Zwischen den Zeilen.


Die soziale und psychologische Funktion von Feldpostbriefen

Lucinda Jäger

Wer heute etwas über den Krieg aus Feldpostbriefen herausfiltern möchte, der werde – so der Literaturwissenschaftler Jens Ebert über die Arbeit mit dieser Quelle – in vielen Fällen im ersten Moment enttäuscht, ja bleibe beim Lesen „hilflos zurück“.[1] Denn eben so oft verwundern nicht nur die Themen, sondern auch die Art, wie über diese geschrieben wird. Mehr noch werfen gerade jene Themen Fragen auf, die in der Feldpostkommunikation ausgespart bleiben: der Kriegs- und Frontalltag und die damit verbundenen, meist negativen, traumatischen Erlebnisse der Soldaten. Auch in den Briefen Heinrich Echtermeyers an seinen Bruder Bernhard wird die Kriegswirklichkeit oftmals allein fragmentarisch beschrieben. In den 58 überlieferten Feldpostbriefen und ‑karten berichtet er allenfalls sporadisch und wenn, so wenig detailliert über die von ihm erlebten Kriegsereignisse an der Ostfront. Stattdessen überwiegen scheinbar triviale Themen wie Wettereindrücke und Naturwahrnehmungen, Fragen nach der Heimat oder sich wiederholende Begrüßungs- und Abschiedsformeln.[2]

Feldpostbriefe erfüllten sowohl für Soldaten als auch für deren Verwandte in der Heimat eine soziale und psychologische Funktion: Sie ermöglichten ein Aufrechterhalten der familiären und sozialen Netzwerke, festigten beidseitig soziale Bindungen.[3] Der Historiker und Geschichtsdidaktiker Peter Knoch beschreibt Feldpostbriefe als „lebenswichtige Verbindungsfäden zwischen getrennten Menschen; sie geben dem Frontsoldaten inneren Halt und Lebenssinn, den Verwandten daheim sind sie immer aufs neue Lebenszeichen.

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Quelle: http://feldpost.hypotheses.org/177

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Das Experiment des Orphée

Wer hätte das erwartet? Ein Komponist verteidigt sich und sein bei der Presse durchgefallenes Werk in einem offenen Brief an die Hessischen Nachrichten, indem er betont, dass sein Mitarbeiter und er sich »seit sechs Jahren jede ästhetische Ambition versagen.«1 Ein Kunstwerk ohne Kunstanspruch – wie hat man sich das vorzustellen?

Wer sich hier öffentlich von künstlerischen Ambitionen freispricht, ist Pierre Schaeffer (1910–1995), französischer Ingenieur, Komponist und Erfinder der sogenannten »Musique concrète« (kurze Beschreibung folgt weiter unten). Zur Vorgeschichte: Bei den Donaueschinger Musiktagen wurde am Samstag, den 10. Oktober 1953, Orphée 53 – ein Gemeinschaftswerk von Pierre Schaeffer und Pierre Henry – uraufgeführt. Es handelt sich dabei um eine moderne Form der Oper, oder wie es im Untertitel heißt: um ein Spectacle lyrique, für Magnetband, Gesang und Cembalo. Die überwiegend negativen Stimmen aus Publikum und Presse werfen den Urhebern Dilettantismus vor, die Klänge des Werks seien unmenschlich und könnten nicht mehr als Musik bezeichnet werden.

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Quelle: https://avantmusic.hypotheses.org/281

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Historische Filmkritik: Geheimnisse einer Seele (1926)

von Martin van Breusegem „Werner Krauß formt den leidenden Mann zu einer unvergesslichen Gestalt. Sein Gang, sein Blick, sein schreiender Mund, die mordverführten Fäuste, der Teufel in ihm.“1 Mit diesen wenigen, aber starken Worten beschrieb ein Filmkritiker am Tag nach der Kinopremiere die außergewöhnliche Performance des Hauptdarstellers von „Geheimnisse einer Seele“. Der Film erzählt die Geschichte von Martin Fellman (Werner Krauß), einem Chemiker, bei dem neurotische Symptome auftreten und der dank psychoanalytischer Methoden davon geheilt wird. Die Handlung: Ein Krankenbericht Auslöser der Krankheit ist … Historische Filmkritik: Geheimnisse einer Seele (1926) weiterlesen

Quelle: http://beruf.hypotheses.org/257

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Überlegungen zu heutigen Perspektiven auf nationalsozialistische Täterinnen und Täter

