenischen Hervorbringung emergenter Wissensordnungen und/oder affizierender Erfahrungen einer Physis, die ein anderes, ein ‚situiertes‘ Wissen des Lebens nahebringt. Die Produktionsprozesse sind im literarischen Medium mehr als nur Vermittler von Inhalten, die übersetzt werden, im Sinne des gelungenen Transports eines mobilen Guts von einem Ufer zum anderen. Sie sind vielmehr eine Art Übersetzen, d.h. ein Insistieren auf dem Übergang, auf dem Materialitätsraum der Schrift. Produktionsprozesse sind also Mittler einer Dynamik, welche zum einen ein selbstreflexives Rückblicken auf die eigene Medialität induziert, zum anderen aber auch alles in diesem Raum zum Akteur werden lässt, so dass das schreibende und lesende Subjekt kognitiv, imaginativ und sinnlich Alteritätserfahrungen und Transformationen durchmachen kann. Dies ist die Politik der Materialität der Schrift, um dies in den Begriffen von Jacques Rancière zu fassen. Mir fällt das Beispiel der kleinsten Kurzgeschichte der Weltliteratur ein, die auch Italo Calvino im Kapitel “Rapidità” der Lezioni americane (American Lessons) als Beispiel für die Kunst der mentalen und physischen Geschwindigkeit literarischer Texte erwähnt. Es ist die Mikrogeschichte des guatemaltekisch-mexikanischen Autors Augusto Monterroso: “Cuando despertó, el dinosaurio todavía estaba allí.” / “Als er aufwachte, war der Dinosaurier immer noch da”. Hier gründet die Dynamik des Verhältnisses von Materialität und Produktion auf der (ebenfalls von Calvino gelobten) ikonischen Präzision und zugleich minimalistischen Reduktion des Sprachmaterials bei einer immensen Potenz der Eigenzeit und der topologischen Verhältnisse, die von dieser Materialität produziert werden: Die Präsenz eines Akteurs, des Dinosauriers, der in der kürzesten Erzählzeit eine Zeitreise von Jahrtausenden anregt; die auch körperliche Erfahrung des Fremden und des Erstaunens; die paradoxe und doch spekulativ und imaginativ reale Koexistenz des Prähumanen und des Alltäglichen, die zur reflexiven Auseinandersetzung mit den Grundlagen der abendländischen Philosophie inspiriert.

Das GRK 1678 verfolgt einen interdisziplinären Ansatz. Wer ihre beeindruckende Publikations- und Vortragsliste liest, erhält den Eindruck, dass Sie diese Interdisziplinarität geradezu verkörpern. Worin sehen Sie den Gewinn, aber auch die Schwierigkeiten dieser interdisziplinären Ausrichtung im GRK?

Die Frage der Überschreitung von Disziplingrenzen stellte sich für mich nie, oder vielmehr ich war immer von der curiositas getrieben. Ich war neugierig, mehr zu erfahren über die wunderbaren Gegenstände der anderen Disziplinen, über ihre Verfahren und methodischen Vorgehensweise. Ich glaube, dass wissenschaftliche Neugierde der Motor unseres Tuns, aber auch die Gnade unserer Arbeit ist. Dies lässt sich wissenschaftlich begründen: Es ist die Anziehungskraft des Fremden, die uns treibt. Aber auch ganz rational und erkenntnistheoretisch: Wenn man über den Tellerrand der eigenen Disziplin schaut, dann sieht man besser, was die eigene Wissenschaft tut, welche ihre Grenzen, aber auch Vorzüge sind. Umgekehrt gilt es ganz definitiv: Interdisziplinarität ist nur dann möglich und produktiv, wenn sie auf einer profunden und sicheren Beherrschung der eigenen Disziplin basiert. In einem interdisziplinären Forschungsverbund ist dies ein ernst zu nehmendes Problem für junge Promovendinnen und Promovenden, die sich bei der Arbeit am eigenen Dissertationsprojekt in ihrer eigenen Disziplin erst finden und stabilisieren sollen. Deshalb ist neben den interdisziplinären workshops ganz wichtig auch eine enge und regelmäßige Zusammenarbeit über Themen, Methoden und Theorien der eigenen Disziplin.

