Die Dynamik des Polemischen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit (Erfurt, 16. – 18. Mai 2013) – Eine Workshop-Reflexion

 

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(Foto: Karoline Döring)

Als mich Anne Weinbrecht (Universität Erfurt), die zusammen mit Matthias Rekow (Forschungszentrum Gotha) den Workshop “Die Dynamik des Polemischen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit” organisierte, kurz nach Weihnachten eingeladen hatte, kam mir eigentlich sofort ein passendes Vortragsthema in den Sinn: Ich wollte die Gruppe der im 15. Jahrhundert gedruckten Türkentraktate im Spannungsfeld von Wissen, Diskurs und Medien vorstellen. Als Beispiel wählte ich Jörg von Nürnbergs „Geschicht von der Turckey“, einen Text der eine ziemlich interessante Druckgeschichte hat. Die sehr anregenden Diskussionen des Workshops haben mich dazu veranlasst, einige meiner Gedanken zusammenzufassen. Im Sinne der guten wissenschaftlichen Praxis, die konsequentes Anzweifeln aller Ergebnisse zum Prinzip erhoben hat, will ich mein Forschungsthema „Türkenkrieg und Medienwandel im 15. Jahrhundert“1 und auch meinen Vortrag rückblickend auf die von Matthias Rekow zu Beginn des Workshops gestellten sechs Fragen hin abklopfen.

  1. Worin liegt die Dynamik des Polemischen begründet?

Was den Türkendiskurs des 15. Jahrhunderts betrifft, muss die Dynamik wohl in der Beschleunigung2 der Verbreitung anti-türkischer Texte gesucht werden. Seit Mitte des 15. Jahrhunderts stand mit der neuen Technik des Druckens mit beweglichen Lettern ein neues Medium zur Verfügung, um Texte schneller und in höherer Auflage herstellen und verbreiten zu lassen. Spätestens ab 1480, dem Krisenjahr des europäischen Türkenkriegs, in dem Sultan Mehmed II. den Großmeistersitz der Johanniter auf Rhodos belagerte und die süditalienische Küstenstadt Otranto eroberte, kamen in immer kürzeren Abständen gelehrte und nicht-gelehrte Traktate zu Türken und Islam in Druck. Neben Religionstraktaten und Erfahrungsberichten zeitgenössischer Autoren wurden auch „Klassiker“ der hochmittelalterlichen Wissensliteratur, Kreuzzugshistorien oder ältere Anti-Islam-Traktate für den Druck herausgegeben, oft nachgedruckt und in meist hohen Auflagen verbreitet. Gerade nicht gedruckt – und hier würde ich eine Folge der Dynamik des Polemischen sehen wollen – wurden Texte, die einen anderen Zugang zur Türkenproblematik verfolgten. Die Koranübersetzung des spanischen Kardinals Juan de Segovia, die er zusammen mit einem muslimischen Rechtsgelehrten angefertigt hatte und die heute bis auf das Vorwort verloren ist, setzten genauso wie die “Cribratio Alchoran” und “De pace fidei” des deutschen Kardinals Nikolaus von Kues auf den friedlichen Weg der Konversion. 1482/83 wurde die „Geschicht von der Turckey“ des Jörg von Nürnberg gedruckt. Der Büchsenmeister hatte als Kriegsgefangener das Osmanische Reich bereist und dort Karriere gemacht. Nach seiner Rückkehr beschrieb er die Kriegszüge seines Herrn Mehmeds II. und gab auch Einblick in die Religion der Türken. Seinen späteren Herausgebern war der Text aber offenbar zu neutral formuliert, sodass sie ihn nachgerade zurechtstutzten, mit anderen polemischen Schriften, die ebenfalls im Druck kursierten, gruppierten und ihn für einen dezidiert anti-türkischen Rezeptionshorizont „aufpolierten“.3 Die Druckgeschichte von Jörgs Text zeigt, wie sich im Laufe des 15. Jahrhunderts durch den gezielten Einsatz der neuen Drucktechnik ein Pool an Wissen über die osmanischen Türken herausbildet, auf den Autoren, Drucker, Herausgeber und natürlich auch Leser zurückgreifen konnten. Dass dieser Pool aber nur eine einzige kohärente, antitürkische Geisteshaltung reflektierte, war jedoch nicht die Folge einer Disziplinierung der Wahrnehmung durch das neue Druckmedium, sondern die Folge des zeitgenössischen Türkendiskurses, der das über die Türken Sagbare und damit auch Druckbare regulierte.

