Emser Depesche: Die Berliner Entzifferung
In der letzten Folge haben wir untersucht, was Abeken in Ems auf’s Telegrafenamt bringen ließ. Nun geht es um das Produkt, das in Berlin Bismarck serviert wurde – was ganz wörtlich gemeint ist.
“Während der Unterhaltung wurde mir gemeldet, daß ein Zifferntelegramm, wenn ich mich recht erinnere von ungefähr 200 Gruppen, aus Ems, von dem Geheim-Rath Abeken unterzeichnet, in der Übersetzung begriffen sei”. (Bismarck, hg. v. Ritter/Stadelmann 1932: 308; auch bei Walder 1972: 172 und im Digitalisat der verbreiteten Ausgabe Kohls).
In Bismarcks Dienstwohnung im Auswärtigen Amt saßen er, Roon und Moltke nämlich beim Abendessen in äußerst trüber Stimmung zusammen, bis die Entzifferung, die schließlich herein gereicht wurde, die Wolken schlagartig lichtete. Die Episode gehört zu den berühmtesten in Bismarcks Memoiren.
Was wurde ihm da herein gereicht? Ein Telegramm doch wohl. Das ist unbestreitbar, hat aber kein analytisches Potential. Die einfache Frage “Was ist das?” gehört zu den schwierigsten der Aktenkunde. Man kann dieses Teilgebiet der “Systematischen Aktenkunde” auch übertreiben. Aber es sollte einleuchten, dass Benennungen vorzuziehen sind, die etwas aussagen. Das ist bei “Telegramm” nicht der Fall, denn im Grunde konnte jeder zu jedem Zweck ein Telegramm versenden.
Die Aktenkunde sortiert die Fülle der Stilformen, in denen Schriftstücke auftreten können, nach dem Verhältnis von Absender und Empfänger einerseits und der Funktion des Geschriebenen andererseits (Beck 2000: 68). Im Normalfall des Schriftverkehrs bürokratischer Apparate gibt es zwischen beiden Perspektiven keinen Widerspruch; um die Ausnahmen wurden aktenkundliche Glaubenskriege geführt, die uns hier nicht interessieren).
Hier liegt uns ein Bericht vor, verfasst von einem Beamten für seinen Vorgesetzten, um ihm einen Sachverhalt – nun ja: zu berichten (das Kriterium “Funktion” kann schrecklich banal sein). Der Telegraph ist dafür nur der Übermittlungsweg. Wäre es nicht auf Geschwindigkeit angekommen, hätte Abeken seinen Bericht auch per Kurier (“reitenden Feldjäger”) absetzen können. Man kann von einem Bericht in Form eines Telegramms sprechen (Kloosterhuis 1999: 540). Das mag umständlich anmuten, sagt aber bereits einiges über das Schriftstück aus.
Oder man entlehnt den jüngeren, prägnanten Ausdruck “Drahtbericht” (Beuth 2005: 122 f.). Wohlgemerkt ist das ein Anachronismus: Die Beamten des Auswärtigen Amts sprachen schlicht von Telegrammen (Meyer 1920: 17). Aber zeitgenössische Selbstbezeichnungen von Schriftstücken taugen selten als trennscharfe Forschungsbegriffe (Beck 2000: 69).
Mit den Besonderheiten der telegrafischen Übermittlung befassen wir uns in der nächsten Folge. Jetzt geht es um die charakteristischen Merkmale der vorliegenden Überlieferungsform, der Entzifferung, die das Gegenstück zu Abekens Konzept darstellt.
Normalerweise ist das Gegenstück zum Konzept die Ausfertigung, die man “behändigt” nennt, wenn der Empfänger darauf Vermerke angebracht hat. Bei chiffrierten Telegrammen war die Ausfertigung im herkömmlichen Sinne, also das, was beim Telegrafenamt erstellt wurde, aber ein Zahlensalat, der vom Empfänger durch Dechiffrierung erst in einen lesbaren Text verwandelt werden musste: die Entzifferung – ein Begriff der von der aktenkundlichen Literatur, von Meyer (1920) natürlich abgesehen, noch nicht aufgenommen wurde.
