Warum ist die Banane gelb? Swing im Nationalsozialismus

Derzeit läuft im Hamburger Rathaus die Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Neuengamme „Rund um die Alster. Hamburger Geschichte im Nationalsozialismus“. Daneben gibt es an mehr als 40 Orten rund um die Alster ein vielfältiges Begleitprogramm.

Einer der Abende war dem Thema „Swing-Musik und Swing-Jugend“ gewidmet. Besonders war der Abend vor allem deshalb, weil mit Uwe Storjohann* ein Zeitzeuge dabei war, der viele Anekdoten und Geschichten erzählt hat und auch mit über 90 Jahren noch mit Begeisterung der Swing-Musik gelauscht hat.

Es ist vor allem eine Geschichte, die mir besonders in Erinnerung geblieben ist und die ich deshalb hier aufschreibe. Wichtiger Treffpunkt der Swing-Jugend in Hamburg war der Alsterpavillon am Jungfernstieg. Damals noch deutlich größer als heute, traten dort viele Swing- und Unterhaltungsorchester auf – oder wie sie auch genannt wurden „Tanzorchester mit Refrain-Gesang“.

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Quelle: https://www.zeitsprung.fm/warum-ist-die-banane-gelb/

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Rezension: Ralph-Miklas Dobler, Bilder der Achse

Cover: Ralph-Miklas Dobler, Bilder der Achse. Hitlers Empfang in Italien 1938 und die mediale Inszenierung des Staatsbesuches in Fotobüchern, Deutscher Kunstverlag Berlin/München 2015 © mit freundlicher Genehmigung
Rezension: Ralph-Miklas Dobler, Bilder der Achse

Cover: Ralph-Miklas Dobler, Bilder der Achse. Hitlers Empfang in Italien 1938 und die mediale Inszenierung des Staatsbesuches in Fotobüchern, Deutscher Kunstverlag Berlin/München 2015 © mit freundlicher Genehmigung

In den Jahren 2004 bis 2013 hat der Kunsthistoriker Ralph-Miklas Dobler als wissenschaftlicher Assistent an der Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte in Rom an dem Forschungsprojekt „Hitler in Rom 1938“ gearbeitet;[1] bereits seine Dissertation[2] hatte er dort als Stipendiat und Mitglied der Forschungsgruppe „Strategien frühneuzeitlicher Repräsentation“ 2001 bis 2003 erarbeitet. An der Universität Bonn ist er 2013 mit der jetzt veröffentlichten Arbeit habilitiert worden, seither lehrt er als Privatdozent an verschiedenen Universitäten (Danksagung, S. 407).

Die kunsthistorische Studie beruht auf den einschlägigen Akten im Staatsarchiv in Rom, im dortigen Außenministerium und im Consiglio dei Ministri; die Akten des faschistischen Governatorato di Roma waren ebenso wie die in Neapel nicht zugänglich (was nicht am Verfasser, sondern an den italienischen „Umständen“ liegt), dagegen aber die Akten des Stadtarchivs in Florenz, deutsche Archive wurden nicht befragt. Die Konzentration auf italienische Quellen schlägt sich unter anderem in den zahlreichen italienischsprachigen Zitaten nieder, die von Dobler (leider) nicht ins Deutsche übersetzt oder paraphrasiert werden. Hauptquellen waren die fotografischen Dokumentationen der visuellen Inszenierungen des Staatsbesuchs sowie die erhaltenen Bauwerke, Dekorationen, Entwürfe, Gemälde und Skulpturen in Italien, dazu als weitere Quellen die in Italien und in Deutschland veröffentlichten amtlichen oder halbamtlichen Fotobücher über den Staatsbesuch,[3] deren Bilder die Inszenierungen und Abläufe nicht nur festgehalten und überliefert haben, sondern für die zumindest in Teilbereichen der Besuch auch inszeniert worden war.



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Quelle: https://www.visual-history.de/2016/08/16/rezension-ralph-miklas-dobler-bilder-der-achse/

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„He even looks evil …“

Screenshot facebook-Profil

ARCHIV-AUGUST 2022

Die Visual History-Redaktion nutzt den Monat August, um interessante, kluge und nachdenkenswerte Beiträge aus dem Visual History-Archiv in Erinnerung zu rufen. Für die Sommerlektüre haben wir eine Auswahl von acht Artikeln getroffen – zum Neulesen und Wiederentdecken!