  1. Kann Polemik als Katalysator und Antriebsmittel gesellschaftlicher Wandlungsprozesse gelten?

Die Erfindung des Druckens mit beweglichen Lettern hat in Verbindung mit der fast dauerhaften Aktualität der osmanischen Expansion zu einer Ausweitung der bekannten Formen der mittelalterlichen Öffentlichkeit(en) geführt. Die Produktionsphasen von Türkendrucken korrespondierten mit dem Verlauf der osmanischen Expansion: Ein aktueller Vorfall zog meist unmittelbar einen Anstieg der Produktion von Türkendrucken nach sich. Im Vergleich mit der gesamten Drucküberlieferung des 15. Jahrhunderts ergaben sich verschiedene Hochphasen, darunter das Jahr 1480, das nicht nur der Türkenkriegspropaganda einen Schub gab, sondern offenbar auch eine Nachfrage nach mehr Wissen über die Türken bewirkte. Diese wurde durch die verstärkte Produktion von Traktaten und Erfahrungsberichten bedient. In Bezug auf die Antriebskraft von Polemik für gesellschaftliche Wandlungsprozesse würde ich diesen Befund dahingehend interpretieren, dass nach dem Krisenjahr 1480 ein anderes Bedürfnis nach Information und Kommunikation zu den osmanischen Türken einsetzte, das weniger auf „Sensationslust“ und „Türkengräuel“, sondern mehr auf Sachwissen abhob. Denn auch wenn die Traktate nicht unserer heutigen Auffassung von informativer Lektüre entsprechen, versammeln sie doch das damals bekannte Wissen über Türken und Islam. Neben der kriegerischen Option gewann die „wissenschaftliche“ Auseinandersetzung mit dem Osmanischen Reich, seinen Bewohnern und vor allem seiner Religion offenbar desto mehr Gewicht, je erfolgloser sich die Kreuzzugspläne gestalteten.

IBZ Erfurt (Foto: Karoline Döring)IBZ Erfurt
(Foto: Karoline Döring)

  1. Welche Rolle spielt Polemik in der Herstellung von Differenz in der Konstruktion von Identitäten und Alteritäten?

Von allen Fragen war diese für mich am leichtesten zu beantworten. Ich habe Konstruktionen von Identität und Alterität vor allem in den sogenannten „Türkenreden“ untersucht.4 Das Vorrücken der osmanischen Türken, das mit der Eroberung von Konstantinopel 1453 einen ersten Höhepunkt erreicht hatte, gab im 15. Jahrhundert vielfach Anlass zum Reden. Sei es bei den großen „Türkenreichstagen“ der Jahre 1454/1455, dem Kongress von Mantua 1459 oder vor den Päpsten in Rom, es gab immer wieder Gelegenheit über – oder besser: gegen – die Türken zu sprechen. Das Reden bei solchen Gelegenheiten war ein integraler Bestandteil des politischen Prozesses. „Rhetorische Blockbildung“ durch Differenzierung und Aus-/Abgrenzung war ein gemeinschaftsstiftender Vorgang, der die Überlegenheit der Christen betonen, und angesichts der prekären außenpolitischen Lage unzerbrechliche Einheit unter ihnen schaffen sollte, um den Türkenkrieg voranzutreiben. „Die Türken w[u]rden zum traumatischen Auslöser und zum Wetzstein ‘europäischer’ Identität“5 Es ist kein Zufall, dass in dieser Zeit Konzepte von Europa als kultureller, religiöser und auch politischer Einheit mit anti-türkischer Polemik zusammengebracht werden. Die ausgedehnte Druckverbreitung und Textrezeption vieler „Türkenreden“ lässt auf einen großen Wirkungskreis schließen. Er geht über die Anwesenden auf dem deutschen Reichstag oder im päpstlichen Konsistorium hinaus. Mit der Drucklegung solcher Reden wird ein, nun nicht mehr physisch präsentes, sondern anonymes, absentes Publikum erreicht, das auf Grund von sozialer Stellung und politischem Rang sonst wohl nicht erfasst worden wäre, das aber nun Teil einer sich vor dem Hintergrund der Türkengefahr neu formierenden Öffentlichkeit wurde.

