Die Onlinelehre und der Einsatz von Tutorinnen und Tutoren ist im Hochschulalltag unverzichtbar. Das E-Learning-Labor der Hochschule Fulda bietet daher nicht nur Studierenden die Ausbildung zur E-Tutorin und zum E-Tutor an, sondern ermöglicht es auch regelmäßig den Lehrenden, sich intensiver mit dem Thema Tutorinnen und Tutoren in der Onlinelehre zu beschäftigen. Die angebotenen Kurse sind dann ganz konkret auf die Zielgruppe der Lehrenden (Professorinnen und Professoren, Lehrbeauftragte, in der Lehre beschäftige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) bzw. der Studierenden ausgerichtet. Mehr lesen Termine im Sommersemester 2014 […]
Erschließung auf Facebook
Eine zunehmende Zahl von Archiven nutzt das Social-Media-Potential von Facebook. Die Möglichkeiten zur Erschließung der dort veröffentlichten Statusmeldungen sind äußerst rudimentär, aber durchaus spannend. Sie und Ihre Fans können Datum, Ort und Schlagwort als Sortier- und Suchkriterien nutzen und so eine größere Sichtbarkeit und Benutzerfreundlichkeit Ihres Facebook-Auftritts erreichen.
Die nachfolgenden Tipps beziehen sich auf die Administration Ihrer Facebook-Fanseite per Browser.
Die Datierung
Abweichend vom automatisch generierten Veröffentlichungsdatum bietet Facebook Ihnen die Möglichkeit, Ihre Statusmeldungen zurück zu datieren und Ihren Besuchern so über die Zeitleiste in der rechten Spalte in der chronologischen Reihenfolge der historisch-zeitlichen Bezugspunkte zugänglich zu machen.
Hierzu wählen Sie bei der Erstellung einer Statusmeldung das Uhrensymbol unten links und in der sich öffnenden Fußzeile die Option “Beitrag zurückdatieren”. Sie haben nun die Möglichkeit, Ihre historische Datierung nach Jahr, Monat und Tag einzugeben.
Wichtig ist hierbei, dass Sie das Startdatum Ihrer eigenen Facebook-Chronik vorab so weit zurückgesetzt haben, dass die von Ihnen beabsichtigten Rückdatierungen umfasst werden. Auf Grund der Facebook-Vorgaben erstreckt sich die Möglichkeit zur Rückdatierung allerdings aktuell nur bis zum 01. Januar 1905.
Unabhängig von dieser vorgenommenen Manipulation wird Ihre Statusmeldung auf der Startseite anderer Facebook-Nutzer unter dem automatisch generierten Veröffentlichungsdatum angezeigt.
N.B.: Diese Möglichkeit zur Rückdatierung bezieht sich auf Ihre Statusmeldungen, also die chronologische Erschließung Ihrer “Bestände” auf Facebook. Ergänzend sollten Sie Meilensteine nutzen, um die Geschichte Ihrer Institution zu erzählen.
Die Verortung
Um Ihren Besuchern die Orientierung auf einer Landkarte zu bieten, fügen Sie einfach einen Ort zu Ihrer Statusmeldung hinzu.
Hierzu wählen Sie bei der Erstellung einer Statusmeldung das Pinsymbol unten links und beginnen mit der Eingabe eines Ortsnamens. Während der Eingabe bietet Ihnen Facebook bereits bekannte Orte zur Übernahme an.
Sollte der von Ihnen gewünschte Ort noch nicht als Seite in Facebook vorhanden sein, so haben Sie zwei Möglichkeiten, einen eigenen Ort zu erstellen.
Zum einen über die Facebook-App auf einem GPS-fähigen Smartphone.
Zum anderen finden Sie in der Fußzeile Ihrer Facebook-Fanseite einen Link “Seite erstellen”. Die nachfolgende Auswahl kennen Sie von Ihren allerersten Schritten zur Erstellung Ihrer eigenen Facebook-Fanseite. Wählen Sie hier nun den Kasten “Lokales Unternehmen oder Ort” und geben Sie die Informationen zu Ortsname, Straße, Stadt und (aktuelle) Postleitzahl ein.
N.B.: Der Aufwand zur Erstellung einer neuen Ortsseite lohnt sich vermutlich nur, wenn Sie einen Ort mehrfach in der Erschließung Ihrer Statusmeldungen verwenden möchten.
Die Verschlagwortung
Seit 2013 bietet Facebook die Möglichkeit, Beiträge mit Hilfe sog. #Hashtags zu verschlagworten. Facebook-Nutzer können so mit einem Link aus Ihrer Statusmeldung heraus facebookweit Statusmeldungen zu demselben Thema finden.
