Soziologischer Monatsrückblick Juli 2014

Langsam, aber sicher nähern wir uns dem Redaktionsschluss am 31.08.2014! Nach einer langen Zeit des aufmerksamen Lesens, intensiven Nachdenkens und Bewerten  während der beiden Reviewphasen durch unsere Redaktion und den Wissenschaftlichen Beirat werden wir Mitte August über die endgültigen Beiträge … Continue reading

Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/7168

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Birgitta Atlas – Saint Birgitta’s Monasteries

Die Birgitten gehören zu den unbekannteren Orden der Katholischen Kirche. Vielleicht liegt es daran, dass er nicht dem beliebten Schema, es ist, wie es scheint, entspricht. Vielmehr fragt man sich bei den Birgitten unwillkürlich, was wäre denn, wenn es nicht ist, wie es scheinen soll? Gemeint ist die Gender-Frage der Kirche. Wie bei Kanonissen oder manchem eher regional verbreiteten Orden (Ordre de Font-Evraud) gibt es Konvente beiderlei Geschlechts. Doch im Gegensatz zu den typischen Doppelklöstern der Benediktiner und anderer Gemeinschaften des Hochmittelalters, die später getrennt wurden oder deren zumeist weiblicher Teil irgendwann einging (vgl. Göttweig, die Petersfrauen in Salzburg etc.), zeichnet sich die Gruppe durch die zumindest nominelle Herrschaft der Äbtissin über den Gesamtkonvent aus. Auch strukturell kommt diesen weiblich regierten Gemeinschaften eine größere Stabilität zu, was auch für die offiziell als Erlöserorden bezeichneten Birgitten gilt, die der Augustinerregel folgen.

Gegründet von der Heiligen Birgitta von Schweden verbreitete sich die Gemeinschaft über große Teile Europas, so dass es folgerichtig war, die Urheberin, zugleich bedeutende und früh gedruckte theologische Autorin, 1999 zu einer Patronin Europas zu erklären

Dem entsprechend versteht sich der schon 2013 erschienene Birgitta Atlas (Birgitta Atlas. Saint Birgitta’s Monasteries. Die Klöster der Heiligen Birgitta, hg. v. Ulla Sander-Olsen, Tore Nyberg und Per Sloth Carlsen, [Uden] 2013) als transeuropäisches Projekt der Societas Birgitta-Europa mit Sitz in Vadstena (Schweden). Und es handelt sich zumindest vom Format her tatsächlich um einen Atlas. Nach Überblicken, darunter einer Einführung von Tore Nyberg, bekannt durch seine Quellensammlung „Dokumente und Untersuchungen zur inneren Geschichte der drei Birgittenklöster Bayerns 1420-1570“, 2 Bde. (Quellen und Erörterungen zur bayerischen Geschichte NF 26/1-2), München 1972-1974, folgen nach den Regionen gegliederte Einzelbeiträge zu allen Klöstern: Skandinavien, Italien, Königreich Polen, England/Portugal, Heiliges Römisches Reich mit den heutigen Niederlanden und französisch Flandern. Ein Appendix behandelt den Orden in der Hispanica, besonders Mexiko. Der Orden verbreitete sich nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich breit. Lediglich für das 16. und das 18. Jahrhundert sind keine Neugründungen vermerkt. Die letzte vorreformatorische Gründung, an Stelle eines älteren Klosters, entstand in Altomünster bei Dachau, dessen weiblicher Konvent bis heute blüht, womit er wie der in Uden (Nordbrabant, nominell erst 1713 entstanden) die verschiedenen staatlichen Aufhebungswellen überlebt hat.

Inhaltlich bieten die Beiträge im englisch-deutschen Paralleltext jeweils Grundübersichten zur Klostergeschichte und ausgewählte Literaturhinweise, die zu einer vertieften Auseinandersetzung einladen sollen. Damit kann der Birgitta Atlas nicht als typisches Klosterbuch mit stark schematisierten Artikeln bezeichnet werden. Dennoch erzählen die Beiträge regelmäßig zahlreiche Aspekte wie Bibliotheksbesitz, Konventsstärke und Zusammensetzung, Autorinnen und Autoren, archivalische Überlieferung etc. Außerdem ist das Werk reich illustriert. Neben Abbildungen aus Manuskripten und Archivalien finden sich besonders architektonische Materialien: Pläne, historische und aktuelle Ansichten, die in nuce eine Kunstgeschichte des Ordens schreiben. Dies ist nicht nur schön zu betrachten, sondern berücksichtigt zugleich die zumindest früher stark kunsthistorische Ausrichtung der Ordensgeschichte.

Zu erwerben ist das ohne ISBN-Nummer erschienene Werk zum Beispiel in Altomünster (http://www.altomünster.de/Kirche,Kultur-Verein/SocietasBirgitta-Europa.aspx).

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7901

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Söldner im stand-by-Modus?