Stadtführung (Foto: Karoline Döring) Stadtführung
(Foto: Karoline Döring)

  1. Was sind die Erfolgsbedingungen von Polemik? Ist Polemik ohne Reaktion auch gleich erfolglose Polemik?

Voraussetzung für diese Fragen ist zunächst zu klären, wer in meinem Fall überhaupt mit Hilfe von Polemik zu einer Reaktion bewegt werden sollte und was für eine Reaktion respektive was für einen Erfolg die Polemik haben sollte. Erwartet man wie bei religiösen und konfessionellen Kontroversen der Frühen Neuzeit eine Gegenpolemik wird man – es ist fast überflüssig zu sagen – enttäuscht, denn die türkische Gegenseite bleibt im europäischen Druck bis 1500 stumm. Ein Traktatkrieg wie in der Konziliarismusdebatte oder der Reformationszeit wurde nicht ausgefochten. Einzig die sogenannten Sultansbriefe,6 das sind fiktive Briefwechsel zwischen osmanischen Sultanen und europäischen Fürsten und die “Tragedia de Thurcis et Soldano” (1497) des süddeutschen Humanisten Jakob Locher, in der der Sultan als mahnende Figur auftritt, erwecken den Eindruck einer Reaktion. Doch waren solche Texte natürlich nur osmanische Pseudo-Antwort, die entweder dem literarischen Geist eines Humanisten oder der kanzlistischen „Schreibwerkstatt“ entstammten. Ganz zu schweigen von den hochmittelalterlichen Vorlagen, die sie ausschrieben. Polemik provozierte in meinem Fall also nie eine Reaktion der Gegenseite. Zwingend erfolglos war sie deswegen noch nicht, denn das Publikum, das mit der Polemik erreicht werden sollte, war nicht die Gegenseite, sondern vielmehr die eigene Seite. Durch drastische Schilderungen der „Türkengräuel“, negative Stereotypisierungen des Gegners und rhetorisch hochpolierte Argumentationsstrategien, sollten die Fürsten zum gesamteuropäischen Türkenkrieg bewegt werden. Gemessen am Ergebnis – der gesamteuropäische Türkenkrieg blieb bis auf wenige Einzeloperationen im 15. Jahrhundert Postulat – war die anti-türkische Polemik hier aber tatsächlich erfolglos. Über die verschiedenen Kontexte, in denen Polemik auftrat, wäre sicher auch etwas über die Erfolgsbedingungen zu erfahren – sicher die spannendere der beiden Fragen – doch im Moment für mich nicht zu beantworten.

  1. Wer sind die Initiatoren und Akteure polemischer Prozesse? Welche Rolle spielen Gruppierungen und Rezipientenkreise?

Durch Marc Mudraks Vortrag zu einem Familien-Flugschriftenstreit aus der frühen Reformationszeit ist mir einmal mehr klar geworden, dass eine Drucklegung nicht automatisch eine Ausweitung des Streits auf eine Öffentlichkeit nach sich ziehen musste, die den Ball dann aufnahm und sich ebenfalls positionierte. Denn nachdem eine der beiden Streitparteien gestorben war, hattedies den Abbruch der Polemik zur Folge, obwohl der familiennahe Adressatenkreis der Flugschriften durch die Drucklegung bereits ausgeweitet war. Polemik bleibt also stark an den Akteur oder die Akteure gebunden. Dem Türkenthema war jedoch eine dauerhafte Aktualität im 15. Jahrhundert beschieden, dieser Ball wurde also immer wieder von verschiedenster Seite aufgegriffen. Zum einen lag das am Fortschreiten der osmanischen Expansion, die immer wieder eine Beschäftigung und Reaktion vor allem der kirchlichen und weltlichen Hierarchie herausforderte. Zum anderen würde ich hier den Einfluss des Rezipienten sehen. Es bildeten sich „Expertengruppen“, die zu einer kontinuierlichen Textproduktion beitrugen und den Wissenspool beständig auffüllten. Neben den Theologen als traditioneller Deutungsmacht der Türkengefahr nahmen die Humanisten als „neue“ Experten immer wieder Stellung zur osmanischen Expansion. Vereinzelt taten dies auch Augenzeugen, die das Osmanische Reich bereist hatten. Dies sorgte dafür, dass auch unabhängig von der aktuellen politischen Situation die Türkenfrage im Druck spätestens nach 1480 nie an Aktualität verlor.