(7) Am 1. Januar 1945 erschoss Erich Muhsfeldt, Kommandoführer der Krematorien in Auschwitz, 200 polnische Gefangene im Lager Auschwitz II. 489 Personen klickten den „Gefällt-mir“-Button unter dieser Information an, die das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau am 1. Januar 2011 auf seinem Facebook-Profil veröffentlichte – samt Porträt des Täters. Erinnerungskultur findet zunehmend in Social Media statt, und auch Historiker:innen beginnen damit, die Angebote bei Instagram, Twitter, Facebook und TikTok in den Blick zu nehmen – so wie Ina Lorenz, die sich schon 2015 in ihrem Beitrag mit der visuellen Geschichtsvermittlung im virtuellen Raum beschäftigt hat.



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Quelle: https://visual-history.de/2022/08/29/he-even-looks-evil/

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10. Europäische​ Sommer-Universität Ravensbrück

Plakat- 10. Europäische​ Sommer-Universität ​Ravensbrück

Call for Papers Forschungsbörse der 10. Europäischen Sommeruniversität Ravensbrück

Vom 23. August bis 28. August 2015 findet in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück die 10.

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Quelle: https://www.visual-history.de/2015/07/12/einladung-%E2%80%8Bzur-10-europaeischen%E2%80%8B-sommer-universitaet-%E2%80%8Bravens-brueck-fotogr%E2%80%8Bafie-in-konzentratio%E2%80%8Bnslagern-23-28-%E2%80%8Baugust-2015/

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Benno Wundshammer: Photo-Journalism and German History, 1933-1987

Wundshammer, Flugzeug Messerschmitt, Mai 1940

Wundshammer, Warschau, Sptember 1939
Benno Wundshammer, Warschau, Sptember 1939, Luftaufnahme eines Außenforts – Original-Bildunterschrift: “An der Ostfront. Eines der Außenforts der Festung Warschau nach der Bombardierung durch deutsche Kampfflugzeuge. 12051-39L
PK-Wundshammer – Scherl Bilderdienst”. Bundesarchiv Bild 183-S53297, Bild 183-S53297/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

The current book project focuses upon the life, work and influence of Benno Wundshammer. Like thousands of other official German war photographers who took some 3.5 million photographs during World War Two. Wundshammer helped to shape the way the war was seen between 1939 and 1945 and thus also to affect the visual memory of World War Two up to the present day. After 1945, Wundshammer played an influential role in the development of West German illustrated newspapers and magazines. Before television became widespread in the 1960s, illustrated magazines were the most important medium shaping the visual universe in which West Germans lived. I want to see how Wundshammer and other members of this influential group of German photographers who took pictures for the Nazis but then subsequently worked for the most important post-war West German illustrated magazines dealt with the important propaganda work they had done for the Nazis and, more generally, with the moral and political implications of the practice of photography under dictatorship and, then, post-war democracy.

Wundshammer, Polen, September 1939
Benno Wundshammer, Polen, September 1939: Flüchtlinge (Propagandakompanien der Wehrmacht – Heer und Luftwaffe, Bild 101 I). Bundesarchiv Bild 101I-317-0015-34A/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

This book is based on Benno Wundshammer’s unusual personal archive, now housed in the Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin. Unlike famous photographers who produced iconic images, photographers like Wundshammer usually disappear behind their cameras. We have their pictures, but we usually know very little about them. If photographers even bother to compile what could be described as an archive, this seldom includes much more than the photographs they have taken. Wundshammer’s archive is unusual. Wundshammer saved – one might even say obsessively hoarded – huge amounts of a wide range of different types of materials that are not normally found in a photographer’s private archive – not just contact sheets and prints of thousands of the photographs he had taken during the course of his long career but also personal correspondence, diaries, manuscripts of articles and books he had written, as well as copies of articles he had published.

In the summers of 2011, 2012, 2013, and 2014 I did extensive research in Wundshammer’s archive. I have now written rough drafts of five chapters of the projected book. I also presented a paper, “Learning War Photography: Benno Wundshammer’s relationship to his wartime photographs before and after 1945,” at a conference on “The Ethics of Seeing: German Documentary Photography Reconsidered” at the German Historical Institute-London from May 23-25, 2013. Wundshammer’s personal archive provides an unusual opportunity to reconstruct the everyday practices of a working photo-journalist in the Third Reich and the early Federal Republic and to see how this one “media worker” functioned within the larger landscape of wartime and post-war German illustrated magazines.

