Comics als historische Quelle

Spence, Struwwelhitler

 

Comics begleiten die Menschen weltweit schon seit mehr als 100 Jahren in verschiedensten Formen, sei es als Strip in Zeitungen, als klassisches Comic-Heft, als Album und „graphic novel“ oder nunmehr auch in digitaler Form im Internet. Sie sind nicht nur Unterhaltung, sondern immer auch Spiegel unserer Gesellschaften. Als historische Quelle wurden sie jedoch erst relativ spät entdeckt. Wie mit ihnen als Quelle umgegangen werden kann, wird im folgenden Artikel beleuchtet, indem in chronologischer Folge an ausgewählten Beispielen ihre Potenziale als text-bildliche Quelle vorgestellt werden.

Als der Comic Anfang der 1990er-Jahre als Medium historischen Lernens entdeckt wurde, erschienen auch die ersten Publikationen zum Comic als Quelle.[1] Bis dahin galt er als Teil einer Populärkultur, die zwar für Kinder und Jugendliche gedacht war, aber weder als wertvoll noch als bildungsrelevant angesehen wurde; ganz im Gegenteil galten Comics spätestens seit den Anti-Comic-Kampagnen der 1950er-Jahre als verdummend.[2] Geschichte wurde daher und überwiegend nur thematisiert, wenn es sich bei den Comics um sogenannte Geschichtscomics, also Comics mit historischen Inhalten handelte. Ausgehend von der These, dass gerade Jugendliche schnell und leicht von den bunten Heftchen zu beeinflussen seien, entstand schnell die Vorstellung, dass Generationen von Jungen ihr Mittelalterbild von Serien wie „Sigurd“ oder „Prinz Eisenherz“ erworben hätten. Empirische Studien, die dies be- oder widerlegen, gab und gibt es bis heute jedoch nicht.[3]

Dass der Comic jedoch unabhängig von seinen Inhalten eine wertvolle wissenschaftliche und pädagogische Ressource zur Dekonstruktion gesellschaftlicher Normen und Werte sein kann, zeigte sich deutlich mit dem Erscheinen der ersten wissenschaftlichen Studien über die US-amerikanischen Superheldencomics; sie waren ein Spiegel des gesellschaftlichen Umgangs mit Krisen, Gewalt und Sexualität. Heute sind Comics in mehrfacher Hinsicht eine wichtige Quelle für die Analyse von (Geschichts-)Kultur. Sie sind ein Zeugnis gesellschaftlicher Werte und Normen, von Geschlechterverständnissen oder Moden; sie spiegeln die Gesellschaft und deren aktuelle Diskurse wider. Als Geschichtscomics stellen sie darüber hinaus einen Teil unserer Erinnerungskultur dar, der gerade im Bereich des historischen Lernens in den letzten Jahren einen immer wichtigeren Platz einnimmt.

Scott McCloud, Comics richtig lesen, S. 76

Abb. 1: Induktion, in: Scott McCloud, Comics richtig lesen, 3. Aufl., Hamburg 1995, S. 76
© Scott McCloud/Carlsen Verlag Hamburg 1995

Das hat mehrere Gründe. Als visuelles Medium zieht der Comic über seinen Bildanteil die Aufmerksamkeit der Lesenden auf sich. Durch die Symbiose von Bild, Text und Symbolen gelingt es dabei guten Comics, die Lesenden an sich zu binden. Das liegt nicht zuletzt an den Funktionsmechanismen des Comics, wie beispielhaft Scott McCloud zeigt:[4] Zwischen den einzelnen Panels (den umrandeten Bildern) eines Comics vergeht Zeit, die die Lesenden selbst per Induktion überbrücken müssen und dabei ihre eigene Imagination einbringen (Abb. 1). Geschickt eingesetzte Symbolismen in Figuren (Stereotypen) und Gegenständen ermöglichen zudem eine schnelle Orientierung in einer Narration (Abb. 2). Unterscheidungen in gut/böse, gefährlich/ungefährlich und Ähnliches gelingen so schnell. Bilden Zeichenstil und erzählte Geschichte eine Einheit, kann der Comic bei den Lesenden zudem synästhetische Effekte auslösen. Denn obwohl beim Lesen nur ein (optischer) Sinn stimuliert wird, werden bei der Verarbeitung der visuellen Informationen mehrere Sinne angesprochen. Comics binden also Lesende in hohem Maße an sich und beeinflussen diese durch die verwendeten Symbolismen und gewählten Stilrichtungen eher unbewusst – und dadurch oftmals besonders effektiv. Sie ermöglichen daher auch eine narrative oder interpretative Lenkung der Lesenden.

Eisner, Grafisches Erzählen, S. 27

Abb. 2: Symbolismus, in: Will Eisner, Grafisches Erzählen. Graphic Storytelling, Wimmelbach 1998, S. 27
© Will Eisner/Comic Press Wimmelbach 1998

 

Populärkultur als Spiegel der Gesellschaft und Teil der Geschichtskultur

Cover: Hergé, Tim im Kongo

Abb. 3: Cover: Hergé, Tim im Kongo, Hamburg 1999

Jeder Comic verfügt über Quellenauthentizität; in ihm spiegeln sich also verschiedenste Einstellungen über die Gesellschaft und Zeit wider, in der er entstanden ist. Das gilt auch für historische Deutungen. Einer der ersten Comics, die in diesem Zusammenhang große Aufmerksamkeit erfahren haben, war Hergés „Tim und Struppi“ („Les aventures de Tintin“). So zeigt zum Beispiel das Album „Tim im Kongo“ deutlich die damals gültigen gesellschaftlichen Normen und Vorstellungen von „rassischen“ Ungleichheiten. Einheimische erschienen als dumm und arbeitsfaul, und erst Tim in der Rolle als Kolonialherr brachte das nötige Maß an Ordnung mit und damit eine funktionierende Gesellschaft.[5] Solche Darstellungen führten jedoch erst im neuen Jahrtausend zu vermehrter Kritik und Fragen, wie gerade die Nachdrucke zu handhaben seien.[6] Heute wird der Comic nur noch mit einem entsprechenden Vermerk gedruckt, der auf die belgische Kolonialzeit verweist.

Comics sind jedoch auch Spiegel politischer Krisen. So kann die Entstehung der Superheldencomics als US-amerikanische Antwort auf die deutsche nationalsozialistische Aggressionspolitik verstanden werden. Sie dienten der moralischen Stütze der amerikanischen Gesellschaft und der Motivation der nach Europa entsandten Soldaten. Obwohl die Charaktere reine Phantasieprodukte waren, so produzierten doch einzelne Künstler immer wieder kurze Sequenzen, in denen Superhelden die größten Feinde der Nation, wie Hitler und Stalin, direkt angriffen. Eines der berühmtesten Beispiele ist „How Superman would end the war“, ein kurzer Strip, der heute auch online zu lesen ist.[7] Auch einer der zurzeit populärsten Helden, „Captain America“, wurde extra für den Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland erschaffen. In seiner der amerikanischen Flagge nachempfundenen Uniform steht er für eine heroische und letztlich siegreiche Nation. Je komplexer die Außenpolitik der USA wurde, desto vielfältiger griffen und greifen die Superheldencomics amerikanische (Außen-)Politik auf.[8]

Spence, Struwwelhitler

Abb. 4: Philip Spence/Robert Spence, Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Doktor Schrecklichkeit, London 1941
© The Daily Sketch and Sunday Graphic Ltd./Autorenhaus-Verlag London 1941

Aber nicht nur der etablierte Comicmarkt reagierte auf den Zweiten Weltkrieg. Tatsächlich lassen sich in vielen von den Deutschen besetzten Staaten Untergrundcomics finden, die während des Krieges oder kurz danach veröffentlicht wurden und den Kampf gegen die Besatzer demonstrieren. Berühmte Beispiele sind „Das Biest ist tot. Der Zweite Weltkrieg bei den Tieren“ aus Frankreich oder auch „Struwwelhitler“ aus Großbritannien.[9]

In den 1950er- und 1960er-Jahren spiegelte die deutsche Comiclandschaft als Reaktion auf die weltweiten Anti-Comic-Kampagnen vor allem eine konservative und restriktive Gesellschaft wider, wie Bernd Dolle-Weinkauff in seinem Opus Magnum zur deutschen Comicgeschichte detailreich darstellt.[10] Mit der steigenden Popularität von Comicserien wie „Asterix“ Ende der 1960er-Jahre entdeckten auch politische Aktivisten den Comic für sich. So wurden die Comicfiguren – illegal – genutzt, um zum Beispiel gegen Atomkraftwerke zu mobilisieren.[11]

Selten fanden solche Werke auch den Weg in Archive oder Bibliotheken. In den USA wurden zu dieser Zeit die Undergroundcomics populär, in denen Künstler wie Robert Crumb und Trina Robbins sich provozierend mit gesellschaftlich normierter Sexualität und Rollenbildern auseinandersetzten. Auch Art Spiegelman, der später berühmt gewordene Autor und Zeichner von „Maus. Die Geschichte eines Überlebenden“, publizierte in entsprechenden Comicmagazinen seine ersten Werke.

Comic-Künstler hatten sich bereits schon seit mehreren Dekaden auch mit historischen Inhalten auseinandergesetzt. In der Bundesrepublik waren es Serien wie die „Illustrierten Klassiker“, die auch historische Stoffe in Comicform anboten und damit dem Medium vor dem Hintergrund der immer wieder zitierten Verdummungskampagnen eine seriöse Aura vermitteln sollten.[12] In den 1980er-Jahren erschienen auf dem deutschen Markt immer mehr Comics, die – zumindest oberflächlich – Geschichte zum Inhalt hatten. Es handelte sich dabei vor allem um ein neues Marktsegment: „Comicalben“, die gezielt für ein älteres und damit auch anspruchsvolles und finanzkräftigeres Publikum hergestellt wurden. Besonders populär waren Serien wie „Vae Victis!“ oder „Reisende im Wind“.[13] Diese Abenteuercomics spiegelten wider, wie sich die Comic-Künstler der 1970er- und 1980er-Jahre die Antike oder die Neuzeit vorstellten, und nutzten die Epochen als exotischen Hintergrund vor allem, um möglichst spannende und teilweise auch äußerst gewaltlastige und sexualisierte Plotlinien darzustellen.

Der Blick auf das damit entstehende Genre der Geschichtscomics ist jedoch für die Wahrnehmung von Comics als Quelle essenziell, denn gerade eine Analyse des deutschen Comicmarkts kann für das Verständnis der deutschen (populären) Geschichtskultur äußerst hilfreich sein. So ist in den letzten 25 Jahren eine große Zahl an Comics erschienen, die den Zweiten Weltkrieg und die Shoah thematisieren – dabei handelt es sich in der Masse der Veröffentlichungen nicht um deutsche Produktionen, sondern Übersetzungen aus verschiedensten west- und teilweise auch osteuropäischen Ländern. Die „graphic novel“ als in den 1990er-Jahren entstandene Publikationsform bietet dafür die ideale Plattform.[14] Obwohl die Wortkombination auf Fiktionalität verweist, so erheben doch viele dieser Publikationen den Anspruch auf – zumindest partielle – Authentizität und belegen dies auch ggf. durch Literaturnachweise.