Viele Reichsfürsten wurden Anfang 1631 unruhig; Krieg lag in der Luft. Auch der Kurfürst von Brandenburg, eigentlich notorisch zahlungsunfähig, dachte an Werbungen. So berichteten die „Ordentlichen wochentlichen Post-Zeitungen“ darüber, daß Kurbrandenburg Kriegsknechte sucht, „vnnd wirdt jedem zwen Thaler auff die Hand / vnd ein Thaler Wartgeld gegeben“ – so hieße es aus Meißen vom 30. Februar 1631. Ins Auge springt hier der Begriff des Wartegelds. Gemeint war damit eine Gage, mit der sich ein Kriegsherr der Dienste eines Söldners versicherte, ohne daß im Moment schon ein konkreter Einsatz oder eine bestimmte Verwendung ins Auge gefaßt wurde (vgl. die nach wie vor mustergültige Studie von Fritz Redlich, hier Bd. 1, S. 56 f. u. 315 ff. „salary paid for preparedness“). Es wurde nur kurzfristig bezahlt, da es als eine Art Überbrückung bis zur festen Anstellung oder bis zum tatsächlichen Einsatz galt. Aber paßt dies auf den vorliegenden Fall?

"Ordenliche Wochentliche Post-Zeitungen", München: Johann Lucas Straub, 1631 (Logo)

“Ordenliche Wochentliche Post-Zeitungen”, München: Johann Lucas Straub, 1631 (Logo) 

Die Nachricht aus Meißen unterschied zwischen den Talern, die „auf die Hand“ gezahlt wurden, und dem Wartegeld. Das erstgenannte Geld dürfte das Laufgeld sein, das ein Söldner direkt bei der Anwerbung erhielt und das bereits in Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs zum Werbegeld wurde (vgl. dazu Peter Burschel, S. 102). Das Laufgeld wurde ursprünglich ausgezahlt, damit der Söldner die Anreise von der Anwerbung hin zum Musterplatz finanzieren konnte. Damit war bereits eine erste Bindung an den auszahlenden Kriegsherrn hergestellt. Warum kam dann noch  ein Wartegeld hinzu? Sollte dies den Kriegsknecht bestärken, tatsächlich den Militärdienst bei diesem Kriegsherrn anzutreten? Dann würde der dazu gezahlte Taler an Wartegeld zusammen mit dem Laufgeld eher schon ein Werbegeld ergeben, eine reine Prämie also für den angeworbenen Söldner.

In der vorliegenden Situation hat der Kurfürst von Brandenburg, so muß man die Angaben verstehen, diese Anwerbungen offenbar in oder um Leipzig getan („diser Orten“); er war dort gerade eingetroffen, um am Leipziger Konvent teilzunehmen, und wollte offenbar neben den anstehenden Verhandlungen gleich andere Notwendigkeiten erledigen – eben hier ein paar Söldner anwerben. Immerhin hieß es noch weiter, daß Kurfürst Georg Wilhelm „dise Soldaten zu Leib Compagnia gebrauchen“ wollte. Es handelte sich also nicht um gewöhnliche Kriegsknechte, sondern um qualitativ hochwertige Söldner, die der Kurfürst tatsächlich zu seinem persönlichen Schutz anwerben wollte. Dies erklärt vielleicht auch den Vorgang, daß zu den ersten zwei Taler Handgeld auch noch ein Wartegeld hinzukam: Angesichts allseits anlaufender Werbebemühungen war der Söldnermarkt leergefegt; wollte Kurbrandenburg einige gute Kriegsknechte in Dienst nehmen, mußte man schon gutes Geld zahlen.

Doch wie muß man dann die Nachricht aus Den Haag vom 9. März 1631 verstehen? Hier wurde von massiven Werbungen der Generalstaaten berichtet; die Truppen sollten „in 12.000 Mann gesterckt werden / zu denen man noch 6.000 Wartgelter annemmen sollen“. Die erstgenannten Kriegsknechte sollten also tatsächlich in Dienst genommen werden, die zuletzt genannten sollten sich offensichtlich nur in Bereitschaft halten: Also 6.000 Söldner sollten im stand-by-Modus verharren, waren noch nicht richtig in Dienst genommen, wobei gewissermaßen ein Vorkaufsrecht für den Kriegsherrn bestand, der das Wartegeld gezahlt hatte?

Dies überrascht insofern, als üblicherweise das Wartegeld vor allem zum Einsatz kam, um sich der Dienste solcher Offiziere zu versichern, die den Nucleus eines Heeres darstellten und die im Ernstfall gleich ganze Kompagnien oder Regimenter würden aufbringen können. Da lohnte es sich schon, derartige Spezialisten zu bezahlen, auch wenn ihre Fähigkeiten erst in naher oder späterer Zukunft vonnöten sein würden. Doch einfache Söldner, zudem in so großer Zahl? Insofern ist mir die Verwendung des Begriffs Wartegeld in diesen Fällen nicht wirklich klar – aber vielleicht kenne ich auch nur zu wenig Beispiele, die auch vom Wartegeld für einfache Söldner berichten oder überhaupt das Bedeutungsspektrum dieses Begriffs erweitern.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/508

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Wer einmal fremdschreibt…

… tut das offensichtlich auch ein zweites Mal. Wie schon damals mit der Ausrede, das alles nur für die Mehrung von Ruhm und die Ehre der Blogplattform hypotheses.org zu tun. Dieses Mal fragte mich Sebastian Bartoschek von den Ruhrbaronen, ob ich meinen letzten Artikel zum Voynich Manuskript nicht auch auf dieser populären Blogplattform veröffentlichen und ihn in diesem Zuge vielleicht für ein breiteres Publikum aufhübschen wolle. Das habe ich natürlich gerne getan und dabei versucht, sowohl kürzere Sätze als auch gliedernde Zwischenüberschriften zu nutzen. Den Titel meines letzten Postes habe ich beibehalten, der Text ist allerdings durch eine allgemeine Einleitung zum Voynich Manuskript erweitert worden. Zu finden ist er hier.

