„Ehre und Honneur sind nicht das gleiche“

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) veröffentlichte am 25.7.2012 einen Artikel von Axel Dröber über die Bilanztagung des Forschungsseminars „Les mots de l’histoire“ am 15.6.2012 in den Räumlichkeiten des DHI Paris. „Ehre und Honneur sind nicht das gleiche“ – eine Zusammenfassung :

Nach nunmehr achtjähriger Laufzeit ging die Veranstaltungsreihe der „Mots de l’histoire – historiens allemands et français face à leurs concepts et leurs outils“ im Juni mit einer bilanzierenden Tagung zu Ende. Die von den Organisatoren der „Mots“ vorgestellten Ergebnisse werden in dem FAZ-Artikel, der in der Rubrik Geisteswissenschaften erschienen ist, zusammengefasst und dargestellt.

Am Anfang der „Mots“ stand demnach die Einsicht in die Verschiedenartigkeiten der Geschichtsschreibung in Frankreich und Deutschland. Hatte schon der Annales-Mitbegründer Marc Bloch 1928 darauf hingewiesen, wie problematisch die unverbundene Koexistenz verschiedener geschichtswissenschaftlicher Methoden und Ansätze sei, bemühte sich die auf Initiative des Pariser CIERA ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe der „Mots“, eine Diskussion im deutsch-französischen Rahmen über die Arbeitsweise und die historiographischen Prämissen von Historikern und Sozialwissenschaftlern beiderseits des Rheins anzuregen. Grundlage der monatlich stattfindenden Seminare der „Mots“ waren wissenschaftliche Konzepte wie die „Sattelzeit“, historiographische Trends wie die Weltgeschichte oder Begriffe wie „Diskurs“ und „Discours“ oder „Gedächtnis“ und „Mémoire“. Das die Veranstaltungsreihe überwölbende Thema bestand in einer binationalen vergleichenden historischen Semantik, in deren Rahmen  namhafte Vertreter der deutschen und französischen Sozial- und Geisteswissenschaften zu jeweils über 120 Themen zusammenkamen.

Als Konstante der Seminare der „Mots“ wurden der Ablauf der Veranstaltungen selbst und die kontrastive Präsentation der Begriffe hervorgehoben, die so in ein besonderes Spannungsverhältnis traten, mit dem ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede besonders deutlich zum Vorschein kamen. Begriffe wurden so nicht allein als Ausdruck einer sozialen Realität, sondern auch als Produkt und Phänomen der Geschichtsschreibung beider Länder erkennbar. Dazu trug auch die Seminarform der Veranstaltungen wesentlich bei: den Präsentationen eines Begriffs folgte jedes Mal ein Kommentar, in dem die Ergebnisse noch einmal pointiert gegenübergestellt wurden. Dass auch komplexe Themen so offen und in einem breiten Forum diskutiert werden konnten, zog nicht zuletzt auch ein sehr junges Publikum an. Tatsächlich entwickelten sich die „Mots“ zu einem zentralen Ort des Austauschs und Kontakts auch junger Wissenschaftler aus Deutschland und Frankreich.

Was sowohl bei den Organisatoren als auch bei den Teilnehmern der „Mots de l’histoire“ zurückbleibt, ist die Erkenntnis, dass die Standortgebundenheit des Historikers sowohl nahezu unüberwindlich erscheint, zugleich aber auch in einem hohen Maße fruchtbar sein kann. Nirgendwo wird dies deutlicher als an der Sprache, mit der der Wissenschaftler sich seinem Untersuchungsgegenstand nähert. In der Konfrontation von deutschen und französischen Begriffen werden erst die Konventionen deutlich und hinterfragbar, die die historische Betrachtungsweise von Beginn an prägen.

Die einzelnen Beiträge der Abschlusstagung sind auf der Website des DHI Paris als Podcast verfügbar.