Besonders interessant ist hier das Subgenre des Holocaustcomics. Dass es sich überhaupt erst in Deutschland durchsetzen konnte, ist vor allem den langanhaltenden Diskussionen um Art Spiegelmans „Maus“ zu verdanken.[15] Spiegelman etablierte den Geschichtscomic als seriöses Medium in der deutschen Kulturlandschaft. Damit einher ging ein deutlicher Trend zur Schwarz-Weiß-Zeichnung bei quellenbasierten Geschichtscomics. Diese Art der Simulation von Vergangenheit verweist auf eine Darstellungskonvention unserer Zeit. Beeinflusst durch frühe Fotografien und Filmaufnahmen tendieren wir dazu, Schwarz-Weiß-Bildern Quellenauthentizität zuzuschreiben. Erst in den letzten Jahren nutzen Comic-Künstler wieder vermehrt farbige Darstellungen, um Geschichte(n) über die Shoah zu erzählen. Künstler können auch Authentizität simulieren, in dem sie grafische Stile der dargestellten Zeit aufgreifen, [16] oder aber der Stil verweist auf den Grad der Authentizität. So wählte Joe Kubert für „Yossel, 19 April 1943“ Bleistiftzeichnungen. Diese verweisen auf eine eigentlich unfertige Zeichnung, die üblicherweise noch nachgetuscht wird, und damit auf den Charakter der erzählten Geschichte – eine „was-wäre-wenn“-Narration, in der Kubert fabuliert, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn seine Eltern nicht rechtzeitig aus Polen emigriert wären.

Croci, Auschwitz

Abb. 5: Cover: Pascal Croci, Auschwitz. Eine Graphic Novel, Köln 2005
© Egmont Ehapa Köln 2005

Zwei Publikationsformen haben in den letzten Jahren besondere Aufmerksamkeit erfahren: Auseinandersetzungen der zweiten und dritten Generation mit dem Geschehen in Form von Autobiografien mit biografischen und historischen Rückblicken oder Reportagen. Zweitens spielen Comics, die gezielt für historische Lernprozesse eingesetzt werden, eine wichtige Rolle wie Eric Heuvels „Die Suche“, Pascal Crocis „Auschwitz“ oder auch im US-amerikanischen Raum „X-Men. Magneto Testament“.[17] Bei diesen Publikationen haben interessanterweise biografische oder autobiografische Zeugnisse einen immer geringeren Stellenwert. Ganz bewusst werden also immer mehr fiktionale Elemente eingesetzt, um faktuale Geschichte möglichst umfassend darzustellen.[18]

Schließlich bietet der Comicjournalismus eine weitere, gegenwartsbezogene Möglichkeit des reflektierenden Blicks auf unsere Gesellschaften. Als Hauptbegründer dieses Genres gilt heute Joe Sacco, der mit seinen Arbeiten zu Krisen und Kriegen im ehemaligen Jugoslawien und Israel den Comicjournalismus etablierte.[19] Werke solcher Künstler, die in Krisengebiete reisen und ihre Berichte in Comicform festhalten, bieten gerade durch den Verzicht auf Fotografien und die Transformation des Erlebten in die Comicform teilweise sehr intensive Einblicke in die Generierung von Wissen in unserer heutigen Gesellschaft.

 

Comics als Teil einer Visual History

Um Comics überhaupt erst für eine Visual History nutzbar zu machen, bedarf es der intensiven methodischen Diskussion innerhalb der Fachwissenschaft und Geschichtsdidaktik. Nur mit ausreichender Medienkompetenz lassen sich der Comic und seine hybriden analogen und digitalen Formen analysieren. Je stärker die populäre Geschichtskultur in den Blick der Forschung gerät, desto besser wird unser Verständnis der Bedeutung von Geschichtscomics für unsere Kultur. Ein ebenso großes Problem ist der Quellenzugriff. Gerade jenseits der Comic-Alben und graphic novels sind nur wenige Comics (Hefte, Picolos und andere Formate) systematisch gesammelt und damit in Archiven oder Bibliotheken öffentlich zugänglich. Ebenso schwierig ist es, Rezeptionswege dieser Art der populären Geschichtskultur nachzuzeichnen. Das stellt die geschichtswissenschaftliche Comicforschung heute vor große Herausforderungen, doch das Ergebnis lohnt die Mühe.

 

 

[1] Vgl. Michael F. Scholz, Comics – Eine neue historische Quelle, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 38 (1990), S. 1004-1010.

[2] Vgl. Marc Degens, Wie amerikanische Comic Books die Welt verändert haben, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 56 (2002) H. 9-10, S. 833-839.

[3] Vgl. Christine Gundermann, Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2007, S. 74.

[4] Scott McCloud, Comics richtig lesen, 3. Aufl., Hamburg 1995.

[5] Vgl. Hergé, Werkausgabe, Bd. 2: Der brave Herr Mops; Tim im Kongo; Tim in Amerika, Hamburg 1999, S. 44.

[6] Vgl. Kolonialismus im Comic. Gericht entscheidet: Tim und Struppi nicht rassistisch, Der Tagesspiegel, 10.2.2012, online unter: http://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/kolonialismus-im-comic-gericht-entscheidet-tim-und-struppi-nicht-rassistisch/6197264.html (10.7.2014).

[7] Vgl. How Superman would end the war, online unter http://www.archive.org/stream/HowSupermanWouldEndTheWar/look#page/n1/mode/2up (10.7.2014). Jerry Siegel und Joe Shuster hatten diese Kurzepisode speziell für die Zeitschrift “Look” 1940 geschaffen. „Superman“ war bereits so populär, dass er hier zur Unterhaltung und politischen Mobilisierung einer größeren Leserschaft eingesetzt werden konnte.

[8] Vgl. Stephan Packard, „Whose Side Are You On?” Zur Allegorisierung von 9/11 in Marvels Civil War-Comics, in: Sandra Poppe/Thorsten Schüller/ Sascha Seiler (Hrsg.), 9/11 als kulturelle Zäsur Repräsentationen des 11. September 2001 in kulturellen Diskursen, Literatur und visuellen Medien, Bielefeld 2009, S. 317-336.

[9] Vgl. Edmond-François Calvo/Victor Dancette, Het Beest is dood! De Wereldoorlog bij de dieren, Amsterdam 1977; Philip Spence/Robert Spence, Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Doktor Schrecklichkeit, London 1941. Zwei weniger bekannte Beispiele aus den Niederlanden werden vorgestellt in: Christine Gundermann, “Opgepast …de Duitsers”. Geschichtspolitik in niederländischen Comics, in: Ralf Palandt (Hrsg.), Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011, S. 359-374, hier S. 362.

[10] Vgl. Bernd Dolle-Weinkauff, Comics. Geschichte einer populären Literaturform in Deutschland seit 1945, Weinheim 1990.

[11] Vgl. U. Raub u.a., Asterix und das Atomkraftwerk, o.A. vermutlich 1979 (Raubdruck).

[12] Die „Illustrierten Klassiker“ erschienen von 1956 bis 1972 im Bildschriftenverlag und boten vor allem Literaturklassiker in Comicformat an. Eine Auflistung der Reihe findet sich auf www.comicguide.de.

[13] Vgl. Simon Rocca/Jean-Yves Mitton, Vae Victis!, 15 Bde., Strasbourg 1991-2006; François Bourgeon, Reisende im Wind, 5 Bde., Reinbek bei Hamburg 1981-1987.

[14] Die graphic novel als „gezeichneter Roman“ verweist erst einmal nur auf ein Publikationsformat, bei der eine umfangreiche Geschichte in einem spezifischen individuellen Stil in einem Buch (also nicht in mehreren Bänden) veröffentlicht wird. Auf dem deutschen Comicmarkt wurde der Begriff vor allem genutzt, um Publikationen von klassischen Comic-Alben, also Serienproduktionen, abzugrenzen und Vorurteile von Lesenden gegenüber Comics zu umgehen.

[15] Einführend: Kai-Steffen Schwarz, Vom Aufmucken und Verstummen der Kritiker. Die Diskussion um Art Spiegelmans „Maus“, in: Joachim Kaps (Hrsg.), Comic Almanach 1993, Wimmelbach 1993, S. 107-113.

[16] Ein hervorragendes Beispiel ist „Berlin 1931“ von Felipe H. Cava und Raúl, München 2001.

[17] Vgl. Eric Heuvel u.a., Die Suche, Amsterdam 2007; Pascal Croci, Auschwitz, Köln 2005; Greg Pak/Carmine Di Giandomenico, X-Men. Magneto Testament, New York 2009.

[18] Siehe dazu Christine Gundermann, Geschichtskultur in Sprechblasen: Comics in der politisch-historischen Bildungsarbeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 33-34/2014, S. 24-29, online unter http://www.bpb.de/apuz/189530/comics-in-der-politisch-historischen-bildung?p=all.

[19] Vgl. Joe Sacco, Safe Area Goražde, Seattle 2001; Joe Sacco, Palestine, Seattle 2002.

 

Literatur

François Bourgeon, Reisende im Wind, 5 Bde., Reinbek bei Hamburg 1981-1987.

Pascal Croci, Auschwitz. Eine Graphic Novel, Köln 2005.

Felipe H. Cava/Raúl, Berlin 1931, München 2001.

Victor Dancette/Calvo, Het Beest is dood. De Wereldoorlog bij de dieren, Amsterdam 1977.

Marc Degens, Wie amerikanische Comic Books die Welt verändert haben, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 56 (2002), H. 9-10, S. 833-839.

Bernd Dolle-Weinkauff, Comics. Geschichte einer populären Literaturform in Deutschland seit 1945, Weinheim 1990.

Will Eisner, Grafisches Erzählen. Graphic Storytelling, Wimmelbach 1998.

Christine Gundermann, Geschichtskultur in Sprechblasen: Comics in der politisch-historischen Bildungsarbeit, in: APuZ, (2014) H. 33-34, S. 24-29.

Christine Gundermann, Jenseits von Asterix. Comics im Geschichtsunterricht, Schwalbach 2007.

Christine Gundermann, „Opgepast … de Duitsers“. Geschichtspolitik in niederländischen Comics, in: Ralf Palandt (Hrsg.), Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics, Berlin 2011, S. 359-374.

Eric Heuvel u.a., Die Suche, Amsterdam 2007.

Scott McCloud, Comics richtig lesen, Hamburg 1995.

Stephan Packard, „Whose Side are You On?” Zur Allegorisierung von 9/11 in Marvels Civil War-Comics, in: Sandra Poppe/Thorsten Schüller/Sascha Seiler (Hrsg.), 9/11 als kulturelle Zäsur Repräsentationen des 11. September 2001 in kulturellen Diskursen, Literatur und visuellen Medien, Bielefeld 2009, S. 317-336.