Umgekehrt werden aber auch Ihre Statusmeldungen von Besuchern gefunden, die (noch) nicht zu ihren Fans zählen.
Beginnen Sie nach dem führenden Doppelkreuz mit der Eingabe eines freien Schlagwortes, so zeigt Ihnen Facebook durch eine blaue Hintergrundfärbung den Umfang des Schlagwortes an. Um das Schlagwort zu beenden, drücken Sie einfach die Leertaste. Phrasen-Schlagwörter schreiben Sie als ein zusammenhängendes Wort, ggf. der besseren Lesbarkeit halber mit Binnenmajuskel (#UserGeneratedContent). Verwenden Sie nicht mehr als 2 bis 4 Hashtags in einer Statusmeldung.
Die Umsetzung dieser Tipps finden Sie auf der Facebook-Seite von stadtteilgeschichten.net
Mit Dank an die Facebook-Seiten Historisches Freiburg und Hamburg vor 2000.
Startbahn, Spielwiese oder Sackgasse? Erfahrungen mit dem Facebook-Auftritt des Landesarchivs NRW
Vor kurzem machte ich beim archivischen Alltagsgeschäft eine interessante Entdeckung: Es ging um Überlieferungsbildung, in meinem Büro stapelten sich Akten einer Akzession des Polizeipräsidiums Mönchengladbach. Nicht die wirklich spannenden Einsatzakten, sondern eher polizeiliche Verwaltungstätigkeit. Hier war der nicht allzu seltene Fall eingetreten, dass die Akten einfach in einem Kellerraum gelagert und dort über Jahrzehnte mehr oder weniger vergessen wurden; die Akzession beinhaltete also durchaus Akten der 1960er und 1970er Jahre.
Bei der schnellen Durchsicht fiel ein Briefkopf ins Auge: „Hauptstaatsarchiv Düsseldorf“ – Spuren also der eigenen Amtsvorgänger: Im Mai 1968 bat der zuständige Dezernent des Hauptstaatsarchivs um einen Termin, um sich einen Überblick über die vorhandenen Akten zu verschaffen. Im Juni 1968, nach absolviertem Besuch, teilte das Hauptstaatsarchiv der Polizeibehörde mit, welche Aktenzeichen man für archivwürdig erachte und bitte in ein Aussonderungsverzeichnis aufzunehmen seien. Danach passierte erst einmal nichts mehr. Im September 1969 fragte das Hauptstaatsarchiv den momentanen Sachstand ab und erhielt einen entschuldigenden Verweis auf andere dringende Arbeiten und eine sehr angespannte Personallage. Im März 1970 übersandte dann die Schutzpolizei eine Anbietungsliste mit immerhin 25 Aktenordnern. Das Hauptstaatsarchiv bewertete diese Liste, schlug aber vor, mit der Übernahme zu warten, bis auch die Kriminalpolizei ihre Akten angeboten habe. Offenkundig ein Fehler, denn das dauerte. Im August 1971 erfolgte hier die nächste Anfrage, im Dezember 1971 dann die Antwort, dass die Aussonderungsarbeiten bei der Kriminalpolizei noch nicht abgeschlossen seien. Im Dezember 1973 startete das Hauptstaatsarchiv dann die nächste Anfrage, mit dem Ergebnis, dass im Januar 1974 tatsächlich eine Anbietung erfolgte – von sage und schreibe einer einzigen Akte. Der Vorgang endet übrigens mit einem erneuten Schreiben des Hauptstaatsarchivs vom August 1974, man hätte der Presse entnommen, dass auf der Schlibecker Mülldeponie Akten der Polizeidirektion Mönchengladbach gefunden worden seien. Die Abgabepflicht solle doch bitte beachtet werden.
Traditionelle Arbeitsstrukturen
Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Nach dem ersten Schmunzeln fiel mir auf, dass diese Akzession zwar zeitlich langdauernd und inhaltlich mager verlief, mir – und wahrscheinlich Ihnen genauso – der dahinter stehende Workflow aber sehr bekannt vorkommt: Anschreiben der Behörde, Bitte um Anbietungen, Nachhaken nach Antwort, Umgang mit Vertröstungen, Betonung der Anbietungspflicht, Abgabe von Akten, Zweifel an der Vollständigkeit. Die Kollegen vor mehr als einem halben Jahrhundert haben ihre Arbeit also genau so erledigt, wie ich das auch heute noch mache. Gut, die Kollegen haben Briefe geschrieben, ich Mails, und die Aussonderungsliste lag damals in Matrizen-Form vor und heute im Excel-Format. Die eigentliche Aufgabenerledigung hat sich in ihrer Struktur aber kein bisschen verändert.