Wundshammer, Adenauer in Japan, März 1960
Benno Wundshammer, Japan, Besuch des Bundeskanzlers Konrad Adenauer, März 1960 (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung – Bildbestand B 145 Bild). Bundesarchiv B 145 Bild-F008258-0021/Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

Quelle: https://www.visual-history.de/2015/04/07/benno-wundshammer-photo-journalism-and-german-history-1933-1987/

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Stalag X B – ein Ort für das Gedenken

Michele Montagano
Baracke

Baracke der russischen Krieggefangenen © Sarah Mayr (mit freundlicher Genehmigung)

Dieses Jahr wird, nach 2014, einem weiteren Krieg gedacht. 2015 jährt sich zum siebzigsten Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs. Aus diesem Grund stellt sich Zeitgeschichte-online einen Monat lang mit einem Themenschwerpunkt vor. Das Thema behandelt einen bisher oftmals vernachlässigten Gegenstand der Geschichte – die Kriegsgefangenen in deutschen Arbeitslagern. Dazu werden die Arbeiten von Sarah Mayr vorgestellt. Die Fotografin beendete 2014 ihr Studium an der Ostkreuzschule für Fotografie (Berlin) in der Abschlussklasse von Ludwig Rauch. Sie beschäftigt sich in ihrer Abschlussarbeit mit dem ehemaligen Arbeitslager für Kriegsgefangene in Sandbostel im Zweiten Weltkrieg. Die ungewöhnliche Bezeichnung „Stalag X B“ steht für ein ehemaliges Kriegsgefangenenlager. Damals bezeichnete es das Mannschafts-Stammlager B im Wehrkreis X in Sandbostel. Dort wurden gefangene Soldaten und Widerstandskämpfer aus den verschiedensten Ländern untergebracht und zur Arbeit gezwungen.

Die junge Fotografin ist aus Zufall auf das Lager nordöstlich von Bremen aufmerksam geworden. „Meine Mutter war in die Nähe gezogen. Als ich sie besuchte, zeigte sie mir die verfallenen Barracken, und ich begann, sie zu fotografieren. Damals gab es noch keine Gedenkstätte.“ Sie wollte Öffentlichkeit für den Ort herstellen und beließ es nicht nur bei den Schwarz-Weiß-Aufnahmen, sondern suchte nach Zeitzeugen, die den Lageralltag miterlebt hatten und die Ereignisse schildern konnten. Entstanden sind Porträts und Interviews von acht Männern aus sieben verschiedenen Ländern, die von ihrer Festnahme, über ihre Lagerhaft und die Befreiung sprechen.

Raymond Gourlin

Porträt von Raymond Gourlin © Sarah Mayr (mit freundlicher Genehmigung)

Einer von ihnen ist der ehemalige französische Widerstandskämpfer Raymond Gourlin, der mit 19 Jahren zusammen mit seinem Bruder in das Arbeitslager kam, nachdem er von SS-Männern als Partisan verhaftet worden war. Seine erste Reaktion war lautes Lachen, so beschreibt er seine damalige Situation. Er konnte die Zustände an diesem Ort nicht fassen und lachte über diese abstruse Situation. Später sei ihm das Lachen schnell vergangen. Er erzählt von den Ermordungen, deren genaue Opferzahl unbekannt ist, da alle SS-Dokumente verschwunden seien. So berichtet er: „Ein Russe war auf seinem Arbeitstisch eingeschlafen, und seine Bohrmaschine hatte dabei ein Loch in den Tisch gemacht, er wurde dafür wegen Sabotage verhaftet, in Neuengamme zum Tode verurteilt und in der Fabrik, vor den Augen aller, gehängt. Das Zivilpersonal der Fabrik wurde evakuiert, es blieben nur noch die SS und die Gefangenen. Der Russe stand auf einem Hocker, die Hände hinter dem Rücken gebunden und den Hals in der Schlinge. Ein deutscher Gefangener stieß den Hocker um. Ich stand vier oder fünf Reihen entfernt davon, ich habe alles mit angesehen … alles …“

Dass diese Zeit eine traumatische gewesen sein muss, bestätigen Gourlins Beschreibungen. Am Beispiel von Harry Callan zeigt sich, dass es für die Opfer noch heute schwierig oder sogar unmöglich ist, über das Erlebte zu sprechen. Der Nordire war zwar bereit, sich von Sarah Mayr fotografieren zu lassen, jedoch wollte er nicht über Sandbostel sprechen. Man erfährt nur, dass er Mitglied der Handelsmarine und von 1941 bis 1945 in verschiedenen Arbeitslagern interniert war.