Greg Pak/ Carmine Di Giandomenico, X-Men. Magneto Testament, New York 2009.

Raub u.a., Asterix und das Atomkraftwerk, o. A. vermutlich 1979.

Simon Rocca/Jean-Yves Mitton, Vae Victis!, 15 Bde., Strasbourg 1991-2006.

Joe Sacco, Palestine, Seattle 2002.

Joe Sacco, Safe Area Goražde, Seattle 2001.

Michael F.Scholz, Comics – Eine neue historische Quelle, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 38 (1990), S. 1004-1010.

Kai-Steffen Schwarz, Vom Aufmucken und Verstummen der Kritiker. Die Diskussion um Art Spiegelmans „Maus“, in: Joachim Kaps (Hrsg.), Comic Almanach 1993, Wimmelbach 1993, S. 107-113.

Philip Spence/Robert Spence, Struwwelhitler. A Nazi Story Book by Doktor Schrecklichkeit, London 1941.

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/01/26/comics-als-historische-quelle/

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Bloggende Doktoranden. Eine Bilanz zu Fragen und Antworten #wbhyp

3284010276_ebfa71b07e_zEin Dauerbrenner in Gesprächen über das wissenschaftliche Bloggen ist nach wie vor die Frage: „Was und wie dürfen Doktorandinnen und Doktoranden überhaupt bloggen?“. Viele Doktoranden sind im Rahmen von Forschungsprojekten angestellt, bei denen publiziert wird. Aber auch Doktoranden ohne Stelle sind auf Konferenzen präsent, stellen ihre Forschung vor und müssen darauf achten, was sie vor Abgabe der Dissertation publizieren. Besonders viele Fragen und Bedenken kommen jedoch beim Publizieren in Blogs auf.

Welche Bedenken und Vorbehalte existieren?

Über das Bloggen während des Promotionsstudiums hat Matthias Meiler einen Blogbeitrag verfasst, der seine Unsicherheit bezüglich der Publikation von noch nicht fertigen Gedanken zum Ausdruck bringt. Ebenso stellt er sich die Frage, wie groß das Risiko ist, Überlegungen zu bloggen, die womöglich in der Dissertation einen größeren Stellenwert einnehmen könnten, als zunächst gedacht.

Werfen unfertige Gedanken ein schlechtes Bild auf die Arbeit von Doktoranden? Oder greift jemand anders einen unfertigen Gedanken auf und entwickelt ihn einfach weiter? Wie und was können Doktoranden also bloggen, wenn doch das Mantra der Professoren lautet, es sei normal, dass sich die Struktur der Arbeit, die Fragestellung, die Überlegungen, etc. im Lauf des Promotionsstudium noch ändern? Woher weiß man, was man vorab verbloggen darf und was nicht?

Und wie sieht es mit Selbstplagiat aus? Dürfen Doktoranden vorab publizierte Texte mit in die Dissertation aufnehmen? Klaus Graf hat darauf eine sehr deutliche Antwort: „Ein Eigenplagiat ist kein Plagiat, da man das Ergebnis einer eigenen und nicht einer fremden Leistung verwertet. Sich selbst kann man nicht bestehlen.“ Doch denken die Prüfer am Ende genauso?

Was haben Doktoranden überhaupt vom wissenschaftlichen Bloggen?

Wie Mareike König in ihrem Blogbeitrag schreibt, kommen immer wieder Bedenken von Wissenschaftlern auf, die diese wissenschaftliche Schreibform noch nie ausprobiert haben. Vielmehr wird der Zeitmangel häufig als Gegenargument genannt. Gerade Doktoranden müssen zusehen, dass sie ihre Dissertation fertig stellen. Anne Baillot beispielsweise rät in ihrem Beitrag zu #wbhyp ihren Doktoranden daher vom regelmäßigen Bloggen ab. Aus welchem Grund sollten Doktoranden also Zeit opfern und sich dem wissenschaftlichen Bloggen zuwenden?

Hierzu hat Johannes Walschütz verschiedene Gründe genannt, weshalb das Bloggen für Doktoranden sinnvoll ist:

  • Es ist eine Möglichkeit, auf die eigene Forschung aufmerksam zu machen.
  • Die Publikation erfolgt schnell und die Beiträge sind gut auffindbar.
  • Es stellt eine sinnvolle Art der Ablenkung von der Arbeit an der Dissertation dar.
  • Das eigene Blog ist ein hervorragender Ort, um Schreib- und Publikationserfahrungen zu sammeln.
  • Bloggen hilft Gedanken zu strukturieren.

Neben der Werbung für die eigene Arbeit stellt also das Bloggen an sich den Grund für’s Bloggen dar. Durch das Schreiben im Blog muss die Arbeit dargestellt werden, was eine zusätzliche Beschäftigung mit der Thematik erfordert. Das Thema muss nicht „nur“ gedacht, sondern auch geschrieben werden. So hat Maxi Platz für das eigene Bloggen festgestellt, dass es „für Nachwuchswissenschaftler wirklich heilsam [ist], eigene Themen verständlich zu formulieren. Ist man dazu nicht in der Lage, hat man vielleicht etwas selbst nicht ganz verstanden und kann das so durchaus überprüfen.“

Neben dem Schreiben übt Bloggen auch das Loslassen. Einen Gedanken zu publizieren und ihn zur Debatte zu stellen, eine These öffentlich zu verteten und nicht mehr "noch einmal eine Nacht drüber schlafen", erfordert zu Beginn Überwindung. Zudem ist allen Doktoranden (zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften) gemeinsam, dass sie einen irre langen Text schreiben. Alles wird vorher irgendwie irgendwo geübt, aber bei der Dissertation wird erwartet, dass es gleich so funktioniert.

Dieser Text beinhaltet dann eine jahrelange Reflexion, wobei man erst am Ende weiß, was und worüber genau man eigentlich schreibt. Aber das kann nicht der Grund sein, auf das Bloggen zu verzichten. Denn, nicht zu vergessen (und hier schon wieder das Mantra der Professoren): Das, was einem zu Beginn des Promotionsstudiums durch den Kopf geht und was in Form eines Blogartikels festgehalten wird, spiegelt mit Sicherheit nicht mehr die Position wider, die man während der Disputation hat. Blogartikel stellen also vor allem die einzelnen Arbeits- und Gedankenschritte während des Promotionsstudiums dar.

Wie bloggen andere Doktoranden?

Ein Blick auf die Blogs anderer Doktoranden macht deutlich, worüber diese so bloggen. Aber vor allem zeigt dieser Blick auch, dass andere Doktoranden bloggen und dass dies so einige tun. Eine ehemalige Doktorandin und zwei Doktoranden von de.hypotheses geben einen Einblick über ihr Bloggen und ihre Blogerfahrungen. Ein ganz herzlicher Dank gilt hier Johannes Waldschütz, Matthias Meiler und Maxi Platz, die auf meinen Mailaufruf an die Community von de.hypotheses Ende letzten Jahres geantwortet haben.

Matthias Meiler bloggt vor allem aus wissenschaftlichem Interesse, weil die Kommunikationsform Gegenstand seiner Dissertation ist (METABLOCK). In den Beiträgen verbloggt er Randüberlegungen, die in der Dissertation keinen Platz finden, aber dennoch von Interesse sind. Auf diese Weise könnten auch solche Randüberlegungen ausgearbeitet werden und einer Leserschaft präsentiert werden. „Aspekte, die diesen Stellenwert dennoch haben, neige ich im Blog nur zu nennen bzw. nur knapp auszuführen. In vielen Fällen geht das aber auch gar nicht anders, da ich zum jeweiligen Zeitpunkt mehr Fundiertes dazu noch gar nicht sagen kann oder auf Basis meines bisherigen Kenntnisstandes noch nicht sagen will.“ Außerdem: „Integrale Aspekte meiner Diss im Blog zu veröffentlichen, wäre der Kommunikationsform 'Weblog' auch gar nicht angemessen.“

Maxi Platz hat während ihres Promotionsstudium ebenfalls über Nebenaspekte ihrer Dissertation gebloggt (MinusEinsEbene). Rückblickend stellt sie fest, dass sie sehr unterschiedlich gebloggt hat und sich ihr Schreibstil im Lauf der Zeit auch sehr verändert hat. Auch wenn Artikel dabei waren, die nicht direkt mit dem Thema der Arbeit zusammenhingen, so hat sie zu interessanten Fragestellungen, die die Dissertation nur streifen und die in dieser keinen Platz mehr gefunden haben, oder über Gedankengänge der Arbeit geschrieben, aber ebenso über Problematiken, ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Sie sagt: „Man muss vielen Bedenkenträgern vorhalten, dass nicht alles, was man in einer historischen oder archäologischen Dissertation schreibt, neu ist und einen wissenschaftlichen Fortschritt bedeutet. Vieles ist ein Referieren des Forschungsstandes oder das Einordnen von eigenen Ergebnissen in einen bestimmten Kontext. Aspekte des Forschungstandes bilden sehr schöne Themen, über die es sich lohnt zu bloggen.“ Bedenken als Doktorandin zu bloggen hatte sie nicht, im Gegenteil: „Ich glaube zudem, dass die meisten Bedenken, beim Bloggen wie im Leben, unnötig sind. Wenn man bestimmte Regeln beachtet, also Kernergebnisse nicht publiziert, Fachkollegen nicht beleidigt oder nicht über die letzte Party allzu detailliert berichtet, kann eigentlich nichts schief gehen.“

Johannes Waldschütz stellt heraus, dass natürlich auch der Zeitfaktor eine Rolle beim Bloggen spielt. Je nach Finanzierung des Promotionsstudiums steht unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung, sodass die eigenen Zeitressourcen ebenfalls eine Auswirkung auf die Art und Weise des Bloggens haben. Rückblickend ist sein Fazit bisher, dass er nicht über seine Dissertation selbst bloggt, sondern für den Lehrstuhl an dem er arbeitet (Mittelalter am Oberrhein) oder er verfasst Gastbeiträge für andere Blogs. Wenn er über die Dissertation bloggen würde, könnte er sich eine Projektvorstellung, für ein breites Publikum aufbereitete Kapitel oder verschriftliche „Nebenprodukte“ vorstellen.

Was ist zu tun?

