Das Opfergelände für die Götter des Bodens und der Feldfrüchte (Shejitan 社稷墰)

Gemeinsam mit den Opfern für Himmel, Erde und die kaiserlichen Ahnen zählten die Opfer für die Götter des Landes und der Feldfrüchte (sheji 社稷, eigentlich: “die Götter des Erdbodens und die der Hirse”)[1] zur Gruppe der “großen Opferrituale” im Rahmen des konfuzianischen “Staatskults”. Auf dem dafür vorgesehenen Opfergelände wurde diesen Göttern zweimal jährlich, einmal im zweiten Frühlingsmonat, das zweite Mal im zweiten Herbstmonat geopfert.[2]

Shejitan - Foto: Georg Lehner

“Altar” auf dem Opfergelände der Götter des Landes und der Feldfrüchte – Foto: Georg Lehner

Eine in diesem Blog schon wiederholt herangezogene Beschreibung Pekings aus dem 19. Jahrhundert geht sehr ausführlich auf dieses Opfergelände ein:

Sche-tsi-tan, der Altar, wo man die Geister Sche und Tsi anbetet, westlich von dem ‘Thor der Grundsätze’ [Duanmen] gelegen. Der Altar ist vierseitig, der Vordertheil sieht nach Norden; er bildet zwei übereinander stehende Carre’s, jedes von fünf Fuß Höhe. Der obere Theil hat 50 Fuß und der untere Theil 53 Fuß im Durchmesser. Die Perrons haben vier Rampen, jede mit 4 Stufen, und das Ganze ist von weißem Marmor. Der Fußboden des Altars besteht aus geschlagener Erde mit fünf Farben, welche die fünf Weltgegenden symbolisch darstellen. Die Mauer, welche die innere Umschließung bildet, hat 764 Fuß Länge, 4 Fuß Höhe und 2 Fuß Stärke. Sie ist mit glasirten Ziegeln mit vier Farben bekleidet, wovon jede an eine besondere Weltgegend erinnert und die Krone ist ebenfalls mit vierfarbigen Dachziegeln gedeckt. Die Umfassungsmauer hat vier zweisäulige Thore. Säulen, Schwellen und Stürze sind von weißem Marmor; die Flügel sind von Holz und zinnoberroth angestrichen. [...].[3]

Seit Herbst 1914 ist das Areal für die Öffentlichkeit zugänglich. In der nördlich des Altars gelegenen Halle des Gebets wurde der als ‘Vater des Landes’ (guofu 國父) verehrte Republiksgründer Sun Yatsen (Sun Zhongshan 孫中山) nach seinem Tod im März 1925 aufgebahrt. 1928 erfolgte schließlich auch die Umbenennung des Geländes in Sun Yatsen-Park (Zhongshan gongyuan 中山公園).[4]

Vgl. auch: Das Opfergelände des Himmels und der konfuzianische Staatskult

  1. Vgl. Charles O. Hucker: Dictionary of Official Titles in Imperial China (Stanford 1985) 416 (no. 5133: “‘she-chi t’an [...] Altar of the Soil and Grain [...].” sowie Frank-Rainer Scheck (Hg.) Volksrepublik China. Kunstreisen durch das Reich der Mitte (Köln, 3., überarb. Aufl., 1988) 213: “Altar der Erdgötter und der Fruchtbarkeit”.
  2. Vgl. dazu H. S. Brunnert, V. V. Hagelstrom: Present Day Political Organization of China. Revised by N. Th. Kolessoff (Shanghai 1911) 204 sowie J. J. M. de Groot: Universismus. Die Grundlage der Religion und Ethik, des Staatswesens und der Wissenschaften Chinas (Berlin 1918) 223.
  3. “Beschreibung der Stadt Peking”, Allgemeine Bau-Zeitung, Jg. 1859, S. 330. Digitalisat: ANNO. Vgl. auch de Groot: Universismus, 221 f.
  4. Vgl. Scheck (Hg.): China, 213.

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1099

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Tipp: „Das Konzert der Großen: 200 Jahre Wiener Kongress“

Dieses Jahr wird europaweit an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs erinnert, doch der Wiener Kongress, der sich zum 200. Mal jährt sollte nicht aus den Augen verloren werden, argumentiert Paul Widmer in seinem Artikel in der Neue Zürcher Zeitung. Bei diesem diplomatischen Großereignis kamen Gesandte und Oberhäupter fast aller europäischen Mächte zusammen. Über Monate wurde verhandelt, in Ausschüssen aber man traf sich auch auf sozialen Events wie Bällen. Nach der Französischen Revolution und Napoleons Kriegen sollte Europa wieder stabilisiert werden. Die Fürsten betonten dabei ihre Rolle als legitime Herrscher und versuchten, den politischen Zustand von 1792 wiederherzustellen.

Wiener Kongress (Foto: public domain)

Wiener Kongress (Foto: Cornischong unter public domain)

Als wichtigstes Gremium tagte ein Ausschuss, dem England, Preußen, Österreich, Russland und später auch Frankreich angehörten. Die Vertreter der kleineren Staaten mussten gezielte Lobbyarbeit bei den Großmächten betreiben, wenn sie Gehör bekommen wollten.

Trotz zahlreicher Ergebnisse, wie das Verbot des Sklavenhandels und ein Reglement für die Flussschifffahrt, Protokollregeln für diplomatische Beziehungen und die neuen politischen Allianzen zwischen den Großmächten, konnten zahlreiche Fragen nicht endgültig geklärt werden. Nach Napoleons Flucht von der Insel Elba wurde 1815 die Kongressakte verabschiedet. Ungelöst blieben dabei die Probleme auf dem Balkan und die Schwierigkeiten, die sich aus dem gesamteuropäischen gesellschaftlichen Wandel ergaben. Dennoch: „Das Verdienst des Wiener Kongresses besteht darin, nach mehr als zwanzig Jahren Krieg und Zerstörung eine lang dauernde Friedensordnung geschaffen zu haben,“ so Widmer.