Wir sehen auf der Vorderseite des ersten Blattes (fol. 209r - also vor dem Konzept eingeheftet) einen Vordruck, wieder mit halbbrüchigem Grundlayout, um Platz zur Bearbeitung zu bieten, beschrieben diesmal aber in gestochener Kanzleischrift. Die vorgegebenen Elemente wurde ebenfalls mit der Hand geschrieben und dann vervielfältigt. Dazu gehören die Überschriften “Telegramm” und “Entzifferung” sowie im Protokoll “den”, “ten”, “1870″, “Uhr”, “Min.”, “Vorm[mittags]“/”Nachm[ittags]” und “Ankunft”, schließlich am linken Rand “N[umer]o”. Der Bedarf für solche Rationalisierungen weist auf die Zahl der täglich eingehenden Telegramme und die Bedeutung des Drahtberichts für den Auswärtigen Dienst an.
Unsere aktenkundliche Aufgabe ist es wieder, die Textschichten auf dem Papier heraus zu präparieren, und zwar in ihrer chronologischen Reihenfolge:
Abekens Berichtstext mit der Verfügung “Sofort” und der Berichtsnummer “27“ macht den Anfang. Er ist kombiniert mit Protokollangaben, die nicht vom Verfasser stammen. Während dieser in einem Brief das Datum selbst einsetzt, ergab sich der Datumsblock ab “Ems, den” aus den Angaben der Telegrafenämter.
Der chiffrierte Text und die offen übermittelten Protokolldaten waren die Arbeitsgrundlage des Chiffrierbüros, das die Entzifferung auf dem vorliegenden Formblatt erstellte (Meyer 1920: 89). Das “Original” wurde als verbrauchtes Zwischenmaterial vernichtet.
Nach den Regeln des Geschäftsgangs folgen als nächstes der Eingangsvermerk “pr[aesentatum] 13. Juli 1870″ und die Journalnummer “A 2301″ (links oben), mit der das Stück im Geschäftstagebuch des Zentralbüros, der Posteingangsstelle der Politischen Abteilung, verzeichnet wurde. Nach der inhaltlichen Bearbeitung wären dann die Vermerke zu den als Reaktion abgesandten Telegrammen aufgesetzt worden, die rechts oben zu finden sind. Schließlich hätte das Zentralbüro, das auch als Registratur fungierte, das Stück zu den Akten “B o 32″ (links unten, vgl. 1. Folge) gegeben.
Nur: “Presentatum” bezeichnet nichts anderes als den Zeitpunkt “der offiziellen Entgegennahme und Eintragung des Schriftstücks durch das Bureau”, also der “amtlichen Einreihgung in den Geschäftsgang des Amts” (Meyer 1920: 92 f.). In eiligen politischen Angelegenheiten konnte ein eingegangener Bericht direkt dem zuständigen Beamten vorgelegt werden, der die nötige Entscheidung traf und alles weitere veranlasste. Die bürokratische Verdauung konnte warten.
Genauso verhält es sich hier – was wir mangels datierter Bearbeitungsspuren aus den Akten aber nicht ersehen können, sondern nur in Kombination mit Bismarcks Selbstzeugnis erfahren. Die Entscheidung fiel am Essenstisch, bevor das Stück den Geheimen Hofräten des Zentralbüros überhaupt in die Hände kam. Aktenkundlich zu arbeiten bedeutet bei aller Akribie das genaue Gegenteil von Aktengläubigkeit, die unter Historikern leider verbreitet ist.
Natürlich hat Bismarck in dieser Situation nicht, wie es gut bürokratisch gewesen wäre, seine Entscheidung als Entwurfsanweisung (“Angabe”) für die nachgeordneten Beamten ordentlich am Rand notiert und mit Paraphe und Datum abgeschlossen. Je weiter man in der Hierarchie nach oben geht und je politischer der Zusammenhang ist, desto seltener werden solche ausführlichen Bearbeitungsspuren. Hier finden wir in der linken Spalte nur kleine, mit Bleistift gezeichnete Pfeile, die diejenigen Textteile markieren, die weiter verwertet werden sollten – mehr nicht.