„Willst du mit uns kollaborieren oder bist du gegen uns?“ Der größte Teil hat geantwortet: „Nein, wir wollen nicht kollaborieren, wir sind das italienische Heer und haben mit euch nichts gemein.“ Diese Frage wurde Michele Montagano zuerst von den Deutschen gestellt. Er verneinte sie und wurde in einem Viehwaggon nach Deutschland verfrachtet. Auch er erlebte am eigenen Leib Schikane und Unterdrückung im Gefangenenlager Sandbostel. Trotz allem denkt er nicht kollektiv schlecht über Deutschland. Auf die Frage, welches Verhältnis er heute zu Deutschland habe, antwortet er: „Sehr gut, ich schätze die Deutschen enorm, ich bewundere sie. Alle Deutschen, die ich getroffen habe, nach dem Krieg, waren gute Menschen. Sie waren in Ordnung, ernsthafte Menschen.“ Er warnt aber auch, dass die Deutschen zu angepasst waren und es noch sind – und dass dies gefährlich sei.

Michele Montagano

Porträt von Michele Montagano © Sarah Mayr (mit freundlicher Genehmigung)

Die Interviews sind sehr persönlich. Die Männer reden offen über ihre Erlebnisse und haben auch ihre ganz individuellen Meinungen. So wirkt die Antwort des Polen Wiktor Listopadzki auf die Frage, ob er den Generationen, die keinen Krieg erlebt haben, etwas zu sagen hätte, sehr verletzt und zornig zugleich. „Der Krieg ist das Schlimmste, was der Menschheit passieren kann. Es sterben sehr viele junge, alte, kranke und gesunde Menschen dabei. Es ist eine menschliche Tragödie. So etwas sollte niemals passieren. Alle sollten sich vereinigen und Freunde sein. Es sollte nie dazu kommen, dass jemand einem anderen etwas wegnehmen möchte. Die Menschheit sollte Widerstand gegen jene leisten, die Krieg führen wollen. Mein Leben im Krieg war sehr schlimm. Die ganze Jugend habe ich im Kampf verbracht und wurde ohne Respekt behandelt. Getreten von den Deutschen und den Russen. Sie haben meine Mutter ausgeraubt und … Ich will mich hier nicht weiter aufregen. Danke.“

Wiktor Listopadzki

Porträt von Wiktor Listopadzki © Sarah Mayr (mit freundlicher Genehmigung)

Zu Recht widmet sich Zeitgeschichte-online mit den mutigen Männern aus Sandbostel diesem weitgehend unbekannten Lager der SS. Zu lange wurde diesem Ort nicht die nötige Beachtung geschenkt. Erst 2013 eröffnete auf dem alten Lager-Gelände eine Gedenkstätte. Die Jahre zuvor wollte man sich nicht mit seiner Geschichte auseinandersetzen, und die Gebäude wurden zeitweise als Ferienwohnungen genutzt. Unglaublich erscheint die Verdrängung der unangenehmen Vergangenheit.

Recht hat Michele Montagano damit, wenn er sagt: „An uns muss sich erinnert werden, weil wir Mut hatten, nicht in Italien, sondern in Deutschland, Nein zu sagen. Wir haben Nein gesagt in Deutschland, und das ist es, was sie über uns erzählen sollen. Das bedeutet moralische Integrität.“

Alle acht porträtierten Männer sitzen vor einer grauen Wand und schauen den Betrachter frontal an. Durch ihre Haltung und ihre Kleidung jedoch unterscheiden sie sich. Raymond Gourlin zum Beispiel sitzt gerade auf dem Stuhl und schaut ohne jegliche Emotionen in die Kamera. Er trägt ein Jackett und dazu eine Krawatte, seine Hände ruhen übereinandergelegt auf seinen Beinen. Man vermutet bei einer solchen Darstellung keinen ehemaligen Widerstandskämpfer – umso mehr beeindrucken seine Worte. Anders als der Franzose lässt sich Harry Callan porträtieren. Auch er hat zwar seine Hände auf den Beinen liegen, jedoch posiert er in seiner ehemaligen Uniform, inklusive seiner Auszeichnungen. Wie oben erwähnt, wollte er nicht von seinen Erfahrungen erzählen. Trotzdem lässt sich ein gewisser Stolz über das eigene Leben und Überleben erahnen.

