Francisco de Enzinas (* 1. November 1518 in Burgos; † 30. Dezember 1552 in Straßburg), auch bekannt als Franciscus Dryander, Françoys du Chesne, Quernaeus, Eichmann, van Eyck (nach span. encina = [Stein-] Eiche), war ein spanischer Humanist und Protestant, der als Erster das Neue Testament aus dem Griechischen ins Spanische übersetzte. Francisco de Enzinas lebte als spanischer Protestant im 16. Jahrhundert auf der Flucht. Er hinterließ eine womöglich bis heute noch nicht in vollem Umfang erfasste Zahl von Übersetzungen antiker, insbesondere griechischer Autoren ins Spanische sowie zum Teil unter Pseudonym verfasste selbstständige Schriften. [...]
(aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia; Verfasserhistorie)
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http://de.wikipedia.org/wiki/Francisco_de_Enzinas
Ende 2004 stieß ich auf einen Bibliotheksbericht von 1878, in dem Prof. Dr. Lucht, Direktor des Christianeums und Bibliothekar, die 17 Handschriften des Donum Kohlianum beschrieben hatte; eine reizte mich durch eine ausführliche Inhaltsangabe und den Bericht über ihre Herkunft besonders: Historia de statu Belgico et religione Hispanica von 1545; ich fand in der Bibliothek eine deutsche Übersetzung dieser lateinischen Schrift von 1893, die ich in im Frühjahr 2005 in einem Zug durchlas – so spannend war die autobiographische Erzählung des jungen, spanischen Griechischstudenten Melanchthons in Wittenberg namens Francisco, der mit seiner für den Druck vorbereiteten Fassung einer Übersetzung des neuen Testaments ins Spanische, der ersten in der Geschichte, im niederländischen Löwen 1543 mitten in die Greuel der spanischen Inquisition gerät, wegen des Drucks der Übersetzung anderthalb Jahre im Gefängnis einsitzt und erst 1545 nach geglückter Flucht wieder bei Melanchthon in Wittenberg ist, wo er in wenigen Monaten seine Erlebnisse in elegantem Latein niederschreibt.
Die Recherchen nach dem Verfasser, Francisco de Enzinas, ergaben einen philologischen Krimi und führten nicht nur zu einem fruchtbaren Email-Austausch mit zweien der drei gegenwärtig einzigen Forschern auf der Welt zu diesem Autor, einem Spanier und einem US-Amerikaner, sondern auch zu einem Vortrag im Dezember 2005 an der Carl-Albrechts-Universität zu Kiel, aus dem sich en passant ein Forschungsinteresse ergab zu einer anderen Handschrift aus unserer Bibliothek, dem Codex Christianei, einer frühen Erzählung Giovanni Boccaccios, der daraufhin einmal durchfotografiert wurde, so dass das Digitalisat nunmehr auf einem Rechner in Kiel, unserem Bibliotheksrechner und auf meinem Laptop der Bearbeitung harrt.
Dass ich mein Enzinas-Vortragsmanuskript zwei Gegenlesern geschickt hatte, ergab in der Folge Anfang 2006 , dass ich auf Anregung des einen meiner Lektoren eine Zusammenfassung des Vortrags, entsprechend bearbeitet und mit Bildern versehen, als Artikel in die freie Enzyklopädie Wikipedia ins Internet einstellte; durch die Vermittlung des anderen landete eine Kopie der deutschen Übersetzung der Historia des Francisco de Enzinas von 1893 im Mai 2006 bei einem Verleger.
http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Ex_Bibliotheca_Gymnasii_Altonani_(Hamburg)
Unterdessen war der Artikel über Francisco in der Online-Enzyklopädie Wikipedia als „exzellent“ eingestuft worden und hatte das Interesse einiger Benutzer und Autoren dieser Enzyklopädie geweckt. In erster Linie angesprochen wurde ich von Vertretern des akademischen Nachwuchses, die sich für die Altbestände der Christianeumsbibliothek interessierten. Wir fertigten im Laufe des Frühjahrs 2006 einige Scans an, die ich gemeinfrei im Internet auf Wikimedia Commons, einer Datenbank mit freien Mediendateien, zur Weiterverwertung hochlud.
http://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Reinhard
Im April 2006 erschien in der Online-Enzyklopädie Wikipedia ein Artikel über Andreas Reinhard, einen erzgebirgischen Rechenmeister des 16. Jahrhunderts, dessen prächtig ausgestattetes Manuskript eines Rechenbuchs von 1599 in der Bibliothek des Christianeums verwahrt wird und das 1988 erstmals von Bernd Elsner beschrieben wurde. Der Verfasser des Wikipedia-Artikels, Frank Schulenburg aus Göttingen, Historiker mit Schwerpunkt auf der Wirtschaftsgeschichte, hatte die Bilder auf Wikimedia Commons gesehen, umfassende Recherchen über „Rechenbücher“ angestellt und eines Tages angerufen. Als Vorstandsmitglied des Vereins Wikimedia Deutschland machte er den Vorschlag, das Rechenbuch des Andreas Reinhard im Digitalisierungszentrum der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (GDZ) digitalisieren zu lassen auf Kosten des Vereins.