Was das inter- oder gar transdisziplinäre Potential eines Nachdenkens über die Relation von Materialität und Produktion betrifft, so ist dieses sehr hoch. Ich hatte zwar Aristoteles als Referenzautor für Materialität erwähnt. Aber gerade neuere Philosophen wie Henri Bergson zeigen, dass die Grundlagen der Materialität, nämlich eine substantielle Ununterscheidbarkeit von Geist und Materie im gemeinsamen Werden von Formen und Bildern, die Bergson in Bezug auf das Gedächtnis entwickelt (Matière et mémoire) und Gilles Deleuze im Bereich des bewegten Bildes des Kinos wiederaufnimmt, von den Erkenntnissen der frühen Quantenphysik gewonnen wurden. Später hat gerade die französische Epistemologie kognitive Konfigurationen und Problemstellungen des Materialitätsparadigmas im Zusammenhang von Physik, Biologie, Biogenetik und Medizin erarbeitet. Und auch die wissenspoetologische Produktion aus der Materialität der Literatur ist im Bereich der Ökonomie schon eindringlich gezeigt worden. Insofern werden unsere Promovenden nicht nur auf die Zusammenarbeit mit affinen Disziplinen vorbereitet, sondern auch auf die Herausforderungen transdisziplinärer Fragen, die heute vom komplexen Setting biologischer, ökologischer oder technischer Prozesse an die scientific community gestellt werden.

Die Wissenschaft arbeitet u.a. mit verschiedenen Materialien und produziert Wissen. Besitzt die historische und systematische Beschäftigung mit “Materialität” und “Produktion” auch eine methodologische Relevanz in dem Sinne, dass die eigene Arbeit reflektiert wird?

Es ist eine wichtige Frage, die ich ohne Zögern mit “ja” beantworte, weil sich dies auch schon aus den vorangehenden Begründungen und Beispielen ergibt. Wenn Materialität das „Vorgängige“ und das energetische Pool ist, aus dem Formen werden, wenn wir also diesen ontogenetischen Zugang zu unserer Kultur wählen, dann reflektieren wir anhand der Mediationen, die sich im Zusammenspiel von Materialität und Produktion ergeben, auch über die Bedingungen unserer eigenen Arbeit, über die materiellen Rahmen und Techniken, die die Produktion unseres eigenen Wissens ermöglichen, ja dieses verfertigen – samt der materiellen Zwänge der erzeugten Diskurse. Nur auf diesem Wege können wir systematisch und historisch auch auf Unerwartetes stoßen. Und dies erfahren zu können oder auch zu erhoffen, ist ein besonders großes Glück.

Quelle: http://grk1678.hypotheses.org/373

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DiXiT-Fellowship in Den Haag

dixitDie folgende Ausschreibung einer Graduierten- bzw. Doktorand/inn/enstelle zur Evaluation nachhaltiger Geschäftsmodelle für die Veröffentlichung digitaler Editionen mag für den einen oder die andere hier von Interesse sein:

https://www.huygens.knaw.nl/wp-content/uploads/2015/01/Research-Fellow-Long-term-business-models-2015-1.pdf

Die Stelle ist zwar im niederländischsprachigen Nachbarraum am Huygens Institut in Den Haag angesiedelt, die Ausschreibung richtet sich aber exklusiv an Bewerber/innen aus dem (auch deutschsprachigen) Ausland. Bewerbungsfrist ist der 20. Februar 2015.

The Huygens Institute for the History of the Netherlands has a vacancy for a Research Fellow (Early Stage Researcher), in Long-term business models in dissemination and publishing (1.0 fte)

The fellow will work within the EU-supported Marie Curie Initial Training Network DiXiT involved in the creation and publication of digital scholarly editions. The appointment is for 26 months and the position is to be filled as soon as possible. The researcher will be based at the Hague (the Netherlands). EU regulations to promote international mobility require eligible candidates not to have worked or lived in the Netherlands for more than 12 months over the last three years.
The researcher will investigate the competing demands faced by digital scholarly editions: on the one hand the need for financial sustainability w.r.t. exploitation and maintenance, and on the other hand the general interest of the scholarly community in open access. Digital editions are usually created based on project funding, limited in time. After funding runs out, they need to be hosted, administered and maintained into an indefinite future. Is there a conceivable business model for the digital scholarly edition that will help the edition pay for its own maintenance while maintaining open access?

The research project includes secondments in Italy and the UK.

Position requirements

  • Master in a humanities field (e.g. Literary Studies, History) and a proven interest in business administration, or a master in business administration and a proven interest in the humanities
  • Active interest in digital publication
  • Affinity with information technology
  • Fluent in English
  • Some knowledge of Dutch is an advantage but not a requirement; learning Dutch is encouraged
  • Willing to reach out to and collaborate with national and international colleagues in related research disciplines
  • See also the eligibility requirements at http://dixit.uni-koeln.de/fellows.html, the vacancy for Early Stage Researcher 10.