Schaut man sich die Schwarz-Weiß-Aufnahmen an, die Sarah Mayr zu Anfang ihres Projekts machte, wird erkennbar, welche Details in den Abbildungen stecken. Die Bilder zeigen verfallene Gebäude, die nicht mehr an die Grausamkeiten der Nationalsozialisten erinnern, sondern auch Überreste eines Bauernhofs sein könnten. Hier wird wieder einmal klar, dass die Betrachtung von Fotografien ohne Bildunterschrift gänzlich in die Irre führen kann. Am Anfang war Sarah Mayr nämlich nicht klar, was genau sie dort fotografierte, bis sie sich mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzte. Sie will die Geschichte öffentlich machen und den Umgang mit dem Nationalsozialismus zeigen und auf ihre Weise darstellen. 2013 besuchte sie die Gedenkfeier in Sandbostel und knüpfte Kontakte zu Zeitzeugen. Sie lediglich zu fotografieren, reichte ihr aber nicht, sie wollte die Geschichte hinter den Menschen erfahren und vermitteln. Sarah Mayr betont: „Das Wissen und die Erinnerungen der Zeitzeugen sind wertvoll, sie bezeugen, was geschehen ist. Ihre Worte stehen gegen die Lüge, die sich in großen Teilen der Gesellschaft wieder breit macht, die alles verharmlost und die die Deutschen als Opfer verklärt.”

Harry Callan

Porträt von Harry Callan © Sarah Mayr (mit freundlicher Genehmigung)

Die Ergebnisse der Interviews und die Porträts können vom 1. April bis 30. April 2015 in der Gedenkstätte Sandbostel angeschaut werden.

 

Sarah Mayr, Letzte Erinnerungen. Porträts ehemaliger Häftlinge des Kriegsgefangenenlagers Sandbostel, in: Zeitgeschichte-online, Dezember 2014, URL: http://www.zeitgeschichte-online.de/thema/letzte-erinnerungen

Quelle: http://www.visual-history.de/2015/02/02/stalag-x-b-ein-ort-fuer-das-gedenken/

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Fotografie im Nationalsozialismus

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Leitung: Prof. Dr. Michael Wildt
Projektkoordination: Dr. Ulrich Prehn
Projektmitarbeiterinnen: Linda Conze, M.A.; Julia Werner, M.A.

 

Für das nationalsozialistische Regime spielten Visualität und visuelle Repräsentation, insbesondere in Form des Mediums Fotografie, von Beginn an eine prominente Rolle. Mit der Fotografie bot sich ein wirksames Mittel zur Implementierung und Verbreitung von Weltanschauung und politischer Idee des Nationalsozialismus sowie zur Festigung seiner Herrschaft.

Der propagandistische Gebrauch der Fotografie und deren spezifische Ästhetik sind vergleichsweise breit untersucht worden. Gleichwohl prägen die offiziellen Selbstinszenierungen des Regimes bis heute das Bild dieser Epoche der deutschen Geschichte. Dabei hatte sich die Fotografie – jenseits der professionellen Bildproduktion – bereits vor 1933 zu einem Massenmedium entwickelt, das es breiteren Schichten ermöglichte, ihren Alltag – wie auch Nichtalltägliches – festzuhalten und aktiv, als Praxis, mitzugestalten.

Im Mittelpunkt des Forschungsprojekts steht die Selbstaufnahme der sogenannten Volksgenossinnen und Volksgenossen sowohl im Hinblick auf die Inszenierung und Performanz von Gemeinschaft als auch auf Praktiken der Ausgrenzung, Gewalt und Stigmatisierung. Von besonderem Interesse sind dabei Bildserien, also z. B. Fotosammlungen aus einzelnen Orten über einen längeren Zeitraum hinweg (seit Ende der 1920er-Jahre bis in die frühe Nachkriegszeit) oder private Fotoalben. Aber auch Nachlässe von professionellen oder Amateur- und Hobby-Fotografen, die gewissermaßen als Bildchronisten für die Geschichte ihres Ortes, ihres Betriebes oder ihres Dienstalltags in den besetzten Gebieten gewirkt haben, sollen ausgewertet werden, wobei es mehr um den zivilen Blick geht als um den vergleichsweise gut untersuchten Blick von SS- oder Wehrmachtssoldaten.