Wir müssen sogar offen lassen, ob sie von Bismarck oder seinem Mitarbeiter stammen, und wer dieser Mitarbeiter eigentlich war. Das wird Gegenstand der nächsten Folge sein.
Dann wird es um die Schriftstücke gehen, die als eigentliche “Emser Depesche” historisch berühmt geworden sind und auf die wir durch den Kanzleivermerk oben rechts bereits hingewiesen wurden.
Literatur
Beuth, Heinrich W. 2005. Regiert Wird Schriftlich: Bericht, Weisung Und Vorlage. In: Brandt, Enrico/Buck, Christian F. 2005. Auswärtiges Amt. Diplomatie als Beruf. 4. Aufl. Wiesbaden. S. 119–28.
Beck, Lorenz Friedrich 2000. Leistung und Methoden der Aktenkunde bei der Interpretation formalisierter Merkmale von historische Verwaltungsschriftgut. In: Brübach, Nils 2000. Der Zugang zu Verwaltungsinformationen – Transparenz als archivische Dienstleistung. Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 33. Marburg. (online)
Bismarck, Otto von. Erinnerung und Gedanke. Ritter, Gerhard und Stadelmann, Rudolf Hg. 1932. Gesammelte Werke 15. Berlin.(*)
Meyer, Hermann 1920. Das politische Schriftwesen im deutschen auswärtigen Dienst. Ein Leitfaden zum Verständnis diplomatischer Dokumente. Tübingen. (online)
Walder, Ernst Hg. 1972. Die Emser Depesche. Quellen zur neueren Geschichte 27-29. 2. Auflage. Bern.
(*) Die maßgebliche Edition in der Neuen Friedrichsruher Ausgabe habe ich urlaubsbedingt nicht zur Hand.
Die Farbtags des Kunstgeschichtsspiels ARTigo unter der Lupe
Allgemeines zu Form und Farbe
Ein Gemälde besteht aus Farben und Formen. Zwar haben Formen für uns eine primäre Bedeutung, aber von Seiten der Wahrnehmung ist Form ein sekundäres Merkmal. Farbe schafft Form. Wo unterschiedliche Farbflächen aneinandergrenzen, entsteht eine Kontur, bzw. ergibt sich eine Form [1].
Die Farbtags bei ARTigo
Die Wortarten in ARTigo verteilen sich hauptsächlich auf Substantive, die einen Anteil von 83,3% aller vergebenen Tags ausmachen, Adjektive von 12,5% und Verben von 3,5%. Es gibt noch weitere Wortarten, aber deren Anteil ist zu gering, als Erwähnung zu finden [2].
Bei den Adjektiven bezeichnet der überwiegende Teil Farbe. Das sind also Tags wie z.B. „rot“, „grün“ oder „gelb“. Was sollen die vielen Farbtags? Aus Sicht eines Kunsthistorikers sind sie – da die Tags ja zur Verschlagwortung der Bilder dienen – eher eine Enttäuschung. Was soll man mit 20 Rot-, 35 Blau-, 40 Weiß-, 38 Schwarz-, 15 Braun- und 18 Grün-Tags, die von mehreren Spielern für ein Bild vergeben wurden, denn anfangen?
Und überhaupt: Warum taggen Spieler so häufig Farbe? Man könnte argumentieren, dass sie ja dafür Punkte bekommen. Wenn dem so wäre, würden sie immer Farben taggen, wenn sie ein farbiges Bild während des Spiels sehen. Dann müssten alle Bilder in etwa einen gleichen Prozentsatz von Farbtags aufweisen. Dem ist aber nicht so. Ich habe große Unterschiede bezüglich des Anteils der Farbtags an der Gesamtmenge von Tags bezüglich einer definierten Selektionsmenge festgestellt.
Die Art der Farbtags
Es werden in der Regel allgemeine Farbbezeichnungen wie „rot“, „grau“ oder „braun“ getaggt. Von den Farbnuancen werden am häufigsten „hellblau“, dann „dunkelblau“ getaggt. Es gibt auch schon mal Tags wie „hellrot“ oder „dunkelrot“, „hellgrau“ oder „dunkelgrau“, sowie „hellgrün“ oder „dunkelgrün“, insgesamt aber sehr wenig. Als einziger konkreter Blauton wird noch „azur“ getaggt. Doch das auch nur vereinzelt. Und das war es dann schon.