Und dieser Befund scheint mir für viele Strukturen im Archivwesen symptomatisch zu sein: Die Behördenbetreuung funktioniert heute genau so wie vor 50 Jahren, die Lesesäle funktionieren heute genau so wie vor 50 Jahren, der Nutzerkontakt läuft heute genau so ab wie vor 50 Jahren, Fachaufsätze werden so publiziert wie vor 50 Jahren. Dass in dem genannten halben Jahrhundert sich aber nicht weniger als eine digitale Revolution abgespielt hat und auch weiterhin abspielt, ist praktisch nicht zu erkennen. Gut, wir alle haben eine Homepage, die – mal mehr, mal weniger umfassend – Informationen im Internet bereit stellt. Die Funktionalität hinter dieser Homepage ist aber sehr traditionell: Der Betreiber stellt Informationen zur Verfügung, die Besucher müssen sich mit der Rolle des passiven Rezipienten begnügen. Interaktion und Kommunikation, ein virtueller Dialog, sind strukturell überhaupt nicht angelegt.
Wenn nun ein Findbuch online statt gedruckt vorliegt, wenn eine Veranstaltung nicht per Flyer, sondern per Mailingliste beworben wird, wenn Formulare zwar downloadbar sind, nur um dann postalisch zurückgeschickt werden zu müssen, dann hat ein Archiv seinen analogen Arbeits- und Denkstrukturen vielleicht ein digitales Mäntlein umgehängt, aber es hat seine Arbeit nicht digital definiert. Von genuin digitalen Funktionalitäten kann noch überhaupt keine Rede sein. Damit soll überhaupt nicht die erhebliche Leistung geschmälert werden, Beständeübersichten, Findmittel und auch Digitalisate online zu bekommen, für solche persistenten Informationen ist eine Homepage (auch in Form eines Archivportals) auch prädestiniert, man sollte sich nur bewusst sein, dass mit diesem Prozedere nichts anderes gemacht wird, als den Lesesaal, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, auf eine statische Homepage, eine Erfindung des späten 20. Jahrhunderts, zu transferieren. Der Entwicklungsstand des Internets mindestens der letzten zehn Jahre wird davon aber gar nicht berührt: das Social Web mit allen seinen Medien und Möglichkeiten.
Neue Medien
Hier möchte ich mit meinem heutigen Vortrag anknüpfen. Ich will Anregungen geben, wie ein Archiv versuchen kann, sich von den statischen Strukturen des traditionellen Internets zu lösen und in den sozialen Medien präsent zu sein. Konkret gemeint ist – Sie haben es dem Titel entnommen – das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen und sein Auftritt in dem sozialen Netzwerk Facebook. Versuchen, auf diesem Wort soll hier die Betonung liegen, denn es ist gegenwärtig noch ein vorsichtiges Austesten eines neuen Mediums; auch das Landesarchiv NRW hat keine ausformulierte digitale Strategie, wie mit all den neuen Entwicklungen umgegangen werden soll. Dem Dreiklang des Vortragstitels folgend, befinden wir uns also gerade auf der Spielwiese, wo wir schauen, was man so mit dem Medium anstellen kann.
Über den Nutzen von Facebook für Kultureinrichtungen im Allgemeinen und Archive im Speziellen muss ich dem hiesigen Publikum wohl nur wenig erzählen. Allein ein paar grundsätzliche Dinge möchte ich nennen, von denen auch das Landesarchiv NRW profitiert:
- Facebook erlaubt es einer Kultureinrichtung, Informationen gezielt zu ihren Adressaten zu bringen
- Facebook schafft einen Raum für Interaktion und Kommunikation mit seinen Adressaten: jegliche Information innerhalb des Netzwerkes kann kommentiert und weiterverbreitet werden; auch steht es jedem Nutzer frei, die Informationen der Kultureinrichtung mit eigenen Inhalten anzureichern
- Facebook ermöglicht einer Kultureinrichtung ein fachliches Monitoring: man kann etwa verfolgen, was andere Archive machen, Inspiration für die eigene Arbeit gewinnen, von Problemlösungen andernorts profitieren etc.
Kurz gesagt (und das möchte ich ganz dick unterstrichen wissen): Facebook ist ein Instrument zum Informationsmanagement. Das soziale Netzwerk eröffnet Ihnen die Vernetzung mit einem interessierten Adressatenkreis einerseits und mit anderen Kultureinrichtungen andererseits. Sie erhalten Zugang zu einer erheblichen Menge an Informationen, die innerhalb dieses Netzwerks kursieren. Und Sie müssen die Gewinnung von Informationen noch nicht einmal aktiv betreiben, sondern können darauf vertrauen, dass Informationen Ihnen zufließen.