Ich danke Sebastian für die Gelegenheit und hoffe, dass Mareike mir nicht allzu oder allzu lange böse ist. :)

Quelle: http://texperimentales.hypotheses.org/1118

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Zur Präsenz der Karmeliten in Oberösterreich – Fragen zu einer Bildquelle des frühen 16. Jahrhunderts

An der Fassade eines „Bürgerhauses“ in Steyr (Oberösterreich) findet sich ein Christophorus-Wandbild vom Beginn des 16. Jahrhunderts mit der Darstellung eines knienden Stifters im Habit der Karmeliten. Eine fragmentierte Inschrift an derselben Fassade enthält die Worte „domus fratris“. In meinem Blog Camera Picta habe ich mir letztens Gedanken zu diesem Wandbild gemacht und die Frage aufgeworfen, ob sich daraus möglicherweise auf eine (wie auch immer geartete) Präsenz der m. W. hier sonst nicht nachgewiesenen Karmeliten in Steyr schließen lässt. Denkbar erschiene mir auch eine Verbindung zum Karmeliterkloster im nahegelegenen Mauthausen, nachweisbar ist eine solche, soweit ich sehe, jedoch nicht. Zudem bestand der Konvent in Mauthausen nur wenige Jahre (1494-1507/14), sodass fraglich ist, inwieweit er überhaupt jemals so etwas wie öffentliche Wirkung über die Ortsgrenzen hinweg erzielen konnte.

Nach allem, was ich bisher finden konnte, ist die Literaturbasis sowohl zu dem Wandbild in Steyr als auch zu den Mauthausner Karmeliten, gelinde gesagt, dürftig. Falls jemand mehr weiß oder weiterführende Ideen hat, wäre ich für entsprechende Hinweise daher ausgesprochen dankbar.

Quelle: http://ordensgeschichte.hypotheses.org/7846

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Webressourcen aus Nordeuropa – Fundstücke Juli 2014

Die nordischen Länder und der 1. Weltkrieg

Forscher von drei dänischen Universitäten und des Nationalmuseums haben den Kampf Dänemarks um die Neutralität des Landes während des 1. Weltkriegs aufgearbeitet und präsentieren ihre Ergebnisse in der Ausstellung “På kanten af krig – Neutralitet mellem krig og velfærd”, die ab 6. August 2014 in dem neu geschaffenen kommunalen kulturhistorischen Museum Mosede Fort Danmark 1914-18 in Greve gezeigt wird.

Das Museum Sønderjylland hingegen dokumentiert die Auswirkungen des 1. Weltkriegs auf die, damals noch zum Deutschen Reich gehörende männliche Bevölkerung Nordschleswigs, die als Soldaten Kriegsdienst leisten mussten. Der Kriegseinsatz der 35.000 Soldaten hat seine Spuren in Form von Gedenkstätten und Soldaten- und Kriegsgefangenengräbern hinterlassen. Hierzu hat das Museum eine App veröffentlicht, der zu 35 dieser Stätten Texte, historische Karten und Fotos liefert und auch eine Datenbank der gefallenen Soldaten beinhaltet. Diese Informationen stellt auch die Datenbank Verdenskrigens Spor i Sønderjylland 1914-1918 bereit.

Das im Juli 2014 veröffentlichte Portal Den store krig 1914 – 1918 hingegen zeichnet den Verlauf des Krieges in Form von Nachrichten. Das Quellenmaterial haben neben diversen Archiven und Museen auch Privatpersonen aus der Region zur Verfügung gestellt. Ziel ist es, die Geschichte der Soldaten aus Nordschleswig und deren Familien in Bild und Text zu dokumentieren. Ergänzend dazu veröffentlicht das Landesarchiv für Sønderjylland eine Online-Liste über die gefallenden Soldaten aus Nordschleswig 1914-1918. Der gleichen Thematik widmet sich auch die schon etwas ältere Internetseite I farfars fodspor. Dort stellt der Enkel des Nordschleswigers Iver Henningsen dessen Briefe, Fotos und Zeichnungen aus dem 1. Weltkrieg vor und zeichnet die “Reiseroute” seines Ostfronteinsatzes nach. Auf der Seite Første Verdenskrig – de sønderjyske krigsdeltagere finden sich weitere Briefe und Tagebücher von Kriegsteilnehmern aus Nordschleswig.

Mit der visuellen Aufarbeitung der Jahre 1914-18 für die neutralen nordischen Länder beschäftigt sich das Portal European Film Gateway, das ein Baustein der europäischen Datenbank Europeana ist. Digitalisiertes Filmmaterial der Länder Dänemark und Norwegen ist in die Netzausstellung European Film and the First World War – A Virtual Exhibition eingebunden. In der Sammlung Det Danske Filminstitut: First World War Films finden sich weitere Filme dänischer Provenienz, das filmhistorische Material der norwegischen Nationalbibliothek unter Nasjonalbiblioteket: First World War Films.

Das norwegische Reichsarchiv hat im Rahmen der Netzaustellung ”Europæisk krig uundgaaelig” Dokumente zum Thema “Der 1. Weltkrieg aus der Sicht norwegischer Dipomaten” veröffentlicht.

