Das Albertinum präsentiert neue Werke von Gerhard Richter

Im November diesen Jahres eröffnet in der Schirn Kunsthalle die Ausstellung “German Pop”. Bis zum 8. Februar 2015 werden mit dem  “Motorboot” sowie dem „Portrait Dr. Knobloch“ auch zwei Werke aus dem Dresdner Albertinum in Frankfurt zu sehen sein. Aus diesem Grund haben wir einen der beiden Richter-Räume im Albertinum neu konzipiert.

Anstelle der beiden fotorealistischen Arbeiten präsentierten wir erstmals Gerhard Richters „Gebirge (Pyrenäen Z.)“ (186-1) aus dem Jahr 1968. Das Bild ist eines von acht Werken, bei denen der Künstler ganz auf die Farbe verzichtet und das Motiv nur mit Bleistift auf die grundierte Leinwand gezeichnet hat. Es zeigt ein schemenhaftes Bergpanorama, bei dem Richter vergleichbar mit seinen Stadt-, Gebirgs- und Seestücke in Öl das Gezeigte auf wenige prägnante Linien und Schraffuren reduziert. Das Bild wurde im letzten Jahr restauriert und erstrahlt nun im neuen Glanz.

 

2014_Albertinum Dresden_Gerhard Richter Raum (1)

Neben der seltenen Gebirgslandschaft wird nun auch der  „Strip“ (927-9), eine zweiteilige Arbeit aus der jüngsten Werkgruppe des Kölner Malers, ausgestellt. 2013 wurde die Arbeit in der Ausstellung „Gerhard Richter. Streifen & Glas“ im Albertinum zum ersten Mal öffentlich gezeigt. Die Ausstellung war im Anschluss im Kunstmuseum Winterthur zu sehen und wird leicht variiert in der nächsten Woche in der Marian Goodman Gallery in London eröffnet. Bereits im Herbst 2013 haben die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden den “Strip” (927-9) für die Galerie Neue Meister erwerben können. Damit ist es gelungen, den repräsentativen Bestand an Richter-Werken in Dresden maßgeblich zu erweitern.

Richters Streifenbilder entstehen mit Hilfe des Computers im Siebenfarbdruckverfahren. Nur damit ist die filigrane und variierende Breite der Streifen sowie die flimmernde schnell raumgreifende Wirkung realisierbar. Alle Streifenbilder des Künstlers gehen auf eines seiner Abstrakten Bilder von 1994 zurück. In einem aufwendigen computergestützten Verfahren, wird das ursprüngliche Bild bis zu 4096 Mal geteilt, gespiegelt und verdoppelt. In diesem Prozess werden aus großen bunten Flächen erst kleine, ornamentale Farbsegmente dann monochrome Pixel, die der Künstler dann bewusst auswählt, neu anordnet und mit Hilfe des Computers in die Länge zieht. Die scheinbare künstlerische Reduktion des Motivs auf das Nebeneinander klarer und verbindungsloser Farbstreifen ist bei näherer Betrachtung ein bildtheoretisches Statement. Führt Richter doch  das menschliche Auge an seine Grenzen. So vermischen sich bei der distanzierten Betrachtung die Streifen zu einem irritierenden Farbenspiel, das sich mit der kleinsten Bewegung des Betrachters verändert, verschwimmt und sich dem festen Blick zu entziehen sucht. Bisweilen werden aus den unterschiedlich hellen und dunklen, sowie breiten und äußert schmalen Farbstreifen dreidimensionaler Gebilde, die in der horizontalen Ausgerichtetheit der Bilder an Landschaften erinnern. Von Nahem betrachtet überwältigen die Streifenbilder aufgrund der ungebrochenen Intensität der Farben und der Strenge ihrer Linien. Dabei driften die Streifen durch der Breite des Bildes aus dem Blickfeld des zunehmend verunsicherten Betrachters heraus und flüchten sich in eine unfassbare Unendlichkeit.

Die visuelle Offenheit der Streifenarbeit wird auf der gegenüberliegenden Wand des Raumes von zwei Bildern aufgefangen. Im Kontrast zu dem 300 auf 250 cm großen abstrakten Bild “Fels” (694) hängt das 55 auf 50 cm kleine Bild „Schädel“ (548-1) . Das farblich sehr zurückgenommene Gemälde erinnert mit seinem Motiv an die Memento Mori-Stillleben des Barock. Vielmehr aber noch führt das Kontrastpaar die Spannweite des malerischen Œuvre Gerhard Richters eindrucksvoll vor Augen.

2014 Dresden,  Albertinum_nach Umgestaltung vom 06.10.2014 (7)

Quelle: http://gra.hypotheses.org/1342

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SdK 79: Michael Seemann über den Kontrollverlust

Foto: Ralf Stockmann
Foto: Ralf Stockmann

Der Blogger und Kulturwissenschaftler Michael Seemann hat ein Buch geschrieben, in dem er  Erklärungen und Strategien liefert für gesellschafts-politische Veränderungen, die wir im Zuge der Digitalisierung gegenwärtig erleben. Im Kontrollverlust erkennt er dabei das Paradigma dieses Jahrzehnts. Wir reden über seine Theorie des Kontrollverlusts, die  Regeln des neuen Spiels, Meinungsfreiheit und darüber, was Plattformen mit dem Kontrollverlust zu tun haben. Außerdem erzählt er, wie es zur Crowdfunding-Kampagne kam, durch Das neue Spieldie das Projekt finanziert wurde, und wie er das Schreiben des Buchs organisiert hat.

Linkliste: Michael Seemann (Blog, Twitter), Das neue Spiel, Leuphana Universität Lüneburg, HyperKult, #feierabend, Crowdfunding auf Startnext, Dirk von Gehlen, VG Wort, Frank Rieger/Rop Gonggrijp: We lost the War, Transaktionskostentheorie (Wikipedia), Postdemokratie (Wikipedia), AK Vorrat, Moore’s Law (Wikipedia), Sousveillance, GitHub, Markdown (Wikipedia)

Update 13.10.2014: Das Buch ist inzwischen erschienen und kann hier bezogen werden.



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Quelle: https://stimmen.univie.ac.at/podcast/sdk79

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SdK 79: Michael Seemann über den Kontrollverlust

Der Blogger und Kulturwissenschaftler Michael Seemann hat ein Buch geschrieben, in dem er Erklärungen und Strategien liefert für gesellschafts-politische Veränderungen, die wir im Zuge der Digitalisierung gegenwärtig erleben. Im Kontrollverlust erkennt er dabei das Paradigma dieses Jahrzehnts. Wir reden über seine Theorie des Kontrollverlusts, die Regeln des neuen Spiels, Meinungsfreiheit und darüber, was Plattformen mit dem Kontrollverlust zu tun haben. Außerdem erzählt er, wie es zur Crowdfunding-Kampagne kam, durch Das neue Spieldie das Projekt finanziert wurde, und wie er das Schreiben des Buchs organisiert hat .

Quelle: http://stimmen.univie.ac.at/podcast/sdk79

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Mobile Geschichtsvermittlung in Dänemark

Wie in Norwegen gibt es in Dänemark schon lange Bestrebungen für die digitale Dokumentation des Kulturerbes und neue Vermittlungsformen durch digitale Medien. Diese schreiten unabhängig von den Sitzverteilungen im Folketing und der jeweiligen Regierungskonstellation voran. Neben nationalen Digitalisierungsmaßnahmen zur Archivierung, Dokumentation und verbesserten Zugänglichkeit des Kulturarv – wie etwa dem Portal KulturPerler – sind zunehmend Angebote öffentlicher Einrichtungen, allen voran Museen, zu beobachten. Diese legen ihren Fokus nicht primär auf die Digitalisierung ihrer Ausstellungsobjekte und anderem historischen Material. Vielmehr haben sie eine (inter)aktive Vermittlung und dialogorientierte Partizipation der Nutzer zum Ziel.

Dafür werden neben etablierten Kanälen wie den klassischen Webauftritten und diverser Social Media–Plattformen vermehrt mobile Medien – insbesondere Apps für mobile Endgeräte – eingesetzt. Immerhin besitzen laut einer Statistik vom April 2014 mittlerweile drei von vier dänischen Haushalten (73%) ein Smartphone, ein Tablet ist annähernd in jeder zweiten Familie (45%) zu finden.