Von Sarah Kleinmann Ich möchte im Folgenden einige Überlegungen zu heutigen Perspektiven auf nationalsozialistische Täterinnen und Tätern teilen. Zunächst und erstens ist die Formulierung “nationalsozialistische Täterinnen und Täter” allerdings sehr weit, und somit auch relativ unkonkret. Die historische Situation war komplex, es gab diverse Formen von Verbrechensbeteiligung zu unterschiedlichen Zeitpunkten an verschiedenen Orten Europas. Spricht man im Plural von “nationalsozialistischen Täterinnen und Tätern”, so sind damit theoretisch heterogene Akteurinnen und Akteure verschiedenen Alters, Geschlechts und sozialen Hintergrunds bezeichnet, die in unterschiedlicher Funktion auf verschiedenen … Überlegungen zu heutigen Perspektiven auf nationalsozialistische Täterinnen und Täter weiterlesen

Quelle: http://erinnern.hypotheses.org/378

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Identitäten durch Umfragen besetzen? Das Beispiel der EU-weiten LGBT-Umfrage von 2012/13

Von Anne Lammers

Am Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie, den 17. Mai 2013, stellte die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA / European Union Agency for Fundamental Rights) eine EU-weite Umfrage unter LGBT-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender) vor. Dies war eine Prämiere: Die Erhebung ermöglichte der Politik, den Medien sowie LGBT-Gruppen selbst zum ersten Mal den direkten Vergleich von Diskriminierungserfahrungen in EU-Mitgliedsländern. Derartiges Unrecht wurde nun für den gesamten EU-Raum sichtbar und anhand von “Fakten” untermauert. Im Folgenden wird die Umfrage daher in ihrer identitätsstiftenden und politischen Bedeutung diskutiert.

Das Europäische Parlament hatte 2010 die Europäische Kommission aufgefordert, „Erhebungsdaten über gegen LGBT-Personen gerichtete Hassverbrechen und Diskriminierung in allen damaligen EU-Mitgliedsstaaten und Kroatien zusammenzutragen.“ (FRA, LGBT-Erhebung, 3) Die Kommission beauftragte schließlich die FRA mit der Konzeptualisierung und Durchführung einer Online-Studie mit dem offiziellen Titel „Erhebung der Europäischen Union über die Diskriminierung und Viktimisierung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen“. FRA wiederum arbeitete mit Gallup Europe und ILGA Europe zusammen, die die technischen Aspekte der Umfrage umsetzten.

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Quelle: http://etatsocial.hypotheses.org/781

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Der Fall F. F.: Ein tapferer Deserteur

Mit Deserteuren wird generell ein negatives Bild verbunden. Es handelt sich dabei um jemanden, der seine Pflicht verletzt und seinen Posten verlassen hat. Kurz gesagt Feiglinge. Oder während des Ersten Weltkriegs: Schwachsinnige oder Kriminelle. Auf jeden Fall scheint es sich um Personen zu handel (man kann hier bis 1918 auch ausschließlich von Männern sprechen), die aufgrund ihrer Handlungen bzw. Unterlassung ihrer Pflichterfüllung in Bereich der Wehrfähigkeit nicht teil der funktionierenden Gesellschaft sein können. Erst kürzlich begann in Österreich eine öffentliche Neudeutung der Deserteure des Zweiten Weltkrieges, die in diesem Kontext heute nicht als Feiglinge, sondern als Helden betrachtet werden müssen.

Während des Ersten Weltkrieges wurden Deserteure nun entweder als “Schwachsinnige” pathologisiert oder als Verbrecher kriminalisiert. Auf diese Weise war den Deserteuren jeder Anspruch auf “normale” Männlichkeit und Reintegration in die Gesellschaft genommen.

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Quelle: https://gewissen.hypotheses.org/16

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Jenseits der Metaphorik: Experimente in den Digital Humanities #dhiha6

442309087_5be9675549_bWie kommen wir in den Geisteswissenschaften zu wissenschaftlichen Ergebnissen? Verkürzt gesagt durch die hermeneutische Interpretation von Texten, Bildern und Objekten, durch das narrative Füllen von Leerstellen, die uns diese aufgeben, durch spezifische Verknüpfungen, die in der Geschichtswissenschaft zumeist eine temporale Struktur aufweisen. Idealtypisch folgen wir dabei einer Fragestellung, verwenden standardisierte Methoden, bemühen uns um Berücksichtigung verschiedener Standpunkte und sind uns der eigenen Subjektivität beim Abfassen einer Darstellung bewusst. Für Experimente bleibt dort kein Platz, es sei denn, man meint Gedankenexperimente1 oder definiert schon das “Sich-auf-die-Suche-machen- und-nicht-wissen-ob-es-zum-Thema-Material-gibt” als Experiment.

Zur Beantwortung einer bestehenden oder zur Generierung einer neuen Forschungsfrage jedoch, also als Methode im Erkenntnisprozess mit empirischen Anteil – und darum soll es hier gehen -, werden in den traditionellen Geisteswissenschaften keine Experimente gemacht. Wer dennoch von Experimenten spricht, meint zumeist ein “Ausprobieren”.