 

Lesen Sie den vollständigen Artikel hier.

 

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/127

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Kampf der Giganten: Wilhelm Furtwängler vs. Neue Musik

Die Zeitschrift Melos bietet den Schauplatz von zahlreichen spannenden musikästhetischen Debatten der Nachkriegszeit. So auch im zweiten Heft des Jahres 1949, wo es um nichts weniger geht als den Kampf für und gegen die Neue Musik. Der Kontext: Wilhelm Furtwängler (1886-1954), langjähriger Chefdirigent der Berliner Philharmoniker und gefeierter Maestro in ausverkauften Konzertsälen, fällt im seinem Buch Gespräche über Musik (1948) ein harsches Urteil über die Neue Musik: Sie müsse „als biologisch minderwertig angesprochen werden.“1 Eine solche Aussage lässt Heinrich Strobel (1898-1970), Leiter der Musikabteilung des damaligen Südwestfunks (heute: SWR) und der Donaueschinger Musiktage, nicht kalt: Er veröffentlicht in Melos nicht nur Passagen aus Furtwänglers Text, sondern stellt ihnen eine detaillierte Replik gegenüber. Greifbarer kann ein Diskurs wohl nicht sein!

Wenn Furtwängler von Neuer Musik spricht, versteht er darunter atonale Musik und Zwölftonmusik.2 Wie kommt er nun dazu, diese Musik als „biologisch minderwertig“ zu verdammen? Furtwängler verteidigt die vermeintliche Vormachtstellung der tonalen Musik durch die These, dass ihr Material auf dem „Naturgesetz der Kadenz-Spannung“ beruhe.3 Bei der Zwölftonmusik hingegen werde das Material „gleichsam von außen her“ geformt und gestaltet.4 Die Organisation der Musik sei damit weniger zwingend. Furtwängler macht sich hier den Begriff des Naturgesetzes zunutze, um seiner Argumentation den Charakter der Notwendigkeit zu verleihen. Darauf entgegnet Strobel, dass doch der Mensch, und nicht die Natur, in der Kunst den Sinn stifte: „Denn von ‚innen‘ hat die Klangmaterie weder Form noch Gestalt. Beide verleiht ihr der denkende Mensch. Sonst könnte es in der Welt nicht so viele verschiedene Tonsysteme geben, die überhaupt nichts mit unserem Tonalitätbegriff zu tun haben […].“5 Strobel hätte sich hier auch bei den Worten Theodor W. Adornos bedienen können: „Die Musik kennt kein Naturrecht […].“6

Auch Furtwängler fasst die Musik als eine „Äußerung des Menschen“ auf.7 Davon ausgehend, so der Dirigent, müsse man sich folgende Frage stellen: „Wieweit entspricht dies tonale oder atonale Material der Musik den organisch-biologischen Gegebenheiten des Menschen?“8 Um dieser Frage nachzugehen, betrachtet er den Wechsel von Spannung und Entspannung, der ein Merkmal für die Musik als „Zeitkunst“ ebenso wie für das „zeitlich abrollende organische Leben“ darstelle.9 Dieser Wechsel sei in der tonalen Musik durch die Kadenzspannung gegeben; eine Spannung, die eingebettet sei in eine „tiefe und unerschütterliche Ruhe […] – wie eine Erinnerung an die Majestät Gottes.“10 Demgegenüber enthalte nicht-tonale Musik viele kleinere Spannungen, sei damit rastlos und habe etwas vom „Wesen der toten, seelisch unbeweglichen Maschine“.11 Furtwängler beschwört hier große Gegensätze herauf: Das Lebendige, das Menschliche, die Natur, (ja vielleicht sogar das Göttliche) stehen der leblosen Maschine gegenüber – repräsentiert durch tonale und atonale Musik. Strobel greift nun Furtwänglers Argumentation schon in ihrer Grundvoraussetzung an. Dieser gehe in seinen ästhetischen Überlegungen vom biologischen, nicht vom denkenden Menschen aus: „Denn wollte man den biologisch-physiologischen Menschen zum Maßstab der Kunst erheben […], dann wäre die Musik nicht mehr das Produkt einer geistigen Gestaltung, sondern einer mehr oder weniger gezügelten Triebhaftigkeit.“12

Abschließend fügt Strobel hinzu: „und wenn wir Hindemith oder Schönberg, Bartók oder Strawinsky, Honegger oder Alban Berg hörten, dann wurden wir unmittelbar in unserem ‚Lebensgefühl‘ angesprochen, intellektuell und vital, geistig und sensitiv – möge die Musik dieser Komponisten nun ‚biologisch‘ ebenso ‚minderwertig‘ sein, wie sie es bisher ‚rassisch‘ war.“13 Strobel endet seine Replik mit einem Seitenhieb gegen Furtwängler, der für seine in der Öffentlichkeit sehr präsente Rolle als Dirigent im nationalsozialistischen Deutschland vielfach kritisiert wurde und nach den Entnazifizierungsprozessen erst 1952 offiziell zum Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker wieder ernannt wurde. Darüber hinaus zeigt sich hier ein Argumentationsmuster, das den Diskurs um die Neue Musik seit Beginn des 20. Jahrhunderts – und bis heute – durchzieht: Was die einen als eine Gefahr, als etwas Unmenschliches (etwas Maschinenhaftes, Geräuschhaftes, Chaotisches) deuten, ist für andere der zeitgemäße Ausdruck des menschlichen Lebens.

