Seit Februar 2012 bietet die Alfred-Escher-Stiftung mittels einer digitalen Edition allen Interessierten Zugang zu der Korrespondenz des Politikers und Wirtschaftsführers Alfred Escher, welche ein partei-, sozial-, mentalitäts-, wirtschafts- und nicht zuletzt auch wissenschaftsgeschichtliches Zeitzeugnis für die Schweizer Geschichte des 19. Jahrhunderts und darüber hinaus darstellt.
Die digitale Fassung (www.briefedition.alfred-escher.ch), welche die bereits erschienenen gedruckten Bände aufnimmt, die zukünftig erscheinenden begleiten und insgesamt über die Druckfassung hinausgehen wird, umfasst rund 4500 Schriftstücke – meist in deutscher Kurrentschrift – wovon 1000 Briefe von Escher selbst verfasst, die übrigen an ihn gerichtet sind. In der ersten Veröffentlichung sind 501 Briefe frei verfügbar, die übrigen werden bis 2015 hinzukommen.
Ziel der Edition ist es, die Korrespondenz einem breiten Kreis von Forschern sowie interessierten Laien mittels einer möglichst funktionsreichen, gleichzeitig aber intuitiven und leicht benutzbaren Oberfläche zugänglich zu machen und im Hinblick auf Vernetzung, Präsentation, Personalisierungsmöglichkeiten und Datenmenge alle Möglichkeiten einer digitalen Edition auszuschöpfen – und dabei vielleicht sogar neue Wege aufzuzeigen.
Vielfältige und anwenderfreundliche Mittel ermöglichen den Umgang mit dem umfangreichen Quellenmaterial. Digitalisate, welche hinsichtlich Lesbarkeit die vorhandenen Originale, die sich größtenteils in verschiedenen Archiven und Bibliotheken der Schweiz befinden, weit übertreffen, sind für alle Briefe vorhanden. Jeder einzelne Brief wird in drei unterschiedlichen Ansichten dargeboten: (1) als
„Editierter Text“, (2) als „Diplomatischer Text und Bild“ und (3) als „Faksimile“. Die Variante „Edierter Text“ bietet eine normierte Transkription, verbunden mit textkritischen und Sachanmerkungen, die der Darstellungsweise in der gedruckten Editionsreihe entspricht. „Diplomatischer Text und Bild“ zeigt eine quellennahe Transkription, welche von editorischen Eingriffen weitgehend frei ist, dafür aber die Eigenheiten des Originaldokuments (z.B. Zeilenfall, Ausrichtung der Absätze, Einfügungen und Streichungen) abbildet. Beim Überfahren der Transkription mit der Maus wird ein gezoomter Ausschnitt des Faksimiles gezeigt, welcher die entsprechende Textzeile enthält, um so die parallele Betrachtung des Originaltextes bequem zu ermöglichen (Text-Image-Linking). Die Ansicht „Faksimile“ gestattet die seitenweise Betrachtung der digitalisierten Originalquellen, welche zur Verbesserung der Lesbarkeit auch vergrößert werden können. In allen Darstellungsvarianten kann zu den „benachbarten“ Briefen navigiert werden.
Neben dem Quellenbestand dienen zahlreiche weitere Texte und Dokumente der Kontextualisierung der Korrespondenz. Ausführliche Register für sämtliche in Briefen und Überblickskommentaren erwähnte Personen (teilweise mit Kurzbiografien) und Orte (Normbezeichnungen), ein Verzeichnis aller verwendeten Abkürzungen sowie eine Bibliographie mit Quellen und Literatur werden ebenfalls bereitgestellt. Die verschiedenen Browsing-Zugänge erleichtern den schnellen Zugriff auf die dargebotenen Materialien. Die Briefe selbst können nach Datierung, Autor oder Empfänger sortiert und nach Korrespondent, Rolle, Datierung und Schlagwort gefiltert werden. Mittels einer “facettierten Suche” kann der Benutzer z.B. wählen, ob er die Suche auf das Briefmaterial, die Überblickskommentare oder Orte einschränken möchte. Für angemeldete Benutzer besteht zudem die Möglichkeit zu einer Personalisierung der Edition. Nach einer einfachen Registrierung erlaubt es diese Funktion, Suchergebnisse, Arbeitsmappen und persönliche Einstellungen zu verwalten und zu speichern.
Einen anderen innovativen Zugang zu den editierten Dokumenten bei gleichzeitiger Verortung der Dokumente in ihrem Kontext stellt die Chronologie dar, welche den gesamten Zeitraum von Eschers Leben (1819 bis 1882) umfasst. Zwei verschiedene Darstellungsweisen sind hier möglich. In der jahresgenauen Ansicht wird die Anzahl der Briefe dargestellt, die in dem jeweiligen Jahr entstanden sind, während zugleich Eschers Ämter und Funktionen, die er zu dieser Zeit inne hatte sichtbar gemacht werden. In der Tagesansicht werden die einzelnen Briefe an ihrem Entstehungstag abgebildet und ebenfalls mit Ereignissen aus Eschers Leben, seinen Ämtern und Funktionen in Beziehung gesetzt, zu denen Kurzinformationen angezeigt werden, wenn der Cursor über das jeweilige Icon bewegt wird. Bei Klick auf das Icon öffnet sich eine Box mit weiterführenden Informationen zum entsprechenden Eintrag.
Vom technischen Setup her entspricht die Briefedition Escher den aktuellen Anforderungen. Persistente URLs zur direkten Adressierung der einzelnen Inhalte stellen die dauerhafte Verfügbarkeit und Zitierfähigkeit sicher. Alle Inhalte liegen im XML-Format vor. Die Datenhaltung der XML-Daten erfolgt in einer nativen XML-Datenbank (eXist). Die Auszeichnung der Dokumente basiert auf den Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI), wurde jedoch für die besonderen Bedürfnisse der Edition angepasst.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Escher-Stiftung mit dieser digitalen Edition eine herausragende Arbeit gelungen ist. Auch wurde hier ein wichtiger Beitrag zur Etablierung einer „best practice“ geleistet. Hinsichtlich Vernetzung und Präsentation etabliert die Briefedition Escher einen neuen Standard, an dem sich zukünftige Editionsprojekte messen lassen werden müssen.
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=543