Quelle: http://trivium.hypotheses.org/477

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Hierarchie meets Netz meets Wissenschaft

Web 2.0-Formate in der Wissenschaft leiden an einem chronischen Mangel an Kommentaren, das ist ein offenes Geheimnis. Alle fragen sich, wann wohl die Generation Y – oder nennen wir sie Generation Facebook – in der Sphäre höherer wissenschaftlicher Weihen angekommen sein und sich somit berechtigt fühlen wird, etwa an Rezensionsprozessen im Kommentarformat teilzunehmen, wie sie recensio.net anbietet.

Vielleicht aber gibt es noch ganz andere Hürden: Könnte ein wichtiger Grund für die Web 2.0-Skepsis in den Geisteswissenschaften nicht auch darin liegen, dass gerade im deutschsprachigen Bereich die Hierarchie im Wissenschaftsbetrieb, die sich an Titeln, Meriten und Positionen festmacht, eine traditionell viel wichtigere Rolle spielt als im europäischen Ausland, etwa in Frankreich? Dass in der Professorenschaft die Bereitschaft, sich ohne Würdigung ihrer Stellung gewissermaßen „auf Augenhöhe“ mit Studierenden, Nachwuchswissenschaftler oder Laien auszutauschen, eher gering ist? Und könnte es sogar sein, dass der Nachwuchs dieses Hierarchiebewusstsein frühzeitig erbt und damit die Offenheit im Meinungsaustausch, die wir auf privaten Plattformen boomen sehen, in der Welt der Wissenschaft unter sehr erschwerten Bedingungen und womöglich viel später einen Durchbruch erleben wird, als wir das ahnen?

Letzte Woche publizierte der Spiegel einen Artikel darüber, wie die Generation Y Unternehmenskulturen verändert:

Alles das, was eine hierarchische Organisation ausmacht, wird auf den Prüfstand kommen: Herrschaftswissen, Kontrolle, zentrale Steuerung, Machtspielchen. Stattdessen werden offenes Wissensmanagement, flache Organisationen, gelebte Work-Life-Balance, gute Fehlerkultur, hierarchielose Kommunikation und Vertrauen wichtiger – für Führungskräfte und für Mitarbeiter. Heute gibt es Mitarbeiterbeurteilungen – künftig wird es auch Chefbeurteilungen geben.

Vielleicht sollten wir uns alle darauf einstellen, dass ein fundamentaler Wandel begonnen hat hinsichtlich der Rolle des „Experten“, ob es nun der Chef, der Professor oder der Rezensent ist. Die Aura des „Unantastbaren“, die seine Meinungsäußerung umgibt, bröckelt zunehmend und wird schrittweise abgelöst durch dynamische Meinungsbildungsprozesse, die sich im Netz in der Regel in Kommentarspalten abspielen. Sicher wird dieser Wandel in der Wissenschaft stark verzögert vollzogen werden, aber sollten wir uns nicht darauf vorbereiten? Überlegen und erproben, wie unter den neuen Bedingungen wirksame wissenschaftliche Qualitätssicherung stattfinden kann?

Ob das Angebot von recensio.net als ein solcher Schritt betrachtet werden kann, wollen wir in Sektion 1 der RKB-Tagung besprechen, deren genaue Zusammensetzung in Kürze feststehen wird.

Quelle: http://rkb.hypotheses.org/194

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Ein Uni-Lektoren-Krimi: Martin Mucha – Seelenschacher

muchaKann ich nur empfehlen: Martin Muchas hardboiled Krimi Seelenschacher, dessen Hauptprotagonist ein prekär beschäftigter Lehrbeauftragter der Uni Wien ist, der sich mühelos zwischen akademischem Milieu und Wiener Zuhälter/Halbkriminellenszene bewegt:

WIENER SEELEN Den schlecht bezahlten Wiener Universitätslektor Arno Linder plagen einmal mehr die Geldsorgen. Da kommt es ihm gerade recht, dass ihn ein alter Bekannter um einen Gefallen bittet. Bruder Erich, der Sekretär und Vertraute des Wiener Kardinals Gutbrunn, hat ein seltsames Anliegen: Ein kleines privates Kreditbüro akzeptiert die Seelen seiner Kunden als Sicherheit. Mutter Kirche ist natürlich beunruhigt und will sich informieren. Die Aussicht auf ein Nebeneinkommen und die eigene Neugier drängen Arno dazu, den Auftrag anzunehmen. Nicht ahnend, dass er damit schon bald knietief in neuen Schwierigkeiten steckt …