 

1Wilhelm Furtwängler; Heinrich Strobel, „Für und gegen die neue Musik“, in: Melos 16 (1949), S. 44.

2Die in Gespräche über Musik veröffentlichten Dialoge zwischen Wilhelm Furtwängler und Walter Abendroth stammen aus dem Jahre 1937.

3Ebd., S. 42.

4Ebd., S. 42.

5Ebd., S. 42.

6Theodor W. Adorno, Philosophie der neuen Musik, Frankfurt a. M. 1976, S. 39.

7Furtwängler; Strobel, „Für und gegen die neue Musik“, S. 42.

8Ebd., S. 42.

9Ebd., S. 42.

10Ebd., S. 43.

11Ebd., S. 43.

12Ebd., S. 42.

13Ebd., S. 43 f.

Quelle: http://avantmusic.hypotheses.org/75

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Kurbayern und der Westfälische Friedenskongreß

Der Weg zum Frieden war bekanntermaßen ausgesprochen verschlungen; es dauerte lange Jahre, bis die Instrumenta pacis unterzeichnet und ratifiziert werden konnten. Entsprechend umfänglich ist das Aktenmaterial, das im Umfeld dieser Verhandlungen angefallen und überliefert ist. Neben den Acta Pacis Westphalicae hat es sich seit einigen Jahren auch die bayerische Landesgeschichte zur Aufgabe gemacht, die einschlägigen kurbayerischen Korrespondenzen zu publizieren. Auf diese Weise werden ergänzend zu den anderen Korrespondenzserien Einblicke in die Verhandlungsführung eines der einflußreichsten Reichsstände und wichtigsten Bündnispartners des Kaisers ermöglicht.

Nachdem bereits die Hauptinstruktionen von 1644 und ein erster Teilband für die Zeit von 1644 bis Juli 1645 veröffentlicht werden konnten, ist kürzlich der zweite Teilband erschienen. Er deckt den Zeitraum von August bis Ende November 1645 ab und versammelt reiches Material für die Phase unmittelbar vor dem Eintreffen des kaiserlichen Prinzipalgesandten Trauttmansdorff in Münster (erst mit ihm nahmen die Verhandlungen wirklich an Fahrt auf). Man mag im ersten Augenblick erstaunt sein, daß gerade diese Frühphase in dieser Edition so intensiv dokumentiert ist. Doch eben damit wird deutlich, wie sinnvoll es ist, neben den kaiserlichen, französischen und schwedischen Korrespondenzserien auch die kurbayerische Sicht der Dinge aufzuarbeiten.

Verhandlungsführer für Kurbayern waren die Gesandten Georg Christoph Freiherr von Haslang und Dr. Johann Adolf Krebs, die ihr Prinzipal Maximilian von Bayern in gewohnter Weise zu einer intensiven Korrespondenz anhielt, um über die Vorgänge in Münster genau im Bilde zu sein; komplementär dazu versorgte der Kurfürst seine Gesandten seinerseits mit Informationen und noch mehr Anweisungen.

Letztere bezogen sich auch auf Rangfragen und die Problematik der Präzedenz – kein Wunder, wurden doch gerade in der Frühphase des Friedenskongresses erste Koordinaten für die jeweiligen Ansprüche und ihre Realisierung gesetzt. Für Kurbayern war dies in erster Linie die Frage der Kurwürde, die bekanntermaßen im Zentrum der Kriegsziele Maximilians stand. Klar war auf kurbayerischer Seite, daß eine Alternation der Kurwürde in keinem Fall zu akzeptieren war; gerade die schlechten Erfahrungen, die die bayerischen Herzöge mit der Regelung des Vertrags von Pavia gemacht hatten, ließen Maximilian darauf dringen, daß seiner Linie die Kurwürde dauerhaft zugesprochen werden würde.

In den Korrespondenzen schlugen sich auch die parallel zu den Verhandlungen weiterlaufenden Kriegsereignisse nieder. Für den genannten Zeitraum war dies vor allem die Schlacht bei Alerheim, in der mit dem kurbayerischen General Capo Franz von Mercy einer der talentiertesten Militärs dieser Jahre fiel. Die Bedeutung dieses Verlustes war sofort klar und schlug sich in den Korrespondenzen entsprechend nieder.

Wer den Griff nach der umfänglichen Edition scheut, mag sich zunächst in dem Beitrag orientieren, in dem Gabriele Greindl den aktuellen Korrespondenzband vorstellt: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns beim Westfälischen Friedenskongress, in: Wittelsbacher-Studien. Festgabe für Herzog Franz von Bayern zum 80. Geburtstag, hrsg.von Alois Schmid und Hermann Rumschöttel, München 2013, S. 417-440.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/434

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Wo wurde das Kloster Lorsch gegründet?

„Wo wurde das Kloster Lorsch gegründet?“ ist eine Frage, die nur dann spannend ist, wenn man erstens weiß was dieses Kloster Lorsch eigentlich ist, zweitens dass es woanders gegründet wurde, also praktisch irgendwann umgezogen ist.

Zu erstens: Das Kloster Lorsch ist eines der berühmtesten karolingischen Reichsklöster auf deutschem Boden, es ist die Begräbnisstätte unter anderem von Ludwig dem Deutschen und beherbergte eine der bedeutensten mittelalterlichen Bibliotheken nördlich der Alpen. Lorsch ist heute eine hübsche kleine Stadt im Kreis Bergstraße im hessischen Rheinried gelegen, im Dreiländereck Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg.

