Ein weiteres Mal zu der Flugschrift, in der die pommersche Gesandtschaft ihre Beschwerden auf dem Regensburger Kurfürstentag schriftlich fixiert hatte. An dieser Stelle möchte ich aus der Masse der vorgetragenen Ausschreitungen, die das Land infolge der Quartiernahme durch Wallensteins Truppen zu ertragen hatte, einen Punkt herausgreifen. Das Gravamen Nr. 43 erwähnt, daß das Oberkommando über die einquartierten Truppen „nun ein geraume Zeit her frembden vnd außländischen Personen“ anvertraut worden sei. Nun sei es aber schwierig, in Pommern jemanden zu finden, der der italienischen Sprache mächtig sei, und so könne man die Beschwerden nicht wirklich vorbringen.
Nicht explizit genannt, aber gemeint war hier Torquato Conti, der als Feldmarschall das Oberkommando innehatte. Er war Italiener, und sicherlich waren auch weitere Offiziere in seinem engeren Umfeld Italiener. Für die kaiserliche Armee war dies nicht ungewöhnlich, wie die Karrieren von Piccolomini, Gallas und Montecuccoli zeigen. Ob Conti nur Italienisch konnte und nicht auch zumindest ein wenig Deutsch verstand, sei an der Stelle einmal dahingestellt. (Natürlich gab es in seiner Feldkanzlei Sekretäre, die den Schriftverkehr auf Deutsch erledigten; am Ende der Flugschrift ist ja ein solches Schreiben von Conti mitabgedruckt.) Das pommersche Gravamen verweist jedoch auf den Umstand, daß der Krieg Angehörige vieler europäischer Nationen ins Reich brachte – und damit die direkte Verständigung nicht nur unter den Militärs, sondern eben auch zwischen fremdsprachigen Militärs und der einheimischen Bevölkerung schwierig wurde.
Tatsächlich gibt es vielfache (Selbst-)Zeugnisse, in denen man sich über die fremdartigen Nationen wunderte. Dies betraf Italiener, Spanier und Franzosen genauso wie Iren, Engländer und Schotten und nicht zuletzt die als sehr fremdartig wahrgenommenen Finnen und Lappländer; hinzu kamen auch „Croaten“ und „Pollacken“, wobei diese Begriffe nicht nur eine Volkszugehörigkeit, sondern vielfach auch die Waffengattung der leichten Reiterei bezeichneten. Dieses Aufeinandertreffen war nicht zwangsläufig von Konflikten geprägt, aber wie die pommersche Flugschrift verdeutlicht, konnte es doch Kommunikationsstörungen geben, die den Umgang miteinander deutlich erschwerten.
Gerade die Situation, in der Vertreter einer Landschaft ihre Suppliken vor einem Kommandeur vortragen wollten und merkten, daß sie mit ihrer geübten Rhetorik einfach aufgrund der Sprachbarriere nicht weiterkamen und die üblichen Mechanismen von Supplik und Gnadenerweis nicht mehr greifen konnten, läßt erkennen, wie hilflos und ausgeliefert man sich womöglich den Militärs gegenüber empfand. Daß diese Hilflosigkeit in der Sprachlosigkeit begründet war, zeigt im Weiteren, wie gefährlich diese Konstellation war: Wenn man gar nicht mehr miteinander reden konnte und die Kommunikation in einem totalen Desaster endete, war der Schritt von der Sprachlosigkeit hin zur Sprache der Gewalt nicht mehr weit. Dies ist der Kern des Problems, der in Gravamen Nr. 43 angesprochen wird.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/155