Neben diesem den Sommer bestimmenden Thema “Erster Weltkrieg” hier unsere weiteren Fundstücke aus den einzelnen Ländern:

Dänemark
In einer neuen Datenbank stellt das Museum für Seefahrt (Helsingør) 34000 digitalisierte Bilder (Seeleute, Schiffe, Häfen, u.a.) aus seinem umfangreichen Bildarchiv, das über 200000 Abbildungen umfasst, online.

Die Königliche Bibliothek plant, weitere digitalisierte Teile ihrer 5,2 Bilder umfassenden Flugfotosammlung in der Datenbank Danmark set fra luften – Før Google ins Netz zu stellen. Neben den 250.000 Luftaufnahmen von Fünen und umliegenden Inseln, Bornholm und den Inseln im Kattegatt sollen ab Oktober 2014 200.000 Fotos von den sieben westjütischen Kommunen (Herning, Ringkøbing-Skjern, Holstebro, Skive, Ikast-Brande, Lemvig und Struer) zugänglich sein.

In dem Blog Byerne -  Blog om urban historie og kultur des Dänischen Zentrums für Stadtgeschichte
veröffentlichen zukünftig Stadthistoriker, Architekten und Stadtplaner ihre Forschungsergebnisse.

Das Landesarchiv Nordjütland hat die Archivbestände der dänischen Bezirksvögte (herredsfogederne) in Djurs Sønder og Mols und in Hammerum digitalisiert und online gestellt.

Norwegen

Das Provinzarchiv Sogn og Fjordane hat zwei kulturgeschichtlich relevante Fotosammlungen erhalten, die digitalisiert und in die archiveigene Fotodatenbank eingebunden werden sollen: Die mehrere hundert historische Bilder umfassende Sammlung von Bjørg Hovland, die neben Fotos von der eigenen Familie und weiteren Bewohnern der Region Luster auch Motive von Amerikaauswanderern beeinhalten. Die Fotosammlung von Andrea Breien (1866-1954) gibt einen Einblick in das Alltagsleben des Wohnsitzes “Kristianelyst” des Gerichtsvollziehers in Solvorn in den Jahren 1908-1915.

Mit dem wirtschaftsgeschichtlichen Aspekt des 1814-Jubiläums beschäftigt sich die Datenbank Historiske toll- og skibsanløpslister. Dort kann bereits in den Zolllisten für Christiania, Bergen, Trondheim, Risør, Tønsberg und teilweise Kristiansand aus den Jahren 1786, 1788, 1790, 1792 und 1794 recherchiert werden.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2441

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8. August 1914

Stadtarchiv Düsseldorf, “Tagebuch Willy Spatz” 1914-1919. 0-1-23-41.0000 Alle Scans zum Tagebucheintrag vom 8. August 1914 Willy Spatz (1861-1931) war Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Samstag, d. 8. August. Wir saßen gestern Abend im Malkasten und besprachen die Ereignisse des Tages, … Weiterlesen

Quelle: http://archivewk1.hypotheses.org/275

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Das ›Vierte Deutschland‹ — Einzelstaaten in außerdeutschen Personalunionen. Ein Forschungsaufruf zu ›ausländischer »Steuerungskompetenz«‹ innerhalb des Deutschen Bundes (1815-1866)*

von Andreas C. Hofmann 

* Der folgende Beitrag stellt einen Aufruf an die Forschung dar, sich dem Thema der Interdependenzen von Personalunionen mit auswärtigen Staaten für die Deutsche Geschichte eingehender zu widmen. Die konzeptionellen Überlegungen wurden erstmals in der im Wintersemester 2013/14 von der Philosophischen Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München unter der Betreuung von Prof. Dr. Wolfram Siemann angenommenen Dissertation ‚Deutsche Universitätspolitik im Vormärz zwischen Zentralismus, ›Transstaatlichkeit‹ und »Eigenstaatlichkeitsideologien« (1815/19 bis 1848)‘ angeschnitten.

"Karte des Deutschen Bundes 1815–1866", CC-BY

Karte des Deutschen Bundes 1815–1866” von ziegelbrenner unter CC-BY, Bildbeschnitt durch den Autor.

Es war bereits während der konzeptionellen Überlegungen zur Dissertation über ›Deutsche Universitätspolitik im Vormärz‹, als ein Zögern aufkam, die Universitäten Göttingen und Kiel in ein geplantes Kapitel über die Klein- und Mittelstaaten des ‚Dritten Deutschlands‘ einzugliedern. Es war angedacht — und sollte sich leider für eine Dissertation als zu ehrgeizig erwiesen haben — in einem Kapitel alle deutschen Universitäten außerhalb Österreichs und Preußens einer kumulativen Betrachtung zu unterziehen. Und es sind ja bekanntlich die dann übriggebliebenen Klein- und Mittelstaaten, welche nach Österreich und Preußen gemeinhin als das dann eben ‚Dritte Deutschland‘ bezeichnet werden. Darüber hinaus etablierte Peter Burg mit „Steuerungskompetenz“ einen Begriff, der die — mal mehr mal weniger erfolgreichen — Versuche Österreichs und Preußens bezeichnet, auf das ‚Dritte Deutschland‘ Einfluss zu nehmen. Der deutsche Dualismus zwischen Österreich und Preußen wurde konzeptionell somit zu einer ‚Deutschen Trias‘ weiterentwickelt.[1] Sie unterlag entweder einer „monistischen Steuerungskompetenz“, sofern Österreich seinen Einfluss uneingeschränkt und allein geltend machen konnte, einer „ambivalenten Steuerungskompetenz“, falls diese zwischen beiden Hegemonialmächten wechselte oder einer „dualistischen Steuerungskompetenz“, falls beide Großmächte ihren Einfluss auf das ‚Dritte Deutschland‘ einvernehmlich ausübten.[2] Aber passen Einzelstaaten wie das Königreich Hannover in seiner Personalunion — das heißt durch die Person des Monarchen vereinigten Regentschaft — mit Großbritannien oder die Herzogtümer Holstein/Lauenburg mit der Personalunion mit Dänemark oder fernab der Universitätsgeschichte das Großherzogtum Luxemburg und das Herzogtum Limburg mit den Personalunionen zu den Niederlanden in dieses Schema?