Verzichten Sie auf die Nutzung eines solchen Mediums, so verzichten Sie auf eine Präsenz in einem vielfrequentierten Diskursraum. Und zwar mit mehreren negativen Konsequenzen:
- Erstens können Sie nicht als attraktive Kultureinrichtung und als Lieferant von interessanten Inhalten wahrgenommen werden; Sie können sich nicht als Ort der historischen Forschung und der kulturellen Bildung profilieren.
- Zweitens fehlt Ihnen eine Möglichkeit zur direkten Kommunikation mit Ihren Nutzern; Sie sind digital nicht sprachfähig.
- Drittens haben Sie keine Möglichkeit, von den Informationen innerhalb des Netzwerks zu profitieren; Diskussionen laufen an Ihnen vorbei, Entwicklungen werden von Ihnen nicht rezipiert, Stimmungen nicht wahrgenommen.
Damit sind einige Kerngedanken angesprochen, die auch das Landesarchiv NRW bewogen haben, das soziale Netzwerk Facebook auszutesten. Der klassische Nutzerkontakt wird erweitert durch die offene Präsentation der eigenen Anliegen und Angebote. Das Archiv reagiert nicht mehr lediglich auf Nutzeranfragen, sondern weist von sich aus aktiv auf besondere Archivalien, bevorstehende Veranstaltungen oder fachliche Neuigkeiten hin. Jede dieser Meldungen via Facebook erreicht umgehend mehrere hundert Nutzer, sobald diese ihr eigenes Profil nutzen. Bei allen seinen „Fans“ ist das Landesarchiv somit regelmäßig präsent und kann Interesse für bestimmte Bestände und Themen wecken oder Meinungen und Ideen seiner Nutzer einholen. Es kann auch einfach nur mit den zahllosen Ereignissen und Schicksalen aus seinen Beständen unterhalten, damit aber gleichwohl seine Nutzer an sich binden und seinen kleinen Teil zur kulturellen Bildung beitragen. Auf Facebook findet nicht nur vieles seinen Platz, das in den klassischen Medien unter die Publikationsschwelle gefallen wäre (etwa interessante Archivalienfunde), sondern es ist insbesondere eine Vernetzung und Weiterleitung von Informationen möglich.
Mit der Nutzung von Facebook verbunden ist also eine gewisse Veränderung des archivischen Selbstverständnisses: Archive begnügen sich bisher damit, als passive Informationslieferanten auf Anfragen der Nutzerseite zu reagieren. Eine Archivalie lagert so lange im Magazin bis ein Nutzer kommt und nach Einsicht verlangt. Eine proaktive Hinführung auf außergewöhnliche, archetypische, auffällige oder neue Bestände findet kaum statt. Archive verzichten somit auf eine Vermarktung ihres ureigensten Markenkerns. Auch machen Archive im Alltag wenig, um über ihr Innenleben – ihre Arbeit, ihre Herausforderungen, ihre Probleme – zu sprechen. Die Arbeit eines Archivs ist weitgehend unbekannt, bei der breiten Bevölkerung, bei den Behörden, und wenn es um Details geht, dann sogar bei den Berufskolleginnen und -kollegen. Im Normalfall weiß etwa ich als nordrhein-westfälischer Staatsarchivar wenig über das, was die Kollegen im – sagen wir – baden-württembergischen Landesarchiv oder in einem mecklenburg-vorpommerischen Kommunalarchiv so machen.
Soziale Medien können dieses hermetische Schweigen über Arbeit und Archivgut durchbrechen. Regelmäßige Postings sorgen für Interesse am Archiv und eine Bindung von Nutzern. Dabei geht es auch gar nicht um große oder spektakuläre Neuigkeiten. Es geht nicht um die hochglanzpolierte Präsentation der neuesten Erfolgserlebnisse. Es geht darum, seine Adressaten mit attraktiven Appetizern zu versorgen und das Archiv in ihrem Bewusstsein zu halten. Ein Digitalisat auf Facebook ersetzt nicht den Blick in die entsprechende Akte, macht aber neugierig aber auf Material, das im Archiv lagert. Ein Foto einer Veranstaltung im Archiv macht den dort gehaltenen Vortrag nicht erlebbar, wirbt aber für das Archiv als Ort kultureller Aktivitäten. Ein Foto einer schimmelbefallenen Akte beseitigt nicht den Wasserschaden in der Behördenregistratur, schafft aber ein Bewusstsein für die Fragilität von Kulturgut. Kurze Informationen generieren Aufmerksamkeit, wecken Interesse an Archiv und Archivgut oder verweisen auf weiterführende Informationsquellen. Das Archiv verharrt nicht in einer hermetischen Abgeschlossenheit, sondern erscheint als lebendiger Ort von historischer und kultureller Relevanz. Langfristig dürfte eine solche mediale Präsenz eine erhebliche Rolle für die erfolgreiche Positionierung von Archiven in der kulturellen Landschaft spielen.