For the complete job description and instructions on how to apply, see https://www.huygens.knaw.nl/wp-content/uploads/2015/01/Research-Fellow-Long-term-business-models-2015-1.pdf.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4748

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“Digital Classics Online”: Leipziger Historiker geben neue elektronische Zeitschrift heraus

 

Der Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Leipzig startet am 1. Mai 2015 mit dem Open-Access-Journal Digital Classics Online. In der Pressemitteilung der Universität Leipig heißt es:

“Es wird weltweit die erste Zeitschrift mit Peer-Review-Verfahren und auf Open-Access-Basis sein, die im Bereich der digitalen Geisteswissenschaften den Fokus ganz auf die Alte Geschichte und angrenzende Gebiete der Altertumswissenschaften legt”, sagt Lehrstuhl-Inhaberin Prof. Dr. Charlotte Schubert. Sie erhielt kürzlich die Zusage der Deutschen Forschungsgemeinschaft, das Projekt für zunächst drei Jahre zu fördern. Kooperationspartner sind die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg und die Bayerische Staatsbibliothek München.

Das E-Journal wird Forschern verschiedener Altertumswissenschaften die Möglichkeit bieten, ihre Forschungsergebnisse im Bereich der digitalen Geisteswissenschaften (Digital Humanities) erstmals als Open-Access-Publikation zu veröffentlichen, um sie so einer breiten Leserschaft kostenfrei zugänglich zu machen. Die Publikationssprachen werden Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch sein.

homeHeaderTitleImage_de_DE

Die gesamte Pressemitteilung gibt es unter: http://www.zv.uni-leipzig.de/service/presse/nachrichten.html?ifab_modus=detail&ifab_uid=ae0909a32420150213135657&ifab_id=5911

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=4742

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E-Learning 3.0 = E-Learning 2.0 + Web 3.0?, in: Journal of Research & Method in Education 09/2013, v. Fehmida Hussain

http://dx.doi.org/10.9790/7388-0333947 Web 3.0, termed as the semantic web or the web of data is the transformed version of Web 2.0 with technologies and functionalities such as intelligent collaborative filtering, cloud computing, big data, linked data, openness, interoperability and smart mobility. If web 2.0 is about social networking and mass collaboration between creator and user, then […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2015/02/5666/

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Eine frühneuzeitliche Abschrift von Otfrids Evangelienbuch

Derzeit im Museum im Schottenstift ausgestellt ist eine frühneuzeitliche Abschrift des Evangelienbuchs des Otfrid von Weißenburg aus der Handschriftensammlung des Schottenstifts.

Das aus dem 9. Jh. stammende althochdeutsche Bibelepos, im südrheinfränkischen Dialekt geschrieben, gilt als das erste Werk in deutscher Sprache, das den Endreim anstelle des Stabreims verwendete – und damit eine über Jahrhunderte andauernde Formtradition begründete. Es handelt sich dabei um eine Evangelien­harmonie, also einen die vier Evangelien zusammenfassenden Text.    

Die vorliegende Abschrift wurde 1560 von Achill Pirmin Gasser (1505–1577) nach einer um 870 in Weißenburg (heute Wissembourg im Elsass) entstandenen Originalhandschrift angefertigt, die sich einst in der Bibliothek des Ulrich Fugger (1526–1584) in Augsburg befand. Auftraggeber war der Drucker Matthias Flacius Illyricus (1520–1575), der sie für seine berühmte, 1571 erschienene Edition des Evangelienbuchs benutzte und dessen autographe Druckanweisungen sich auch darin finden. Im 19. Jh. wurde der Codex von P. Berthold Sengschmitt (1801–1852) für das Schottenstift erworben.1

Cod. 733 (Hübl 605), fol. 110v/111r
Cod. 733 (Hübl 605), fol. 110v/111r

Die Originalhandschrift ging nach dem Tod des Ulrich Fugger in den Besitz der Bibliotheca Palatina über und befindet sich heute in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. lat. 52). Erfreulicherweise wurde sie dort vor einiger Zeit digitalisiert, weshalb sich hier nun die einmalige Möglichkeit bietet, zumindest eine Doppelseite von Original und Abschrift nebeneinander zu betrachten.