Ließen die Könige von Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden diese Einflussnahmen auf von ihnen in Personalunion regierte deutsche Einzelstaaten zu? Ist nicht vielmehr von einer ›ausländischen »Steuerungskompetenz«‹ der betreffenden Monarchen auf ihre deutschen Lande auszugehen? Ein Blick auf die Forschung wird offenbaren, dass die transnationalen bzw. transstaatlichen Wechselwirkungen von Personalunionen innerhalb des Deutschen Bundes bislang nur sektoral bearbeitet worden sind. In welcher Richtung liefen solche Wechselwirkungen ab? Handelte es sich hierbei um ein relativ gefestigtes Gefüge oder stellten die Interdependenzen einen eher dynamischen Mechanismus dar? Welche Unterschiede sind in den drei genannten Fällen feststellbar? Gibt es Differenzen in einzelnen Politikfeldern und auf welche Einflüsse gehen solche Verschiedenheiten zurück? Sind Transnationalität und Transstaatlichkeit überhaupt die passenden Konzepte, um die mit den Personalunionen verbundenen Prozesse zu erfassen?[3] Gibt es konkrete Beispiele, welche beispielsweise eine aus britischer Staatsräson erfolgte Einflussnahme auf die Politik des Königreichs Hannover belegen. Oder gab es auch umgekehrt Rücksichtnahmen der außerdeutschen Staaten auf ihre in Personalunion befindlichen deutschen Einzelstaaten?

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen erscheint es zumindest möglich, dass die betreffenden Staaten aus dem für das ‚Dritte Deutschland‘ skizzierten Einfluss der ‚steuerungskompetenten‘ Staaten Österreich und Preußen ausscherten. Aber macht es Sinn Hannover, Holstein/Lauenburg und Luxemburg/Limburg dann weiterhin zum ‚Dritten Deutschland‘ zu zählen? Ich sage nein! Auch wenn die zur Zeit des Deutschen Bundes mit Personalunionen einhergegangenen Bindungen zwischen den Staaten — wie das Beispiel Hannover zeigt — gerade erst umfassend untersucht werden;[4] es ist doch davon auszugehen dass alle drei mit den außerdeutschen Königreichen im Hintergrund ein anderes Standing gegenüber den Großmächten hatten, als dies bei anderen Klein- und Mittelstaaten der Fall gewesen war. So erscheint es doch sinnvoll, die vermeintlich unter ›ausländischer »Steuerungskompetenz«‹ stehenden Staaten einem eigenen Überbegriff zuzuordnen. Vor dem Hintergrund der etablierten Differenzierung zwischen Österreich, Preußen und dem ‚Dritten Deutschland‘ erscheint die Begrifflichkeit eines ›Vierten Deutschlands‹ nur konsequent.[5] Aber ist dieser Titel nicht nur ein Etikettenschwindel?

Diese Frage zu beantworten ist der Aufruf an die Forschung. Denn dass eine begründete Annahme dazu besteht, die Staaten mit Personalunionen zu außerdeutschen Landesherrn von denjenigen des ‚Dritten Deutschlands‘ zu differenzieren, erscheint nur gut und richtig. Es wäre beispielsweise auch schlecht vorstellbar gewesen, dass das Königreich Bayern als selbsternannte Vormacht im ‚Dritten Deutschland‘ einen Führungsanspruch gegenüber dem niederländischen, dänischen oder gar britischen König hätte geltend machen wollen.[6] Entscheidend für die methodische Haltbarkeit des Begriffs sind aber nicht nur Negativfeststellungen über Abgrenzungen zu den Staaten des ‚Dritten Deutschlands‘, sondern auch Positivfeststellungen über signifikante, ja vielleicht sogar konstitutive Gemeinsamkeiten der Staaten des ›Vierten Deutschlands‹. Auch dies wird eine Frage für die Forschung sein: Haben die Personalunionen gleichförmige Auswirkungen auf die Politik der jeweils souveränen europäischen Großmacht und des jeweils im Deutschen Bund organisierten Einzelstaates? Gibt es weitere methodische und konzeptionelle Fragen zu klären, die in diesem Forschungsaufruf keine Berücksichtigung finden konnten? Am Beispiel der Universitätspolitik ergab sich keine konkrete Indikation, welche ausführliche archivalische Recherchen vor Ort im Hauptstaatsarchiv Hannover, dem Universitätsarchiv Göttingen oder gar dem Public Records Archive London gerechtfertigt hätte. Die Dissertation wies daher eine Bedeutung der Personalunionen für die jeweilige Universitätspolitik nicht nach, wobei eine komparatistische Herangehensweise an britische oder dänische Universitätspolitik auch den vorgegebenen Rahmen gesprengt hätte.