Warum taggen Spieler hauptsächlich einfache Farbnamen?
Tags wie „preußischblau“ oder „chromdioxidgrün“ sind absolute Einzelfälle und können deshalb vernachlässigt werden. Für eine Begründung muss man sich die Spielsituation vor Augen führen: Die Spieler haben eine Minute Zeit, um das angezeigte Bild zu taggen. Und da gibt es in der Regel mehr zu benennen, als Farben. In der Kürze der Zeit werden die Farben daher von den Spielern nur kategorisiert.
Abfrage und Zusammenfassung der Farbtags
Für die Farbanalysen frage ich folgende Farben ab, für die ich nur wenige Platzhalter verwende, weil ich festgestellt habe, dass die Ergebnismenge dann um Nicht-Farbtags erweitert wird. Frage ich „*ocker“ ab, erhalte ich im Ergebnis auch Tags wie „Hocker“. Deshalb habe ich die Abfrage auf folgende Begriffe hin optimiert:
siena, ocker, *braun, beige, schwarz, weiss, schwarzweiss, hellgrau, dunkelgrau, rot, hellrot, dunkelrot, orange, gelb, bunt, farbig, grün, hellgrün, dunkelgrün, türkis, blau, hellblau, dunkelblau, himmelblau, violett, lila, azur*, gold, silber, rosa, hellrosa.
In einem zweiten Schritt fasse ich die Tags, die verschiedene Töne bezeichnen, zur Hauptkategorie zusammen. Beispielsweise fasse ich „blau“, „hellblau“, „dunkelblau“, „himmelblau“ und „azur“ zu „blau“ zusammen:
- Blau = blau + hellblau + dunkelblau + himmelblau + azur
- Grau = grau + hellgrau + dunkelgrau
- Grün = grün + hellgrün + dunkelgrün
- Braun = braun + hellbraun + dunkelbraun
- Rot = rot + hellrot + dunkelrot
- Violett = violett + lila
- Braun = braun + ocker + siena + beige
- Farbig = farbig + bunt
Farbtags wie „silber“, „gold“, „schwarz“, „weiss“, „schwarzweiss“, „orange“, „türkis“ und „rosa“ werden in der Auswertung als einzelne Kategorie berücksichtigt, also nicht weiter zusammengefasst.
Mich interessiert, welche Unterschiede es bezüglich des Anteils der Farbtags bei abstrakten und gegenständlichen Abbildungen oder auch verschiedenen Stilepochen, wie impressionistischen vs. klassizistischen Bildern gibt. Diesen und weiteren Fragen werde ich in den nächsten Artikeln nachgehen.
Literatur:
Bild: Giovanni Giacometti, Waldinneres im Winter, Privatbesitz, 1929/1931, Digitale Quelle: www.artigo.org
[1] Hans Kreitler und Shulamit Kreitler: Psychologie der Kunst, 1980
[2] Elena Levushkina: Computerlinguistische Methoden in Community-basierten Anwendungen, 2014 (Dissertation)
Quelle: http://games.hypotheses.org/1661
Zum Hintergrund der “Porträtfotos” hinter der Ostfront
Bei nicht wenigen der von Lutz “porträtierten” (fotografierten) Personen fällt auf, dass die Fotografie unter anderem wohl auch dazu diente, “rassische” Unterschiede und östliche “Typen” zu dokumentieren. Was er andernorts in Italien machte, nämlich insbesondere “romanische” oder (“Zigeuner”-)Frauen zu fotografieren (und dann anschließend deren Gesichter/Gesichtstypen mit Kugelschreiber zu umranden), das machte Lutz nicht zuletzt auch bereits im Osten – hier sind einige Beispiele (allerdings in diesen Fällen ohne “Markierungen” per Stift) zu sehen, die vom Spätjahr 1942 stammen – oft handelt es sich dabei natürlich um Kriegsgefangene, aber auch um Kollaborateure. Zu den ideologisch bestimmten Eigenheiten seiner Fotografie zählte ja auch, durch die Dokumentation der “ruinösen” Zustände in den russischen Dörfern aufzuzeigen, dass diese Zustände mit einem Sieg des Bolschewismus auch in Deutschland Einzug halten würden.