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt)

Sammlung Ulrich Prehn, 4,5 x 6 cm, Teil einer Serie von insgesamt neun Fotografien (Fotograf unbekannt).
Rückseitig beschriftet: „Arbeitsdienst Lippstadt W.
Ein zum Tod verurteilter [sic!]“

Das Forschungsprojekt gliedert sich in folgende drei Teil-Projekte:

 

Linda Conze
Das Fest im Bild. (Selbst-)Inszenierungen von Zugehörigkeit im öffentlichen Raum

Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit privater und semiprivater Fotografie aus der Zeit des Nationalsozialismus, genauer mit solchen Bildern, die im Kontext von Festen und Feiern unterschiedlicher Art entstanden sind. Im Fokus des Interesses steht dabei das Potenzial des Mediums Fotografie, in Prozessen von Vergemeinschaftung und Ausgrenzung Wirkmacht zu entfalten. Mit dem Deutschen Reich der 1920er-, 1930er- und 1940er-Jahre setzt die Studie einen spezifischen Rahmen, innerhalb dessen sie das Verhältnis von Fotografie und Gemeinschaft medienhistorisch ausloten möchte. Diese Rahmung orientiert sich unverkennbar an den politischen Zäsuren der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, die jedoch zugleich kritisch hinterfragt und auf ihre Kongruenz mit einer Geschichte der privaten Fotografie überprüft werden sollen.

Die angestrebte Studie möchte sich der zeitgenössischen Festkultur in ihren vielfältigen Größenordnungen, Ausprägungen und ganz unterschiedlichen Graden von Öffentlichkeit zuwenden. Der Untersuchungsrahmen schließt nationalsozialistische Großveranstaltungen ebenso wie das private Hochzeitsfest, den halböffentlichen Maskenball oder das dörfliche Schützenfest ein. Sie interessiert sich für den fotografischen Blick auf Feste und Feiernde jenseits von Propaganda- oder Pressefotografie, für die Interaktion zwischen Fotograf/inn/en, Kamera und Fotografierten, deren Ergebnis das Bild ist. Das Feiern dient der Studie also einerseits als räumliche, zeitliche und motivische Sphäre, anhand derer das Verhältnis von Bild und Gemeinschaft durchexerziert werden soll. Andererseits ist das Feiern selbst gemeinschaftsstiftende Praxis, das Fest im Sinne eines Rituals selbst Medium – von Kollektivierung, aber auch von Ausgrenzung und Terror.

Als Quellengrundlage dienen zusammenhängende Foto-Serien und -konvolute aus unterschiedlichen Regionen des ehemaligen Deutschen Reichs, anhand derer sich Motive, Blickpositionen und fotografische Aufmerksamkeitstrends über längere Zeiträume hinweg untersuchen lassen.

Kontakt: linda.conze[at]geschichte.hu-berlin.de

 

Ulrich Prehn
Tradition, „Eigen-Sinn“ und nationalsozialistische Formierung: Fotografien der Arbeitswelt

Die Sphäre der Arbeitswelt war bereits Jahrzehnte vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland ein Bereich, in dem die politisch-gesellschaftliche Mobilisierung von Menschen ebenso wie ihre „Einordnung“ in den Betrieb stark über visuelle Medien hergestellt wurde. Doch erst seit den 1920er-/30er-Jahren fotografierten Arbeiterinnen und Arbeiter in zunehmendem Maße auch sich selbst, ihre Arbeit und Freizeit sowie ihre sozialen und politischen Aktivitäten.

In der Studie werden Traditionen und Adaptionen, Überschreibungen und Neuerungen auf dem Feld fotografischer Repräsentationen von Arbeitswelt und Arbeiterkultur seit den 1920er-Jahren sowie deren Wandlungen im Nationalsozialismus in den Blick genommen. Zentral ist dabei die Frage nach den verschiedenen Repräsentationsweisen von „Arbeit“, Arbeiterinnen und Arbeitern sowie nach entsprechenden Modi der Erinnerungsproduktion, wenn es um so unterschiedliche Quellenbestände wie die professioneller Auftrags- und Industriefotografen und jene von Privatpersonen – ambitionierten Amateurfotografen und sogenannten Knipsern – geht.