Da Promotionsordnungen alle etwas anderes besagen, sollte man die eigene Ordnung sehr gut lesen. Die Dissertation muss eine selbstständige Arbeit sein, aber zur Vorabpublikation werden völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Am Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität heißt es lediglich: „Kern der Promotion ist die eigene, selbstständige und originäre Forschungsleistung, die zum Erkenntnisfortschritt im jeweiligen Fach beiträgt.“ Das Adjektiv „originär“ können Doktoranden, Professoren und findige Prüfungsamtsmitarbeiter im Zweifelsfall sehr unterschiedlich interpretieren. Die Promotionsordnung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig geht nur an einer Stelle auf Vorabpublikationen ein. „Beinhaltet die Dissertation wissenschaftliche Erkenntnisse, die der Doktorand vorab mit Koautoren in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert hat, so hat der Doktorand anzugeben, welcher Teil dieser Erkenntnisse bzw. dieser Publikation auf ihn zurückgeht. Die Gutachter haben die Plausibilität dieser Angaben zu überprüfen und können im Zweifel weitergehende Nachweise vom Doktoranden verlangen.“

Da das wissenschaftliche Bloggen noch relativ jung ist, haben sich noch nicht viele Prüfungsausschüsse mit diesem Thema beschäftigt. An dieser Stelle heißt es wohl: Solidarität unter den bloggenden Doktoranden und auf in ein aufrichtiges Gespräch mit dem Doktorvater oder der Doktormutter, die womöglich mehr wissen. Zudem ist so ein Gespräch die „sichere Seite“, um in der Disputation (oder danach) keine bösen Überraschungen zu erleben.

Und was nun?

Vorschlag: Einfach mal machen!

Maxi Platz erklärt beispielsweise, warum sie sich für das Bloggen entschieden hat: „Ich fand das Medium Blog spannend und wollte es ausprobieren. Ich wollte einfach bloggen und dachte, dass die Zeit der Dissertation sich dafür eignet. Was stimmt.“

Wer dann beim Bloggen die Quellen offenlegt und nicht aus der Dissertation copy-pastet (bzw. anders herum), kann eigentlich nicht viel falsch machen. Was, wenn man etwas bereits Gebloggtes in der Dissertation aufgreifen möchte? Auch Blogs sind zitierfähig.

Aber was genau dürfen Doktorandinnen und Doktoranden denn jetzt bloggen? Die eine wichtige Quelle oder der Kern der theoretischen Überlegungen gehören wohl weniger in das Blog. Stattdessen vielleicht zwei Vorschläge: Zum einen Dinge, die man eh tut, die aber nicht in die Dissertation aufgenommen werden, beispielsweise methodische Erfahrungen oder etwas zum Forschungsstand. Zum anderen alles „rund um das Thema“, beispielsweise Tagungsberichte, Rezensionen, Archivbesuche, Ausstellungen, Linklisten, Interviews, ... Aber genau genommen gibt es keinen Leitfaden zum „richtigen“ wissenschaftlichen Bloggen (generell oder speziell für Doktoranden), zumal die Themen und Disziplinen sehr unterschiedlich sind und sich die Forschungslandschaften sehr unterscheiden.

Kommentare und Rückmeldungen zu diesem Beitrag sind im Übrigen ausdrücklich erwünscht. Es wäre großartig, wenn das Phänomen „wissenschaftliches Bloggen von Doktorandinnen und Doktoranden“ weniger suspekt behandelt werden würde und sich mehr Forschende ins kalte Wasser stürzen würden. Eines ist klar: Diese Art wissenschaftlich zu publizieren und zu kommunizieren ist noch jung und irgendwer muss ja anfangen!

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Abbildung: X von Ben Murray, Lizenz CC BY-NC-SA 2.0

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2343

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Bloggende Doktoranden. Eine Bilanz zu Fragen und Antworten #wbhyp

3284010276_ebfa71b07e_zEin Dauerbrenner in Gesprächen über das wissenschaftliche Bloggen ist nach wie vor die Frage: „Was und wie dürfen Doktorandinnen und Doktoranden überhaupt bloggen?“. Viele Doktoranden sind im Rahmen von Forschungsprojekten angestellt, bei denen publiziert wird. Aber auch Doktoranden ohne Stelle sind auf Konferenzen präsent, stellen ihre Forschung vor und müssen darauf achten, was sie vor Abgabe der Dissertation publizieren. Besonders viele Fragen und Bedenken kommen jedoch beim Publizieren in Blogs auf.

Welche Bedenken und Vorbehalte existieren?

Über das Bloggen während des Promotionsstudiums hat Matthias Meiler einen Blogbeitrag verfasst, der seine Unsicherheit bezüglich der Publikation von noch nicht fertigen Gedanken zum Ausdruck bringt. Ebenso stellt er sich die Frage, wie groß das Risiko ist, Überlegungen zu bloggen, die womöglich in der Dissertation einen größeren Stellenwert einnehmen könnten, als zunächst gedacht.

Werfen unfertige Gedanken ein schlechtes Bild auf die Arbeit von Doktoranden? Oder greift jemand anders einen unfertigen Gedanken auf und entwickelt ihn einfach weiter? Wie und was können Doktoranden also bloggen, wenn doch das Mantra der Professoren lautet, es sei normal, dass sich die Struktur der Arbeit, die Fragestellung, die Überlegungen, etc. im Lauf des Promotionsstudium noch ändern? Woher weiß man, was man vorab verbloggen darf und was nicht?

Und wie sieht es mit Selbstplagiat aus? Dürfen Doktoranden vorab publizierte Texte mit in die Dissertation aufnehmen? Klaus Graf hat darauf eine sehr deutliche Antwort: „Ein Eigenplagiat ist kein Plagiat, da man das Ergebnis einer eigenen und nicht einer fremden Leistung verwertet. Sich selbst kann man nicht bestehlen.“ Doch denken die Prüfer am Ende genauso?

Was haben Doktoranden überhaupt vom wissenschaftlichen Bloggen?

Wie Mareike König in ihrem Blogbeitrag schreibt, kommen immer wieder Bedenken von Wissenschaftlern auf, die diese wissenschaftliche Schreibform noch nie ausprobiert haben. Vielmehr wird der Zeitmangel häufig als Gegenargument genannt. Gerade Doktoranden müssen zusehen, dass sie ihre Dissertation fertig stellen. Anne Baillot beispielsweise rät in ihrem Beitrag zu #wbhyp ihren Doktoranden daher vom regelmäßigen Bloggen ab. Aus welchem Grund sollten Doktoranden also Zeit opfern und sich dem wissenschaftlichen Bloggen zuwenden?

Hierzu hat Johannes Walschütz verschiedene Gründe genannt, weshalb das Bloggen für Doktoranden sinnvoll ist:

  • Es ist eine Möglichkeit, auf die eigene Forschung aufmerksam zu machen.
  • Die Publikation erfolgt schnell und die Beiträge sind gut auffindbar.
  • Es stellt eine sinnvolle Art der Ablenkung von der Arbeit an der Dissertation dar.
  • Das eigene Blog ist ein hervorragender Ort, um Schreib- und Publikationserfahrungen zu sammeln.
  • Bloggen hilft Gedanken zu strukturieren.

Neben der Werbung für die eigene Arbeit stellt also das Bloggen an sich den Grund für’s Bloggen dar. Durch das Schreiben im Blog muss die Arbeit dargestellt werden, was eine zusätzliche Beschäftigung mit der Thematik erfordert. Das Thema muss nicht „nur“ gedacht, sondern auch geschrieben werden. So hat Maxi Platz für das eigene Bloggen festgestellt, dass es „für Nachwuchswissenschaftler wirklich heilsam [ist], eigene Themen verständlich zu formulieren. Ist man dazu nicht in der Lage, hat man vielleicht etwas selbst nicht ganz verstanden und kann das so durchaus überprüfen.“

Neben dem Schreiben übt Bloggen auch das Loslassen. Einen Gedanken zu publizieren und ihn zur Debatte zu stellen, eine These öffentlich zu verteten und nicht mehr "noch einmal eine Nacht drüber schlafen", erfordert zu Beginn Überwindung. Zudem ist allen Doktoranden (zumindest in den Geistes- und Sozialwissenschaften) gemeinsam, dass sie einen irre langen Text schreiben. Alles wird vorher irgendwie irgendwo geübt, aber bei der Dissertation wird erwartet, dass es gleich so funktioniert.

Dieser Text beinhaltet dann eine jahrelange Reflexion, wobei man erst am Ende weiß, was und worüber genau man eigentlich schreibt. Aber das kann nicht der Grund sein, auf das Bloggen zu verzichten. Denn, nicht zu vergessen (und hier schon wieder das Mantra der Professoren): Das, was einem zu Beginn des Promotionsstudiums durch den Kopf geht und was in Form eines Blogartikels festgehalten wird, spiegelt mit Sicherheit nicht mehr die Position wider, die man während der Disputation hat. Blogartikel stellen also vor allem die einzelnen Arbeits- und Gedankenschritte während des Promotionsstudiums dar.

Wie bloggen andere Doktoranden?

Ein Blick auf die Blogs anderer Doktoranden macht deutlich, worüber diese so bloggen. Aber vor allem zeigt dieser Blick auch, dass andere Doktoranden bloggen und dass dies so einige tun. Eine ehemalige Doktorandin und zwei Doktoranden von de.hypotheses geben einen Einblick über ihr Bloggen und ihre Blogerfahrungen. Ein ganz herzlicher Dank gilt hier Johannes Waldschütz, Matthias Meiler und Maxi Platz, die auf meinen Mailaufruf an die Community von de.hypotheses Ende letzten Jahres geantwortet haben.

Matthias Meiler bloggt vor allem aus wissenschaftlichem Interesse, weil die Kommunikationsform Gegenstand seiner Dissertation ist (METABLOCK). In den Beiträgen verbloggt er Randüberlegungen, die in der Dissertation keinen Platz finden, aber dennoch von Interesse sind. Auf diese Weise könnten auch solche Randüberlegungen ausgearbeitet werden und einer Leserschaft präsentiert werden. „Aspekte, die diesen Stellenwert dennoch haben, neige ich im Blog nur zu nennen bzw. nur knapp auszuführen. In vielen Fällen geht das aber auch gar nicht anders, da ich zum jeweiligen Zeitpunkt mehr Fundiertes dazu noch gar nicht sagen kann oder auf Basis meines bisherigen Kenntnisstandes noch nicht sagen will.“ Außerdem: „Integrale Aspekte meiner Diss im Blog zu veröffentlichen, wäre der Kommunikationsform 'Weblog' auch gar nicht angemessen.“

Maxi Platz hat während ihres Promotionsstudium ebenfalls über Nebenaspekte ihrer Dissertation gebloggt (MinusEinsEbene). Rückblickend stellt sie fest, dass sie sehr unterschiedlich gebloggt hat und sich ihr Schreibstil im Lauf der Zeit auch sehr verändert hat. Auch wenn Artikel dabei waren, die nicht direkt mit dem Thema der Arbeit zusammenhingen, so hat sie zu interessanten Fragestellungen, die die Dissertation nur streifen und die in dieser keinen Platz mehr gefunden haben, oder über Gedankengänge der Arbeit geschrieben, aber ebenso über Problematiken, ohne dabei in die Tiefe zu gehen. Sie sagt: „Man muss vielen Bedenkenträgern vorhalten, dass nicht alles, was man in einer historischen oder archäologischen Dissertation schreibt, neu ist und einen wissenschaftlichen Fortschritt bedeutet. Vieles ist ein Referieren des Forschungsstandes oder das Einordnen von eigenen Ergebnissen in einen bestimmten Kontext. Aspekte des Forschungstandes bilden sehr schöne Themen, über die es sich lohnt zu bloggen.“ Bedenken als Doktorandin zu bloggen hatte sie nicht, im Gegenteil: „Ich glaube zudem, dass die meisten Bedenken, beim Bloggen wie im Leben, unnötig sind. Wenn man bestimmte Regeln beachtet, also Kernergebnisse nicht publiziert, Fachkollegen nicht beleidigt oder nicht über die letzte Party allzu detailliert berichtet, kann eigentlich nichts schief gehen.“

Johannes Waldschütz stellt heraus, dass natürlich auch der Zeitfaktor eine Rolle beim Bloggen spielt. Je nach Finanzierung des Promotionsstudiums steht unterschiedlich viel Zeit zur Verfügung, sodass die eigenen Zeitressourcen ebenfalls eine Auswirkung auf die Art und Weise des Bloggens haben. Rückblickend ist sein Fazit bisher, dass er nicht über seine Dissertation selbst bloggt, sondern für den Lehrstuhl an dem er arbeitet (Mittelalter am Oberrhein) oder er verfasst Gastbeiträge für andere Blogs. Wenn er über die Dissertation bloggen würde, könnte er sich eine Projektvorstellung, für ein breites Publikum aufbereitete Kapitel oder verschriftliche „Nebenprodukte“ vorstellen.