Webressourcen aus Nordeuropa – Fundstücke Juni 2014
Die Fundstücke aus dem Juni bieten in der Hauptsache einen Querschnitt aus lokal-geschichtlichen Datenbanken und verschieden groß angelegten Digitalisierungsprojekten der Nationalbibliotheken.
Dänemark
Das Stadtarchiv Køge hat die sogenannten Børge Greens mapper digitalisiert und die durchsuchbaren Dokumente ins Netz gestellt. Der Køger Bürger Børge Green hatte aus diversen Materialien des Rigsarkivets (Handschriften, Dokumente, Pergamente, Protokolle) Quellen aus dem 17. Jahrhundert, die seine Heimatstadt betreffen (z.B. über einer Hexenprozess), zusammengetragen.
Ausblick: Im März 2017 plant Statens Arkiver im Rahmen des 100-jährigen Jubiläum des Verkaufs der Westindischen Inseln an die USA die Freischaltung einer Datenbank mit umfangreichem Quellenmaterial zum Thema für die Periode 1671-1917 online zu stellen. Auf der nun freigeschalteten Seite Vestindien – Kilder til historien findet sich bereits eine ausführliche historische Darstellung. Die Datenbank werden wir sobald sie freigeschaltet ist in DBIS aufnehmen.
Die Volkszählungslisten der Gemeinden der früheren Kommmune Sæby für das Jahr 1870 hat das Stadtarchiv Frederikshavn veröffentlicht.
Das Portal Erindinger des Stadtarchivs Kopenhagen hat anlässlich des 200-jährigen Jubiläims der Einführung der Schulpflicht in Dänemark Zeitzeugenberichte von Kopenhagener Schülern und Lehrern gesammelt und in einem Themenschwerpunkt veröffentlicht.
Das Stadtarchiv in Esbjerg verwahrt die umfangreiche Negativsammlung des Fotografen Kromann aus Nordby, Fanø, und erfasst laufend die Protokolle zu den Aufnahmen, die für den Zeitraum 1880-1953 vorliegen in einer Datenbank. Bisher sind Angaben zu 3677 Aufnahmen aus dem Zeitraum zwischen dem 1.1.1900 und dem 27.11.1906 recherchierbar.
Schweden/ Finnland
Auf der Internetseite Afrikaarnarna veröffentlichen schwedische Historiker ihre Forschungsresultate über Schweden und Norweger in Südafrika vom 17. Jahrhundert bis 1902.
Die Datenbank Industrihistoriska miljöer i Sverige verzeichnet 421 “Plätze” der schwedischen Industiekultur und -geschichte. Dazu gehören u.a. Museen, Landschaften, die durch Industriegeschichte geprägt wurden, einzelne Gebäude, aber auch ganze Industrieareale.
Das Forschungsarchiv in Umeå veröffentlicht die digitale Ausgabe des Tagebuchs von Edvard Waldenström aus dem Jahr 1855.
Lars Huldéns Buch Finlandssvenska bebyggelsenamn steht als durchsuchbare Webversion mit ca. 3000 Ortsnamen zur Verfügung. Die gleichnamige vom Institutet för de inhemska språken lancierte Datenbank enthält sämtliche Namen von Orten, Kommunen, Städten sowie historische Gemeindenamen, Namen von Landschaften in schwedischsprachigen bzw. zweisprachigen Gebieten und eine Auswahl von schwedischen Namen in finnischsprachigen Gebieten.
Norwegen
Das norwegische Reichsarchiv stellt “Sommerbilder” (aus staatlichen und privaten Archiven) aus den 1950er-1970er Jahren ins Netz. Die norwegischen Nutzer werden aufgerufen, eigene Sommererinnerungen in Bild und Text auf den verschiedenen sozialen Medienkanälen des Archivs (Facebook, Instagram, Twitter, Tumblr.) einzustellen. Ausgewählte Beiträge werden in dem Blog arkivsommer veröffentlicht, der Sommer für Sommer erweitert werden soll.