Mucha, Martin: Seelenschacher. Kriminalroman. Meßkirch: Gmeiner, 2011. [Verlags-Info]

Ebenfalls von Martin Mucha in dieser Reihe erschienen: Die Krimis Papierkrieg und Beziehungskiller.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/129658946/

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Geschichtstourismus in Schweden – die Mittelalterwoche auf Gotland


Das Mittelalter als bzw. im Spiegel unserer Zeit...Flickr, CC-BY-NC-SA arkland_swe

Jedes Jahr im August, immer in der Kalenderwoche 32, machen sich zehntausende von Besuchern auf den Weg zur schwedischen Insel Gotland und – ins Mittelalter. Ein regelrechter Mittelalterwahn:  Hier treffen sich Eskapismus und Geschichtsverklärung, weidlich ausgeschlachtet von der Tourismusbranche.

Letzte Woche war es wieder soweit, und Tausende hatten sich wieder vor allem in der Inselhauptstadt Visby eingefunden, um sich inmitten der historischen Kulisse, welche die in weiten Teilen erhaltene Altstadt samt ihrer mittelalterlichen Stadtmauer bietet, dieser historischen Inszenierung hinzugeben. Von ihren bescheidenen Anfängen 1984 ist diese Veranstaltung zu einem Massenspektakel und Besuchermagnet mit an die 40.000 Besuchern jährlich geworden. Das in großen Teilen erhaltene mittelalterliche Stadtbild ist das eine, das für viele obligatorische Einkleiden in mittelalterlich anmutende Kleidung (oder was man dafür hält) ist das andere. Die Mittelalterwoche ähnelt in ihrem Programm und den angebotenen Aktivitäten vielem, was man in deutschen Breiten auf entsprechenden Veranstaltungen wiederfindet: angefangen beim Turnier über einen Markt mit Handwerk und Speisen bis hin zu diversen Theater- und Musikaufführungen – ein facettenreiches Enactment-Event und Geschichtsspektakel, und das eine ganze Woche lang, von Sonntag bis Sonntag.

Carl Gustaf Hellquist: Valdemar Atterdag brandskattar Visby (1882)Quelle: Wikimedia Commons

Den historischen Hintergrund bildet die Eroberung der Insel durch den dänischen König Valdemar Atterdag 1361 und die anschließende Brandschatzung Visbys – in gewisser Weise ein Kuriosum, da man sich auf eine für die Insel eher unerfreuliche Begebenheit bezieht. Dieses Ereignis ist für viele Schweden in Form des der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts zuzuordnenden Bildes von Carl Gustaf Hellquist durchaus präsent. Das nachfolgende Filmchen auf Vimeo zeigt eine Amateuraufnahme von 2009 vom alljährlich nachgestellten Einzug Atterdags in die Stadt. Kleine Bemerkung am Rande: Kurios ist das Bemühen, die Aufnahme durch die Nachbearbeitung als historisch anmutenden Schwarzweißfilm aus der Frühzeit des Kinos daherkommen zu lassen, sozusagen um “noch mehr historische Authentizität” zu erreichen.

“Jung und alt begeben sich 1000 Jahre in der Zeit zurück und leben während einer Woche auf Gotland im Mittelalter. Ist das Interesse für diese entlegene Zeit wirklich seriös oder haben wir einen Wunsch, für eine Weile aus unserer eigenen Zeit zu flüchten, uns als jemand Fremdes und Anderes zu verkleiden? Eine andere Person werden zu können und in der Fantasie nachspüren, wie sich das Dasein für Menschen in unterschiedlichen Situationen, Tätigkeiten und sozialen Zusammenhängen gestalten könnte.”