Zu zweitens: Das Kloster Lorsch ist kurz nach seiner Gründung tatsächlich umgezogen. Man weiß genau wohin, aber die Frage nach dem woher bewegt die Gemüter seit dem 19. Jahrhundert.

Alles was wir darüber wissen, stammt aus dem Lorscher Codex aus dem 12. Jahrhundert, in dem die Gründungsgeschichte erzählt wird, die aus der Sicht des Chronisten bereits 400 Jahre her ist. Zum Verständnis hier nur die deutsche Übersetzung:

Im zwölften Jahre also der Regierung Pippins  stifteten Cancor, der berühmte Graf des Oberrheingaues, und seine fromme gottwohlgefällige Mutter Williswinda, die Witwe des Grafen Rupert, das Kloster Lorsch auf der Insel, welche jetzt Altenmünster genannt wird. Sie übergaben es dem verehrungswürdigen Metzer Erzbischof Rutgang (742-766), damit er dort eine Schar Mönche ansiedle.[1]

Da man für eine anständige Klostergründung auch eine wichtige Reliquie für die Weihe der Klosterkirche benötigt, brachte man eine Reliquie des Heiligen Nazarius, einem Märtyrer aus dem 4. Jahrhundert, nach Lorsch.

„Zur feierlichen Wallfahrt der Übertragung strömte die Bevölkerung des ganzen Landgebietes bis zum Wasgenwald haufenweise herbei, viel Volk beiderlei Geschlechtes “Jünglinge und Jungfrauen, die Alten mit den Jungen” (Psalm 148,12). Die weitbekannten Grafen Cancor (vom Oberrheingau) und Warin (vom Ladengau) und andere vornehme und achtbare Männer der Gegend hoben den durch Gottes Fügung ihrer Heimat bestimmten Schatz des heiligen Körpers auf ihre eigenen Schultern und verbrachten ihn, begleitet von den Hymnen und geistlichen Gesängen einer ungeheuren Volksmenge (am 11. Juli 765), an den vom Himmel vorgesehenen Ort. Da aber der verfügbare Raum jener oben erwähnten Insel klein und beengt war, reichte er für die Aufnahme einer solchen Menschenmenge und selbst der alltäglichen Besucherzahl nicht aus. Auch die örtliche Lage entsprach nicht einem Kloster von so berühmtem Namen. Sie entsprach auch keineswegs der durch die Verdienste ihres Märtyrers in der nächstfolgenden Zeit erreichten hohen Würde. Der Wunsch und die Ansicht aller ging daher dahin, dass Kloster und Kirche baulich bedeutend zu erweitern und auf den Hügel zu verlegen seien, auf dem man die Anlage heute noch sieht.”[2]

Wir fassen zusammen: Graf Cancor gründet ein Kloster auf der Insel, das heute, also im 12. Jahrhundert zum Zeitpunkt der schriftlichen Überlieferung, Altenmünster genannt wird. Er ließ eine Reliquie des Heiligen Nazarius nach Lorsch kommen, die man in einer feierlichen Prozession in die Klosterkirche überführte. Die Kirche und das Kloster wurden den Mönchen bald zu klein und so beschloss man, es auf den „Hügel“ zu verlegen.Die Weihe der Klosterkirche, deren Rest heute noch steht, fand nach dem Lorscher Codex, 774 statt, also bereits 9 Jahre nach der Weihe der Klosterkirche auf der Insel.Das Inselkloster wurde aber keineswegs aufgegeben. Es ist überliefert:

“Im Jahre 1056 nach des Herrn Menschwerdung. Nach Abt Arnold wurde Udalrich (1056- 1076) einstimmig gewählt. … Auch die nächst unserem Kloster gelegene und Altenmünster genannte Insel entriß er ihrem seit langem vernachläßigten Zustand, ließ zweckmäßige Bauten errichten, erneuerte die ganze Anlage und machte sie wieder zur Abhaltung von Gottesdiensten geeignet. Auch für die geistigen und leiblichen Bedürfnisse der Mönche, die künftig dort wohnen sollten, sorgte er aufs beste“[3]

Das Kloster Altenmünster auf der Insel wurde also weiterhin von Mönchen bewohnt und Mitte des 11. Jahrhunderts noch einmal gründlich generalüberholt. Auch hundert Jahre später ist das Altenmünster noch besiedelt, danach verliert sich die Überlieferung und wir wissen nicht genau, wann es aufgegeben wurde.

Die Frage ist nun, wo stand dieses Altenmünster auf der Insel? Eine Frage, die schrifthistorisch nicht zu beantworten ist, und so versuchte man, dieser Sache bereits im 19. Jahrhundert archäologisch auf den Grund zu gehen.

Zunächst einmal, heißt es, sich auf die Suche nach Inseln im näheren Umkreis von Lorsch zu begeben. Da hier im Kreis Bergstraße kein größerer natürlicher See ist, wird es sich wohl um eine Flussinsel handeln, die von der Weschnitz umflossen wird. Heutzutage gibt es dort keine Inseln mehr, weil wegen des starken Siedlungsdrucks im erweiterten Frankfurter Umland die Weschnitz kanalisiert und viele feuchte Niederungen trockengelegt wurden. Vor etwa 10.000 Jahren allerdings, kurz nach dem Ende der letzten Eiszeit, durchzogen Wanderdünen den unbewaldeten Rheingraben. Als die Vegetation zunahm, wurden die Sanddünen zu den natürlichen hochwasserfreien Siedlungsplätzen der dort lebenden Menschen. Die Weschnitz wechselte im Laufe der Jahrhunderte immer wieder ihr Bett und umspülte zeitweise auch die ein oder andere Sanddüne, die dann zur Insel wurde. Der Hügel, auf dem die Reste des Kloster Lorsch stehen, ist eine sehr große Sanddüne. Etwa 300 m östlich dieser Hauptdüne befindet sich eine zweite, sehr viel seichtere, aber hochwasserfreie Düne, die Kreuzwiese, und 3,5km südlich eine dritte, die man Seehof nennt.