Facebook-Auftritt des Landesarchivs NRW
Wie gestaltet das Landesarchiv NRW nun seinen Facebook-Auftritt? Die Bereitstellung von Inhalten erfolgt dezentral durch alle interessierten Kolleginnen und Kollegen. Wir haben keinen hauptamtlichen Redakteur o.ä., es wurden hierfür keine zusätzlichen Stellen geschaffen oder irgendwelche Stellenzuschnitte verändert. Das Dezernat Öffentlichkeitsarbeit hat zwar eine formale Federführung, aber betrieben wird Facebook als Projekt für alle Interessierten innerhalb des Landesarchivs – wir verteilen also die Arbeit (und natürlich auch das Vergnügen) auf viele Schultern. Und ja, das heißt tatsächlich: Jeder Interessierte im Landesarchiv kann sich von einem der Administratoren als sogenannter Inhaltsersteller freischalten lassen. Damit ist die Nutzung im Namen des Landesarchivs möglich, d.h. es können Beiträge erstellt, Bilder präsentiert, Kommentare getätigt und alles weitere genutzt werden, was Facebook so an Funktionalitäten bietet.
Das ist eine recht offene Einstellung zu der Thematik, die aber in den sozialen Medien durchaus Sinn macht: Facebook soll das Medium sein, das eng an der alltäglichen Arbeit im Archiv ist, das einen unmittelbaren und ungefilterten Einblick auf die Dinge gibt, die die Archivarinnen und Archivare so auf den Schreibtisch bekommen.
Den Rahmen für die Facebook-Aktivität der interessierten Kolleginnen und Kollegen setzt dabei im Wesentlichen die Social Media Guideline des Landesarchivs, die u.a. definiert, was denn gepostet werden soll, nämlich Hinweise auf öffentliche Veranstaltungen, auf neue Publikationen, auf organisatorische Veränderungen, Mitteilungen zu neuen bzw. neu erschlossenen Beständen sowie interessante Funde aus der archivischen Arbeit. Selbstverständlich gelten beim Posten auch die beamtenrechtlichen Verpflichtungen (etwa allgemeine Loyalitätspflicht oder Unparteilichkeit) sowie andere rechtliche Vorgaben (etwa das Urheberrecht).
Diese dezentrale Steuerung des Facebook-Auftritts funktioniert im Landesarchiv bisher recht gut. Ungefähr 20 Kolleginnen und Kollegen besitzen Schreibrechte, faktisch sind es 5 bis 6, die tatsächlich regelmäßig aktiv sind. Damit können wir mehrere Postings pro Woche bieten, hauptsächlich aus den Bereichen Archivgutpräsentation und Veranstaltungen. Unsere Beiträge sehen standardmäßig mehrere hundert Leute; unsere attraktivsten Beiträge sind bis an den fünfstelligen Bereich an Lesern vorgedrungen. Kommentare oder Nachrichten – von denen wir noch nicht so viele haben, wie wir uns das wünschen würden – wurden bisher stets zeitnah beantwortet. Ohne übermäßigen Aufwand können wir also alle Interessenten regelmäßig mit verschiedensten Informationen versorgen und damit eine konstante Bindung von Archiv und Nutzern schaffen.
Probleme
Also alles bestens im Social Web? Leider keineswegs; es gibt mehrere Aspekte, die einer selbstverständlichen souveränen Nutzung sozialer Medien durch das Landesarchiv NRW entgegen stehen. So dürfte die größte Schwierigkeit beim Betrieb eines Facebook-Auftritts nicht etwa inhaltlicher, rechtlicher oder technischer Natur sein, sondern eher aus einer Mentalitätsfrage resultieren. Soziale Medien sind nicht nur technologische Neuerungen, sie sind vor allem erst einmal soziokommunikative Veränderungen; sie fordern den Habitus, die Mentalität, vielleicht gar das gegenwärtige Berufsverständnis der Archivarinnen und Archivare überhaupt heraus. Soziale Medien bedingen einen anderen Umgang mit Informationen, mit Nutzern, mit Öffentlichkeit, folgen etwa auch anderen Geschwindigkeiten. Nutzerorientierung und Vernetzung, Dialog und Interaktion, der Austausch von Wissen und das Teilen von Informationen sind zentrale Funktionalitäten von sozialen Medien, die das deutsche Archivwesen noch nicht wirklich für sich entdeckt hat; das Landesarchiv NRW ist dabei keine Ausnahme. Was soll denn das überhaupt? ist die häufig anklingende Frage – und unausgesprochen dahinterstehend: So was haben wir ja noch nie gemacht.