Cod. Pal. lat. 52, fol. 125v/126r
Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. lat. 52, fol. 125v/126r
Bei dieser Abbildung handelt es sich um eine modifizierte Version zweier Einzelabbildungen (fol. 125v und fol. 126r) der Universitätsbibliothek Heidelberg (Lizenz: CC BY-SA).

Auch im Museum ist eine Vergleichsabbildung zu sehen. Zudem kann man mittels in der Vitrine angebrachtem QR-Code das Digitalisat des Originals direkt am eigenen Smartphone oder Tablet betrachten.

Museum im Schottenstift
Die Abschrift des Evangelienbuchs ist von Februar bis Mai 2015 im Museum im Schottenstift ausgestellt.

 

Dieser Beitrag wurde am 16. Februar 2015 aktualisiert.

  1. Nähere Informationen zu unserem Cod. 733 (Hübl 605) finden sich in: Martina Hartmann: Humanismus und Kirchenkritik. Matthias Flacius Illyricus als Erforscher des Mittelalters (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 19, Stuttgart 2001); Norbert Kössinger: Otfrids ‚Evangelienbuch‘ in der frühen Neuzeit. Studien zu den Anfängen der deutschen Philologie (Frühe Neuzeit 135, Tübingen 2009).

Quelle: http://schotten.hypotheses.org/622

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Eine frühneuzeitliche Abschrift von Otfrids Evangelienbuch

Derzeit im Museum im Schottenstift ausgestellt ist eine frühneuzeitliche Abschrift des Evangelienbuchs des Otfrid von Weißenburg aus der Handschriftensammlung des Schottenstifts.

Das aus dem 9. Jh. stammende althochdeutsche Bibelepos, im südrheinfränkischen Dialekt geschrieben, gilt als das erste Werk in deutscher Sprache, das den Endreim anstelle des Stabreims verwendete – und damit eine über Jahrhunderte andauernde Formtradition begründete. Es handelt sich dabei um eine Evangelien­harmonie, also einen die vier Evangelien zusammenfassenden Text.    

Die vorliegende Abschrift wurde 1560 von Achill Pirmin Gasser (1505–1577) nach einer um 870 in Weißenburg (heute Wissembourg im Elsass) entstandenen Originalhandschrift angefertigt, die sich einst in der Bibliothek des Ulrich Fugger (1526–1584) in Augsburg befand. Auftraggeber war der Drucker Matthias Flacius Illyricus (1520–1575), der sie für seine berühmte, 1571 erschienene Edition des Evangelienbuchs benutzte und dessen autographe Druckanweisungen sich auch darin finden. Im 19. Jh. wurde der Codex von P. Berthold Sengschmitt (1801–1852) für das Schottenstift erworben.1

Cod. 733 (Hübl 605), fol. 110v/111r
Cod. 733 (Hübl 605), fol. 110v/111r

Die Originalhandschrift ging nach dem Tod des Ulrich Fugger in den Besitz der Bibliotheca Palatina über und befindet sich heute in der Universitätsbibliothek Heidelberg (Cod. Pal. lat. 52). Erfreulicherweise wurde sie dort vor einiger Zeit digitalisiert, weshalb sich hier nun die einmalige Möglichkeit bietet, zumindest eine Doppelseite von Original und Abschrift nebeneinander zu betrachten.

Cod. Pal. lat. 52, fol. 125v/126r
Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Pal. lat. 52, fol. 125v/126r
Bei dieser Abbildung handelt es sich um eine modifizierte Version zweier Einzelabbildungen (fol. 125v und fol. 126r) der Universitätsbibliothek Heidelberg (Lizenz: CC BY-SA).

Auch im Museum ist eine Vergleichsabbildung zu sehen. Zudem kann man mittels in der Vitrine angebrachtem QR-Code das Digitalisat des Originals direkt am eigenen Smartphone oder Tablet betrachten.

Museum im Schottenstift
Die Abschrift des Evangelienbuchs ist von Februar bis Mai 2015 im Museum im Schottenstift ausgestellt.

 

Dieser Beitrag wurde am 16. Februar 2015 aktualisiert.

  1. Nähere Informationen zu unserem Cod. 733 (Hübl 605) finden sich in: Martina Hartmann: Humanismus und Kirchenkritik. Matthias Flacius Illyricus als Erforscher des Mittelalters (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 19, Stuttgart 2001); Norbert Kössinger: Otfrids ‚Evangelienbuch‘ in der frühen Neuzeit. Studien zu den Anfängen der deutschen Philologie (Frühe Neuzeit 135, Tübingen 2009).

Quelle: http://schotten.hypotheses.org/622

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