Die Kreuzwiese wie auch die Düne am Seehof waren eine Zeit lang von der Weschnitz umspült und somit Inseln. Beide Dünen waren auch besiedelt und bebaut, sodass sie als potenzielle Gründungsklöster Altenmünster in Frage kommen. Ende des 19. Jahrhunderts entbrennt eine kontroverse Debatte über die Lokalisierung des Gründungsklosters, die man ohne weiteres als leidenschaftlich bezeichnen kann. Es bildeten sich zwei Lager, die einen wollten das Kloster am Seehof, die anderen auf der Kreuzwiese sehen.

1882 wurde schließlich das erste Mal archäologisch untersucht. Friedrich Kofler leitete die Ausgrabungen und legte zahlreiche unverkennbar mittelalterliche Fundamente frei, die klar die Überreste einer sakralen Anlage waren. Die Befunde sprachen eine eindeutige Sprache, aber als Heinrich Giess 1904 auf dem Gelände am Seehof untersuchte, kam ebenfalls ein mittelalterlicher Sakralbau zutage. Die Frage nach dem Gründungskloster war also wieder offen. Also führte Heinrich Giess 1907 noch einmal Grabungen auf der Kreuzwiese durch und konnte die Befunde seinen Vorgängers im Wesentlichen bestätigen, widersprach aber der Theorie dort sei das Gründungskloster Altenmünster. Stattdessen identifizierte er den Fundplatz mit der „Ecclesia Varia“, die „bunte Kirche“, die Ludwig der Deutsche in Auftrag gegeben hat und eine Kaisergrablege sein sollte. Die Identifizierung der „Ecclesia Varia“ ist bis heute nicht geklärt.

Nach diesen Grabungen wurde es erst mal still in der Debatte, da Erster Weltkrieg und die politisch instabile Weimarer Republik  dazwischen kamen. 1927/28 wurde der Fundplatz Kreuzwiese schließlich ein drittes Mal ausgegraben. Der Ausgräber Friedrich Behn, der in den 30er Jahren auch das Kloster Lorsch auf der Hauptdüne sehr umfangreich aufgraben wird, kam zu dem glasklaren Ergebnis: Auf der Kreuzwiese ist das Altenmünster. Alles andere ist Blödsinn. Die Debatte ist geklärt. Fertig. Friedrich Behn war nämlich ein Mann klarer Ansagen und Widersprüche waren spätestens ab 1933 nirgendwo in Deutschland mehr erwünscht, auch nicht in der Wissenschaft.  Die verschiedenen Argumente zum Für und Wider habe ich in meiner Magisterarbeit zusammengefasst, die Sie hier herunterladen können.

Abb. 1 Übersichtspläne der Ausgrabungsbefunde auf der Kreuzwiese. von links F. Kofler, mitte H. Giess, rechts F. Behn

Abb. 1 Übersichtspläne der Ausgrabungsbefunde auf der Kreuzwiese. von links F. Kofler, mitte H. Giess, rechts F. Behn

Heute sind die Fundamente des vermeintlichen Altenmünsters auf der Kreuzwiese mit niedrigen Steinmauern angedeutet. Das Gelände ist genauso wie das Kloster Lorsch auf der Hauptdüne Unesco-Weltkulturerbe. Unweit davon sollen ein paar neckische Holzhütten einen optischen Eindruck von Lauresham (Lorsch) während der Karolingerzeit geben. Das Freilichtdorf soll noch dieses Jahr eröffnet werden und man darf gespannt sein, wie die Rekonstruktionen angelegt sein werden.

1983 ergab sich noch einmal die Gelegenheit, auf der Kreuzwiese eine Ausgrabung durchzuführen, was durch Mitarbeiter des Landeamts für Denkmalpflege in Darmstadt geleitet wurde.

Abb. 2: Blick auf den Grabungsschnitt 1983 (Bild: LfDH Darmstadt)

Es ist die einzige der vier Grabungen, bei denen die zeichnerische Originaldokumentation vorliegt. Der Schnitt wurde im Bereich der vermeintlichen Klosterkirche des Altenmünsters durchgeführt. Es zeigt sich sehr schnell, dass keinerlei Mauerwerk mehr erhalten war, so dass die ehemaligen Fundamente sich ausschließlich durch sogenannte Mauerausbruchsgräben, also Verfärbungen im Erdreich, zu erkennen waren. Während der Auswertung konnte ein vermutlich sakraler Bau rekonstruiert werden, der nicht ganz dem Kirchenbautyp entspricht wie er auf den Plänen von Kofler, Giess und Behn eingezeichnet ist. Es ist eher ein Saalbau, also ein Raum ohne Innengliederung, mit einem eingezogenen Rechteckchor. Die Mauerstärke der Außenwände kann nicht stärker als 60 cm betragen haben. Um diesen Bau befand sich ein Friedhof, es wurde auch in dem Gebäude bestattet und die sich nördlich anschließenden Gebäude, die um den quadratischen Hof gruppiert sind, sprechen schon dafür, dass es sich tatsächlich um eine Klosterkirche gehandelt hat. Saalbauten mit eingezogenem Rechteckchor sind sehr weit verbreitet und wurden durch das gesamte Mittelalter hindurch gebaut, aber die Mauerstärke von nur 60 cm verweist tatsächlich auf die Vorromanik. Es kann sich also hierbei tatsächlich um das legendäre Gründungskloster Altenmünster handeln.