Andreas C. Hofmann (*1980), Abitur am Dom-Gymnasium Freising (2000), Magister Artium in Neuerer und Neuester Geschichte an der LMU München (2006), Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung (2004-2006 / 2008-2011), Promotion zum Dr. phil. (2014, Drucklegung steht noch aus)

a.hofmann@gmx.eu 
www.andreashofmann.eu 

[1]    Peter Burg: Die deutsche Trias in Idee und Wirklichkeit. Vom Alten Reich zum Deutschen Zollverein (=Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Bd. 136. Abteilung Universalgeschichte), Stuttgart 1989.

[2]    Peter Burg: Monistische oder dualistische Steuerungskompetenz? Die Deutschlandpolitik Österreichs und Preußens zwischen Wiener Kongreß und Märzrevolution, in: Michael Gehler / Rainer F. Schmidt / Harm-Hinrich Brandt / Rolf Steininger (Hg.): Ungleiche Partner? Österreich und Deutschland in ihrer gegenseitigen Wahrnehmung. Historische Analysen und Vergleiche aus dem 19. und 20. Jahrhundert (= Historische Mitteilungen der Ranke-Gesellschaft, Beiheft 15), Stuttgart 1996, S. 75-94.

[3]    Vgl. auch Andreas C. Hofmann: Suprastaatlichkeit, Interstaatlichkeit und Transstaatlichkeit. Ein Drei-Ebenen-Modell zur Beschreibung zwischenstaatlicher Beziehungen im Deutschen Bund, in: Melanie Hühn u.a. (Hrsg.): Transkulturalität, Transnationalität, Transstaatlichkeit, Translokalität. Theoretische und empirische Begriffsbestimmungen. Münster u.a. 2010, S. 133 ff. Zu den Vorteilen einer ‚Trans-Betrachtungsweise‘ auch Andreas C. Hofmann: Transstaatliche Verfassungsgeschichte suprastaatlicher Organisationen — Erweiterung statt Alternative, ursprgl. publ. in: aussichten. Perspektivierung von Geschichte [18.07.2011], neu publ. in: L.I.S.A. Das Wissenschaftsportal der Gerda-Henkel-Stiftung [26.02.2013], http://www.lisa.gerda-henkel-stiftung.de/ content.php?nav_id=4163.

[4]    Mit dem Promotionskolleg ‚Die Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover 1714 bis 1837 als internationaler Kommunikations- und Handlungsraum‘ unternimmt die Universität Göttingen einen umfassenden Versuch, sich den Mechanismen einer solchen Personalunion unter verschiedenen Aspekten anzunähern. Ob „Ästhetik im Austausch – Zum Transfer kultureller Praktiken in Musik und Literatur“, „Im Netz der Dinge — Sammlungen als Kommunikationsräume“, „Ware Wissen — Technologie als Trägerelement ökonomischen Handelns“, „Jenseits von Grenzen — Hannover und die Personalunion als Konstrukt fürstlicher Diplomatie“, „Herrschaft durch Verwaltung — Räume und Praktiken der Administration“ oder „Kulturen des Krieges — Strukturen organisierter Gewalt zwischen ‚Reich‘ und ‚Empire‘“. Mit seinem mehrere Sachdisziplinen der Geschichtswissenschaft abdeckenden Ansatz wird das Promotionskolleg eine umfassende Darstellung des ‚Handlungsraumes Personalunion‘ liefern. An aktuellen Studien vgl. Heide Barmeyer (Hrsg.): Hannover und die englische Thronfolge (=Hannoversche Schriften zur Regional- und Lokalgeschichte Bd. 19), Bielefeld 2005; Torsten Riotte: Hannover in der britischen Politik 1792-1815. Dynastische Verbindung als Element außenpolitischer Entscheidungsprozesse (=Historia profana et ecclesiastica Bd. 13), Münster 2005; Torsten Riotte / Brenda Simms (Hrsg.): The Hanoverian Dimension in British History, Cambridge 2007.

[5]    In der Geschichtswissenschaft ist der Begriff des ‚Vierten Deutschlands‘ noch nicht etabliert. Verwendung findet er allerdings im gleichnamigen Roman Norbert Bleisch: Viertes Deutschland (=edition suhrkamp), Stuttgart 1992, sowie als Synonym für die Deutsche Demokratische Republik in den Erinnerungen Fritz Stern: Fünf Deutschland und ein Leben, Taschenbuchausg. München 2009 [82008].

[6]    Für e.g. die bayerische Außenpolitik direkt nach dem Wiener Kongreß vgl. Andreas C. Hofmann: „Schwere Gewitterwolken am politischen Horizont“. Eine Einordnung der Karlsbader Beschlüsse in die bayerische Außenpolitik von 1815 bis 1820, ursprgl. publ. in: http://www.aventinus.geschichte.uni-muenchen.de, neu publ. als: aventinus bavarica Nr. 7 (Winter 2006), http://www.aventinus-online.de/no_cache/ persistent/artikel/7750.