Soll die Reise nach Tromsø gehen, bietet ein Projekt des Stadtarchivs und der Stadtbibliothek Tromsø seit neuestem basierend auf alten Karten eine stadthistorische Wanderung, bei der durch einzelne Klicks die Geschichte einzelner Häuser abgerufen werden kann. Unterstützt wird das ganze inhaltlich durch umfassende Einträge im lokalhistorischen Wiki.
Twitter zur Unterstützung von Kooperationen – Kurze Vorstellung auf dem Rheinischen Archivtag 2014
Der Kurznachrichtendienst Twitter bietet trotz der Beschränkung auf nur 140 Zeichen pro Beitrag zahlreiche Möglichkeiten des Informationsaustausches, der Vernetzung, des kollaborativen Arbeitens und der internen und externen Kommunikation. Twitter ist noch dazu im Einstieg äußerst niedrigschwellig, Beiträge lassen sich auch ohne Anmeldung lesen, die Einrichtung eines eigenen Accounts benötigt nur wenige Minuten und es werden auch praktisch keine persönlichen Angaben abgefragt. Die Anwendung ist leicht zu bedienen, und mit nur wenigen Klicks lassen sich sowohl mittels eigener Tweets Informationen verbreiten als auch abrufen.
Tweets enthalten aufgrund ihrer Kürze meist nicht nur Text, sondern häufig Links, Fotos oder Videos und lassen sich mit anderen sozialen Netzwerken wie z.B. Facebook verknüpfen. Besonders schnell und einfach ist auch die Verbreitung von Inhalten über die Funktion des Retweetens. Die Startseite oder Timeline bietet eine Übersicht der aktuellen Beiträge aller Twitter-Accounts, die man abonniert hat, denen man „folgt“, wie es bei Twitter heißt, man kann die Beiträge aber durch das Anlegen von Listen auch filtern. Hier beispielsweise eine Liste mit deutschsprachigen Archiven auf Twitter. Besonders praktisch auch die Funktion des Hashtags, also die Vergabe von Schlagwörtern, über die sich alle Beiträge zu einem speziellen Thema, die mit diesem Schlagwort versehen wurden, aufrufen lassen – hier als Beispiel das Thema Archive und Web 2.0.
Mit den Tweets lässt sich auf weiterführende Inhalte verweisen, über Publikationen wie z.B. Blogeinträge, Vorträge und andere Tätigkeiten oder auch Veranstaltungsprogramme informieren, das eigene Netzwerk ausdehnen und ständiger Kontakt mit den Fachkolleginnen und –kollegen halten. Über Twitter lassen sich außerdem Tagungen und andere Veranstaltungen – häufig nahezu in Echtzeit – verfolgen und kommentieren– vorausgesetzt natürlich, es sitzen twitternde Teilnehmer im Plenum. Hier links zu sehen Beiträge vom diesjährigen Archivtag für Rheinland-Pfalz und das Saarland in Worms. Mittels einer Twitterwall – hier rechts zu sehen bei der diesjährigen Tagung Archive 2.1 in Stuttgart – können die Beiträge allen Teilnehmern vor Ort sichtbar gemacht werden.
Besonders unkompliziert lässt mittels Twitter auch ins Gespräch kommen – der oder die gewünschten Gesprächspartner müssen lediglich mit dem eigenen Account angesprochen bzw. „erwähnt“ werden. Da diese Gespräche öffentlich sind, können sie auch andere an dem Thema Interessierte verfolgen. Der nichtöffentliche Austausch ist aber natürlich auch möglich, dafür gibt es die Funktion der Direktnachricht. Und – wie rechts zu sehen -, werden mittels Twitter sogar Interviews geführt – hier im Vorfeld und als Vorbereitung auf die Tagung Archive 2.1.
Eine besonders schöne Form der Vernetzung sind für mich persönlich auch Twitter-Aktionen wie etwa anlässlich des Internationalen Tags der Archive / AskArchivists Day, bei denen man internationale Archive und deren Bestände kennenlernt – und das kann und soll sogar Spaß machen, wie man beispielsweise an der Aktion #ArchiveShelfie sieht, bei der Archive auf der ganzen Welt die schönsten Aufnahmen aus ihren Magazinen posteten. Die Beiträge von Archiven im Rahmen dieser Aktionen gehen übrigens jeweils mittlerweile in die Hunderte. Entdecken lassen sich andere Accounts auch über den so genannten FollowFriday. Hier werden Accounts über ihre Nutzernamen verbreitet, die man selbst empfehlen kann. Und sogar Crowdsourcing ist möglich, indem man andere Nutzer um Hilfe bittet. Häufig wird hier der Hashtagt #followerpower verwendet.