In meiner im Mai 2014 am Nordeuropa-Institut der Humboldt-Universität zu Berlin eingereichten Masterarbeit mit dem Titel „Digitale Geschichtsvermittlung in Dänemark am Beispiel mobiler Anwendungen für Smartphones“ habe ich mich mit den Chancen und Risiken der Darstellung historischer Erkenntnis auf mobilen Endgeräten beschäftigt und die drei dänischen Apps 1001 fortællinger om Danmark, 100 Borge und Den Gamle By App an Hand funktionaler und inhaltlicher Kriterien untersucht.

In der Funktionsanalyse wurden die Anwendungen unter anderem auf ihre Multi- und Hypermedialität, auf interaktive und partizipative Elemente, auf Serviceangebote und Nutzerführung sowie auf Angebote zur Personalisierung und Lokalisierung vergleichend geprüft. Daran anschließend diente die Inhaltsanalyse zur Betrachtung der Wechselwirkungen  zwischen den erläuterten Funktionen und den inhaltlich dargestellten Themen.

Den gamle By App

Screenshot von Den Gamle By App

Screenshot von Den Gamle By App

Die Anwendung des Freilichtmuseums Den Gamle By in Aarhus kann dem Genre der „Museums-Apps“ zugeordnet werden, wodurch sich Besucher bereits vorab über Attraktionen des Museums – ob über die historischen Stadtteile, die einzelnen Gebäude oder spezielle Ausstellungobjekte – informieren können. Ebenso werden praktische Hinweise für den Besuch (Öffnungszeiten, Lageplan) bereitgestellt. Die App ist serviceorientiert und regt auf vielfältige Weise an, verschiedene Museumsangebote zu nutzen. So stehen thematische Routen durch das Freilichtmuseum (etwa „Jul i Den Gamle By“) als In-App-Download bereit. Daneben sind mehrere Spiele integriert, die eine Identifikation mit den fiktiven Bewohnern der Stadt ermöglichen. Somit wird in der Anwendung auch das personifizierte Konzept des Museums mit seinen Darstellern aufgegriffen. Mit ihren multimedialen Angeboten (v.a. Text-Bild-Kombinationen) fungiert Den Gamle By App als Weiterentwicklung eines klassischen Audio-Guides auf dem Besucher-eigenen Gerät, wobei jedoch eine wichtige Funktion für die barrierefreie Handhabung fehlt: Die Audio-Wiedergabe der Informationen.

100 Borge

Screenshot der App 100 Borge

Screenshot der App 100 Borge

Im Gegensatz zu Den Gamle By App geht die Anwendung 100 Borge über das Angebot des dazugehörigen Museums hinaus. Seit Frühjahr 2014 ist Danmarks Borgcenter rund um die einstige Vordigborg eröffnet. Dort wird das Themenspektrum „mittelalterliche Burgen“ interaktiv und mit neuesten Technologien – filmische Projektionen, Licht- und Ton-Installationen sowie einem iPad-Guide samt GPS- und Augmented-Realtiy-Funktionen – vermittelt. Die App erweitert die Ausstellung außerhalb ihrer physischen Grenzen und thematisiert über 100 weitere Schlösser, Burgen und Burgruinen in Dänemark, Südschweden und Norddeutschland. Fakten und Hintergrundinformationen zur jeweiligen Burganlage, ihren berühmtesten Bewohnern und dem heutigen Zustand werden zum einen über Texte und Bilder samt historischer Karten und Illustrationen vermittelt. Daneben sind eine Reihe Podcasts integriert, mit denen im Stil eines Hörspiels historische Ereignisse nacherzählt werden. Zusätzlich sind alle Burgen in einer interaktiven Landkarte eingetragen.

1001 fortællinger om Danmark

Screenshot der App 1001 fortællinger om Danmark

Screenshot der App 1001 fortællinger om Danmark

Die dritte Anwendung ist die App zu dem bereits im Dezember 2012 vorgestellten Projekt „1001 fortællinger om Danmark”. Das Angebot des dänischen Kulturstyrelsen soll als „det første sociale medium om dansk kulturarv“ nicht nur die offiziellen Archivbestände und priorisierten Kulturgüter erfassen. Vielmehr kann jeder registrierte Nutzer seine ganz persönlichen Erinnerungsorte vorstellen, wodurch eine fast schon unüberschaubare Masse an historischen Schauplätzen ohne jegliche Hierarchisierung zusammengetragen wird. Die Projekt-App weißt dabei jedoch im Sinne einer crossmedialen Kampagne eine mediengerechte Darstellung auf. So wurden nicht alle Elemente der Website in die Anwendung übertragen. Vielmehr wird sich hier auf die Kerneigenschaft des Mediums fokussiert: die Mobilität. Auf einer integrierte GoogleMap sind die Erinnerungsorte mit Stecknadeln markiert. Dazu gibt es themenspezifische Touren. Ebenso können sich Nutzer eigene Routen ausarbeiten. Wie bei 100 Borge wird hier die Möglichkeit zur Verwendung der App unterwegs genutzt, um Inhalte aktiv zu vermitteln und die räumliche Dimension von Geschichte aufzugreifen. Im Gegensatz zu klassischen Vermittlungsszenarien des situierten Lernens bieten Apps dabei die Möglichkeit, eigenständige und auf die persönlichen Interessen und Kenntnisse zugeschnittene Erkundungen durchzuführen.

Mobile Geschichtsvermittlung – grenzenlos!?

Mit dem Einsatz mobiler Medien zur Geschichtsvermittlung werden die unterschiedlichen Formen historischer Präsentation in einer Anwendung zusammengefasst. Die Form der Erzählung lässt sich durch multi- und hypermediale Funktionen nun auch technisch auf vielfältige Weise abbilden. Die Ausstellung wird durch die mediale Inszenierung erweitert, gleichzeitig findet eine vermehrte räumliche Inszenierung statt. Die technische Erneuerung klassischer Vermittlungsformen bildet somit die Grundlage unterhaltsamer und interaktiver Präsentation historischen Wissens.

Dabei sind mobile Anwendungen immer inhaltlich begrenzt. Die oft kritisierte Masse an Inhalten im Internet wird zwar umgangen, gleichzeitig können viele geschichtsdidaktische Herausforderungen nicht erfüllt werden. Dennoch können Smartphones dank ihrer multimedialen Funktionsspezifika durchaus komplexe Strukturen multiperspektivisch aufzeigen. Für den expliziten Gebrauch in der Kulturvermittlung wird zudem gewährleistet, dass die Anwendungen nicht von der eigentlichen Ausstellung oder dem historischen Objekt ablenken.

Als Ergänzung klassischer Vermittlungsangebote sind die Apps schließlich auch ein gelungenes Marketinginstrument zur Selbstdarstellung der Institutionen. In Dänemark liegt die Zuständigkeit für alle öffentlichen Kultur- und somit App-Anbieter am Ende beim Kulturministerium. Mit dem Einsatz von Apps zur Förderung des Kulturtourismus sowie der Prägung und Stärkung des nationalen Geschichtsbewusstseins werden nicht zuletzt ökonomische Interessen verfolgt.

Auch ohne eine Nutzeranalyse der Apps durchgeführt zu haben, kann am Ende wohl festgehalten werden, dass bei Apps das gleiche gilt wie bei anderen digitalen Vermittlungsangeboten: Sie können einen Besuch zwar aufwerten und neue Zielgruppen ansprechen, schlussendlich muss aber die Ausstellung und Vermittlungsthematik selbst interessant sein, um tatsächlich wahrgenommen zu werden.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2536

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Internationalizing Public History

 

Today, public history is a global discipline, which considers the presence of the past—and the construction of history—outside academic settings. The practice of history has always been “public” …


English

 

Today, public history is a global discipline, which considers the presence of the past—and the construction of history—outside academic settings. The practice of history has always been “public” in a way, but individual and collective memories are now invading the public sphere. Conflicting perceptions of the past, and the inability to forget, require professional mediation. Public historians answer the increasing demand for history worldwide and interpret the past with and for the public. Awareness of their global role fosters the internationalizing of public history.