Negativ macht sich hier bemerkbar, dass zentrale Kategorien des digitalen Diskurses in der archivischen Fachwelt bisher kaum reflektiert worden sind. Stellvertretend sei hier etwa die Idee des Open Access genannt, also des freien Zugangs zu Informationen und Daten. Einer uneingeschränkten Nutzung oder gar Weiternutzung von Archivgut (jenseits aller Schutzfristen selbstverständlich) fühlen sich Archive nicht verpflichtet: Jede Nutzung bedingt einen Antrag, jede Vervielfältigung bedarf eines Kopierauftrags, jede Veröffentlichung bedarf der Zustimmung. Offene Angebote, offene Daten, offene Diskurse haben Archive sich noch nicht wirklich zu Eigen gemacht.
Letztlich zeigt sich nicht unbedingt in einer Abwehr sondern vielmehr in einer Ignoranz solcher digitaler Diskurse der vielzitierte „digital divide“, der spürbare Graben in der Mediennutzung unterschiedlicher Alters-, Berufs- und ähnlicher Gruppen. Facebook erscheint auch bei vielen Kolleginnen und Kollegen eher als eine jugendliche Spielerei, pubertär, unreif, jedenfalls nicht als ernstzunehmendes Medium für etablierte Kultureinrichtungen. Aus dieser Perspektive wird Facebook als ein Ort irrelevanter Informationen wahrgenommen, wo allenfalls Partybilder oder Halbstarkensprüche gepostet werden. Weitgehend unbekannt scheint dagegen die Tatsache, dass auch viele Kultureinrichtungen über diesen Kanal jeden Tag immense Mengen von Nachrichten und Mitteilungen versenden, dass dort archivische, historische und kulturelle Fachdiskussionen geführt werden, dass sich dort auch Forscher (also: Archivbenutzer) vernetzen, kurzum: dass auch Archive einen erheblichen Mehrwert aus der Nutzung dieses Mediums ziehen können.
Begleitet wird die Unkenntnis des Mediums von diffusen Ängsten. Datenkraken, Hackerangriffe, Abmahnwellen, so scheint sich das Internet zu präsentieren. Das eigene Statusupdate auf Facebook, die skandalöse Totalüberwachung der NSA, der virtuelle Freundeskreis in einem sozialen Netzwerk, die digitalen Abgründe des Internets, alles scheint irgendwie zusammen zu gehören, alles ist irgendwie eine gleichwertige Bedrohung des Bekannten und Vertrauten: Irgendwer könnte irgendwo irgendwas mit den präsentierten Inhalten machen.
Solche Ängste und Vorbehalte sorgen natürlich dafür, dass keineswegs alle Organisationseinheiten des Landesarchivs das Angebot zur Partizipation am Facebook-Auftritt nutzen. Da die Beteiligung auf freiwilliger Basis abläuft, können die geposteten Meldungen keinen flächendeckenden Überblick in die Arbeit des Landesarchivs geben, sondern stellen vielmehr nur punktuelle Einblicke dar. In der einen Abteilung stellt vielleicht der eine Kollege gelegentlich frühneuzeitliche Akten vor, in der anderen Abteilung ist die Kollegin vielleicht vorwiegend an der Meldung bevorstehender Veranstaltungen interessiert. Ein Ungleichgewicht, abhängig von der individuellen Mediennutzung, ist somit unvermeidbar. Vielleicht zeigt sich hier am deutlichsten, dass Facebook für das Landesarchiv gegenwärtig nur Spielwiese ist und nicht Startbahn; wer möchte, kann sich beteiligen, eine selbstverständliche Begleitung aller archivischen Arbeitsbereiche durch soziale Medien ist nicht gegeben oder intendiert. Entsprechend steht Facebook bisweilen auch recht unverbunden neben der restlichen Arbeit des Landesarchivs. Ob Meldungen und Neuigkeiten ihren Weg in die sozialen Medien finden, hängt vom Interesse der betreffenden Kolleginnen und Kollegen ab. Eine strategische Nutzung von Facebook zur Nutzergewinnung und -information, zum Aufbau digitaler Förderer- und Unterstützerkreise, zur Vernetzung mit anderen Archiven und Kultureinrichtungen ist gegenwärtig nicht der Fall, noch ist das soziale Netzwerk also keine Startbahn für einen digitalen Nutzerkontakt.