Infografik zum Thema: Wozu brauchen Kulturinstitutionen eigentlich Infografiken?
Infografiken sind anstrengend – für denjenigen, der sie seinem Publikum zur Verfügung stellen möchte. Die Erstellung einer Infografik braucht Zeit, muss gut durchdacht sein und ist damit oft aufwändiger als das Verfassen eines Textes. Aber: Infografiken kommen gut an – bei demjenigen, der sich als Rezipient nicht durch lange Texte quälen möchte. Das „Lesen“ einer Infografik fällt im Idealfall leicht, schließlich wird der Inhalt direkt visualisiert und kann so schneller aufgenommen und verstanden werden. Es gibt also gute Gründe, manchmal auf einen schwer verdaulichen […]
Patrizia Bach: Walter Benjamin – Passagenprojekt
Projekt zum Wiener Bürgerspital
“Per Brettspiel in die Vergangenheit”. Historische Realität in Spielwelten
Computerspiele als Vermittlungsinstanzen von Geschichte und Medien der Geschichtskultur sind Untersuchungsfelder, mit denen sich die Geschichtsdidaktik schon seit Längerem befasst. Die Geschichtswissenschaft hat dieses Forschungsfeld ebenfalls seit ein paar Jahren für sich entdeckt.1 Die Frage nach der Modellierung von Geschichte im Brettspiel, dem kleinen “analogen Bruder“ der Computerspiele, wurde dagegen bislang kaum gestellt. Gibt es auch beim guten alten Brettspiel Spezifika in der Darstellung historischer Phänomene?
“German Games” in der Geschichte
Deutschland hat die weltweit größte Brettspielgemeinde, jährlich erscheinen etwa 400 bis 500 neue Spiele auf dem Markt. In der Spielebranche sind deutsche Brettspiele in den letzten Jahren zu Exportschlagern geworden. Ein knappes Fünftel der Spiele, die seit 1979 mit dem Kritikerpreis “Spiel des Jahres” ausgezeichnet wurden, weist ein historisches Setting auf. Beim “Deutschen Spielpreis”, einem seit 1990 verliehenen Publikumspreis, liegt die Quote in der Kategorie “bestes Familien- und Erwachsenenspiel” mit 19 von 23 prämierten Spielen noch deutlich höher. Die meisten dieser Spiele gehören in die Kategorie Strategiespiel, bei denen durch elegante Spielmechanismen versucht wird, das Glückselement einzuschränken. Da die AutorInnen überwiegend aus Deutschland stammen, werden diese Spiele häufig als “German Games” bezeichnet. Auch aus diesem Grund hat sich auf dem Brettspielemarkt eine ethische Übereinkunft etabliert, im Unterschied zu Computerspielen auf kriegerische Aspekte und Thementableaus zu verzichten.2 Stattdessen rangieren historisch anmutende Spielszenarien aus dem Mittelalter auf dem ersten Platz, gefolgt von Antike und Früher Neuzeit.
Vergangenheit als übersichtlicher “Spiel-Raum”
Anders als Computerspiele stellen Brettspiele ihre “Gemachtheit” offen aus. Das Spielfeld ist dabei der zentrale Verständnishintergrund, der für die Spieler in der Vogelperspektive den Handlungsraum konstituiert, lokalisiert und gleichzeitig die Bewegungsmöglichkeiten einschränkt. In konsequenter Reduktion repräsentiert dabei das Spielfeld das “Ganze” der möglichen Spielzüge. Die Überschaubarkeit gewährleistet nicht der Computer, sondern muss von allen SpielerInnen bewältigt werden können. Damit wird durch die Spiellogik des Brettspiels Geschichte als Abfolge einer gewissen Regelhaftigkeit präfiguriert. Gleichzeitig konstituiert das Spielfeld in seiner Begrenzung einen Spielraum, der Möglichkeiten und Alternativen der Akteure bereithält und in kontrafaktischen Szenarien Geschichte ergebnisoffen hält. Die Beschränkung der Anzahl der Spieler auf in der Regel zwei bis vier Personen limitiert den Kreis historischer Akteure.