 

Everybody’s interpreting their own past

During the last thirty years, not only Anglo-Saxon historians have engaged in public discussions about the past. Especially public historians have been interested in collecting and interpreting memories using oral history and digital technologies. Through social media and the worldwide web, conflicting collective memories of genocidal pasts, dictatorships, and violent civil wars, have been displayed in virtual and physical museums to ensure better public understanding of such history.[1] Truth and reconciliation commissions and remembrance portals, such as the International Coalition of Sites of Conscience, have interacted with local communities involving public historians to recover forgotten and uncomfortable civil memories. Even before the initiation of a participatory 2.0 Web, which allows individuals and communities to crowd-source their own vision of history, nonacademic publics were eager to rememorize their families and local histories.[2] People also knew about history from visiting monuments and battlefield parks, from true “Lieux de Mémoire,” and from exploring thematic museums and exhibitions offering popular narratives about nearby pasts. Thus, professional public historians, especially within the digital realm, are confronted with everybody’s public pasts.[3] Historical expertise is needed for acquiring deeper contextualized understandings of history. Working within communities and for the public, public historians are the answer to such an universal interest in the past. Their task is to publicly communicate history.

Different approaches to public history

International public history uses specific professional skills to understand divergent historical approaches to the discipline. Forty years after its institutionalization as a university discipline in California, public history has since spread to other countries. So what makes history public, and what makes public history, become a constantly expanding and self-confident discipline? In September 2014, a 2nd Simpósio Internacional de História Pública was held in Niterói (Rio de Janeiro) in Brazil: “Perspectivas da História Pública no Brasil.” The Rede Brasileira de História Pública showcased different facets of Brazilian public history (multi-ethnic, social, political, and local public history practices) in workshops and participatory media ateliers.[4] But why did the Rede, a federal decentralized network of historians belonging to different universities, use the term “international” for a conference about Brazilian public history? Universal practices and theoretical reflections on the impact of digital history and on the presence of oral history in Brazil were discussed at roundtables and officinas by national and some international scholars. Linda Shopes, a pioneer of American oral history, focused on the close integration of oral and public history. She discussed the concept of “shared authority” (Frisch 1990)[5], introduced into the debate by Raphael Samuel during the 1970s in Oxford.[6]

Glocal public history is surrounding us

Different ideas about what history is about have emerged in various societies and follow different patterns across the world. Nevertheless, public history often remains a discipline without, however, bearing that name. Historians entering the public arena and creating narratives through the media have not always been aware of the existence of a discipline called “Public History.” Academic historians have the tendency to call public history what is, de facto, a “public use of history,” by engaging with the discipline, its skills and practices, within contemporary debates about the past in the polis.[7] Only recently, and caused by the digital turn in history and its profound impact on public history practices, have new forms of awareness and an overwhelming necessity of the field arisen. These phenomena have occurred globally despite the universal ambiguities and contradictions about a common definition of the field. Its internationalization is underway worldwide and resembles a multi-faceted process of globalization. This shift also derives from the crisis of academic history in our post-colonial societies. Emblematic of this process was the creation of the International Federation for Public History (IFPH). In 2010, the National Council for Public History (NCPH) established the Comité International des Sciences Historiques. Today, the IFPH is mandated to bring together international public historians, to promote the development of a growing worldwide network of practitioners, and to foster national public history programs and associations.

Asking for a global public role?

This question addresses the “glocal” need for public history. Our world is glocal. Europe has long lost its central role in defining a universal idea of the past through its Eurocentric narrative and its colonial and post-colonial history. Subaltern Studies have meanwhile theorized what has already long been evident: local pasts have emerged everywhere and have formed multi-centered globalized pasts.[8] This decentralization of history has fostered the field worldwide and favored the birth of a glocal history.[9] Public history has often meant working on the past with local communities and for a better understanding of their local-global memories. This process is all about establishing a common definition of international public history using oral interviews, remembering individual and collective memories, collecting and preserving sources, creating museums and exhibitions, and confronting difficult pasts and their interpretation. The usefulness of international public history relies on the universality of these glocal practices.

 

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Literature

  • Serge Noiret, “La digital history: histoire et mémoire à la portée de tous,” in Pierre Mounier (ed.), Read/Write Book 2: Une introduction aux humanités numériques (Marseille: OpenEdition, 2012), pp. 151–177, online: http://press.openedition.org/258 (last accessed 06.10.2014).
  • James B. Gardner, Peter S. LaPaglia (eds.), “Public history: essays from the field,” (Malabar, Florida: Krieger Pub. Co., 2nd edition, 2006).
  • Guy Zelis (ed.), “L’historien dans l’espace public: l’histoire face à la mémoire, à la justice et au politique,” (Loverval: Labor, 2005).

External links

 

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[1] Silke Arnold-de Simine: Mediating memory in the museum: trauma, empathy, nostalgia., Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2013; Wolfgang Muchitsch: Does war belong in museums? The representation of violence in exhibitions., Bielefeld: Transcript, 2013.
[2] Paula Hamilton and Linda Shopes (eds.): Oral History And Public Memories., Philadelphia: Temple University Press, 2008.
[3] Roy Rosenzweig and David Thelen. The Presence of the Past: Popular Uses of History in American Life. Columbia University Press, 1998; Paul Ashton and Paula Hamilton: History At The Crossroad: Australians and The Past., Ultimo: Halstead Press, 2010; Margaret Conrad, Jocelyn Létourneau and David Northrup: “Canadians and their Pasts: An Exploration in Historical Consciousness,” in The Public Historian, vol.31, n.1, February 2009, pp.15-34.
[4] Juniele Rabêlo de Almeida and Marta Gouveia de Oliveira Rovai (eds.) Introdução à história pública. São Paulo: Letra e Voz, 2011.
[5] Michael Frisch: A Shared Authority: Essays On The Craft And Meaning Of Oral And Public History, Albany: State University of New York Press, 1990.
[6] Raphael Samuel: Past and present in contemporary culture, London: Verso, 1994.
[7] François Hartog and Jacques Revel: Les usages politiques du passé., Paris : Ecole des hautes études en sciences sociales, 2001; Giorgos Antoniou (ed.): History and the Public Sphere in Contemporary Greece in Ricerche Storiche, XLIV/1, January-April 2014, http://www.polistampa.com/asp/sl.asp?id=6222 (last acess 06.10.2014).
[8] Dipesh Chakrabarty: Provincializing Europe: postcolonial thought and historical difference, Princeton: Princeton University Press, 2000.
[9] Robert Weyeneth: “Writing Locally, Thinking Globally”, in Public History News, vol.33, n.1, December 2012, p.8.

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Image Credits
© Serge Noiret, 2013. Public Historians in Montreal before the NCPH-IFPH international conference in Ottawa.

Recommended Citation
Noiret, Serge: Internationalizing Public History. In: Public History Weekly 2 (2014) 34, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2647.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 

 

 

Deutsch

 

Die Public History hat sich zu einer weltweit tätigen Disziplin entwickelt, die sich mit der Gegenwärtigkeit der Vergangenheit – und mit dem Konstruktionscharakter von Geschichte – außerhalb akademischer Gegebenheiten auseinandersetzt. In gewisser Weise war die Praxis der Geschichtsschreibung schon immer “öffentlich”, doch individuelle und kollektive Erinnerung sind heutzutage in der öffentlichen Sphäre allgegenwärtig. Konkurrierende Vorstellungen von der Vergangenheit und die Unfähigkeit, zu vergessen, erfordern professionelle Vermittlung. Public Historians geben Antwort auf die steigende weltweite Nachfrage von Geschichte und interpretieren die Vergangenheit für die Öffentlichkeit. Das Bewusstsein über ihre globale Bedeutung treibt den Internationalisierungsprozess der Public-History-Idee immer weiter an.