Was ist zu tun?

Da Promotionsordnungen alle etwas anderes besagen, sollte man die eigene Ordnung sehr gut lesen. Die Dissertation muss eine selbstständige Arbeit sein, aber zur Vorabpublikation werden völlig unterschiedliche Angaben gemacht. Am Fachbereich für Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität heißt es lediglich: „Kern der Promotion ist die eigene, selbstständige und originäre Forschungsleistung, die zum Erkenntnisfortschritt im jeweiligen Fach beiträgt.“ Das Adjektiv „originär“ können Doktoranden, Professoren und findige Prüfungsamtsmitarbeiter im Zweifelsfall sehr unterschiedlich interpretieren. Die Promotionsordnung der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig geht nur an einer Stelle auf Vorabpublikationen ein. „Beinhaltet die Dissertation wissenschaftliche Erkenntnisse, die der Doktorand vorab mit Koautoren in einer wissenschaftlichen Zeitschrift publiziert hat, so hat der Doktorand anzugeben, welcher Teil dieser Erkenntnisse bzw. dieser Publikation auf ihn zurückgeht. Die Gutachter haben die Plausibilität dieser Angaben zu überprüfen und können im Zweifel weitergehende Nachweise vom Doktoranden verlangen.“

Da das wissenschaftliche Bloggen noch relativ jung ist, haben sich noch nicht viele Prüfungsausschüsse mit diesem Thema beschäftigt. An dieser Stelle heißt es wohl: Solidarität unter den bloggenden Doktoranden und auf in ein aufrichtiges Gespräch mit dem Doktorvater oder der Doktormutter, die womöglich mehr wissen. Zudem ist so ein Gespräch die „sichere Seite“, um in der Disputation (oder danach) keine bösen Überraschungen zu erleben.

Und was nun?

Vorschlag: Einfach mal machen!

Maxi Platz erklärt beispielsweise, warum sie sich für das Bloggen entschieden hat: „Ich fand das Medium Blog spannend und wollte es ausprobieren. Ich wollte einfach bloggen und dachte, dass die Zeit der Dissertation sich dafür eignet. Was stimmt.“

Wer dann beim Bloggen die Quellen offenlegt und nicht aus der Dissertation copy-pastet (bzw. anders herum), kann eigentlich nicht viel falsch machen. Was, wenn man etwas bereits Gebloggtes in der Dissertation aufgreifen möchte? Auch Blogs sind zitierfähig.

Aber was genau dürfen Doktorandinnen und Doktoranden denn jetzt bloggen? Die eine wichtige Quelle oder der Kern der theoretischen Überlegungen gehören wohl weniger in das Blog. Stattdessen vielleicht zwei Vorschläge: Zum einen Dinge, die man eh tut, die aber nicht in die Dissertation aufgenommen werden, beispielsweise methodische Erfahrungen oder etwas zum Forschungsstand. Zum anderen alles „rund um das Thema“, beispielsweise Tagungsberichte, Rezensionen, Archivbesuche, Ausstellungen, Linklisten, Interviews, ... Aber genau genommen gibt es keinen Leitfaden zum „richtigen“ wissenschaftlichen Bloggen (generell oder speziell für Doktoranden), zumal die Themen und Disziplinen sehr unterschiedlich sind und sich die Forschungslandschaften sehr unterscheiden.

Kommentare und Rückmeldungen zu diesem Beitrag sind im Übrigen ausdrücklich erwünscht. Es wäre großartig, wenn das Phänomen „wissenschaftliches Bloggen von Doktorandinnen und Doktoranden“ weniger suspekt behandelt werden würde und sich mehr Forschende ins kalte Wasser stürzen würden. Eines ist klar: Diese Art wissenschaftlich zu publizieren und zu kommunizieren ist noch jung und irgendwer muss ja anfangen!

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Abbildung: X von Ben Murray, Lizenz CC BY-NC-SA 2.0

Quelle: http://dhdhi.hypotheses.org/2343

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Mit Wissenschaftsblogs durch verschiedene Welten reisen

DSC_04842Das Redaktionsteam von de.hypotheses.org hat unter #wbhyp zu einer Blogparade rund um Zukunft und Vergangenheit, Sinn und Unsinn des Wissenschaftsbloggens aufgerufen. Die Community hat sich bereits mit vielen fundierten Beiträgen beteiligt, weswegen ich nur ein paar persönliche Eindrücke und Erfahrungen beisteuern möchte. Fachliches Bloggen ist in Deutschland nur selten ein Faktor für wissenschaftlichen Erfolg. Aber es kann Lücken füllen. Mein Blog und ich bewegen uns zum Beispiel durch verschiedene Welten: die der historischen und archäologischen Wissenschaften, die der Kultur und die des Marketing. Alle drei stehen sich durchaus nahe, es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch Grenzen und Hürden. Sie kann ich hier thematisieren.

Die wenigsten Wissenschaftsblogs ersetzen Aufsätze oder Fachpublikationen. Das bedeutet nicht, dass ihre Qualität das nicht hergäbe, aber dass man, wie Anne Baillot gezeigt hat, vorsichtig mit zu hohen Erwartungen sollte. Trotzdem gibt es immer mehr positive Beispiele für erfolgreiche Fachblogs und die Anerkennung als neue Kommunikationsform steigt, wie das Mittelalterblog gezeigt hat, sei es, um der Freude und Verzweiflung am Alltag, ge- oder misslungenen Forschungsansätzen Gehör zu verschaffen, Aktuelles aus Sicht einer bestimmten Disziplin zu erklären oder Fragen zu stellen, die man sonst vielleicht nicht stellen kann.

Ich bin Altertumswissenschaftlerin aus Leidenschaft und fand schon immer, dass die Beschäftigung mit vergangenen Gesellschaften eine unglaublich vielfältige, lehrreiche Tätigkeit ist. Als Historiker und Archäologe lernt man auch viel über das Hier und Jetzt, über sich selbst und andere. Damit haben die Altertumswissenschaften einige Überschneidungsstellen zur Praxis außerhalb der Wissenschaft, etwa zu Museen oder zum Fachjournalismus. Beide sind ein wunderbarer Weg, historische Erkenntnisse an andere Menschen zu bringen und anzuwenden.

Tatsächlich gibt es aber kaum institutionalisierten Austausch zwischen den Forschern an den Universitäten, den Kuratoren an den Museen und Journalisten – und wenn, geschieht er vor allem in eine Richtung. All die gegenseitigen Lerneffekte, die Inspiration und der Bezug zur realen Welt gehen damit verloren. Das ist für mich umso erstaunlicher, als sich gerade die Geisteswissenschaften und die Kulturbetriebe mit denselben Problemen herumschlagen: Zu wenig Gelder, keine Lobby, zu wenig Anerkennung, sinkende Aufmerksamkeit. Daran sind sie nicht ganz unschuldig, das sieht man an vielen Diskussionen über das Wissenschafts- und Kulturmanagement in Deutschland, um die Bürokratie dahinter oder die Kommunikationsweisen.

Irgendwo zwischen den thematischen Überschneidungen und strukturellen Gemeinsamkeiten von Kultur, Geisteswissenschaften und Fachmarketing gibt es einen Graben, über den ich mit meinem Blog eine Brücke bauen möchte. Das kommt dem innerfachlichen Ansehen nur bedingt zu Gute. Wenn man aber beruflich nicht nur in der universitären Wissenschaftswelt unterwegs ist und ein Herz für die Vermittlung fachlicher Inhalte hat, gilt das schon wieder nicht mehr, wie auch Angelika Schoder schrieb.

Das Vernetzen über einen eigenen Fachblog passiert vor allem mit anderen Bloggern und weniger mit nicht-internetaffinen Wissenschaftlern oder auch Museumsmenschen. Das macht aber nichts, denn sich mit den Gegebenheiten und Strukturen des Internet zu beschäftigen wird künftig auch in der Fachwelt eine größere Rolle spielen - spätestens wenn Ergebnisse Open-Access publiziert werden müssen, wenn es um Projektplanungen, technische Möglichkeiten oder Vorhaben an der Schnittstelle zu den Digital Humanities geht. Bei Gesprächen mit weniger internetaffinen Kollegen ist es ein Vorteil, Kontakte und einen Überblick über die digitalen Inhalte, aktuellen Entwicklungen und künftigen Herausforderungen zu haben. Das finde ich einen nicht unwichtigen Punkt.

Außerdem ist ein Blog zwar kein Fachjournal, wohl aber eine Form der Veröffentlichung, über die man beispielsweise aufzeigen kann, dass man über eine Idee bereits geschrieben hat. Ein solcher Urheberschaftsnachweis, wenn man es überspitzt so nennen möchte, gehört ja durchaus zu den Gründen, warum man Forschungsergebnisse publiziert.

Mein Blog ist nun gut zwei Jahre alt und immer öfter bekomme ich darüber Einladungen zu Fachveranstaltungen oder die Bitte, über ein Thema zu schreiben. Und das ist eine wunderbare Form der Anerkennung dafür, dass ich hier die Möglichkeit habe, mich einem speziellen Thema mit Leidenschaft und eigener Meinung zu widmen. Deutschsprachige Blogs zu den Altertumswissenschaften gibt es nur wenige, entsprechend gering ist die Einbindung in fachliche Diskussionen oder die Lehre. Das hat Michael Hölscher von Grammata für die Bibelwissenschaften bestätigt. International sprießen sie aber nur so aus dem Boden und die "deutsche Lücke" zwischen wissenschaftlichen Inhalten, Alltagserfahrungen, Überschneidungen zum Museum und zur Öffentlichkeitsarbeit gibt es dabei schlicht nicht. Für mich ist das die perfekte Antwort auf die Frage: "Quo vadis Wissenschaftsblogs?"