Abb. 3: Rekonstruktion des Sakralbaues, anhand der dokumentierten Mauerausbruchsgruben (Bild: Maxi Platz)

Schauen wir 3,5 km südlich zum Seehof auf den zweiten Fundplatz mit einem abgebrochenen Kirchenbau.  Hier haben wir einen dreischiffigen Bau vor uns, mit einem Querhaus und drei Apsiden, wobei die mittlere etwas größer ist. Deutlich zu erkennen ist auch, dass die mittlere Apside später durch eine gestelzte ersetzt worden ist. Es gab also Umbauarbeiten an diesem Kirchenbau.

Abb. 4: Grundriss des Kirchenbaus am Seehof.

Nördlich schließen sich hier Befunde an, die möglicherweise auf einen Kreuzgang hinweisen, so dass hier auch ein Kloster gestanden haben könnte. Allerdings weist die Architektur an dieser Stelle auf eine jüngere Erbauungszeit. Wenn wir uns also auf die Planzeichnung von Heinrich Giess verlassen können, ist dieser Bau wohl eher romanisch oder jünger, also möglicherweise ins 11. Jahrhundert oder später einzuordnen.

Das hieße, wenn das Gründungskloster Altenmünster auf einem der beiden ehemaligen Inseln errichtet worden ist, dann wäre die Kreuzwiese, nach allem was wir bisher wissen, der wahrscheinlichere Ort.

 

Dieser Blogpost beruht auf meiner Magisterarbeit mit dem Titel: „Altenmünster – Seehof – Kreuzwiese. Neue Betrachtungen zum Siedlungsraum Lorsch von der Spätlatènezeit bis zum Ende des Hochmittelalters“. In diesem Rahmen kann natürlich nicht die gesamte Argumentationskette wiedergeben werden.

Abb 1: F. Kofler, Lorscher Ausgrabungen. Quartalsbl. Hist. Ver. Hessen, 1983, S. 17.

H. Giess, Lorscher Ausgrabungen. 1910. Kreuzwiese, in: Vom Rhein, 1911, Beilage.

F. Behn, Die karolingische Klosterkirche von Lorsch an der Bergstraße (Berlin/ Leipzig 1934) Plan 1.

Abb. 2: Grabungsüberblick der Untersuchung auf der Kreuzwiese Lorsch 1983 (Foto: LfDH Darmstadt)

Abb. 3: aus dem Nachlaß Giess, Stadtarchiv Bensheim

Abb.4: Maxi Platz. Hintergrund auf Basis Überblicksplan Friedrich Behn: F. Behn, Die karolingische Klosterkirche von Lorsch an der Bergstraße (Berlin/ Leipzig 1934) Plan 1.

[1] K.-J. Minst, Lorscher Codex I. II. Deutsch. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Lorsch 1966) S. 49

[2]K.-J. Minst, Lorscher Codex I. II. Deutsch. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Lorsch 1966) S. 52-53

[3] K.-J. Minst, Lorscher Codex I. II. Deutsch. Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch (Lorsch 1966)S. 167

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/1008

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Drei Gehorsamspflichten, vier Tugenden und sieben Scheidungsgründe

Im konfuzianisch geprägten China nahmen Frauen – nicht zuletzt durch die “drei Gehorsamspflichen und die vier Tugenden” (sancong side 三從四德) – im gesellschaftlichen Leben eine sehr untergeordnete Rolle ein. Die “drei Gehorsamspflichten” bestanden gegenüber dem Vater vor der Ehe, gegenüber dem Mann in der Ehe und gegenüber dem Sohn nach dem Tode des Mannes. Unter den “vier Tugenden” verstand man Sittsamkeit, geziemende Sprache und Fleiß.

Im allgemeinen gab es sieben Gründe (qichu 七出), die eine Scheidung rechtfertigten – diese waren seit der Tang-Zeit (618-906) gesetzlich festgelegt[1]:

  • kein männlicher Nachkomme (wu zi 無子)
  • Ehebruch (yinyi 淫佚)
  • Ungehorsam gegenüber den Schwiegereltern (bu shi jiu gu 不事舅姑)
  • Zank, Zwietracht (koushe 口舌) beziehungsweise Geschwätzigkeit (duoyan 多言)
  • Diebstahl (daoqie 盜竊)
  • Neid (duji 妒忌)
  • ansteckende Krankheit (eji 惡疾)

Im Herbst 1900, als die Welt noch ganz im Banne des Entsatzes der während des “Boxeraufstands” belagerten Gesandtschaften in Peking stand, hieß es in der im australischen Perth erscheinenden Zeitung The Inquirer and Commercial News zum ersten dieser sieben Gründe:

In a country where the avowed end of marriage is to raise up a posterity to burn incense at the ancestral graves, it is not strange that ‘childlessness’ should rank first among the grounds for divorce.[2]

Lag keiner dieser sieben Gründe vor, war dem Mann die Scheidung nicht erlaubt. Frauen konnten sich dann scheiden lassen, “wenn ihr Mann ihre Ahnen beschimpft oder ein Mitglied ihrer Sippe ermordet hatte.”[3]

  1. Die “westliche” Sinologie hat sich dieser sieben Gründe früh angenommen; vgl. etwa: William Frederick Mayers: The Chinese Reader’s Manual. A handbook of biographical, historical, mythological, and general literary reference. Reprinted from the Edition of 1874 (London: Probsthain | Shanghai: American Presbyterian Mission Press, 1910) 350 (Nr. 220).
  2. “Seven Grounds for Divorce.” The Inquirer and Commercial News (Perth), Vol. LVIII. No. 3.353, 19 October 1900, S. 1.
  3. Wolfram Eberhard: Lexikon chinesischer Symbole. Die Bildsprache der Chinesen (München, 5. Aufl., 1996) 251 (“Scheidung”).