 

Jeder macht sich ein eigenes Bild von der Vergangenheit

Während der letzten 30 Jahre waren HistorikerInnen nicht nur im angelsächsischen Raum in öffentliche Diskussionen über die Vergangenheit verwickelt. Besonders VertreterInnen der Public History interessierten sich für das Sammeln von Erinnerungen durch Oral History und durch den Gebrauch digitaler Technologien. Dank Social Media und Web-Veröffentlichungen wurden konkurrierende kollektive Erinnerungen, zum Beispiel über Genozide, Diktaturen, Bürgerkriege, in physischen und virtuellen Museen und Ausstellungen sichtbar gemacht und führten zu einem besseren Verständnis der Konflikthaftigkeit in der Öffentlichkeit.[1] Wahrheits- und Aussöhnungskommissionen sowie Erinnerungsportale, wie beispielweise die International Coalition of Sites of Conscience, traten mit lokalen Gemeinschaften in einen Austausch, indem VertreterInnen der Public History vergessene oder unbequeme Erinnerungen bargen. Bereits bevor der Start des partizipativen Webs 2.0 es Personen und Gemeinschaften ermöglichte, ihre Version der Geschichte zu verbreiten, waren nichtakademische Personen darauf aus, ihre Familien- oder Lokalgeschichte zu erforschen.[2] Die geschichtsinteressierte Öffentlichkeit besuchte Denkmäler und Schlachtfelder, wahrhafte “Erinnerungsorte” (Lieux de Mémoire). Thematische Museen und Ausstellungen, die populäre Narrative über jene Vergangenheit präsentieren, die den BesucherInnen nahe ist und sie berührt.[3] Professionelle VertreterInnen der Public History, vor allem im digitalen Bereich, sahen sich folglich mit jedermanns Vorstellung der Vergangenheit konfrontiert. Historische Expertise wird benötigt, um die Erforschung der Vergangenheit besser zu kontextualisieren und ein besseres Verständnis von Geschichte herbeizuführen. Innerhalb von Gemeinschaften und für die Öffentlichkeit beantworten die VertreterInnen der Public History das universelle Interesse an der Vergangenheit. Ihre Aufgabe ist es, Vergangenheit öffentlichkeitswirksam zu kommunizieren.

Verschiedene Entwicklungswege der Public History

Will man die internationale Public History verstehen, muss man die unterschiedlichen Bedingungen ergründen, unter denen sie sich entwickelt hat. Vierzig Jahre nach ihrer Institutionalisierung als universitäre Disziplin in Kalifornien breitete sich die Public-History-Bewegung auch auf andere Länder aus. Aber was verhilft der Public History dazu, zu einer stetig wachsenden und selbstbewussten Disziplin zu werden? Im September 2014 wurde in Niterói (Rio de Janeiro) in Brasilien das zweite “Simpósio Internacional de História Pública” abgehalten unter dem Titel: “Perspectivas da História Pública no Brasil.” Die “Rede Brasileira de História Pública” zeigte in Workshops und partizipativen Medien-Ateliers verschiedene Facetten der brasilianischen Public History (Multiethnizität sowie verschiedene soziale, politische und lokale Praktiken der Public History).[4] Aber warum nutzte die “Rede” ein föderales dezentrales Netzwerk von HistorikerInnen verschiedener Universitäten, den Begriff “international” für eine Konferenz über brasilianische Public History? Universelle Praktiken und theoretische Reflexionen über die Einflüsse der digitalen Geschichtsschreibung und der Präsenz der Oral History in Brasilien sorgten in Diskussionsrunden und Workshops für Gesprächsstoff, die durch einige internationale WissenschaftlerInnen bereichert wurden. Die Pionierin der amerikanischen Public History, Linda Shopes, hob die enge Bindung von Oral und Public History hervor. Sie diskutierte das Konzept der “geteilten Autorität” (Frisch 1990)[5], das von Raphael Samuel in den siebziger Jahren an der Universität Oxford entwickelt wurde.[6]

Wir sind umgeben von einer globalen Public History

Verschiedene Vorstellungen darüber, was Geschichte ist, haben sich unterschiedlich entwickelt und folgen weltweit anderen Mustern. Ungeachtet dessen zeigt sich Public History oft als eine Disziplin, die nicht als solche bezeichnet wird. Fachwissenschaftliche HistorikerInnen haben oftmals die Öffentlichkeit gesucht und in den Medien eigene Narrative präsentiert, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass es eine Disziplin namens Public History gibt. Fachwissenschaftliche Historiker neigen dazu, das als Public History zu bezeichnen, was de facto ein “öffentlicher Gebrauch von Geschichte” ist, bei dem die Disziplin, ihre Fertigkeiten und Praktiken in zeitgenössischen politischen Debatten über die Vergangenheit in Anspruch genommen werden.[7] Erst seit wenigen Jahren, begünstigt durch den digitalen Wandel in den Geschichtswissenschaften, der einen enormen Einfluss auf die Praktiken der Public History hatte, hat sich neuerlich ein Bewusstsein für die Disziplin und ein überwältigender Bedarf an ihren Angeboten entwickelt. Dieses Phänomen ereignete sich gleichermaßen auf der ganzen Welt. Dessen ungeachtet bleiben die Widersprüche und Mehrdeutigkeiten beim Versuch einer allgemeingültigen Definition der Public History bestehen. Der Internationalisierungsprozess vollzog sich derweil weltweit und folgt dem multifaktoriellen Prozess der Globalisierung. Symbolisch für diesen Prozess war die Bildung der “International Federation for Public History.” Die amerikanische “National Council for Public History” (NCPH) richtete als weltweit agierende Organisation im Jahr 2010 das “Comité International des Sciences Historiques” ein. Heute ist die IFPH damit beschäftigt, internationale Verbindungen zwischen den VertreterInnen der Public History auf der ganzen Welt herzustellen, die Entwicklung eines weltweiten Netzwerks zwischen PraktikerInnen voranzutreiben sowie die nationalen Public-History-Programme und -Verbände zu fördern.

Bedarf an einer globalen öffentlichen Rolle?

Die Antwort auf diese Frage zeigt den „glokalen“ Bedarf an Public-History-Forschung. Unsere Welt ist „glokal“. Längst hat Europa seine zentrale Rolle in der Definition einer universellen Idee von Vergangenheit durch das europäische Narrativ verloren, in dem stets seine koloniale und post-koloniale Geschichte erzählt wurde. Die “Subaltern Studies” beschreiben in der Theorie, was bereits offen ersichtlich ist: Überall haben sich die lokalen Vergangenheiten globalisiert und die Multikulturalität eine globalen Geschichte bestätigt.[8] Diese Dezentralisierung der Geschichte hat die Disziplin der Public History in der ganzen Welt befördert und zugleich einen Bereich der Public History hervorgebracht, den man als “glokale” Dimension bezeichnen könnte.[9] Public History bedeutet die Aufarbeitung der Vergangenheit von lokalen Gemeinschaften, um diese besser in ihre lokal-globale Erinnerung einzuordnen. Der Prozess, mit dem die internationale Public History dies aufarbeitet, ist weltweit der gleiche: Führung von Interviews, Aufarbeitung einer individuellen und kollektiven Erinnerung, Sammeln und Bewahren von Quellen, Erstellung von Museen und Ausstellungen, die sich den schwierigen Bereichen der Vergangenheit und ihrer Interpretation stellen. Der Nutzen der internationalen Public History liegt somit in der Universalität dieser “glokalen” Praktiken.

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Literatur

  • Noiret, Serge: La digital history. histoire et mémoire à la portée de tous. In: Mounier, Pierre  (Hrsg.): Read/Write Book 2. Une introduction aux humanités numériques. Marseille 2012, S. 151-177. Online verfügbar: http://press.openedition.org/258 (zuletzt am 06.10.2014).
  • James B. Gardner / Peter S. LaPaglia (Hrsg.): Public history: essays from the field. 2. Aufl. Malabar/Florida  2006.
  • Zelis, Guy  (Hrsg.): L’historien dans l’espace public: l’histoire face à la mémoire, à la justice et au politique. Loverval 2005.

 

Externe Links

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[1] Silke Arnold-de Simine: Mediating memory in the museum: trauma, empathy, nostalgia. Basingstoke 2013; Wolfgang Muchitsch: Does war belong in museums? The representation of violence in exhibitions. Bielefeld 2013.
[2] Paula Hamilton and Linda Shopes (eds.): Oral History And Public Memories. Philadelphia 2008.
[3] Roy Rosenzweig / David Thelen. The Presence of the Past: Popular Uses of History in American Life. Columbia 1998; Paul Ashton / Paula Hamilton: History At The Crossroad: Australians and The Past. Ultimo 2010; Margaret Conrad / Jocelyn Létourneau / David Northrup: Canadians and their Pasts: An Exploration in Historical Consciousness. In: The Public Historian, vol.31, n.1, February 2009, S.15-34.
[4] Juniele Rabêlo de Almeida and Marta Gouveia de Oliveira Rovai (eds.) Introdução à história pública. São Paulo 2011.
[5] Michael Frisch: A Shared Authority: Essays On The Craft And Meaning Of Oral And Public History. Albany 1990.
[6] Raphael Samuel: Past and present in contemporary culture. London 1994.
[7] François Hartog and Jacques Revel: Les usages politiques du passé. Paris 2001; Giorgos Antoniou (Hrsg.): History and the Public Sphere in Contemporary Greece in Ricerche Storiche, XLIV/1, January-April 2014, http://www.polistampa.com/asp/sl.asp?id=6222 (zuletzt am 06.10.2014).
[8] Dipesh Chakrabarty: Provincializing Europe: postcolonial thought and historical difference. Princeton 2000.
[9] Robert Weyeneth: Writing Locally, Thinking Globally. In: Public History News, Ausg. 33, Nr.1, December 2012, S.8.