Quelle: http://kristinoswald.hypotheses.org/1545

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21. Auf einen Espresso mit Lucius Arrianus (Über das Bloggen)

Phi: Herr Arrianus, sie gelten gemeinhin als der Erfinder des Bloggens. Auch heute diskutiert man noch darüber, ob es sinnvoll ist, komplizierte, wissenschaftliche Inhalte in gekürzter und teilweise verfälschter Form in die Öffentlichkeit zu tragen. Schadet das Bloggen nicht eigentlich der Wissenschaft?

Arrianus: Zunächst einmal ist allen Lesern klar, dass wissenschaftliches Bloggen nicht gleich wissenschaftliches Bloggen ist. Man verweist mit dieser Bezeichung einmal auf die Präsentationsform, andererseits aber auch eine bestimmte Art der Inhalte. Wir reden nun aber hauptsächlich über die Inhalte. - Offenbar unterscheiden sich aber auch diese so stark von einander, dass sie eigentlich keine gemeinsame Gattung bilden können. Manche Blogs beinhalten die Ergebnisse von Forschung, die man auch in „peer-reviewten“ Fachzeitschriften finden könnte, andere sind starke Vereinfachungen verschiedenster Thesen. Wenn Blogs kritisiert werden, meint man offenbar die vereinfachenden Texten. Man hat Angst, dass diese Form die Qualität der anderen Blogs und langfristig auch des ganzen wissenschaftlichen "Outputs" mindert. Und das alles passiert, weil man alle als eine gemeinsame Gattung versteht.

Phi: Schaden die „einfachen“ Blogs also der Wissenschaft?

Arrianus: Man könnte dieselbe Frage an Schulbücher der Klasse 5 stellen. Schaden sie der Wissenschaft, weil die komplizierte Inhalte auf ein einfacheres Maß hinunter brechen? Klarerweise nein. Die Klasse „einfacher“ Blogs hat verschiedene Zwecke: Sie (wie ein kluger Lehrer aus der Nähe von Colonia Claudia Ara Agrippinensium sagte) nehmen erstens die Distanz zum jeweiligen Fach. Wer keine Zeit hat, einen Satz von Hegel zu Ende zu lesen – wie die meisten Menschen – wird nach der Lektüre einer Vereinfachung ein Bild von dem haben, was er da so dahinargumentiert und sehen, dass es gar nicht nötig war, es zu Ende zu lesen. Und wer die Beschäftigung mit antiker Philosophie infrage stellt, weil er von Hegel beeinflusst ist und denkt, wir seien heute viel weiter, kann einen Blick in das Fach werfen und sehen, was dort so passiert.

Phi: Sie denken also, dass der Nutzen überwiegt?

Arrianus: Es kommt drauf an. Die Schreibenden haben offensichtlich den Nutzen, dass sie beispielsweise während der Promotion, die zu 4/5 aus Lesen besteht, ihre Schreibtätigkeit nicht verstauben lassen müssen. Den Lesenden wird, wie gesagt, die Distanz zum vorgestellten Projekt oder Fach genommen. Und Interessierten wird außerdem die Möglichkeit geboten, einmal hineinzuschauen, was denn dort so passiert. Ich würde deshalb eine Unterteilung vorschlagen, die die Spannung aus der Diskussion etwas hinaus nimmt: Man könnte einerseits wissenschaftliche Blogs, die wissenschaftliche Ergebnisse mit vollständiger Begründung und Integration in den Forschungszusammenhang präsentieren, und andererseits wissenschaftsaffine Blogs, die eher der Darstellung der eigenen Wissenschaft dienen und mit Unterhaltung gepaart sind, wie Ihr Blog hier, unterscheiden.

Phi: Sie finden philophiso unterhaltsam?

Arrianus: Müsste ich eine Bewertung schreiben, würde ich mich für die Formulierung „Sie haben sich stets bemüht“ entscheiden.

Phi:...

Arrianus: Obwohl Wissenschaft durch das Zugucken nicht besser wird, dürfen Sie die Wirkung schön und einfach präsentierter Inhalte für Nicht-Spezialistinnen und Spezialisten nicht unterschätzen. Meine Lehrgespräche und das Handbüchlein sind der Gattung „Protreptikos“ zuzuordnen. Selbst Aristoteles, wie auch unzählige andere, haben solche Protreptiken geschrieben, um Werbung zu machen, oder die Neugierde ihrer Mitbürger zu wecken. Wissenschaft wurde außerdem selten argumentationslos vom Staat finanziert. Eigentlich nur kurz in Rom, Konstantinopel und eben heute wieder. Im geschichtlichen Zusammenhang ist das eine wundervolle Ausnahmeerscheinung. Unterschätzen Sie also nie das Bild, das von Ihrem Fach oder Projekt ausgeht.

Phi: Es geht also auch um Akzeptanz in der Gesellschaft?

Arrianus: Offensichtlich. Und besonders für Inhalte, die keinen materiellen Nutzen produzieren, sowie um die Befriedigung der Neugier, die – wie schon Aristoteles sagt – uns allen innewohnt.

Phi: Was meinen Sie genau damit „keinen materiellen Nutzen“ zu haben?

Arrianus: Beispielsweise der alte Topos, sich selbst kennen zu lernen (Γνῶθι σεαυτόν). – Jedenfalls beinhaltet ein wissenschaftsaffiner Blog natürlich nicht unbedingt die wissenschaftliche Meinung des Autors, sondern ähnelt den französischen Essays, den Versuchen, etwas über ein Thema zu schreiben ohne finale Recherche.

Phi: Wieso sind wisseschaftsaffine Blogs oder Essays oder ein "Protreptikos" nicht dazu in der Lage?

Arranus: Weil Wissen wahre Meinung mit Begründung is, wie schon Platon es definierte. Die Begründung einer wissenschaftlichen Meinung werden Sie ausreichend aber nur in langen Auseinandersetzungen finden können, die für Nicht-Spezialisten aber häufig langweilig und unverständlich sind, wie die Quantentheorie.

Phi: Sie vergleichen die Quantentheorie mit der Philosophie?

Arrianus: Sicher. Was wissen wir heute in der Öffenltichkeit als Nicht-Spezialisten von der Quantentheorie? Erstens, dass sie sehr fortschrittlich ist, obwohl sie seit fast 100 Jahren auf dem Markt ist, zweitens, dass wir dadurch heute Laser haben, drittens, dass man nie genau wissen kann, wo ein Teilchen ist und viertens, dass der Mikrokosmos wahnsinnig mysteriös und deshalb spannend ist. All das ist absolut gefährliches Halbwissen, das uns aber durch verkürzende Artikel in Zeitschriften und allerlei Dokus unterhaltsam präsentiert wurde. Dennoch weiß ich lieber so wenig darüber, als nichts darüber zu wissen. Lieber lasse ich meine Phantasie durch diese leckeren Krümel beflügeln, als zum 100. Mal auf meinem Handy, ich meine, meinem Smart Phone die Uhrzeit zu prüfen. Ich danke allen, die einen Protreptikos geschrieben haben, wie Hawkins in seiner kurzen Geschichte der Zeit. Eigentlich brauchen wir mehr davon.

Phi: Herr Arrianus, danke für das Gespräch.

Quelle: http://philophiso.hypotheses.org/419

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Der Frosch im Brunnen – Beitrag zur Blogparade #wbhyp

Während des Wartens auf die Freischaltung meines Dissertations-Blogs habe ich mir Gedanken gemacht, worüber mein erster Artikel handeln soll. Eine Vorstellung ? Eine erste Einführung in mein Dissertationsvorhaben ? Ein Bericht über das interdisziplinäre Dissertantenseminar, das ich besuchte ? Dann las ich Mareike Königs Beitrag zur Blogparade über das Wissenschaftsbloggen und somit war mir klar, ich widme meinen ersten Artikel #wbhyp.

Ich stehe erst am Beginn meines Dissertationsvorhabens und möchte daher von meinen Eindrücken als Newbie berichten.

Warum blogge ich zu meiner Dissertation ? In erster Linie, weil ich gerne schreibe und weil ich mir einen (regen) interdisziplinären Ausstausch im Bezug zu meinem Thema erhoffe. Letzlich aber auch, weil ich persönlich durch einen Blog dazu angehalten werde, etwas zu tun (nämlich schreiben und forschen) und mich dadurch auch selbst zu einem Fortschritt zwinge. Aus meinen Erfahrungen mit meinen anderen Blogs kann ich aber auch sagen, dass immer wieder interessante Kontakte geknüpft werden und das ist die ganze Schreiberei auf jeden Fall wert.

Ich stimme Mareike König teilweise zu, wenn sie schreibt, dass "Blogbeiträge  – zumindest in naher Zukunft - nicht allgemein als wissenschaftliche Leistung anerkannt werden". “[1] Ein Blog-Beitrag oder Artikel kann "hoch wissenschaftlich" sein, sprich er wurde so verfasst, dass er sofort auch in einer Fachzeitschrift abgedruckt werden könnte, da wäre es doch schade, wenn dies nicht als wissenschaftliche Leistung anerkannt werden würde. Viele Wissenschaftler, Studierende usw. recherchieren immer mehr im Internet, wenn sie einen Artikel oder eine Hausarbeit schreiben (müssen), so wird doch auch der eine oder andere Beitrag, der auf einem Hypotheses-Blog erschien, gefunden und auch (in welcher Form auch immer) verarbeitet.“[2] Letztlich stellt sich hier wiederum die Frage: Was versteht man unter wissenschaftlicher Leistung ? Eine Seminararbeit, Hausarbeit, Bachelorarbeit, Masterarbeit, Dissertation, Artikel, Handbuch ?

Ebenso ist zu bedenken, dass es für Nachwuchswissenschaftler keine oder nur einige wenige Publikationsmöglichkeiten gibt, weshalb auch ein wissenschaftliches Blog auch wieder für einen gewissen Bekanntheitsgrad sorgen kann.“[3]

"Mein Ziel ist es, dass auch Akademiker anderer Fachdisziplinen sich für meine Beiträge interessieren und ich idealerweise auch ein Publikum erreiche, das nicht aus dem akademischen Umfeld stammt."[4]

Das Zitat entstammt dem #wbhyp - Beitrag von Angelika Schroder. Sie drückt damit genau das aus, warum ich mich (unter anderem) dafür entschieden habe, einen Dissertationsblog bei hypotheses zu eröffnen. Ein gewisse Transparenz für ein erweitertes Publikum bezüglich des Doktoratsstudiums bzw. für das wissenschaftliche Arbeiten zu schaffen und auch einen interdisziplinären Ausstausch mit anderen Disziplinen zu erreichen (womit wir beim Frosch im Brunnen wären).[5]

Was soll das mit dem Blog ? Wieso wollen Sie sich das antun ? So oder so ähnlich war manche Reaktion auf meine Ankündigung im akademischen Kreise (von Univ.-Profs), wo mir - ähnlich wie es Anne Baillot in ihrem Beitrag "Auf einer Skala von 1 bis 10, so naja (#wbhyp)" ausführt - davon abgeraten wurde.[6] Durch diese Äußerungen verdeutlicht sich für mich eines: das wissenschaftliche Bloggen ist in der Wissenschaft (noch) nicht wirklich angekommen, was zumindestens auch der Blick auf die Workshops des DoktorandInnenzentrums der Universität auch verrät. Vielleicht könnte man durch das Abhalten entsprechender Kurse an den Universitäten die Dissertanten bzw. Habilitanden dafür begeistern. Letztlich darf eines nicht vergessen werden: so mancher Dissertant von heute ist ein Lehrender von morgen.