Dieser digitale Nutzerkontakt – und das ist schließlich das dritte und letzte Problemfeld, das ich ansprechen möchte – leidet schließlich auch unter nur schwach ausgeprägten Gesprächsangeboten. Auch wenn in unserer Social Media Guideline explizit formuliert ist, dass Facebook ein Dialogkanal und nicht ein weiterer Informationskanal sein soll, so tendiert die tatsächliche Nutzung doch eher zu Letzterem. Das Landesarchiv nutzt Facebook überwiegend als „Schaufenster“, in welchem es Archivalien, Neuigkeiten, Pressemeldungen etc. präsentiert, kaum aber als Medium, um seine Nutzer gezielt anzusprechen. Die Infrastruktur für den Dialog wäre vorhanden, woran es mangelt, ist eher der Mut zu einer Nutzung. So könnte etwa die Frage, wie unserer Service denn zu bewerten und was denn verbesserbar wäre, öffentliche Negativmeldungen nach sich ziehen. Die Aufforderung, sich zu Überlieferungs- oder Erschließungsfragen zu äußern, könnte als Eingriff in die eigene Fachkompetenz verstanden werden. Die Bitte, die Arbeit des Archivs zu unterstützen (etwa durch Transkriptions- oder Verschlagwortungsprojekte, eben das vielzitierte Crowdsourcing), müsste eine Veränderung von etablierten Arbeitsstrukturen nötig machen. Die verstärkte Nutzerorientierung, die mit einer Nutzung sozialer Medien einher geht, ist also nichts, was sich „mal eben einfach so“ in etablierte Arbeitsprozesse einfügt; die Besonderheiten dieser Mediennutzung und die bisherige Arbeitspraxis fremdeln noch miteinander.
Fazit
Was bleibt also als Fazit? Das Landesarchiv NRW hat erste Schritte unternommen, um in den sozialen Medien präsent zu sein. Wir spüren deutliches Interesse an dem, was wir dort präsentieren, gerade interessantes Archivgut erzeugt Aufmerksamkeit und erreicht ohne großen Aufwand einen größeren Adressatenkreis als herkömmliche digitale Angebote. Auch das thematische Monitoring funktioniert problemlos und erbringt zahlreiche archivische, historische und kulturelle Informationen. Als Sackgasse hat sich der Schritt zur Nutzung von Facebook also nicht erwiesen, verstanden etwa in dem Sinne, dass wir kein Interesse generieren könnten oder der alltägliche Ressourcenaufwand zu groß wäre. Als Startbahn in eine digitale Zukunft hat sich die bisherige Nutzung des sozialen Netzwerks allerdings auch nicht erwiesen. Allerdings liegt das weniger an der Plattform als vielmehr an unserem Angebot, das noch zu individuell und sprunghaft bleibt; wie wir das vorhandene Potential mehrerer hundert Adressaten für unsere Arbeit nutzen wollen, wie wir gar zu beiderseitigem Gewinn ins Gespräch kommen können und wollen, harrt noch einer Entscheidung. Die Facebook-Nutzung bleibt also gegenwärtig noch eine Spielwiese, wo wir ausprobieren und einüben können, was an Bedeutung stetig zunehmen dürfte: der digitale Nutzerkontakt. Denn eins scheint sicher: Je digitaler die Archive werden (Stichworte: Archivportal, virtueller Lesesaal), desto wichtiger werden auch die Instrumente, um mit Nutzern digital zu kommunizieren. Weitere Diskussionen über die Nutzung von sozialen Medien scheinen also dringend nötig!
Der Raum der Entgrenzung. Der Cyberspace als Sinnhorizont medialer Kommunikation- Von Udo Thiedeke (Teil 2)
Im ersten Teil von “Raum der Entgrenzungen. Der Cyberspace als Sinnhorizont medialer Kommunikation” ging es zunächst darum, die Grundlagen des Begriffs Cyberspace zu klären und Computer und Computernetze als neue Medien vorzustellen. Cyberspace wird bislang meist als künstlicher Raum dargestellt, … Continue reading
Twitter-Wall der Tagung “Offene Archive 2.1″, 3. – 4. April 2014 in Stuttgart
Leider wurden m. E. nicht alle Tweets erfasst und auch die Retweets werden bei Storify nicht einzeln aufgeführt.
Bei der Tagung selbst wurde aber insgesamt mehr als 1000 mal getwittert!
Danke an alle “Mittwitterer” für das rege Befüllen der Twitterwall!
Die Politik Ferdinands II.