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Abbildungsnachweis
© Serge Noiret, 2013. Public History ForscherInnen in Montreal vor der internationalen NCPH-IFPH Konferenz in Ottawa.

Übersetzung aus dem Englischen
von Marco Zerwas

Empfohlene Zitierweise
Noiret, Serge: Internationalisierung der Public History. In: Public History Weekly 2 (2014) 34, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2647.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 

 

Français

L’Histoire publique est aujourd’hui une discipline planétaire qui considère la présence du passé -et l’histoire- en dehors des milieux universitaires. La pratique de l’histoire a toujours été «publique» d’une certaine manière, mais les mémoires individuelles et collectives envahissent la sphère publique. Des perceptions contradictoires à propos du passé et une incapacité à oublier, exigent des médiations professionnelles. Les historiens publics répondent à cette demande croissante d’histoire partout dans le monde et interprètent le passé en public. Conscients de leur rôle, ils favorisent aujourd’hui le processus d’internationalisation de la discipline.

 

Tout le monde interprète son propre passé

Au cours des trente dernières années -et pas seulement dans les pays anglo-saxons-, les historiens se sont engagés dans des discussions publiques sur le passé. En particuliers, les historiens publics ont récolté en utilisant l’histoire orale et les technologies du numérique et interprété la mémoire souvent sans contexte. Grâce aux médias sociaux et au web, des mémoires collectives contradictoires comme celles qui touchent aux passés génocidaires, aux dictatures, aux guerres civiles et aux conflits violents, ont été montrés dans les musées virtuels et physiques pour en favoriser une meilleure compréhension publique.[1] Des Comissions de vérité et de réconciliation et des portails commémoratifs comme celui de la Coalition internationale des sites de conscience, interagissent avec les communautés locales utilisant des historiens publics pour retrouver des mémoires civiles oubliées et/ou souvent difficiles à manier. Avant même le début d’un web participatif 2.0 permettant aux individus et aux communautés de fournir publiquement leur propre vision de l’histoire, tout le monde avait été impatient de retrouver et de rendre public ses mémoires familiales et l’histoire locale.[2] Le grand public passionné d’histoire et de mémoire, visite les parcs historiques et les champs de bataille, véritables «lieux de mémoire », comme les musées thématiques et les expositions qui offrent des récits populaires et une évocation du passé qui leur est proche et qui touche directement.[3] Des historiens publics professionnels, en particuliers dans le domaine du numérique, sont confrontés à ces passés rendus publics par quiconque. Une expertise historique est nécessaire dans le monde entiers pour acquérir une compréhension plus profonde de l’histoire, la science du contexte. Travaillant au sein des communautés et pour le public, les historiens publics sont en fait la réponse à une telle requête universelle pour le passé. Leur tâche est de communiquer publiquement l’histoire.

Les différents chemins de l’histoire publique

L’histoire international publique vise à comprendre les chemins divergents qui ont permis d’établir la discipline et les compétences professionnelles spécifiques nécessaires pour la pratiquer. Quarante ans après son institutionnalisation comme discipline universitaire en Californie, l’histoire publique a conquis de nouveaux pays. Donc qu’est-ce qui rend l’histoire, publique, et, surtout, l’histoire publique toujours plus consciente d’elle-même aujourd’hui? Cette année au Brésil, lors du 2ème Simpósio Internacional de Historia Pública, intitulé Perspectivas da História Pública no Brasil, la Rede Brasileira de História Pública a présenté une variété de pratiques multi-raciales, sociales, politiques et locales en histoire publique. Les historiens brésiliens ont conçus des ateliers participatifs sur les médias et ont analysé les différentes facettes de l’histoire publique brésilienne.[4] Mais pourquoi la Rede, un réseau décentralisé et fédéral d’historiens appartenant à différentes universités, a utilisé le terme «international» pour qualifier une conférence sur l’histoire publique brésilienne? Des tables rondes et des officinas -séminaires pratiques- ont favorisé des réflexions théoriques universelles dans le domaine de l’histoire publique et se sont intéressés à l’impact de l’histoire numérique et à ​​la présence de l’histoire orale au Brésil avec, aussi, la participation de spécialistes internationaux. Une pionnière de l’histoire orale américaine, Linda Shopes, a axé son intervention inaugurale, sur l’intégration étroite entre l’histoire orale et publique. Elle a discuté la notion d’«autorité partagée» (Frisch 1990)[5] inaugurée par Raphael Samuel au cours des années soixante-dix à Oxford.[6]

L’histoire publique qui nous entoure

Des idées différentes sur ce que l’histoire est socialement, ont évolué différemment et suivant différents modèles à l’échelle mondiale. Néanmoins, l’histoire publique reste souvent une discipline sans le nom. Les historiens qui entrent dans l’arène publique et les historiens auteurs de récits dans les médias, ne sont pas toujours au courant de l’existence d’un sous-champ ou, plutôt, d’une discipline appelée histoire publique. Les historiens universitaires ont tendance à appeler l’histoire publique ce qui est, de facto, un “usage public de l’histoire“, engageant la discipline, ses compétences et ses pratiques dans des débats contemporains sur le passé de la cité instrumentalisé par la politique.[7] Seulement depuis quelques années maintenant, et favorisé par la révolution du numérique en histoire qui a eu un impact énorme sur les pratiques de l’histoire publique, une nouvelle prise de conscience de l’existence de la discipline et de la nécessité impérieuse du champ s’est affirmée. Ce phénomène s’est produit à l’échelle mondiale. Néanmoins, une définition universelle du domaine de l’histoire publique reste ambigue et contradictoire. Le processus d’internationalisation de l’histoire publique suit ce développement mondial qui s’effectue sur des bases différentes et en fonction des phénomènes de globalisation. Il découle également de la crise générale de l’histoire académique dans nos sociétés postcoloniales. La création de la Fédération internationale pour l’histoire publique est de ce fait emblématique de ce processus de globalisation. Un groupe de travail sur l’histoire publique internationale organisé par le National Council for Public History américain (NCPH) s’est transformé en 2010, en une commission interne permanente du Comité International des Sciences Historiques. Aujourd’hui, la FIHP a pour mandat de créer des liens internationaux entre les historiens publics et de promouvoir le développement d’un réseau mondial de la discipline qui compte de plus en plus de praticiens, outre favoriser la création de programmes universitaires nationaux d’histoire publique et d’associations nationales de la discipline.

A la demande d’un rôle public international?

Répondre à cette question rend compte glocalement et, de ce fait, internationalement, du rôle des historiens publics. Notre monde est maintenant glocal. L’Europe a perdu son rôle central dans la définition d’une idée universelle du passé qui découlait d’un récit euro centrique, de son histoire coloniale et postcoloniale. Les subaltern studies ont théorisé ce qui était déjà évident publiquement: partout, les passés locaux se sont mondialisés et un pluri-centrisme de l’histoire mondiale s’est affirmé.[8] Cette décentralisation de l’histoire a favorisé le domaine de l’histoire publique dans le monde entier, outre la naissance de ce qu’on pourrait appeler la dimension glocale de la discipline de l’histoire publique.[9] L’histoire publique signifie travailler sur le passé avec les communautés locales et, en général, pour une meilleure compréhension de leurs passés locaux/globaux. Le processus en lui-même est exactement ce qu’on peut appeler une histoire publique internationale interprétée globalement et de la même manière partout grâce aux pratiques professionnelles comme les entretiens oraux qui récoltent les mémoires individuelles et collectives, la collecte et la préservation des sources, la création de musées et d’expositions qui se confrontent avec des passés difficiles et avec leur interprétation. L’utilité de l’histoire publique internationale repose ainsi sur l’universalité de ces pratiques glocales.

 

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Literature

  • Serge Noiret, “La digital history: histoire et mémoire à la portée de tous,” in Pierre Mounier (ed.), Read/Write Book 2: Une introduction aux humanités numériques (Marseille: OpenEdition, 2012), pp. 151–177, online: http://press.openedition.org/258 (dernier accès le 6 Octobre 2014).
  • James B. Gardner, Peter S. LaPaglia (eds.), “Public history: essays from the field,” (Malabar, Florida: Krieger Pub. Co., 2nd edition, 2006).
  • Guy Zelis (ed.), “L’historien dans l’espace public: l’histoire face à la mémoire, à la justice et au politique,” (Loverval: Labor, 2005).