  1. Stadtführung (Foto: Karoline Döring) Stadtführung
    (Foto: Karoline Döring)

    Kann man von einer Objektivität der gewonnenen Positionen in einem dynamischen Prozess des Polemischen sprechen?

Gegenfrage: Kann eine Position, die zu Polemik greift, überhaupt objektiv sein bzw. es werden? Die Türkenkriegsdiskussion im 15. Jahrhundert wurde jedenfalls politisch, religiös, gesellschaftlich und auch emotional zu einem großen Teil von viel älteren Diskursen (Autorität, Feinbild, Heilsgeschichte, Wissen etc.) bestimmt. Die Gegenseite blieb, wie gesagt, stumm. Eine Dynamik gewinnt die verbliebene Position nun allenfalls durch das Hinzukommen neuer Akteure und neuer Mittel. Die Humanisten brachten den angeblichen Bildungshass und die Legenden von der skythischen, barbarischen Herkunft der osmanischen Türken sowie ein identitätsstiftendes Europa-Konzept als neue Argumentationsstrategien in die Diskussion ein. Verbreitet wurden diese Ideen schließlich durch die neue Drucktechnik, womit wir wieder beim Anfang und bei der Frage wären, worin das Dynamische und Prozesshafte des Polemischen im Türkendiskurs begründet lag: in der Beschleunigung der Verbreitung von Texten.

 

Zum Workshop erscheint in Kürze ein Tagungsbericht von Teresa Baier auf HSozKult, der hier nach Erscheinen verlinkt wird. Das Programm gibt es hier.

1Vgl. meinen Blogbeitrag vom 12. Mai 2013

2Zu den Gesetzen der Medienkommunikation: Ulrich Saxer, Mediengesellschaft: Eine kommunikationssoziologische Perspektive, Wiesbaden 2012.

4Karoline Döring, Rhetorik und Politik im 15. Jahrhundert: die „Türkenreden“ und ihre Verbreitung im Druck, in: Rhetorik in Mittelalter und Renaissance: Konzepte – Praxis – Diversität (Münchner Beiträge zur Geschichtswissenschaft 6), hrsg. von Georg Strack und Julia Knödler, München 2011, 429-453.

6Zu den Sultansbriefen bereite ich eine eigene Studie vor, die die Überlieferung zusammenstellen und diese nach rezeptionsgeschichtlichen Aspekten auswerten wird.

 

 

 

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/1487

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Open Access zu staubigen Plunderkammern? Quellen zur Adelsgeschichte im Netz

Aus dem Eckturm des barocken Wasserschlösschens dringt noch ein Licht in den grauen Winterabend. Seit vielen Stunden schon sitzt der weithergereiste Forschende, die seltene Besuchsgelegenheit nutzend, fasziniert über Reisetagebüchern, Schreibkalendern und der altgräflichen Privatkorrespondenz. Gebrauchsspuren verschiedenster Art und die Aufbewahrung manch’ sensiblen Schriftstücks in zerfurchten Fluchtkisten lassen bereits einiges erahnen. Beim Durchblättern der modrigen Folioseiten fällt dem Benutzer plötzlich eine Haarlocke entgegen, und dann diese merkwürdigen Kerben im Papier. Unter den auffordernden Blicken der im zugigen Turmzimmer verewigten Ahnen kommt ihm schon bald der entscheidende Gedanke… .