Geschichte als Transmissionsriemen
Historische Settings sorgen im Brettspiel nicht nur für die Identifikation des Spielers mit der spezifischen Spielwelt. Sie fungieren als Transmissionsriemen für die Akzeptanz von als stimmig empfundenen Regelwerken. Geschichte als Folge von Entscheidungssituationen und die Unterbrechung von Geschichtsabläufen von regelkonformen Katastrophen, Zufällen und Überraschungen verleihen dem Spiel Plausibilität. Spiellust und Spielfluss präfigurieren dabei eine hohe Ereignisdichte und das lange Offenhalten möglichst ähnlicher Aktionsradien und Handlungsspielräume für alle SpielerInnen. Die überwiegende Situierung der Spielszenarien in traditionelle Gesellschaften mit Aufgabenstellungen wie etwa Handel mit Ressourcen und Aufbau von Infrastrukturen, korreliert dabei in besonderer Weise mit der regelhaften Zuweisung verschiedener Handlungsmöglichkeiten und Aktionsradien. Die Abbildung von historischer Realität spielt also im Brettspiel eine noch viel untergeordnetere Rolle als in Computerspielen. Für beide ist aber die Frage nach deren Wirkung auf Geschichtsvorstellungen ein Forschungsdesiderat.
“Geschichte” und Spiel: Ein Aushandlungsprozess?
Für Brettspiele sei daher eine erste These gewagt: Die SpielerInnen schätzen insbesondere den reduzierten Glücksfaktor der Autorenspiele, bei denen das gemeinsame Studieren und Anwenden des oft komplexen Regelwerks selbst Teil des Spiels ist. Damit wird im Brettspiel eine Vorstellung von Geschichte als eine Abfolge personeller Entscheidungen und Aushandlungen gefördert, die in überschaubarer Spielzeit und Personenanzahl regelbasiert zum Erfolg führen und einen eindeutigen Sieger hervorbringen. Zugleich wird mit dem Spielende auch ein Ende der Geschichte definiert, das dem “Sieger” überdies die Anerkennung der Mitspieler sichert – ein schönes Gefühl bis zur nächsten Partie.
Literatur
- Bernhardt, Markus: Das Spiel im Geschichtsunterricht. 2. Auflage, Schwalbach/Ts. 2010.
- Deterding, Sebastian: Wohnzimmerkriege. Vom Brettspiel zum Computerspiel. In: Nohr, Rolf F. / Wiemer, Serjoscha (Hrsg.): Strategie Spielen. Medialität, Geschichte und Politik des Strategiespiels. Münster u.a. 2008, S. 87-113.
- Scheuerl, Hans: Das Spiel. Untersuchungen über sein Wesen, seine pädagogischen Möglichkeiten und Grenzen. 12. Auflage, Weinheim / Berlin 1994.
Externe Links
- Vereinigung der deutschsprachigen Spieleautoren: http://www.spieleautorenzunft.de/saz-tv.html (zuletzt am 01.07.2014).
- Datenbank von Brettspielen (mit Abbildungen und Regeln): http://www.boardgamegeek.com/ (zuletzt am 01.07.2014).
- Praktisches Unterrichtsbeispiel: SchülerInnen entwickeln ein Brettspiel zum Leben in der mittelalterlichen Stadt: http://afl.lakk.bildung.hessen.de/fortbildung/kolleg/Prozessmodell_Stadt_U_Beispiel.pdf (zuletzt am 01.07.2014).
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Abbildungsnachweis
© Johannes Dennhöfer (Studentischer Mitarbeiter am Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg).
Empfohlene Zitierweise
Bühl-Gramer, Charlotte: “Per Brettspiel in die Vergangenheit”. Historische Realität in Spielwelten. In: Public History Weekly 2 (2014) 25, DOI: dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2253.
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