 

Quelle: http://openblog.hypotheses.org/105

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Unsterblichkeit (I): Fünf Klassen von Unsterblichen

Als Übersetzung für den Begriff xian 仙 hat sich im Deutschen der Begriff “Unsterbliche” eingebürgert.1

Zum Phänomen der “Unsterblichen” schreibt Wolfram Eberhard:

Chinesische Heilige [!] sind Männer oder Frauen, die übernatürliche Fähigkeiten erlangt haben und nach ihrem Tod zur Gottheit erklärt wurden. Es gibt hunderte und aberhunderte von ihnen, im Gebirge K’un-lun oder auf den Inseln des Ostens sollen sie ein glückliches, nie endendes Leben führen; hienieden ist der Kult meist an einen bestimmten Ort gebunden.2

Im Erklärenden Wörterbuch zum chinesischen Buddhismus wird der Begriff folgendermaßen definiert:

Dieser taoistische Name für unsterbliche Genien oder Übernatürliche wird im chinesischen Buddhismus zur Bezeichnung der indischen Rsis verwendet. Der hsien ist auf dem Wege zur Unsterblichkeit oder schon unsterblich, durch Askese und Meditation ist er für viele tausend Jahre (nach anderer Ansicht für immer) von Krankheit, Alter und Tod befreit.3

Im Daoismus und im chinesischen Buddhismus wurden im Allgemeinen fünf Klassen von “Unsterblichen” (xian) unterschieden:

  1. Entkörperlichte Geister (guixian 鬼仙), die weder unter den Menschen noch unter den Unsterblichen Ruhe finden.
  2. Menschliche Genien (renxian 人仙), die sich erfolgreich von den Schwächen des Fleisches befreit haben.
  3. Auf der Erde lebende Genien (dixian 地仙), Menschen, die in dieser Welt die Unsterblichkeit erlangt haben.
  4. Deifizierte Genien (shenxian 神仙): Unsterbliche, die die Erde verlassen haben und in den glückseligen Gefilden der Gesegneten wohnen.
  5. Himmlische Genien od. Götter (tianxian 天仙), diejenigen, die die Reinheit erreicht und im Himmel das ewige Leben erlangt haben.4
  1. Zur Etymologie des Schriftzeichens vgl. Wolfgang Bauer: China und die Hoffnung auf Glück. Paradiese, Utopien, Idealvorstellungen in der Geistesgeschichte Chinas (München, 2. Aufl. 1989 [1974, 1971]) 153 f.
  2. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole.  Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl. 1996) 287 (“Unsterbliche”).
  3. Heinrich Hackmann: Erklärendes Wörterbuch zum chinesischen Buddhismus. Chinesisch – Sanskrit – Deutsch. Nach seinem handschriftlichen Nachlass überarbeitet von Johannes Nobel, 4. Lieferung [o. J.], S. 239.
  4. Vgl. Grand Dictionnaire Ricci, Bd. 6, S. 625 (Nr. 12308).

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1278

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Konferenzbericht “Offene Archive 2.1″ – Scrinium 68/2014

Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von “Scrinium” (Tagung “Offene Archive 2.1. Social Media im deutschen Sprachraum und im internationalen Kontext, Scrinium 68 (2014), 194-196; Autor: Dr. Christoph Sonnlechner/Wien): 

Offene Archive 2.1. Social Media im deutschen Sprachraum und im internationalen Kontext.

Am 3. und 4. April 2014 fand im Hauptstaatsarchiv Stuttgart die Folgetagung von Offene Archive 2.0 statt. Während in Speyer 2012 80 Personen Interesse an der Thematik zeigten, waren es diesmal bereits rund 120. Joachim Kemper vom Stadtarchiv Speyer ist es mit seinem Organisationsteam bestehend aus Andreas Neuburger /Christian Wolf (Landesarchiv Baden-Württemberg), Elisabeth Steiger (Stadtarchiv Speyer /ICARUS) und Thomas Wolf (Kreisarchiv Siegen-Wittgenstein) gelungen, ein hochwertiges Programm zusammen zu stellen. Die einleitende Keynote wurde infolge eines Lufthansa-Pilotenstreiks nicht persönlich von der ausgewiesenen Archivarin und Archivtheoretikerin Kate Theimer vorgetragen, sondern aus Philadelphia zugeschaltet. Sie hielt ein Plädoyer dafür, Archiv neu zu denken und das Image von Archiv zu wandeln. Archive müssten partizipatorisch angelegt werden. Nutzerinnen und Nutzer haben heute andere Bedürfnisse. Es werde viel mehr gefordert, Originaldokumente digitalisiert zur Verfügung gestellt zu bekommen. Daraus entstehe dann Neues. Archive müssen neue, partizipatorische Geschäftsmodelle entwickeln. Dazu gehören viele Tools, unter anderem die Sozialen Netzwerke, aber auch Wikis. Archivare sollten ihrer Meinung nach eine neue Mission haben: „Add value to people’s lifes in increasing their understanding and appreciation of the past!“. Indem Archive digital zur Verfügung stellen, bilden sie Plattformen für Interaktionsprozesse.