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1095

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Der Söldner Michael Burchardt

Der Werdegang von einfachen Söldnern hat von je her besondere Aufmerksamkeit erregt. Erhofft man sich hier doch konkreten Aufschluß darüber, wie die sog. kleinen Leute den Krieg erlebten. Der prominenteste einfache Söldner ist ohne Zweifel Peter Hagendorf, dessen Schicksal durch sein Tagebuch bekannt geworden ist. Von Michael Burchardt ist zwar kein Selbstzeugnis überliefert, doch aus Aufzeichnungen aus dem 18. Jahrhundert läßt sich sein Schicksal in Umrissen rekonstruieren.

Geboren im Jahr 1599 zog es ihn offenbar schon in den ersten Kriegsjahren zum Militär. Über seine Konfession erfahren wir explizit nichts, doch als Sohn des Stadtrichters von Jena hing er sicherlich der lutherischen Konfession an. Gleichwohl entschied er sich offenbar bewußt für den Kriegsdienst in der Armee der Katholischen Liga. Hier diente er im Leibregiment Tillys, wurde in einer der Kompagnien Quartiermeister. Er nahm an der Belagerung Magdeburgs teil, kurz darauf quittierte er den Dienst. Dies angeblich aus persönlichen Gründen, doch bald schon nahm er Kriegsdienste beim Herzog von Weimar für Gustav Adolf von Schweden an. Unter Banér kämpfte er dann bei Wittstock mit so großem Einsatz, daß man ihm anbot, Oberstleutnant zu werden. Aus nicht bekannten Gründen lehnte er ab, und im Jahr 1638 schied er endgültig aus dem Kriegsdienst aus.

Wir wissen zu wenig über ihn, um die Beweggründe für bestimmte Entscheidungen zu erkennen. Warum er überhaupt in den Krieg zog, ist nicht klar. Der Hinweis auf „in ihm steckendes Soldatenblut“ ist wohl eher dem Zeitgeist von 1939 geschuldet, als eine knappe biographische Skizze über Michael Burchardt erschien. Immerhin nahmen auch Michaels ältere Brüder Kriegsdienste an. Daß sein Bruder Samuel ihn zunächst in seiner Kompagnie unterbrachte, ist ein gutes Beispiel für die verwandtschaftlichen Verflechtungen im Militär – beileibe kein Einzelfall, wie es sich auch bei Jan von Werth nachvollziehen läßt, in dessen Windschatten und unter dessen Protektion einige seiner Brüder Kriegsdienste leisteten.

Ob Burchardt wirklich die Armee des Kaisers nur verließ, weil sein Vater auf den Tod erkrankt war, möchte ich mit einem Fragezeichen versehen. Denn er taucht doch sehr schnell wieder als Soldat auf, nur eben auf der Seite Gustav Adolfs: Ob er nicht doch der Faszination des „Löwen aus Mitternacht“ erlegen war und nun lieber für die protestantische Sache streiten wollte? Wenn ja, verflog diese Begeisterung in den Folgejahren. Denn einer militärischen Karriere verweigerte er sich, wurde eben nicht Oberstleutnant, sondern Bürger in Salzwedel, wo er eine Familie gründete und noch bis 1671 lebte. So besehen stellt Burchardt eine Instanz für die Söldner dar, die durch den Kriegsdienst keineswegs entwurzelt wurden; vielmehr stellten die Jahre im Militär nur eine Episode in seinem Leben dar und mündeten sehr bewußt in eine zivile Existenz.

Eine knappe Skizze zu Burchardt wurde von Ernst Otto Wentz in den Jahresberichten des Altmärkischen Vereins für vaterländische Geschichte zu Salzwedel, Bd. 53 (1939), S. 24-27, veröffentlicht. Die Jahresberichte übrigens hat der Verein dankenswerterweise komplett auf seiner Homepage als PDF frei zugänglich gemacht.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/430

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“Es gibt immer weniger den Typus des „Missionars“, der seine persönliche Sichtweise in den Vordergrund rückt”


Interview mit Prof. Dr. Carola Richter

Prof. Dr. Carola Richter ist Juniorprofessorin für Internationale Kommunikation an der Freien Universität Berlin. Dort forscht sie zu Mediensystem und Kommunikationskulturen im Nahen Osten, Asien und Afrika. Beim WeberWorldCafé “Bürger, Blogger, Botschafter” am 28. April 2014 wird sie als Expertin zum Thema Mediendiplomatie Frage und Antwort stehen.

Prof. Carola Richter (Foto: privat)

Prof. Dr. Carola Richter (Foto: privat)

In ihrer Forschung setzen Sie sich unter anderem mit der Wirkung der Medien auf Gesellschaften auseinander. Durch mediale Berichterstattung bekommen wir Einsicht in Konflikte in anderen Ländern, die sich vor einem uns oft nicht ausreichend bekannten kulturellen, sozialen und politischen Hintergrund abspielen. Im NDR lief vor einiger Zeit ein spannender Beitrag über die einseitige deutsche Berichterstattung über die Unruhen in der Ukraine, in dem gezeigt wurde, dass in Deutschland fast nur Regierungskritiker zu Wort kommen, allen voran Vitali Klitschko. Andere Kräfte, wie beispielsweise die rechte Swoboda werden dabei außer Acht gelassen. Der  Russische Rundfunk wird oft als „Propagandamaschine Putins“ bezeichnet. Dort  werden die Umstürze in der Ukraine als „faschistischer Putsch“ bezeichnet und so diskreditiert.