So schreiben die Organisatoren auf der Homepage der Mittelalterwoche und lassen erkennen, dass auch für sie die Inszenierung, die sie betreiben, ihre Grenzen hat. Während des Ereignisses ist man jedenfalls in vielerlei Hinsicht sehr bemüht, eine Illusion von Mittelalter zu kreieren – soweit das in der heutigen Zeit natürlich überhaupt möglich ist. Es gibt ein weitgehendes Autoverbot in der Visbyer Innenstadt, man versucht, Verkehrsschilder und andere moderne Symbole zu verdecken und es werden detaillierte Anweisungen an die mitwirkenden Akteure ausgegeben.

Frauen bitte mit Kopfbedeckung!Flickr, CC-BY-NC-SA jonas_evertsson

So werden für den Markt, den die Organisatoren als Herzstück der Mittelalterwoche begreifen, klare Regeln vorgegeben: Es sollen mittelaltertypische Waren und Mahlzeiten angeboten werden, die Marktstände müssen aus Holz und mittelalterlicher  Bauart  sein. Moderne Ausstattungs- und Gebrauchsgegenstände sollen vermieden oder camoufliert werden. Schilder mit Text sind weniger erwünscht als Symbole, Zunftabzeichen und das mündliche Anpreisen der Waren. Moderne Auszeichnungen der Waren werden vom Organisationsteam nicht zugelassen. Natürlich sind auch hinsichtlich der Kleidung Vorgaben zu beachten: “Verkäufer und andere, die sich am Stand aufhalten, sollen mittelalterlich gekleidet sein. Denk auch an die Schuhe. Ein Sack oder eine Tunika über moderner Kleidung sehen nicht gut aus. Frauen sollen eine Kopfbedeckung tragen. Mädchen dürfen jedoch das Haar offen tragen.”

Die Gesamtheit eines Marktstandes (Verkaufspersonal, Stand und Waren) soll dabei helfen, die Illusion eines mittelalterlichen Marktes zu erwecken. Mit der Unterschrift auf dem Pachtvertrag verpflichtet man sich als Markthändler, die Regeln der Organisatoren verbindlich einzuhalten. Alle Waren und Angebote müssen vom Organisationskomitee genehmigt werden: “Die Mittelalterwoche akzeptiert Produkte und Material, das es im Mittelalter gegeben haben kann, d.h. Produkte, die entweder mittelalterlichen Charakters und Eindrucks sind oder vom Mittelalter inspiriert sind oder aus Material, dass es im Mittelalter gab oder mit mittelalterlicher Technik hergestellt sind.” Auf dem Markt herrscht nicht nur Rauch-, sondern auch Kaffee-, Softdrink- und Mobiltelefonverbot. Wem das alles noch nicht genug ist, der kann sich noch in eines der Mittelalterlager begeben, in dem man seine Reise in die Vergangenheit rund um die Uhr betreiben kann. Sehr aktiv ist dabei eine sog. Gesellschaft für kreativen Anachronismus (das Organisationskomitee sollte vielleicht anfragen, ob man diesen Namen nicht übernehmen könnte…). Man kann also, wenn man möchte, mit Haut und Haaren, mit allen Sinnen in eine andere Zeit eintauchen. “Bei allem geht es natürlich darum, zu versuchen, lebendig zu machen, wie Menschen im Mittelalter lebten. Das beinhaltet alles, angefangen dabei, wie man sich kleidete, was man aß, was die Kinder spielten, wie man Dinge herstellte, welche Berufe man hatte, wie man hieß, bis hin wie man redete. Das ist es, worum es bei der Mittelalterwoche geht. Sowie Spaß zu haben!”