Fussnoten:

[1] Mareike König, Wissenschaftsbloggen - quo vadis? Vier Aufrufe und zwei Lösungen #wbhyp, URL: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2674 (Stand 25.1.2015). [2] Das die Artikel auch zitiert gehören, sei nur am Rande erwähnt. [3] Aus diesem Grund und auch aus dieser Not habe ich gemeinsam mit Maria Männig NEUE kunstwissenschaftliche forschungen ins Leben gerufen. Ein Open Access Journal für Kunstwissenschaftler (Dieser Hinweis sei mir bitte nachgesehen). [4] Angelika Schoder, Wissenschaftliches Bloggen mit Monty Python / #wbhyp, URL: http://musermeku.hypotheses.org/2609 (Stand 25.1.2015). [5] Jing Di Zhi Wa (Der Frosch im Brunnen) das chinesische Pendant zu "über den Tellerrand blicken" - URL: http://german.cri.cn/1833/2011/05/27/1s157501.htm (Stand 25.1.2015). [6] Die Gründe, warum ich mich dennoch für einen Blog entschieden habe, wurden von mir bereits oben dargestellt

Quelle: http://artlaw.hypotheses.org/13

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Wissenschaftsblogs in der Mediävistik: Anerkennungsprobleme? Kaum noch. (Beitrag zu #wbhyp)

"Zurück in die Zukunft". Das Motto der Blogparade zum Wissenschaftsbloggen ist für 2015 trefflich gewählt. Hoverboards wie im gleichnamigen Film (2. Teil) wird es in diesem Jahr wohl nicht geben (die bisher entwickelten Modelle kommen dem "Original" aus dem Film bisher nicht sehr nah), von einem fliegenden DeLorean ganz zu schweigen, aber auch ein geisteswissenschaftliches Blogportal und die Publikation von wissenschaftlichen Artikeln im großen Stil im Internet war 1985, dem Ausgangsjahr der Zeitreisen von Emmett L. Brown und Marty McFly, bzw. 1989, dem Erscheinungsjahr vom 2. Filmteil, Utopie.

Der Start von de.hypotheses vor bald drei Jahren hat irgendwann auch dezidiert mediävistische Wissenschaftsblogs auf den Plan gerufen. Die Umstände waren günstig und wir nutzten im Dezember 2012 schließlich diese Gunst der Stunde und gründeten das Mittelalterblog, das wir von Beginn an mit thematisch wie teilepochal übergreifendem und interdisziplinärem Anspruch betreiben, auch wenn wir besonders letzteren natürlich erst nach und nach einlösen. Und wir sind absolut nicht die Einzigen in der mediävistischen Blogsphäre: Selbst wenn wir den Blick auf den deutschen Sprachraum eingrenzen und erfolgreiche Blogs wie das seit 2008 bestehende kanadisch-britische medievalists.net ausblenden, macht die Vielfalt mediävistischer Unternehmungen in der "Blogosphäre"  Hoffnung: "Heraldica Nova", das Freiburger Blog zum "Mittelalter am Oberrhein" und das Seminarblog "Mediävistik auf dem Ameisenpfad" sind nur drei Beispiele für (vorwiegend) mediävistisch ausgerichtete Blogs, die neben dem Mittelalterblog in den letzten drei Jahren entstanden sind.

Um zwei der vorgeschlagenen Punkte aus dem Aufruf zur Blogparade aufzugreifen: Wie schaut es inzwischen mit der Anerkennung in "unserem" Fach aus, was hat sich getan? Ist Qualitätssicherung der Schlüssel zur Anerkennung und, wenn ja, wie weit sollte sie gehen, wo sollte sie - beim Bloggen und vielleicht auch nicht nur dort - aufhören?

Mareike König machte den Anfang bei der Blogparade #wbhyp: "Wissenschaftsbloggen - quo vadis? Vier Aufrufe und zwei Lösungen". Ihr Aufruf Nummer 2 lautet: "Vergesst die wissenschaftliche Anerkennung von Blogs!" Gemeint sind an dieser Stelle vor allem Blogs, auf denen einzelne Wissenschaftler, zumeist aus dem akademischen Nachwuchs, selbst publizieren, denn das dürfte die Mehrzahl der Blogs auf de.hypotheses betreffen. Dies hat Christoph Schöch zu einem überaus positiven Erfahrungsbericht über die "Anerkennung fürs Bloggen? Eine Geschichte über die Eigendynamik des Digitalen" bewegt, der Anne Baillots beinahe resignierenden Beitrag "Auf einer Skala von 1 bis 10, so naja" schön kontrastiert. Anerkennung von Selbstpublikationen kann also durchaus erfolgen. Und ist es wirklich etwas völlig Anderes, wenn ein etablierter Wissenschaftler nur mit  akademisch kreditwürdigem Namen und guten Kontakten bewaffnet beschließt, ein Buch zu schreiben, das dann von einem Verlag bei entsprechendem Druckkostenzuschuss auch ohne peer review veröffentlicht wird? Warum sollte die Anerkennung gefährdet sein, wenn nicht bei einem Verlag, sondern in einem eigenen Blog publiziert wird – bei fachwissenschaftlicher Expertise? Per se erfolgt Anerkennung doch erst nach erbrachter Leistung, also in der Rezension der schon gedruckten oder im Peer Review der zur Veröffentlichung eingereichten wissenschaftlichen Arbeit. Das Problem scheint eher zu sein, dass i.d.R. nur auf monographischer Ebene rezensiert wird, einzelnen Aufsätzen widmen sich Rezensenten üblicherweise nur in Sammelbänden, aber auch dort nur kurz und die Besprechung eines Blogartikels ist bisher für viele herkömmliche Rezensionsorgane, gedruckt wie online, undenkbar (es gibt mindestens eine Ausnahme, s.u.). Die Alternative zur klassischen Rezension bieten übrigens die Blogs selbst: mit der Kommentarfunktion!

Doch dies nur am Rande. Wie steht es um die Anerkennung von Wissenschaftsblogs in der Mediävistik jenseits der besprochenen Selbstpublikationen? Nicht schlecht, wahrlich nicht schlecht! Die eingangs genannte Vielfalt ist symptomatisch: es gibt inzwischen eine ganze Reihe Blogs und auf diesen naturgemäß noch viel mehr Wissenschaftler/innen, die sich dort online mit dem Mittelalter und seiner Rezeptionsgeschichte befassen. Und hinter nicht wenigen Blogs steckt eine einschlägige Institution, nicht wenige der Blogger/innen – denn genau das sind die Fachleute dann nämlich auch –, sind bei einer anerkannten Institution (MGH, RI, DIO) angestellt oder im Fach fraglos etabliert (z. B. Werner Paravicini, Martin Bertram, Anette Löffler). Man verstehe das bitte nicht falsch: wir halten solch einen Background keineswegs für notwendig. Aber das Phänomen zeigt, dass Fachvertreter mit verschiedenstem akademischen Hintergrund und unterschiedlichster Position sich vor dem Wissenschaftsbloggen nicht scheuen. Sei es zur Kommunikation, sei es zur Publikation. Das ist de facto eine Form von Anerkennung im Fach, meinen wir.

Doch da ist mehr. So konnte etwa Evina Steinova, die sich auf dem Mittelalterblog schon mehrfach karolingerzeitlichen Handschriften im Detail widmete, den ersten ihrer "Carolingian Critters" in der Zeitschrift Anglo-Saxon England in erweiterter Form veröffentlichen und ihr früherer Blogpost wird demnächst im „Deutschen Archiv“ angezeigt. Ferner bekundete eine bekannte Reihe bei unserer Übersetzerin Christina Franke Interesse an der Publikation ihrer Übertragung der Historia Occidentalis Jakobs von Vitry, die wir seit November 2013 kapitelweise auf dem Blog veröffentlichen.

Vergessen sollte man hier auch nicht, dass sich die Betreiber des RI-Opac entschlossen haben, auch wissenschaftliche Blogartikel für DIE mediävistische Online-Bibliographie zu katalogisieren; dass sich ein Deutsches Historisches Institut in Rom dazu bewegen ließ, einen Workshop zu "Blogs und Social Media für Mediävisten" auch noch unter dem provokativen Titel "Neues Werkzeug des Historikers" (Eine ernste Frage: Was hätte Ahasver von Brandt wohl von Wissenschaftsblogs gehalten?) zu finanzieren; und dass schließlich hinter dem Portal de.hypotheses, auf dem die Mehrzahl der mediävistischen Blogs im deutschen Sprachraum zu Hause ist, eine staatliche Wissenschaftsstiftung steckt, die "das ganze Elend" überhaupt erst ermöglicht hat!

Zu solchen, messbaren Fakten kommt die eigene Einschätzung. Wir haben den ganz persönlichen Eindruck, dass die Akzeptanz von Wissenschaftsblogs im Fach stark zugenommen hat, seit wir uns damit beschäftigen. Man liest uns und man liest die anderen, weit mehr, als wir das noch vor zwei Jahren behaupten konnten. Die kontinuierlich gestiegenen Zugriffszahlen dürften diesen Befund stützen.

Noch ein paar Worte zur Qualitätskontrolle wissenschaftlicher Artikel: Wie von Christoph Schöch in seinem Beitrag zur Blogparade, sei auch hier das von Clay Shirky stammende und u.a. von Hubertus Kohle mehrfach aufgenommene Motto "Publish first - filter later" stark gemacht, ebenso wie Klaus Grafs "Qualität wird überschätzt". Wir denken ebenfalls, dass am Ende der Rezipient, zumal der wissenschaftlich ausgebildete, selbst in der Lage ist, das Filtern zu übernehmen und dass er sowohl den Mut als auch das Recht haben sollte, dies zu tun. Mit der entsprechenden Ausbildung oder Erfahrung lässt sich auch aus "schlechten" Arbeiten Gewinn ziehen. Deshalb braucht es unserer Meinung nach keinen strengen (= blind, double blind) Peer Review. Und wir denken, dass der Anteil wirklich freier Publikationen, die nicht nur im #OpenAccess (dass wir den Gedanken des freien Zugangs zu wissenschaftlichen Publikationen nachdrücklich befürworten, müssen wir hoffentlich nicht eigens betonen), sondern auch möglichst ohne Schranken für die wissenschaftlichen Autor/innen erscheinen können, zunehmen wird, auch wenn es vielleicht noch längere Zeit dauern wird, ehe sich dieses Modell am Ende durchsetzt.