Wie kann man mit diesem Dilemma der einseitigen Berichterstattung umgehen?

Der Tenor der Auslandsberichterstattung ist immer abhängig von verschiedenen Faktoren. Dabei spielen einerseits die individuelle Sozialisation der Journalisten, aber auch die so genannte Institutionensphäre – also die politische Ausrichtung der einzelnen Medien und die internen Redaktionsabläufe, sowie die Gesellschaftssphäre eine Rolle – also wie das Meinungsklima gegenüber einem bestimmten Land ist. Dieses Meinungsklima wird nicht zuletzt davon geprägt, wie die politischen Eliten das Land bewerten, wie die historischen Relationen zwischen den Gesellschaften sind und wie kulturell nah man sich zueinander fühlt.

In Bezug auf Russland gibt es eine klare Positionierung der Bundesregierung. Die historischen Beziehungen zu Russland waren nie frei von Problemen, und in vielen Bereichen fühlen sich die Deutschen den Russen kulturell eher fern. Dies trägt sicherlich zu einer gewissen Einheitlichkeit der Berichterstattung bei, auch wenn es vereinzelt durchaus (selbst)kritische Stimmen gibt. Auf russischer Seite sind angesichts dezidiert staatlich oder zumindest staats-oligarchisch gebundener Medien die Stimmen noch homogener.

Man kann als Rezipient immer versuchen, verschiedene Meinungen zu hören: Internet und Satellitenfernsehen ermöglichen uns ja das Wahrnehmen der anderen Seite. Aus journalismus-ethischer Sicht ist aber darauf zu dringen, dass die einzelnen deutschen Medien sich ihrer Verpflichtung zur Pluralität bewusster werden und versuchen, trotz aller Schwierigkeiten eine Vielzahl an Stimmen einzufangen und sich so autonom gegenüber der Politik verhalten, dass sie die Grenzen des Sagbaren selbst erweitern.

Kann es überhaupt „neutrale“ Auslandsberichterstattung geben? Sind JournalistInnen nicht schon auf Grund ihrer persönlichen Erfahrungen/ihrer Sozialisation voreingenommen?

Ich habe die JournalistInnen deutscher Qualitätsmedien und insbesondere AuslandskorrespondentInnen immer als sehr selbstreflektiert und gewissenhaft kennengelernt. Es gibt auch immer weniger den Typus des „Advokaten“ oder „Missionars“, der seine persönliche Sichtweise in den Vordergrund rückt. Natürlich sind trotzdem alle durch ihre Sozialisation geprägt, haben durch Sprachkenntnisse Zugang oder eben keinen zu bestimmten Quellen. Sie sind aber meiner Ansicht nach nicht die zentrale Komponente für eine problematische Berichterstattung. Vielmehr sind es die Anforderungen der Redaktion, die bestimmte Themen aus der Ferne als wichtig oder „nachrichtenwert“ erachtet, oder die bestimmte Akteure als Quellen bei anderen gesehen hat und nun auch diese Quellen nutzen möchte. Das Verhalten der Öffentlichkeit und der Behörden im Gastland gegenüber ausländischen Journalisten prägt sicherlich auch deren Berichterstattung. KollegInnen, die in China arbeiten, haben mir einmal gesagt, dass einem von den Behörden immer das Gefühl gegeben wird, man sei nicht willkommen oder sogar ein Gegner.

Neutrale Berichterstattung ist sicherlich auch nicht unbedingt notwendig, aber eine reflektierte Berichterstattung sollte leistbar sein. Warum berichte ich jetzt so? Wen wollte ich noch interviewen und warum taucht der/die als Quelle jetzt nicht auf? An welche Informationen konnte ich kommen und an welche nicht? Das Publikum hat ein Recht darauf, dass diese Fragen in der Berichterstattung beantwortet werden, um sich eine Meinung bilden zu können.

Sie haben viel zur Berichterstattung über den Nahen Osten und Nordafrika geforscht. Welche Narrative lassen sich dabei in den deutschen Medien erkennen? Welche Blickwinkel vermissen Sie?

Die Nahost-Berichterstattung ist gekennzeichnet von einer klaren Konfliktperspektive. Der Islam als prägende Religion der Region wird dabei als politische Ideologie interpretiert, die sich in verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen dem liberalen Westen gegenüberstellen lässt. Sei es bei der Stellung der Frau, der Bildung, Demokratiebestrebungen, dem Umgang mit Minderheiten – überall wird der Islam als eindimensionales Erklärungsmuster angeboten. Selbst der arabische Frühling mit seinen durch die Bürger eingeforderten massiven Umwälzungen hat dieses Muster nur kurzzeitig verändert. Häufig werden Maximalforderungen an die arabischen Gesellschaften gestellt, um damit deren Defizite überdeutlich sichtbar zu machen, ohne dies zugleich in den Kontext zu setzen, wie es denn anderswo ohne die Einflussvariable des Islam ist. Die Rechte Homosexueller sind in Ägypten bei Weitem nicht die gleichen wie die Heterosexueller – aber wie ist das denn in den USA? Es fehlt tatsächlich häufig an einer Einordnung der existierenden Probleme und einer etwas komplexeren Sichtung der Ursachen.

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/102

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Quelle: http://soziologieblog.hypotheses.org/6391

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