 

Wer einmal in einem Adelsarchiv geforscht hat, wird die ganz besondere Atmosphäre sicherlich fast ebenso sehr empfunden haben. Hier am “Original” zu arbeiten, ist einmalig – und eine immens wichtige Erfahrung! Wer demgegenüber ein online publiziertes, hochauflösend präzises Quellendigitalisat oder gar eine Transkription, wenn nicht vollständige Edition nutzen kann, steht keineswegs abseits. Er wird seine Studien in aller Regel schneller vorantreiben können, mehr Material sichten und auswerten. Und er wird womöglich nicht lange allein bleiben. Denn die Sichtbarkeit der Überlieferungen, und damit der Adelsgeschichte an sich, wird durch das Medium Internet förmlich potenziert. Dabei schont der Nutzer das unwiederbringliche Archivgut, ganz zu schweigen von der Umwelt, seinem Geldbeutel und noch dazu die Zeit des betreuenden Archivars und/oder Archivbesitzers. Hätte er diesen nicht noch gern vor Ort einige Fragen gestellt?

 

Mit der Online-Publikation einer Auswahl den einzelnen Themenbeiträgen zugrundeliegender Quellentranskriptionen nimmt die multiperspektivische Netzbiographie zum Fürsten Joseph zu Salm-Reifferscheidt-Dyck den oben skizzierten Diskurs ein gutes Stück weit auf. Sie möchte die besonderen Chancen der Adelsforschung einer breiteren Öffentlichkeit vermitteln, aber ebenso für ihre Spezifika sensibilisieren – und nicht zuletzt zur Diskussion anregen.

Florian Schönfuß

Quelle: http://rhad.hypotheses.org/113

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SUDOC – der Katalog der französischen Hochschulbibliotheken, Teil 2

Im vorangegangenen ersten Beitrag wurde der Katalog der französischen Hochschulbibliotheken Sudoc vorgestellt. In diesem Teil soll es nun genauer um die Benutzoberfläche und die angebotenen Funktionen gehen. Der Katalog ist online und als Version für mobile Geräte zu erreichen: Browser: … Continue reading

Quelle: http://francofil.hypotheses.org/360

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Alexander König: Geschichtsvermittlung in virtuellen Räumen, in: bpb.de [11.09.2012]

http://www.bpb.de/143889 Welche Rolle spielen die technischen Mittel in der historisch-politischen Bildungsarbeit? Das Lernen hat sich durch die Entwicklung digitaler Medien in den letzten Jahrzehnten stark verändert, dies hat auch Auswirkungen auf die Auseinandersetzung mit Geschichte. Diesen und anderen Aspekten widmet sich der Blogger von brennpunkt-geschichte.de Alexander König, der hierbei auch die verschiedenen Entwicklungsstufen des E-Learnings […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/06/4520/

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Latein in der Feldkorrespondenz

„Mitunter kamen die lateinischen Weisheiten ihm bequem.“ So Golo Mann in seiner Wallenstein-Biographie über den Protagonisten (S. 408). Und tatsächlich findet man über das gesamte Werk verteilt immer wieder Zitate aus der Korrespondenz des Feldherrn, in der entsprechende Sentenzen auftauchen. „Amor et dominium non patitur socium“, räsonnierte Wallenstein über die damaligen Machtkonstellationen, besonders mit Blick auf Schweden. „Fronte capillata est, post haec occasio calva“ war sein warnender Satz an die Vertreter Stralsunds, den Widerstand gegen die kaiserliche Belagerungsarmee nicht mehr allzu lange aufrecht zu halten. Was ist nun mit diesen lateinischen Sprüchen anzufangen?

Für den Biographen Mann bietet es zunächst die Möglichkeit, eine weitere Facette der Persönlichkeit Wallensteins zu beleuchten. Der oft als dämonisch, kalt und berechnend dargestellte Feldherr hatte eben auch seine Schrullen, und dazu gehörte offenbar die Eigenheit, den alltäglichen Schriftverkehr mit ein wenig Bildungssubstrat zu unterfüttern. Wallenstein hatte, wie es sich für einen Adligen gehörte, ein wenig studiert und auch eine Cavalierstour absolviert, die ihn bis Italien geführt hatte. Gleichwohl wird man ihm sicher nicht gerecht, wollte man in dieser Manier nur ein Protzen mit angelernten lateinischen Sprüchen sehen. Natürlich war er im Kreise der Reichsfürsten ein Emporkömmling, doch seine Akzeptanz konnte und wollte er mit diesen Latinismen nicht erhöhen. Vielmehr tat der Herzog von Friedland das, was allgemein verbreitet war: Lateinische Einsprengsel finden sich in der Korrespondenz des 17. Jahrhunderts allenthalben.