Mittelalterliche Stadtmauer von Visby (gemeinfrei)Quelle: Wikimedia Commons

Darüber hinaus geht es bei der Mittelalterwoche noch um handfeste wirtschaftliche Interessen. Gotland ist eine strukturschwache Region, deren Haupterwerbszweige der Tourismus und die Landwirtschaft darstellen. Von den Zeiten früherer Größe als Knotenpunkt im Ostseehandel und als Hansestadt ist wirtschaftlich gesehen nichts mehr übrig. Immerhin kann Schwedens “Sonneninsel” im Sommer beachtliche Zahlen an Touristen empfangen, primär aus Schweden selbst, aber auch aus anderen Ländern. Der Zeitpunkt Anfang August wurde bewusst gewählt, weil das Mittelalterspektakel so einen saisonverlängernden Effekt hat und Touristen auf der Insel hält oder zu einem Zeitpunkt auf die Insel bringt, wenn das Sommergeschäft sich langsam schon dem Ende zuneigt. Die Wahl des Themas ist auch recht vielsagend, fiel die Eroberung durch Valdemar doch in eine Zeit, in der Gotland nur schwache Bindungen an das schwedische Königreich besaß und eher eine Art Inselrepublik darstellte, die allerdings mit der zunehmenden Expansion der dänischen und schwedischen Herrschaftsbereiche und mit den Entwicklungen in der Seefahrt bereits dabei war, an wirtschaftlicher Bedeutung zu verlieren. Jedenfalls verweisen die Begebenheiten von 1361 auf eine Zeit, in der Gotland noch stärkere Distanz zu Schweden hatte – und das passt angesichts der gerne gepflegten regionalen Identität sehr gut.

Das Geschichtsevent trägt allerdings auch zu einer Engführung des gotländischen Geschichtsbildes auf das Mittelalter bei, eine Fixierung, die ohnehin schon stark ist. Über Gotlands Bedeutung als “Horchposten der NATO” in der Ostsee im Kalten Krieg und als strategischer Punkt in militärischen Planungen in den Konflikten und Kriegen des 19. und 20. Jahrhunderts etwas zu erfahren, ist ungleich schwerer, als über Gotlands Blüte in der Hansezeit. Zu Recht ist man auf die Stellung der Visbyer Altstadt als Teil des UNESCO-Welterbes stolz und bezeichnet sich auch als “Hansestadt Visby” [Hansestaden Visby]. Doch steht vieles andere im Schatten, das hat sich mir auch vor gut einem Jahr in Zusammenhang mit einer Lehrveranstaltung (die mit einer einwöchigen Exkursion nach Gotland verbunden war) gezeigt: Die Forschungsliteratur zu Hansezeit und Mittelalter Gotlands ist ungleich reichhaltiger als zu anderen Epochen.

Es gibt mittlerweile eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen, welche die Medeltidsveckan als geschichtskulturelles Phänomen unter die Lupe genommen haben. Im Zentrum stehen dabei Fragen der Aneignung von Geschichte und Geschichtsbildern, die Authentizität der mittelalterlichen Inszenierung in den Augen der Besucher und ihre Bedeutung als Flucht vor und zugleich Spiegel der Gegenwart. Hinsichtlich der Erwartungen an den authentischen Charakter der Mittelalterwoche – angesichts des weiter oben beschriebenen Aufwandes, der für die Inszenierung betrieben wird – verweist Sandström darauf, dass gerade Besucher mit guter historischer Vorbildung um Brüche und Unzulänglichkeiten in der Inszenierung nur zu gut wissen, sich aber dennoch auf das Spiel mit der Vergangenheit einlassen. Intellekt und Gefühl gingen eben nicht immer Hand in Hand: “Wir sind nicht dort, um mittelalterlich korrekt zu sein, wir sind dort, um Spaß zu haben.” sagen Besucher der Mittelalterwoche. Genau darum gehe es nämlich, auch der Titel des Buchs von Gustafsson verweist auf Spiele mit Zeit, Raum und Identität.