Anders, so scheint es, in den Digital Humanities: Experimente sind hier – allein schon sprachlich – omnipräsent. Lisa Spiro zufolge ist die Sprache der Digital Humanities voller Ausdrücke, die mit Experimenten verbunden sind.

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Quelle: http://dguw.hypotheses.org/257

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Freund und Favorit: Begriffliche Reflexionen zu zwei Bindungstypen an spätmittelalterlichen Höfen

(Beitrag zur Artikelreihe “Aufstieg und Fall an den europäischen Höfen des Mittelalters“)1

Am Anfang der folgenden Überlegungen steht eine Irritation: Sie resultiert aus der Bourdieu’schen Theorie von der Existenz unterschiedlicher Kapitalformen – des ökonomischen, sozialen und kulturellen Kapitals –, die im sozialen Miteinander mehr oder weniger konvertierbar sein sollten und vom Individuum zur sozialen Positionierung eingesetzt werden können. Zur Erklärung der sozialen Dynamik spätmittelalterlicher Höfe ist dieses Modell gleichermaßen einleuchtend und hilfreich.2 Es weist aber mindestens eine Bruchstelle auf: So gut es viele (wenn auch nicht alle) Prozesse und Strategien des Handelns im höfischen Kontext erklärt, ist die Dynamik erst einmal angelaufen, so lässt es doch die Frage nach dem Eintritt in das Spiel offen. Woher kommt das Kapital, das Bewegung über die ständige Konvertierung hinaus ermöglicht? Oder anders gefragt: Wie gelingt Neuankömmlingen der Eintritt?

Eine mögliche Antwort bietet die Ressource des ‚Gefallens‘, die man auch als ‚emotionales Kapital‘ fassen könnte und die zwei Typen der sozialen Nahbeziehung verbindet, welche oft analytisch getrennt werden. Mit der folgenden knappen Skizze möchte ich diese Trennung kritisch hinterfragen, die dem ‚Freund‘ den ‚Favoriten‘3 gegenübergestellt – denn das ‚Gefallen‘ oder die ‚positive emotionale Zuwendung‘ scheint ja sowohl bei der Freundschaft wie beim Favoritentum von großer Bedeutung zu sein. Dabei will ich nicht verschweigen, dass die Rolle der Emotionen für die spätmittelalterliche Freundschaft recht umstritten ist4, während für den Favoriten – oder zumindest eine seiner Spielarten – Philippe Contamine ausdrücklich formulierte: „Le mignon doit plaire.

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Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/6130

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Die Häute des Hippopotamus

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Ein Flusspferdfötus mit Nabelschnur auf einem Tisch, daneben chirurgisches Instrumentarium und ein hohes Glas mit Flüssigkeit zum Einbalsamieren. Im Hintergrund ein Blick aus dem Fenster in eine Landschaft mit Palme, Affenbrotbaum und Teddybär.

Fötus mit Teddybär

Als George-Louis Leclerc de Buffon (1707-1788), französischer Naturforscher und Direktor des Königlichen Botanischen Gartens in Paris, seiner seit 1749 erstellten monumentalen Histoire naturelle générale et particulière die „Beschreibung des Flusspferdes“ hinzufügte, hatte er für seine Betrachtungen den Fötus, “entfleischte Köpfe” und Fußknochen aus dem Naturalienkabinett seines Königs Ludwigs XV. vor sich1 – und die Bücher, dabei unter anderem die Ekphrasis des neapolitanischen Naturforschers und Botanikers Fabio Colonna (1567-1640) von 16062. Buffon hat niemals ein lebendes Geschöpf dieser Art, ein Hippopotamus amphibius, gesehen.

hippo.buffon.homepageDer Hintergrund der Tafel III zur Darstellung des Hippopotamus in seiner natürlichen Umgebung zeige,  so sagt Buffon, eine „Copey“ der „Figur“ Colonnas, und er stellt dazu fest: „Ungeachtet diese Figur für eine von den besten gehalten wird, die es von dem Flußpferde giebt, so kommt sie mir doch ungemein fehlerhaft vor.

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Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/1095

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Hueman – der Nachfolger von Magazine Basic

Nach vielen Tests ist das Nachfolgetheme von Magazine Basic nun da und heißt “Hueman”. Es kann im Backend unter Design > Themes aktiviert werden. Einige Blogs haben sich bereits für das neue Theme entschieden, so das Mittelalterblog und das Blog zum Histocamp aus der deutschsprachigen Community.

Das Community Management arbeitet an einer ausführlichen Anleitung für das neue Theme. Bis dahin verweisen wir gerne auf das interaktive Tutorial, das unter folgender Adresse verfügbar ist: http://www.hypotheses.education/tuto_hueman/de/

Für alle Französisch-Kundigen gibt es hier bereits die ausführliche Anleitung des französischsprachigen Community Managements aus Marseille: http://maisondescarnets.hypotheses.

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Quelle: http://bloghaus.hypotheses.org/1482

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