Daß die Kanzleien dieser Zeit längst von Schreibern bevölkert waren, die eine solide Ausbildung genossen hatten, dabei nicht nur in der klassischen Literatur bewandert waren, sondern auch Latein als Idiom der Gelehrten beherrschten, ist keine Neuigkeit. Hier fällt aber auf, daß auch im Schriftverkehr der Militärs lateinische Sentenzen häufig auftauchten. Natürlich waren die Offiziere ganz überwiegend Herren von Stand, und viele von ihnen hatten ähnlich wie Wallenstein eine gewisse Bildung genossen. Doch die Feldkorrespondenz, die im Alltag des Kriegs entstand und ihn reflektierte, bot kaum Anlaß für geistige Feinsinnigkeiten. Das hinderte die Offiziere nicht, in ihren Schriftstücken immer wieder lateinische Versatzstücke einzuflechten. Dies gilt auch für einen Kommandeur wie Pappenheim, dessen Bild in der Literatur vor allem das des draufgängerischen Kavalleristen ist. (Vor einiger Zeit hab ich einmal die andere, gelehrte Seite Pappenheims nachzuzeichnen versucht.)

Über diese gelehrten Anflüge einiger Militärs hinaus ist aber auch zu beobachten, wie sehr die Briefschaften in diesen Jahren von lateinischen Ausdrücken und Halbsätzen geprägt waren. Für Philologen und Germanisten nicht überraschend, doch frage ich mich, inwieweit nicht auch Historiker aus dieser Beobachtung Erkenntnisse ableiten können. Lassen sich bestimmte Wendungen häufig erkennen? Aus welchen literarischen oder lexikalischen Bereichen sind diese Latinismen entnommen: vor allem aus der Jurisprudenz, der Theologie, der Geschichtsschreibung oder auch der Dichtung? Und gibt es bestimmte thematische Kontexte, in denen derartige Versatzstücke auftauchen? Mir selbst sind keine Arbeiten dazu bekannt (vielleicht habe ich Forschungen übersehen?), aber mir erscheint die Mühe lohnenswert, Untersuchungen in dieser Richtung voranzutreiben.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/142

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Anrechnung von außerhochschulisch erworbenen Kompetenzen auf ein Hochschulstudium

http://idw-online.de/pages/de/event42750 Die Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge fördert die Durchlässigkeit von beruflicher Bildung und Hochschulbildung. Durch die Vermeidung von doppelten Lernprozessen wird die Studiendauer verkürzt bzw. die Studienbelastung verringert. Der in Stuttgart stattfindende Workshop der Akkreditierungsagentur FIBAA widmet sich hiermit einem längst überfälligem Thema.

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2013/06/4517/

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Nordische Mythologie goes digital: Thor und Odin auf dem Tablet-PC

Ein Gastbeitrag von Thomas Mohnike. Was passiert, wenn man Thor, Odin und Freyja aus den isländischen Manuskripten, den Einführungswerken und Edda-Editionen auf das iPad umsetzt, um sie der „taktilen Leserschaft“ näher zu bringen? Ist dies nicht eine Leserschaft, die oft in Computerspielen wie Age of Conan, World of Warcraft, in Filmen wie Lord of the Rings und Thor, in japanischen Mangas und norwegischem Black Metal die erste Bekanntschaft mit Odin und Loki gemacht haben? Wie muss man sich den Mythen des alten Nordens nähern, damit neuen Nutzer zugleich Spaß und Interesse entwickeln, um in die bekanntermaßen schwierige und oft unbefriedigende Welt der Quellen einzutauchen? Laut MacLuhan und anderen Medientheoretikern verändert sich das, was man erzählt, wenn man das Medium wechselt. Inwiefern hat also die gegenwärtige Medien(r)evolution einen Einfluss auf das, was wir im Bereich der Skandinavistik und der Nordeuropäischen Geschichte zu erzählen haben?