Man könnte gar die These aufstellen, dass man desto weniger im Mittelalter leben möchte, je mehr Wissen man sich über diese Zeit aneignet. Eine Kapitelüberschrift bei Sandström lautet “Das Mittelalter war eine Zeit ohne Zahnpasta”, und es wird anhand Befragungen von Besuchern der Mittelalterwoche deren oft sehr hoher Grad an Bewusstsein darüber aufgezeigt, dass sie sich immer nur in einem Ausschnitt oder in einer bestimmten Vorstellung von Mittelalter bewegen. Abends legt man sich ins Hotelbett oder in eine der Wohnungen, welche die Einwohner Visbys für teures Geld während der Woche vermieten, morgens ist man sein modernes Frühstück und schlüpft dann in die weichgespülte Version von Mittelalter ohne Unrat in den Straßen, ohne Dreck und Krankheiten. Aber kann man den begeisterten Besuchern deswegen Vorwürfe machen? Ist es nicht zu begrüßen, dass sich die Menschen wie bei kaum einer anderen Epoche mit Alltagsgeschichte und dem Leben der einfachen Leute auseinandersetzen? Was nämlich bei aller Kritik an Geschichtskonstruktionen und Eskapismus hinzukommt: Die Mittelalterwoche wird durch zahlreiche Bildungsangebote wie Stadtrundgänge, Vorträge und Museumsführungen bereichert und siedelt diesen Charakter als durch wissenschaftliche Erkenntnisse fundierte Bildungsveranstaltung relativ hoch an. So kann man das eigene “Nachleben” von Geschichte um fachlich kompetenten Input bereichern und das Ganze auch eher als Bildungsreise in die Vergangenheit mit verschiedenen Facetten auffassen. Von daher wird für einen nicht zu unterschätzenden Anteil der Besucherschar von den Living-History-Anteilen und dem Reenactment-Charakter der Veranstaltung eine Brücke hin zu historischer Bildung gebaut. Zumindest möchte ich mit der leisen Hoffnung, das dem so ist, diesen Beitrag beschließen.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/138

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Programmierer/in / Digital Humanist (volle Stelle) Gandhāra‐Projekt

Das Vorhaben “Die frühbuddhistischen Handschriften aus Gandhāra” an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften sucht einen erfahrenen Programmierer und “Digital Humanist”.

Die Stelle ist an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) angesiedelt, zunächst befristet bis zum 31.12.2015.
Bewerbungsfrist ist der 31. August 2012.

Zur offiziellen Stellenausschreibung:
deutsch: http://www.uni-muenchen.de/aktuelles/stellenangebote/technik/20120720074055.html
englisch: http://gandhari.org/tmp/programmer_and_digital_humanist.txt

Aus der Ausschreibung:

Aufgaben

Sie übernehmen die technische Betreuung der Datenbank des Dictionary of Gāndhārī. Gāndhārī ist eine mittelindische Sprache, die im antiken Gandhāra (Nord‐Pakistan und Ost‐Afghanistan) und in Zentralasien (Xinjiang, China) von etwa dem vierten Jahrhundert v. Chr. bis zum vierten Jahrhundert n. Chr. in Gebrauch war. Als wichtige Literatur‐ und Verwaltungssprache der Region trug sie wesentlich zur Verbreitung der buddhistischen Literatur nach Zentralasien und China bei. Die im Jahr 2002 an der University of Washington gegründete Datenbank beinhaltet derzeit Transkriptionen und Bilder von 2.635 Gāndhārī‐Dokumenten (Handschriften, Inschriften und Münzlegenden), mithin die große Mehrzahl der heute bekannten Quelltexte in dieser Sprache. Archäologische Entdeckungen vermehren beständig das Text-Korpus, und nur ein kleiner Teil der bislang bekannten Texte liegt in Editionen vor. Das Dictionary of Gāndhārī entsteht somit auf der Grundlage eines sich ständig erweiternden Quellenkorpus und unterstützt gleichzeitig die editorischen Aktivitäten. Weitere Informationen über das Dictionary of Gāndhārī sind unter http://gandhari.org/ abrufbar.