Liens externe

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[1] Silke Arnold-de Simine: Mediating memory in the museum: trauma, empathy, nostalgia., Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2013; Wolfgang Muchitsch: Does war belong in museums? The representation of violence in exhibitions., Bielefeld: Transcript, 2013.
[2] Paula Hamilton and Linda Shopes (eds.): Oral History And Public Memories., Philadelphia: Temple University Press, 2008.
[3] Roy Rosenzweig and David Thelen. The Presence of the Past: Popular Uses of History in American Life. Columbia University Press, 1998; Paul Ashton and Paula Hamilton: History At The Crossroad: Australians and The Past., Ultimo: Halstead Press, 2010; Margaret Conrad, Jocelyn Létourneau and David Northrup: “Canadians and their Pasts: An Exploration in Historical Consciousness,” in The Public Historian, vol.31, n.1, February 2009, pp.15-34.
[4] Juniele Rabêlo de Almeida and Marta Gouveia de Oliveira Rovai (eds.) Introdução à história pública. São Paulo: Letra e Voz, 2011.
[5] Michael Frisch: A Shared Authority: Essays On The Craft And Meaning Of Oral And Public History., Albany: State University of New York Press, 1990.
[6] Raphael Samuel: Past and present in contemporary culture., London: Verso, 1994.
[7] François Hartog and Jacques Revel: Les usages politiques du passé., Paris : Ecole des hautes études en sciences sociales, 2001 ; Giorgos Antoniou (ed.): History and the Public Sphere in Contemporary Greece in Ricerche Storiche, XLIV/1, January-April 2014, http://www.polistampa.com/asp/sl.asp?id=6222 (last acess 06.10.2014).
[8] Dipesh Chakrabarty: Provincializing Europe: postcolonial thought and historical difference., Princeton: Princeton University Press, 2000.
[9] Robert Weyeneth: “Writing Locally, Thinking Globally”, in Public History News, vol.33, n.1, December 2012, p.8.

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Crédits illustration
© Serge Noiret, 2013. Les historiens publiques à Montréal avant la conférence internationale NCPH-IFPH à Ottawa.

Citation recommandée
Noiret, Serge: L’internationalisation de’l Histoire Publique. In: Public History Weekly 2 (2014) 34, DOI:  dx.doi.org/10.1515/phw-2014-2647.

Copyright (c) 2014 by De Gruyter Oldenbourg and the author, all rights reserved. This work may be copied and redistributed for non-commercial, educational purposes, if permission is granted by the author and usage right holders. For permission please contact: julia.schreiner (at) degruyter.com.

 

 

 


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Quelle: http://public-history-weekly.oldenbourg-verlag.de/2-2014-34/internationalizing-public-history/

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Museumstipp 2: Das Jüdische Museum Franken

Vor Kurzem erschien hier im MusErMeKu-Blog der erste Museumstipp: Das Medizinhistorische Museum Hamburg. Im Rahmen der Blogparade „Mein Kultur-Tipp für Euch“, die von Tanja Praske initiiert wurde, folgt nun der zweite MusErMeKu-Museumstipp: Das Jüdische Museum Franken. Das Jüdische Museum Franken wurde hier im Blog bereits von Damián Morán Dauchez auf Spanisch vorgestellt, und zwar im Rahmen seines Blogbeitrags zum Tag des offenen Denkmals 2014. Das Museum, das für die Jahre 2013/14 zum “Leuchtturmprojekt” des “Bayerischen Kulturkonzepts” des Freistaats Bayern ernannt wurde, umfasst drei Standorte: den Hauptsitz des […]

Quelle: http://musermeku.hypotheses.org/1879

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„Chacun de ces dialectes a plusieurs patois…“ – Zur napoleonischen Sprachenstatistik in den rheinischen Departements, 1


Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 276, Präfektur des Saardepartements zu Trier, Sachakte 1965: Notiz von Wyttenbach über die Sprachen im Departement, 9. 9. 1811

Friedrich Anton Wyttenbach: Porträt seines Vaters Johann Hugo Wyttenbach, undatiert, Lithografie (A. Nußbaumer), 35 x 26 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Anton_Wyttenbach#mediaviewer/File:Wyttenbach_Portrait_Johann_Hugo_Wyttenbach.jpg

Friedrich Anton Wyttenbach: Porträt seines Vaters Johann Hugo Wyttenbach, undatiert, Lithografie (A. Nußbaumer), 35 x 26 cm, Stadtmuseum Simeonstift Trier
http://de.wikipedia.org

„Trèves le 9 sept[embre] 1811.

À Monsieur de Moulon,

Chef du Bureau à la Préfecture.

Monsieur,

J’ai l’honneur de vous transmettre par la présente quelques notes relatives aux renseignemens demandés par Son Excellence le Ministre de l’Intérieur.

La langue allemande a deux dialectes principaux (Mundarten); savoir: le dialecte de la Germanie supérieure, et celui de la Germanie inférieure. Le bon allemand saxon (das Hochdeutsche) vient d’une petite partie de la Germanie inférieure, ou du nord de ce pays. Chacun de ces dialectes a des plusieurs [sic] patois, et il y a certainement une différence sensible entre ces patois. Leur nombre est infini.

On pourrait peut-être fixer quatre patois marquans dans notre département; savoir celui de Trèves et ses environs, dans un rayon plus ou moins de quatre lieux; celui des habitans de la Moselle inférieure, celui de Hundruck [Hunsrück] et de l’arrondissement de Sarrebruck, et enfin de l’arrond[issement] de Prum [Prüm].

D’un côté le patois de Trèves est parlé jusqu’aux frontières du département des Forêts. En traversant seulement la petite rivière de la Saur, on peut faire cette remarque.

Dans le patois de notre ville on observe les singularités suivantes:

1°. La lettre o aime à jouer un grand rôle, et elle est presque toujours substitué[e] à la lettre a; par exemple: au lieu dado. &c.

2°. Quand on emploi cette dernière lettre a, notre patois la prolonge, et traine les mots, toujours outre mesure; p.e. au lieu de BachBaag, manmaan &c.

3°. La voyelle i est dans beaucoup [de] mots transformée en eu, p. exemple: au lieu de dire icheuch, michmeuch, KirchKeurch.

4°. Il s’y trouve un nombre de contradictions; p. ex. : ich habeeuch hongesagetgesot, es regnetet rehnt &c.

5°. On préfère presque toujours le g au ch; p. ex. TochterDogter, SpracheSprog. &c.

Encore deux singularités marquantes se font entendre dans notre patois.

1°. Au lieu de dire: er wird sterben, on dit généralement: eh geit sterwen, c’est-à-dire, il va mourir, comme dans le français. Cette phrase est déjà d’un ancien usage dans notre patois, et paraît être empruntée de la langue française, qui fut toujours parlée sur nos frontières.

2°. La seconde singularité consiste en permutation presque constante du verbe werden en verbe geben, comme p. exemple: er wird groß – eh geft grus &c.

Quant aux traductions de la parabole citée dans la lettre de S. Excellence, j’ai l’honneur de vous nommer Mr. le curé du canton Schreiber, ou Mr. le curé Devora, qui pourront vous fournir des [sic] pareilles traductions.

Recevez, Monsieur De Moulon, je vous en prie, ces notes avec bonté, et regardez les comme l’obole du pauvre dans l’Évangile.

Je suis, Monsieur, avec la considération la plus distinguée, votre très humble serviteur.