Die beste Art, solche Fragen zu beantworten, ist vielleicht das Live-Experiment. Nach einer Begegnung mit Wouter van der Veen, Dozent an der Université de Strasbourg und Autor einer Applikation zu van Gogh, war schnell der Wunsch geboren: Ja – lasst uns sehen, wie ein derart spannendes wie auch komplexes Thema in diesem neuen Medium aussieht, wie es sich verändert und was es auf andere Art und Weise erklärt. In Zusammenarbeit mit einem schnell gewachsenen und interdisziplinären Team – neben dem Verfasser dieser Zeilen sind hier Pierre-Brice Stahl, Gabriela Antunes und Giacoma Bottà zu nennen, Loïc Sander stand für die graphisch-technische Umsetzung – entstand so Dreams of Valhalla, eine iPad-Applikation, die die Vorteile eines klassischen, typographisch anspruchsvoll gestalteten Buches mit jenen des neuen Mediums kombiniert – Video-Interviews mit Experten und Praktikern der Nordischen Mythologie, interaktive, taktile, didaktische Elemente, hochauflösende Bilder von Manuskripten, die man anfassen und auch – vorsichtig – wieder säubern kann, wenn allzu viele Fingerabdrücke hinterlassen hat.

dreamsofvalhalla

Die Applikation ist in drei große Abschnitte geteilt – Quellen, Mythen und Rezeptionen. Sie sensibilisiert also zunächst dafür, auf welche Quellen wir uns stützen können – und vor welche Probleme diese Quellen uns stellen. Es folgt eine umfassende Einführung in das Erzähluniversum der nordischen Götter, um schließlich am Ende in einem historisch-geographischen Kapitel die Rezeptionsgeschichte zu erläutern und anzudeuten, wo wir heute jene Mythen finden können, und warum sie so aussehen, wie sie heute aussehen. 250 Seiten Texte, Bilder, Manuskripte, 55 Minuten Video und zahlreiche interaktive Elemente – das alles findet sich in dieser iPad-App.

Die interessantesten interaktiven Elemente finden sich vielleicht im Quellenteil. Hier kann der Leser das komplexe Verhältnis von Edda-Liedern und Manuskripten durch Berührung mit dem Finger erfahren und dabei verstehen, wie dynamisch und heterogen das Korpus der Edda-Lieder ist. Ein anderes Element lässt den Benutzer einen Runenstein transkribieren und dabei entdecken, wie faszinierend und doch zugleich enttäuschend Runensteine bezüglich der nordischen Mythen sind.

Dreams of Valhalla – Trailer from arthénon on Vimeo.

Vielleicht die größte Verwandlung im Vergleich zu klassischen Einführungen hat die Präsentation der Mythen erfahren. Inspiriert von neueren Überlegungen zur erzählerischen Instabilität der nordischen Mythen, insbesondere durch die einschlägige Studie von Anette Lassen, haben wir das Erzählen in den Mittelpunkt gestellt: Was erzählen die Mythen über Liebe und Leidenschaft, Krieg und Hass, die Erschaffung der Welt und ihr Ende? Wir versuchen also nicht, einen Pantheon zu erklären, sondern das Erzähluniversum der Mythen zu erkunden, ohne die stellenweise beeindruckende Widersprüchlichkeit glätten zu wollen.

Dreams of Valhalla existiert im Augenblick nur für das iPad. Die Software, die unsere Götter im Hintergrund antreibt, ist noch nicht mit den anderen gebräuchlichen Betriebssystemen kompatibel. Wir hoffen, dass die zuständigen Informatiker bald Rat bei Mimirs Quelle suchen.

Das Wichtigste in Kürze:

Dreams of Valhalla. Erhältlich auf iTunes zum Preis von € 4,49.

Autoren: Thomas Mohnike mit Gabriela Antunes, Giacomo Bottà und Pierre-Brice Stahl.

Verleger, Herausgeber und technische Umsetzung: Wouter van der Veen und Loïc Sander.

Link zur Facebook-Präsenz des Projekts.

Dr. Thomas Mohnike ist Maître de conférences am Département d’études scandinaves an der Université de Strasbourg. Der Literatur- und Kulturwissenschaftler hat zu den skandinavischen Literaturen, der Darstellung des Eigenen und des Fremden in diesen und mit der modernen Rezeption nordischer Mythologie geforscht. Er beschäftigt sich auch mit der Geschichte der Germanenkunde und Skandinavistik an der einstigen “Reichs-Universität” Straßburg.

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/1616

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