Wir suchen eine/n erfahrene/n Programmierer/in und Digital Humanist, der/die den Inhalt der Dictionary‐Datenbank von seinem augenblicklichen PostgreSQL‐Schema in ein von den Herausgebern konzipiertes TEI‐konformes XML‐Schema konvertiert, um ihn entweder in einer relationalen Datenbank oder in einer eXist‐XML‐Datenbank bereitzustellen. Nach dieser grundlegenden Datenkonvertierung wird der/die Programmierer/in / Digital Humanist die Präsentations‐ und Analyse‐Funktionen des Datenbanksystems gemäß den Bedürfnissen seiner Herausgeber und Benutzer fortlaufend erweitern und verbessern (unter anderem Mechanismen zur Verknüpfung von Transkriptionen und Bildern der Quelltexte, komplexe Suchfunktionen unter Berücksichtigung lexikalischer und grammatischer Metadaten und Methoden zur Integrierung von Datenbankinhalten und Herausgeberanalysen zu vollständigen Wörterbuchartikeln). Der/Die Programmierer/in / Digital Humanist wird außerdem den Schriftsatz von Web‐ und Druckpublikationen des Münchener Gandhāra‐Projektes mit besonderer Berücksichtigung der Automatisierung editorischer Aufgaben auf Grundlage der Dictionary‐Datenbank unterstützen.

 

Anforderungen

Wesentliche technische Anforderungen sind Erfahrung mit relationalen SQL‐Datenbanken, mit der XML‐Bearbeitung durch XSLT und XQuery, mit der Erstellung von Web‐Benutzeroberflächen und mit dem Betrieb von Webservern; wünschenswerte Zusatzqualifikationen sind eine Vertrautheit mit dem eXist‐XML‐Datenbanksystem und Erfahrung mit digitaler Bildbearbeitung sowie dem digitalen Schriftsatz mit TeX‐basierten Systemen. Wesentlich sind weiterhin ein Interesse und aktives Engagement auf dem Gebiet der Digital Humanities, um aus den Erfahrungen verwandter Projekte zu lernen, ihre Ergebnisse und Werkzeuge effektiv zu nutzen und das Dictionary of Gāndhārī zu einem sichtbaren Akteur auf diesem Forschungsfeld zu machen; nachweisbare Erfahrung in einem erfolgreichen Digital‐Humanities‐Projekt wird von Vorteil sein. Vorkenntnisse der Gāndhārī oder anderer indischer Sprachen sind nicht notwendig, aber vom/von der Programmierer/in / Digital Humanist wird erwartet, sich im Zuge seiner/ihrer Arbeit mit den sprachlichen und inhaltlichen Grundzügen des Dictionary‐Quellmaterials vertraut zu machen, um mit seinen/ihren Kollegen effektiv zu kommunizieren und sinnvolle technische Entscheidungen zu treffen, die der Natur des Quellmaterials Rechnung tragen. Sie verfügen über einen Master-/Diplomstudienabschluss im Fach Informatik, Digital Humanities, Computerlinguistik oder einen vergleichbaren Studienabschluss. Wenn Sie ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit, kommunikativen Fähigkeiten und persönlichem Engagement mitbringen, freuen wir uns auf Ihre Bewerbung. Ihr Arbeitsplatz befindet sich in zentraler Lage in München und ist sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Wir bieten Ihnen eine interessante und verantwortungsvolle Tätigkeit mit guten Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten als Mitarbeiter in einem internationalen Forschungsteam. Schwerbehinderte Bewerber / Bewerberinnen werden bei ansonsten im Wesentlichen gleicher Eignung bevorzugt. Die Bewerbung von Frauen wird begrüßt.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=787

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(geschichte.transnational): 4 Promotionsstip. “Arbeit in der sich globalisierenden Welt” (Friedrich-Ebert-Stiftung)

Johannes Platz Institution: Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn Datum: 01.11.2012-31.10.2014 Bewerbungsschluss: 22.08.2012 Arbeit in der sich globalisierenden Welt, 1880 bis heute. Historischer Wandel und gegenwärtige Effekte in Europa Aus historischer Sicht hat der Wandel der Arbeitswelten in den postindustriellen (de-industrialisierten) Gesellschaften Europas weitreichende Konsequenzen für die Verfasstheit, das Verständnis und die Einschätzung des Verhältnisses von Arbeit, Arbeitern und [...]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2012/08/3135/

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