Der erste Block setzte sich dann mit Gaming, Social Media und Archiven auseinander. Spielerisches Lernen insbesondere auch von Geschichte auf der Basis von kreativ verwendeten Digitalisaten bildete das Thema. Ein weiterer Block stellte Möglichkeiten des Bloggen im Bereich von Archiven und Museen vor. Der Kurzvortrag von Maria Rottler zeigte die Unkompliziertheit des Bloggens für Archive auf der Basis des Blogportals de.hypotheses.org auf. Die Technik ist aufgesetzt. Man braucht nur den Willen, etwas anzubieten – also ein Thema, das man besetzen will. Dass Soziale Medien längst in den deutschen Archiven Eingang gefunden haben und zunehmend als Realität hin- und angenommen werden, zeigt nicht zuletzt, dass die Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag  (BKK) gerade Web 2.0-Empfehlungen bezüglich Social Media ausarbeitet, um interessierten Archiven künftig eine Leitlinie anbieten zu können. Bastian Gillner vom Landesarchiv Nordrhein-Westfalen präsentierte anhand seines „Startbahn, Spielwiese, Sackgasse?“ übertitelten Vortrags Erfahrungen eines Landesarchivs im Umgang mit Facebook. Unter der Federführung des Dezernats Öffentlichkeitsarbeit betreibt das Archiv einen Facebook-Auftritt, der dezentral mit Inhalt befüllt wird. Nach Einigung auf gewisse Richtlinien erhielten ca. 20 Personen Zugang, fünf bis sechs generieren regelmäßig Inhalte, andere je nachdem, ob sie gerade etwas fertig erschlossen haben und über diese Plattform kommunizieren wollen. Facebook wird als Schaufenster genutzt. Das Archiv hat so eine konstante Bindung an einen breiten Interessentenkreis (mehrere hundert). Man macht auf sich aufmerksam. Facebook wird als Werkzeug des Informationsmanagements genutzt. Zum Abschluss des ersten Tags wurden schließlich noch zwei Möglichkeiten zur interaktiven Generierung , Verwertung und insbesondere georeferenzierten Verortung von digitalen Daten präsentiert, nämlich Linked Open Data im Bereich des Europäischen Archivportals und „Wien Geschichte Wiki“, eine stadtgeschichtliche Wissensplattform, erarbeitet im Wiener Stadt- und Landesarchiv.

Der Vormittag des zweiten Tags wurde von den Gästen aus den nicht-deutschsprachigen Ländern bestritten. Ingmar Koch aus den Niederlanden stellte unter dem Motto: „Das größte Risiko ist, nicht nach zu denken“ die Frage, inwieweit Archive von Behörden(-vertretern) produzierte Inhalte auf soziale Medien archivieren müssten. Neil Bates vom Marketing der Europeana präsentierte das soziale Netzwerk Pinterest als „Reichweitenbeschleuniger“ für das Bekanntmachen von Beständen, insbesondere von Bildmaterial. Er sprach auch aus, was gerade in der traditionellen Öffentlichkeitsarbeit oft verwechselt wird: „Your content is the star – not you!“. Neben Präsenzen polnischer staatlicher und spanischer kirchlicher Archive in sozialen Netzwerken wurden auch noch archivische Twitter-Aktivitäten in Holland vorgestellt.

Einen wichtigen inhaltlichen Komplex bildete das Crowdsourcing. Diesem Thema waren vier Vorträge gewidmet. Dabei zeigte sich ganz klar, dass solche Projekte funktionieren können. Voraussetzung dafür ist aber eine klar abgegrenzte Community, mit der man vermittels definierter Spielregeln und Kanäle kommuniziert. Besonders beeindruckend war das Beispiel  aus der Schweiz zur Erschließung des Swissair-Fotoarchivs durch die Bibliothek der ETH Zürich. In diesem Fall konnte man auf eine gut organisierte Gruppe von Fachleuten, die Ex-Mitarbeiter der Swissair, zurückgreifen und damit eine hochmotivierte Gruppe zum Erschließen von Content gewinnen. Das Beispiel der dänischen Demografischen Datenbank gewährte Einblick in ein seit mehr als zwei Jahrzehnten laufendes Crowdsourcing-Projekt, in dem engagierte Bürger qualitätsgesichert analoge Listen übernehmen und in Datenbanken eingeben. Aus Deutschland wurde einerseits das Projekt „Kriegsgräberlisten“ des Landesarchivs Baden-Württemberg präsentiert, in dem eine computeraffine Genealogencommunity digitale „Pakete“ übernimmt und erschließt, andererseits Möglichkeiten der Nutzung von Flickr zur Fotoerschließung im Stadtarchiv Speyer.

Hervorgehoben soll schließlich noch das Projekt des digitalen Historischen Archivs Köln werden, das die Möglichkeiten der Kollaboration mit Nutzerinnen und Nutzern bietet. Dieses Projekt wurde nicht zuletzt wegen des Einsturzes des Archivs 2009 nötig. Mittlerweil hat man technologische Möglichkeiten an der Hand, die das Hochladen und Erschließen von vor dem Einsturz reproduziertem Material ermöglichen. Zum Schluss stellte Karsten Kühnel noch theoretische Überlegungen zur Erschließung vor dem Hintergrund fortgeschrittener Nutzeremanzipation an. Dabei ging es vor allem darum, unter welchen Bedingungen Nutzerpartizipation in Form von Erschließung überhaupt erfolgreich stattfinden kann. Er hielt ein Plädoyer für funktionale Provenienzen, die sich digital auch viel besser abbilden ließen, wohingegen Archivgut analog in der Regel einem Fonds/Bestand zugehören müsse.

Die Tagung hat gezeigt, dass soziale Medien auch in der Archivwelt mittlerweile eine Realität darstellen. Darüber ist nicht mehr zu diskutieren. Die Frage ist nur: Wie können Archive soziale Medien erfolgreich für ihre Zwecke nutzen? Die letzten beiden Tagungen haben Beispiele gezeigt. In der kommenden Tagung im Jahr 2015 wird es um die Evaluierung dieser Aktivitäten gehen. Man darf gespannt sein!

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1967

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