Wyttenbach

N. En général le patois de la Moselle ressemble beaucoup à celui de Coblenz; celui de Prum [Prüm] au patois de Cologne; et le troisième de Hundruck [Hunsrück] au patois déjà mieux cultivé de Mayence.“

 

Zur Quelle

Das Büro für Statistik im französischen Innenministerium führte zwischen 1806 und 1812 eine umfassende Sprachenerhebung innerhalb des napoleonischen Kaiserreichs und in den angrenzenden Regionen der Nachbarstaaten durch. Ziel war die Bestimmung der Sprachgrenzen und der Sprecherzahlen aller im Kaiserreich gesprochenen Sprachen sowie die Identifizierung und sprachliche Klassifizierung der Dialekte. Geleitet wurde die Erhebung von Charles-Étienne Coquebert de Montbret, dem Direktor des Büros für Statistik, und seinem ebenfalls dort beschäftigten Sohn Eugène. Die konkrete Ausführung oblag dann den Präfekturen in den Departements. Diese mobilisierten vor Ort geeignete Informanten aus der Verwaltung und der Zivilgesellschaft, um Auskünfte und Sprachproben zu liefern. Insbesondere wurden zahlreiche Übersetzungen des Gleichnisses vom Verlorenen Sohn zum Zweck des Sprachvergleichs gesammelt. Erfasst wurden auch deutschsprachige Gebiete: Elsass-Lothringen, die Departements Saar, Roer und Rhein-Mosel am linken Rheinufer (Deutschland), das mehrheitlich heute niederländische und belgische Gebiete umfassende Departement Niedermaas, deutschsprachige Gemeinden im Departement Ourthe (Belgien), das Wälderdepartement (Luxemburg) sowie Teile der deutschsprachigen Schweiz und schließlich deutsche Sprachinseln in Oberitalien.

Das obige Schreiben war Teil der Antwort auf die Anfrage des Innenministeriums im Saardepartement. Sein Verfasser ist Johann Hugo Wyttenbach (1767–1848), der als herausragender Trierer Gelehrter das Geistesleben der Stadt in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts entscheidend prägte. Laut F.X. Kraus war Wyttenbach die „Seele aller auf Erforschung der Trierischen Geschichte und Alterthümer ausgehenden Bestrebungen“ (Kraus 1898, 106). Nach einem abgebrochenen Theologiestudium wurde er in den 1790er Jahren zunächst Hauslehrer und bewarb sich dann bei der französischen Zentralverwaltung des Saardepartements. Er wurde Mitglied der Schulkommission und unterrichtete an der städtischen höheren Schule, der er von 1804 bis 1846 als Direktor vorstand. Seit 1799 war er außerdem Bibliothekar der neugeschaffenen Stadtbibliothek Trier sowie 1801 Gründungsmitglied der Gesellschaft für nützliche Forschungen. 1810 erschien der erste Band seines „Versuchs einer Geschichte von Trier“, mit dem er seinen Ruf als Lokalhistoriker bekräftigte, war er doch schon 1792 dem durchreisenden Goethe als ein bestens mit der Geschichte der Stadt und ihrer Umgebung vertrauter junger Lehrer aufgefallen. Seine Mitwirkung in der ministeriellen Sprachenerhebung ist insofern nicht ungewöhnlich. Auch andernorts wurden Personen eingebunden, die sich durch eine literarisch-historische Vorbildung auswiesen. Mehrfach finden sich so unter den Informanten Mitglieder gelehrter Zirkel, Lehrer und Bibliothekare.

Die der Notiz Wyttenbachs zu Grunde liegende Bitte um Auskünfte über die Dialekte datiert auf den 20. Juni 1811. Anders als die meisten innerfranzösischen Departements wurde die Saar nicht durch eines der gezielten Rundschreiben der Jahre 1807 und 1808 in die Sprachenerhebung einbezogen, sondern erst außerhalb der eigentlichen Untersuchung in der Fortsetzung einer Korrespondenz zur Arbeitermigration. Tatsächlich war nach dem Ausscheiden Charles-Étienne Coqueberts de Montbret aus dem Büro für Statistik Ende 1810 die Sprachenerhebung nahezu vollständig zum Erliegen gekommen und konnte erst 1812 durch zwei letzte Rundschreiben wiederbelebt werden. Die isolierte Anfrage im Sommer 1811 geht also ganz auf die Initiative Eugène Coqueberts de Montbret zurück, den auch die Handschrift des Briefes als Verfasser verrät. Der Inhalt der Anfrage entspricht indes ganz dem der früheren Rundschreiben zur Erhebung der Dialekte im Inneren Frankreichs. Hauptsächlich ging es hier zum einen darum, die Unterschiede zwischen den Dialekten („patois“) und der Hochsprache („le bon allemand saxon“)  auszumachen, zum anderen die Dialekte einzeln zu identifizieren und miteinander zu vergleichen:

„Je vous engage en même temps à me transmettre des détails sur les divers dialectes allemands qui sont d’un usage vulgaire parmi les habitans de la partie de l’Empire que vous administrez. Je désire que vous me fassiez connaître quels sont les principaux caractères de ces patois soit par rapport à l’accent et à la prononciation, soit par l’emploi de mots et de tournures de phrases inusités dans le bon allemand saxon. Il serait à désirer que vous pussiez à l’aide de quelques personnes au fait de l’idiôme populaire (il doit s’en trouver notamment parmi les ecclésiastiques) m’envoyer la liste des expressions les plus remarquables de ces dialectes, accompagnée de quelques échantillons en chacun d’eux, notamment d’une ou plusieurs traductions de la parabole de l’enfant prodigue telle qu’elle se trouve dans l’évangile selon saint Luc, chapitre XV. Ce morceau de la Bible me paraît très propre à servir d’exemple parce qu’il ne renferme que des idées simples et familières à tout le monde et j’ai cru par cette raison devoir le choisir comme terme commun de comparaison entre les divers langages sur lesquels mon ministère possède déjà des renseignements. Supposé que les patois en usage dans votre département présentent entr’eux des différences assez marquées pour devenir sensibles dans la traduction de cette parabole je vous saurais gré de m’indiquer quelles sont à peu près les limites de l’étendue de pays où chacun de ces dialectes se parle.“ (Quelle: Lha Koblenz, Bestand 276, Präfektur des Saardepartements zu Trier, Sachakte 1965)

Nach Wyttenbachs Schreiben zu urteilen, wurde die Anfrage von einem der Bürochefs der Präfektur bearbeitet. Es scheint aber auch, dass dieser sie vollständig an Wyttenbach weitergeleitet hat, der dann die Notiz als Antwort verfasste sowie geeignete Informanten für die Erstellung der Sprachproben empfahl. Sicherlich war Wyttenbach besser als die französischen Verwaltungsbeamten mit den lokalen Dialekten vertraut, wenngleich auch seine Beschreibung der Dialektverteilung recht vage ausfällt. In seinen eigenen Publikationen hat er sich nicht mit dialektologisch-ethnographischen Fragen auseinandergesetzt.

Die Resultate wurden am 11. Oktober 1811 nach Paris übersandt. Das Dossier befindet sich heute in der Französischen Nationalbibliothek (Fonds Coquebert de Montbret, NAF 5912) und umfasst das Antwortschreiben des Präfekten, eine Abschrift der Notiz Wyttenbachs ohne die einleitenden Zeilen an Moulon sowie drei Übertragungen des Gleichnisses vom Verlorenen Sohn. Umfang und Zusammensetzung der Auskünfte – insofern sie vollständig überliefert sind – entsprechen damit allerdings kaum dem Verlangten: Wortlisten wurden nicht angefertigt, von den drei Gleichnissen stammt nur eines aus der Saar, die anderen beiden aus dem Großherzogtum Berg, weitere andersartige Sprachproben (z.B. Volkslieder) fehlen gänzlich. Die Beschreibung dialektaler Merkmale in der Notiz bezieht sich ausschließlich auf die Trierer Mundart. Das Begleitschreiben des Präfekten an das Innenministerium spricht zudem von nur zwei Gleichnissen, da wahrscheinlich die beiden Versionen aus Berg nicht unterschieden wurden.

Alle drei Gleichnisse sind von Pfarrer V.J. Devora unterzeichnet. Da sie auf den 8. Oktober 1811 datiert sind – also nach dem Schreiben Wyttenbachs an Moulon – wurde dieser vermutlich erst nach der Empfehlung durch Wyttenbach eingebunden. Victor Josef Devora (1774–1837, auch Victor Joseph Dewora) wurde 1808 zum Pfarrer der Trierer Vorstadt St. Matthias ernannt. Ab 1810 organisierte er mit Unterstützung der französischen Behörden die erste Lehrerausbildung im damaligen Departement. Später wurde er Domkapitular, Dompfarrer und Stadtdekan in Trier und war auch über seine Region hinaus als Verfasser mehrerer theologischer und pädagogischer Schriften bekannt. Gebürtig stammte Devora jedoch aus Hadamar (heute in Hessen), das von 1806 bis 1813 zum Großherzogtum Berg gehörte. Die beiden bergischen Gleichnisübertragungen spiegeln also vermutlich seine individuelle Dialektkenntnis wider. Dem entspricht, dass eine der beiden die Mundart „comme on le parlait encore vers 1780“ darstellt, also zur Zeit von Devoras Kindheit und Jugend in Hadamar. Das dritte Gleichnis – aus Gerolstein – ist ebenfalls von Devora unterzeichnet, obschon dort eigentlich von 1803–1812 Peter Josef Kremer als Pfarrer tätig war. Bedauernswert ist, dass nun weder Devora noch Wyttenbach selbst eine Übertragung in die Trierer Mundart beigesteuert haben.