Das Gros aller Publikationen wird ohnehin korrekturgelesen, bevor es zur Veröffentlichung kommt. Von Freunden, von Kollegen, von Redakteuren. In der Rolle der zuletzt genannten, konkret der wissenschaftlichen Redakteure, sehen wir auch die Betreiber von Wissenschaftsblogs und es ist genau diese Funktion, die wir auf dem Mittelalterblog wahrnehmen.

Wenn uns ein neuer Beitrag erreicht – ob nun von uns angefragt oder uns eigenständig angeboten –, liest ihn mindestens eine/r von uns Korrektur, entfernt dabei 1. offensichtliche Tippfehler stillschweigend, verbessert 2. bei aktivierter Änderungsnachverfolgung grammatikalische, orthographische und Interpunktionsfehler, schlägt 3. bei inhaltlichen, d.h. von uns als solchen wahrgenommenen Ungereimtheiten Änderungen, Ergänzungen oder Kürzungen vor. Sollten wir uns in der einen oder anderen Sache selbst völlig unsicher sein, kann notfalls ein/e fachlich entsprechend versierte/r Kollegin/Kollege hinzugezogen werden.

Bisher ist nur einmal der Fall eingetreten, dass wir einen Artikel komplett ablehnen mussten – allerdings nicht auf Grund wissenschaftlicher Bedenken – und wir hatten sonst bisher niemals das Gefühl, gravierend eingreifen und massive Änderungswünsche äußern zu müssen: wir hatten keinen Grund zur Sorge um ein Mindestmaß an wissenschaftlicher Qualität. Wir sind weit entfernt vom klassischen peer review und finden die intensive Arbeit MIT den Autorinnen und Autoren an ihrem Text ohnehin spannender und fruchtbarer.

Fassen wir zusammen und nehmen wir den Aufruf "Vergesst die wissenschaftliche Anerkennung von Blogs!" noch einmal auf: Wir vergessen sie nicht! Denn sie ist längst da und sie wächst. Und das alles ohne wirklichen Peer Review, oh weh! ;-)

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/5181

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Wissenschaftlich bloggende Studierende #wbhyp

von Charlotte Jahnz

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade #wbhyp von de.hypotheses.org.

Das Internet begleitet mich nun schon sehr lange. Angefangen im Harry Potter Chat des Carlsen Verlags im Jahr 2000, bin ich seit meinem elften Lebensjahr tatsächlich damit groß geworden. Das klingt nach Nostalgie, soll es aber nicht. Tatsächlich habe ich mir lange Zeit nicht vorstellen können, dass Wissenschaft und Internet zusammen funktionieren könnten.

Ich nahm das Netz in erster Linie als Unterhaltungsmedium wahr. In der Schule halfen mir Wikipedia und LeMO über die Runden, aber war das denn wissenschaftlich? Und auch im Studium als Ersti 2008 erinnere ich mich nur noch daran, dass man uns ausdrücklich aufforderte, Wikipedia nicht zu verwenden. Stattdessen lernten meine Kommilitonen und ich, wo im Institut die NDB und die ADB stehen. Bei der Übung „Rezensionen finden, lesen, schreiben“ ein paar Jahre später blieben alle, die mittlerweile ein Smartphone hatten, sitzen statt durch das Institut zu laufen, und googelten bequem nach einer wissenschaftlichen Rezension zu einem vorgegebenen Fachbuch. Aber Blogs? Kamen in meinem Bachelorstudiengang nur im Nebenfach Medienkommunikation vor. 2008 schauten wir uns in einer Ringvorlesung den Shopblogger an und wurden gefragt, was Twitter sei. Drei Studierende zeigten auf. Obwohl ich bis dahin immer gedacht hatte, zur Generation der „Digital Natives“ zu gehören, merkte ich, dass der Begriff wohl kaum einer Altersgruppe zuzuschreiben ist.

Aber was hat das mit Bloggen zu tun?

Ich hege die Vermutung, dass ich ein Vorbild gebraucht hätte, um früher mit dem wissenschaftlichen Bloggen anzufangen. Dass es diese Welt überhaupt gibt, habe ich erst sehr spät in meinem Studium erfahren, vorher beschränkten sich meine Blogbesuche auf die üblichen „Feld, Wald und Wiesen“-Blogs, die ich vorwiegend zu Unterhaltungszwecken las. Mittlerweile weiß ich aber, dass wissenschaftliches Bloggen ungemein hilfreich für die eigene Arbeit sein kann:

Wissenschaftliches Bloggen hilft den eigenen Schreibstil zu verbessern.
Gerade zu Beginn meines Studiums war ich oft von der Wortgewalt mancher studienbedingter Lektüre so beeindruckt, dass ich meinte, sie nachahmen zu müssen. Das machte nicht nur die Arbeit der Korrekturleser schwierig, ich hatte hinterher auch kaum noch Lust, mir meine eigenen Texte noch einmal durchzulesen. Mit meinen langen Schachtelsätzen, die man drei Mal lesen musste bevor man sie verstand, machte ich niemandem eine Freude. Da die wenigsten Blogbeiträge den Umfang kleinerer Hausarbeiten und keinen Abgabezeitpunkt haben (also in meinem Fall nicht in der Nacht vor dem letzten Abgabetermin mit der heißen Nadel gestrickt werden müssen), kann man im Blog lange an seinen Texten feilen und sich so einen Schreibstil antrainieren, der allgemein verständlich und auch außerhalb des Elfenbeinturmes lesbar ist. Hinzu kommt, dass man im Blog einen viel größeren Kreis potenzieller Korrekturleser vorfindet, die durch Kommentare hilfreiche Hinweise geben können.

Wissenschaftliches Bloggen hilft übertriebenes Hierarchiedenken zu mindern.
Ich belegte während meines Bachelors ein Seminar über Stile und Formen im Wandel der Zeit. Wir verbrachten – sehr zum Erstaunen der Seminarleitung – einen Teil der Zeit damit zu diskutieren, welche Anrede an unsere Dozenten in Mails nun korrekt ist. Sehr schön wird diese Thematik bei PhD-Comics dargestellt. Die Erfahrung des Wissenschaftlichen Bloggens hat mir gezeigt, dass studentische Nachfragen ernst genommen und unterstützt werden. Dass das an der Uni auch der Fall ist, will ich gar nicht in Abrede stellen, aber die Diskussionskultur in wissenschaftlichen Blogs ist in meinen Augen überraschend bestärkend und kritisch konstruktiv. Ich traue mich hier weitaus häufiger Verständnisfragen zu stellen und um Tipps zu bitten als in der Universität.

Wissenschaftliches Bloggen ist für Studierende die einfachste Möglichkeit, ihre Erkenntnisse zu publizieren.
Ein wenig enttäuschend ist es schon, dass die Arbeit mehrerer Wochen am Ende maximal zwei Leser findet, eine Note bekommt und dann abgelegt wird. Studentische Arbeiten werden selten publiziert, wenn man Angebote wie das des GRIN Verlags außen vorlässt. Erkenntnisse, die man gewonnen hat, lassen sich leicht in einen Blogpost umwandeln und helfen vielleicht auch anderen Studierenden bei der Suche nach Literatur zu ihrem Thema. Das Blog steht damit auch nicht in Konkurrenz zu Angeboten wie Academia.edu, wo mittlerweile auch viele studentische Hausarbeiten zu finden sind.

Wissenschaftliches Bloggen lohnt sich auch für die Studierenden, die nicht in der Wissenschaft bleiben wollen.
Wie ich bereits 2013 bei der Blogparade zu #dhiha5 schrieb, ist der Lerneffekt, den die Digital Humanities bieten, auch für einen außeruniversitären Beruf nützlich. Dazu zählt auch das Bloggen. Mit Content-Management-Systemen vertraut zu sein, wird von einigen Arbeitgebern bereits jetzt vorausgesetzt. Sehr schön zusammengefasst hat das meiner Meinung nach Moritz Hoffmann:

„Auch wenn diese Erkenntnis vielen schmerzhaft erscheint: Die Wege, auf denen sich Menschen unterhalten und informieren, wandeln sich spürbar, ohne dass sich dies bislang auf breiter Front in der Ausbildung von Historikerinnen und Historikern niederschlagen würde. Das Humboldtsche Bildungsideal, dessen Abgesang mit einlullender Frequenz immer wieder angestimmt wird, hat an vielen Standorten zu einer Verknöcherung der Studiengänge geführt, die nicht einmal durch die Bologna-Reformen aufgelöst werden konnte. Die Folge ist, dass zwar jedes Jahr fachlich hervorragend ausgebildete Absolventen die Historischen Seminare verlassen, sie jedoch mit dem erlernten Rüstzeug kaum auf die gegenwärtig erforderlichen Medien- und Vermittlungskompetenzen vorbereitet sind."1

Dass ich wissenschaftliches Bloggen für wichtig halte, dürfte spätestens jetzt kein Geheimnis mehr sein. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass die Hemmungen „meiner“ Zunft gegenüber dem Bloggen abnehmen und dass die Beschäftigung mit digitalen Forschungs- und Publikationsmethoden auch endlich die Lehre erreicht.

  1. http://www.resonanzboden.com/satzbaustelle/geschichte-braucht-oeffentlichkeit-vom-nutzen-einer-digitalen-public-history/

Quelle: http://openblog.hypotheses.org/135

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Wissenschaftliches Bloggen mit Monty Python / #wbhyp

Während meines Nebenfach-Studiums der Älteren Deutschen Philologie an der Uni Bayreuth1 habe ich ein Seminar über Monty Python besucht.2 Aus irgendeinem Grund erinnere ich mich in Bezug auf dieses Seminar besonders an den „Upper-Class Twit of The Year“ Sketch, der nicht das Geringste mit dem Mittelalter zu tun hat, also mit dem primären Gegenstand dieses Fachs. Dass sich (Geistes-)Wissenschaftler nicht nur mit auf den ersten Blick „wissenschaftlichen Themen“ beschäftigen müssen, zeigt das erwähnte Seminar. Auch Popkultur kann zum Untersuchungsgegenstand wissenschaftlicher Betrachtung werden. Ebenso können […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/2609

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„Vorwärts! Und Mut!“ | Beitrag zur Blogparade 2015 #wbhyp

Eigentlich hatte ich mir mal überlegt, möglichst nicht über das Bloggen zu schreiben, sondern lieber über die Themen, die ich in meinem Blog behandeln will. Irgendwo hatte ich gelesen, dass die meisten Blogger eben nur über das Bloggen bloggen - so einer wollte ich nicht sein! Jetzt hat aber Mareike König, die Initiatorin einer Blogparade über das Wissenschaftsbloggen, bei mir einen Nerv getroffen. In einem Kommentar zu diesem Beitrag von Ioana Herbert ermutigt sie die Autorin: "Vorwärts! Und Mut!" Und Ioana Herbert reagiert: "Mut gehört […]

Quelle: http://grammata.hypotheses.org/1171

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