http://commons.wikimedia.org/wiki/Rechenbuch_des_Andreas_Reinhard
http://de.wikisource.org/wiki/Drei_Register_Arithmetischer_ahnfeng_zur_Practic
Am 24. Mai 2006, einen Tag vor Himmelfahrt, wurde in Göttingen eine hochauflösende digitale Fassung des Rechenbuchs erstellt und in den folgenden Tagen auf Wikimedia Commons hochgeladen. Gleichzeitig entsteht, unterstützt durch das Material Bernd Elsners, eine textkritische und kommentierte Ausgabe des Rechenbuchs auf Wikisource, einer deutschen Quellensammlung im Internet. Der unterdessen ausgearbeitete Artikel in Wikipedia informiert über den Verfasser des Rechenbuchs, Andreas Reinhard, und den historischen Hintergrund seines Werks.
http://de.wikisource.org/wiki/Wikisource:Pressemitteilungen/Rechenbuchprojekt
Im Dezember 2005 war der alphabetische Zettelkatalog des Altbestandes der Christianeumsbibliothek - ca. 18 000 Kärtchen - ehrenamtlich eingescannt worden; der Katalog ist nunmehr schulintern über den Lesesaal-Rechner in der Lehrerbibliothek jederzeit einsehbar. Im März 2006 hatte im Christianeum ein informelles Treffen von dem Christianeum nahestehenden und an der Bibliothek interessierten Persönlichkeiten stattgefunden, die die Möglichkeiten diskutierten, insbesondere die einmaligen Bestände der Christianeumsbibliothek für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Digitalisierung des Rechenbuchs will einen Weg weisen, wertvolle alte Schriften zu sichern und wissenschaftlich nutzbar zu machen in einer zukunftsweisenden Form. Die am 24. Mai 2006 online abgesetzte Pressemeldung über das Wikisource-Rechenbuchprojekt wurde auf Internet-Fachseiten ebenso wie auf Onlineseiten der Presse publiziert.
Das Rechenbuch des Andreas Reinhard ist, wie viele andere Stücke der über 260 Jahre alten Bibliothek des Christianeums, wertvollstes Kulturgut; sie repräsentiert die Historie unserer Anstalt, die es zu bewahren gilt. Für einzelne seltenste Drucke oder die ohnehin einmaligen Handschriften trägt die Schule die Sorge, sie zunächst zu erhalten und zu schützen; nicht wenige Stücke – zum Beispiel alle Inkunabeln, die frühen vor 1500 entstandenen Drucke nach Gutenberg – erlauben in ihrem Zustand, insbesondere dem ihrer originalen Einbände, eine Benutzung derzeit nicht. Die Restaurierung dieser Kostbarkeiten ist teuer. Die Veröffentlichung des Rechenbuchs hat die Schule und die Eigentümerin, die Freie und Hansestadt Hamburg, keinen Cent gekostet; sie war indes nur möglich durch das freiwillige Engagé, insbesondere den Einsatz Frank Schulenburgs, und durch die Neugier nebst den daraus erwachsenen Tätigkeiten aller an diesem Projekt Beteiligten.
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[...] Ein Druck der Historia de statu Belgico et religione Hispanica zu Lebzeiten Francisco de Enzinas’ ist nicht bekannt, eine eigenhändige Niederschrift nicht erhalten. Es existieren zwei handschriftliche Kopien, die vermutlich von de Enzinas sogleich nach Beendigung der Niederschrift im Juli 1545 in Wittenberg in Auftrag gegeben worden sind. Eine dieser Kopien liegt seit 1623 in der Apostolischen Bibliothek des Vatikans, wohin sie mit der Bibliotheca Palatina aus Heidelberg über die Alpen verfrachtet worden war. Bis auf eine Abschrift ihres Anfangs im 19. Jahrhundert ist bislang keine Einsicht in diese Schrift bekannt geworden; ebenso ist unbekannt, wie sie in die Palatina gelangte. Die andere Kopie wird seit 1768 in der historischen Gymnasialbibliothek des Christianeums in Hamburg-Altona verwahrt; diesem Manuskript fehlt die erste Lage und damit auch der Titel, der handschriftlich auf dem Rücken des Pergamenteinbands aus dem 16. Jahrhundert vermerkt ist. Der Autor ist in den zahlreichen Einträgen der Vorbesitzer genannt; erst der Besitzer, der die Handschrift im 18. Jahrhunderts erwarb, verzeichnete das Fehlen der ersten Lage. [...]
(aus der Online-Enzyklopädie Wikipedia; Verfasserhistorie)
Epilog
Die Handschrift des Francisco de Enzinas harrt auch im Jahr 2015 noch ihrer Digitalisierung, ebenso die einzige, 1893 in nur 100 Exemplaren in Bonn erschienene Übersetzung ins Deutsche von Hedwig Böhmer, Denkwürdigkeiten vom Zustand der Niederlande und von der Religion in Spanien, mit Einleitung und Anmerkungen von Eduard Böhmer. Die Ausgabe ist weltweit in nur 8 Exemplaren in den Opacs nachgewiesen, das Exemplar in der Bibliothek des Christianeums hat Säuefraß im letzten Stadium. Ein Nachdruck von 1897, von der University of Toronto digitalisiert, zeigt im Vergleich eine Bearbeitung in den Fußnoten und Kommentaren - der "Nachdruck" war tatsächlich eine neue, veränderte Ausgabe der Übersetzung.
Anmerkung: Der Artikel erschien - ohne die beiden Wikipedia-Zitate und den Epilog - erstmals und mit Abdruck der URLn in: Christianeum. Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde des Christianeums in Verbindung mit der Vereinigung ehemaliger Christianeer, 61. Jg., H. 1. Hamburg, Juni 2006. S. 58-63
Abbildungen: Bibliothek des Christianeums (public domain)