Hat Wyttenbach in seiner Notiz zumindest die Verteilung der Dialekte zutreffend beschrieben? Das nicht mit dem Saarland zu verwechselnde Departement Saar erstreckte sich über das Gebiet des sog. Rheinischen Fächers, d.h. des dialektalen Übergangsgebiets vom Niederfränkischen im Nordwesten über das Moselfränkische zum Rheinfränkischen im Südosten (nach heutiger Begrifflichkeit). Der größte Teil des Departements lag im moselfränkischen Raum, der Süden im rheinfränkischen Gebiet, die beiden bergischen Sprachproben verweisen in den niederfränkischen Dialektraum. Sprachlich bot das Departement also durchaus eine interessante wenngleich auch komplexe Situation. Zum Moselfränkischen zählen das „Trierer Platt“ ebenso wie die Mundarten in der südlichen Eifel und im Hunsrück sowie das Luxemburgische (Wälderdepartement) und die Koblenzer Mundart (Rhein-Mosel-Departement). Wyttenbachs Bemerkung, dass der Trierer Patois nur bis an die Grenze des Wälderdepartements reiche, ist also mindestens fragwürdig. Gleiches gilt für die Ähnlichkeit zwischen den Dialekten von Hunsrück und Mainz, da das Mainzerische bereits ein rheinfränkischer Dialekt ist. Überzeugender ist die Ähnlichkeit zwischen den Mundarten der Mosel und dem Koblenzerischen.

Insgesamt hinterlässt die Notiz den Eindruck, dass mangels genauer metasprachlicher Kenntnisse die Verwaltungsgliederung der Region Wyttenbachs Sicht auf die Sprachlandschaft stark beeinflusst hat. Damit veranschaulicht sie auch ganz allgemein die Schwierigkeiten, vor denen die beiden Coqueberts de Montbret in der Spracherhebung und besonders der Bestimmung der Dialektgeographie standen. Die Art und die Zuverlässigkeit der Aussagen der Korrespondenten variierten mitunter so stark, dass letztlich nur mittels seriell erhobener Sprachdaten die Überprüfbarkeit der subjektiven Aussagen und der Dialektvergleich gewährleistet werden konnten. Die Wahl eines einheitlichen Vergleichstexts in Form des Gleichnisses vom Verlorenen Sohn war dabei der entscheidende Schritt hin zu einer empirisch fundierten Dialektdokumentation. Mit dieser methodischen Entscheidung beeinflusste die napoleonische Sprachenerhebung als Vorbild nachhaltig die Entwicklung der Dialektologie und Sprachgeographie im 19. Jahrhundert. Ein Beispiel für eine Gleichnisübertragung aus dem deutschen Sprachraum soll im nächsten Beitrag vorgestellt werden.

 

Weiterführend

Gabriele B. Clemens, Die Notabeln der Franzosenzeit, in: Unter der Trikolore/Sous le drapeau tricolore. Trier in Frankreich – Napoleon in Trier/Trèves en France – Napoléon à Trèves, 1794-1814, Bd. 1, Hg. von Elisabeth Dühr und Christl Lehnert-Leven, Trier 2004, S. 105–180.

Kellner, Heinrich, Dewora, Victor Joseph, in: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 44, Leipzig 1877, S. 431–434. Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource.

F.X. Kraus, Wyttenbach, Johann Hugo, in: Allgemeine Deutsche Biographie. Bd. 5, Leipzig 1898, S. 106–107.

Wolfang Hans Stein (Bearb.), Die Akten der Verwaltung des Saardepartements 1798-1813. Inventar der Bestände Landeshauptarchiv Koblenz Bestand 276 und Landesarchiv Speyer Bestand G 9. Koblenz 1991.

 

Quelle: http://naps.hypotheses.org/999

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Kulturgeschichte Chinas im Netz (VIII): Tradition and Transformation of China

Die Seite Tradition and transformation of China, die im Herbst 2007 einen gleichnamigen Kurs[1]  an der Harvard University begleitete, bietet im Bereich “educational tools” neben einer allgemeinen Zeittafel zur Geschichte Chinas (Zeitraum: 5000 v. Chr.  bis 1989) auch Karten zur Topographie, zu den Verwaltungseinheiten, zur historischen Entwicklung Chinas und zu den “cultural regions” des Landes.

Zu Informationen über die einzelnen “cultural regions” gelangt man über den Menüpunkt “Cultural China”. Unter “Tutorials” finden sich dann mehrere Module zu ausgewählten Aspekten der chinesischen Kultur(geschichte), so etwa zu Architektur, Musik, Schrift und Chinoiserie, aber auch zum Leben der Gelehrten im kaiserlichen China (u.a. mit Kurzinformationen zur Geschichte des Schachspiels).

Die “Slide Shows (themed collections of images)” bieten eine Fülle von Bildmaterial zu den früh- und spätneolitischen Kulturen auf dem Gebiet des heutigen China. Einblicke in die verschiedenen Bronzegefäß-Typen des vorkaiserlichen China werden ebenso geboten wie auch Eindrücke von den Terrakotta-Figuren aus der Grabanlage des Ersten Kaisers. Auf einen zeitlich übergreifenden Abschnitt “Rituale” folgt eine Slide-Show zum Buddhismus in der Oase Dunhuang und zum Lotus-Sutra. – Darstellungen von Frauen aus der Zeit der Tang-Dynastie, eine Bildrolle aus der Yuan-Dynastie, Marionetten eines Schattentheaters, die “Schlachtenbilder” über Eroberung innerasiatischer Gebiete durch die Qing-Kaiser, städtisches Leben im frühen 20. Jahrhundert und Propagandakunst spannen den Bogen bis in die jüngere Vergangenheit.

Die ersten sieben Teile dieser Serie:

Kulturgeschichte Chinas im Netz (I)
Kulturgeschichte Chinas im Netz (II)
Kulturgeschichte Chinas im Netz (III)
Kulturgeschichte Chinas im Netz (IV): Vier Jahre “Bibliotheca Sinica 2.0.”
Kulturgeschichte Chinas im Netz (V): Die “Stanford Encyclopaedia of Philosophy”
Kulturgeschichte Chinas im Netz (VI): Das China Online Museum
Kulturgeschichte Chinas im Netz (VII): The Chinese Experience

  1. Peter Bol, Henrietta Harrison: Tradition and Transformation in China. – Für ein ähnliches Beispiel

Quelle: http://wenhua.hypotheses.org/1434

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FM4 zu Pikettys Kapital im 21. Jahrhundert

Für Malmoe und FM4 hat Pinguin es sich angetan, Thomas Pikettys 800-Seiter Das Kapital im 21. Jahrhundert durchzuackern; er kommt zum Schluss: Doch eines ist sicher: Sich auf die eine oder andere Weise vom Buchinhalt zu informieren, ist höchst sinnvoll verbrachte Zeit.

Na, wenn das keine Empfehlung für folgendes unter der Beteiligung von Ingo Stützle soeben herausgekommene Papier-Buch (ob's auch elektronisch erscheint?) ist:

Kaufmann, Stephan/Stützle, Ingo: Kapitalismus: Die ersten 200 Jahre. Thomas Pikettys »Das Kapital im 21. Jahrhundert« – Einführung, Debatte, Kritik. Berlin: Bertz + Fischer, 2014, 112 Seiten. [Verlags-Info]

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/1022216448/

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Das “Kiosque lorrain” – ein Beispiel für die Projekte zur Digitalisierung der französischen Regionalpresse (Mittwochstipp 50)

Eine ganze Reihe von Archiven, Bibliotheken und Mediatheken in Frankreich hat es sich zur Aufgabe gemacht, die französische Regionalpresse aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert zu digitalisieren und online zugänglich zu machen. Als gelungenes Beispiel soll hier stellvertretend das … Weiterlesen

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/2864

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