Deswegen werden der quantitativ dominanten Werksfotografie und der unter genuin nationalsozialistischen Vorzeichen stehenden politischen Fotografie der Arbeitswelt sowie der „Organisation“ und Formierung der arbeitenden Menschen in der Analyse bewusst auch solche Aufnahmen an die Seite gestellt, die in anderen Kontexten überliefert sind. Diese zeigen zum Teil eine Sicht „von unten“ beziehungsweise dokumentieren sie mitunter eine individuelle fotografische „Handschrift“ und einen gewissen „Eigen-Sinn“. Solche Fotografien, für die bisweilen auch Spuren überwiegend privaten Gebrauchs oder privater „Aneignungen“ nachweisbar sind, stammen zumeist aus Nachlässen, privaten Sammlungen, Geschichtswerkstätten, kommunalen Archiven und Museen.

Kontakt: prehnulr[at]geschichte.hu-berlin.de

 

Julia Werner
Im besetzten Polen: Fotografie und die Veränderung von Räumen

Mit dem Überfall auf Polen strömten Wehrmachtssoldaten, SS-Männer und Polizisten in den „neu eroberten Raum“; mit ihnen kamen auch Beamte, Unternehmer, Lehrer und ihre Familien. Doch nicht nur die deutschen Besatzer betraten „völliges Neugebiet“, Räume und Raumvorstellungen änderten sich für alle in dieser Region lebenden Menschen. Die unterliegenden Dynamiken waren jedoch von Gruppe zu Gruppe enorm verschieden. Zentral für die Veränderung von Räumen war die von den Nationalsozialisten nach rassistischen Kriterien operierende Bevölkerungspolitik, die Hunderttausende von Menschen auf verschiedenste Art und Weise in Bewegung setzte. Diese unterschiedlichen Formen von Massenbewegung, Vertreibungen, Umsiedlungen, Deportationen und Gettoisierungen treten uns aus vielfältigen fotografischen Quellen entgegen. Zur NS-Bevölkerungspolitik liegt eine breite Forschung vor; diese behandelt die Bevölkerungspolitik allerdings zumeist aus einer Perspektive des social engineering oder als Geschichte konkurrierender Institutionen und Ideologien. Die Folgen dieses bevölkerungspolitischen Planens und Handelns, die sehr konkrete Auswirkungen auf Leben und Alltag der Menschen hatten, stehen weniger im Fokus: So bewegten sich Hunderttausende unter ganz unterschiedlichen Vorzeichen durch die Landschaft, zum Teil mit Gepäck, zum Teil ohne, mussten sich die Menschen zu Fuß oder mit dem Pferdewagen, mit dem Zug, dem Schiff, allein oder in großen Gruppen über lange Strecken bewegen. Die Studie möchte untersuchen, wie diese Bewegungen in Fotografien unterschiedlicher Provenienz visuellen Niederschlag finden.

Als Quellen dienen dem Projekt fotografische Bestände von nicht-professionellen Fotografen, insbesondere Fotoserien und Fotobestände, die von Fotografen über einen längeren Zeitraum hinweg geschaffen wurden. Der zeitliche Rahmen des Projekts ist durch die Zeit der Besatzung eng gesteckt, die Bildkonvolute erlauben aber einen Blick über die Grenzen von 1939-1945 hinaus, da die Bestände natürlich in ihrer Gesamtheit in den Blick genommen werden sollen.

Wie also eigneten sich die Fotografierenden die sich stetig – auch durch ihr eigenes Handeln – verändernde Situation durch ihre fotografische Praxis an? Welche Darstellungs- und Repräsentationsformen wählten die unterschiedlichen fotografischen Akteure? Es geht also darum, die Perspektive des Fotografen aus dem historischen Kontext heraus zu verstehen, sowie die Formen, in der er die Realität durch seine Fotografie rahmte und wahrnahm. Über den Vergleich unterschiedlicher Bestände sollen jedoch größere Muster von Wahrnehmungsweisen und Darstellungsarten herausgearbeitet werden.

Kontakt: juliawerner[at]gmail.com

 

Fotografie im Nationalsozialismus. Alltägliche Visualisierung von Vergemeinschaftungs- und Ausgrenzungspraktiken 1933-1945

Humboldt-Universität zu Berlin

Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell gefördert.

Quelle: http://www.visual-history.de/2014/11/11/fotografie-im-nationalsozialismus/

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