Kaiser Ferdinand II. hat es noch nie leicht gehabt: weder zu Lebzeiten, als er sich in den Kriegswirren zu behaupten hatte, noch nach seinem Tod, als die Historikerschaft ihn eher negativ beurteilt hat. Es entstand das Bild eines schwachen, zaudernden, sich allzu sehr von seinen Ratgebern, zumal den Geistlichen, abhängig machenden Monarchen, der in seiner Bigotterie das gesunde Maß für eine realistische Politik verloren habe. Mit der Politik des Kaisers hat sich jüngst Thomas Brockmann in seiner 2011 erschienenen Habilitationsschrift auseinandergesetzt.
Meine Meinung zu diesem Buch habe ich in einer Besprechung dargelegt, die gerade erschienen ist: ZHF 40 (2013), S. 720-722 (Eine weitere Besprechung liegt noch von Johannes Arndt vor.). Daß ich diese Arbeit sehr schätze, wird hoffentlich deutlich. Und mein positives Votum will ich auch durch die geäußerte Kritik nicht geschmälert wissen. Ja, ich finde es schade, daß die Studie um 1630 abbricht und nicht mehr die Phase des Schwedischen Kriegs miteinbezieht, in der sich die kaiserliche Politik angesichts der schweren militärischen Krisensituation neu ausrichten mußte. Doch relativiert dies nicht die analytische Leistung dieser Arbeit insgesamt.
Mir gefällt einfach der sehr ruhige und wägende Ton, mit dem eine komplexe archivalische Situation ausgewertet und eine lange Forschungstradition gewichtet wird, so daß am Ende historische Einschätzungen zustande kommen, die mindestens sehr erwägenswert sind. Ich sage dies sehr bewußt so, weil Brockmann in der Beurteilung mancher Sachverhalte durchaus zu anderen Ergebnissen gekommen ist als ich in meiner Dissertation (etwa bei einigen Aspekten bezüglich des Regensburger Kurfürstentags von 1630). Diese divergenten Ansichten anzunehmen, fällt aber deswegen umso leichter, als in dieser Studie stets erkennbar wird, daß der Autor sehr skrupulös gearbeitet und es sich wahrlich nicht einfach gemacht hat.
Handelt es sich nun um die abschließende Ferdinand-Biographie? Die Studie ist nicht als Biographie angelegt, auch wenn sie wesentliche Züge dieses Monarchen erhellt. Auch die Lücke für die Jahre 1631 bis 1637 fungiert hier als Vorbehalt, insofern die letzten Lebensjahre eben nicht berücksichtigt werden. Gleichwohl setzt Brockmann mit seiner Arbeit Maßstäbe, und man kann davon ausgehen, daß hier Anregungen geboten und vielleicht auch Reizpunkte gesetzt sind, die eine weitere Erforschung dieses Kaisers stimulieren.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/426
Madame de Pompadour ist begeistert. Der Herzog von Croÿ und seine Architekturzeichnungen
Im April des Jahres 1760 entschied sich Emmanuel Herzog von Croÿ (1718–1784) Madame de Pompadour, Mätresse Ludwigs XV., erneut seine Aufwartung in Schloss Versailles zu machen. Bei diesem Besuch allerdings ging es dem Herzog von Croÿ nicht um seine ausstehenden Beförderungen … Continue reading →
Partizipation durch Standardisierung? Erschließung vor dem Hintergrund fortgeschrittener Nutzeremanzipation
Folien:
Einleitung: Forscher suchen nach Inhalten
Als ich vor ein paar Jahren begann, eine virtuelle provenienzmäßige Beständebereinigung in einem nach Pertinenzen geordneten Archiv vorzunehmen und es dabei tiefer zu erschließen, gab mir das Forschungsdepartment des Hauses den Hinweis, dass Historiker nach thematischen Inhalten, nicht nach Herkunftsstellen suchten. Rückblickend war für mich damit der Startschuss gefallen, konventionelle Methoden archivischer Erschließung zu hinterfragen. Es wäre zu einfach, das Ansinnen nach themenbezogenen Suchmöglichkeiten auf beigegebene Indizes und Thesauri zu verweisen, selbst aber an der hierarchischen Erschließung auf der Grundlage des Fonds- oder des Registraturprinzips als unbedingter Krönung der Archivgutbeschreibung, vermeintlich gar nicht unreflektiert, zu beharren.
Was wäre damit gewonnen? Das zentrale Anliegen des Archivars, Archivbestände in ihren Kontexten darzustellen und zu beschreiben, verlöre seinen Wert, wenn seine Erschließungsprodukte von den Nutzern weder mehr akzeptiert noch gar verstanden würden. Am Ende könnte man verführt sein, den Archivaren die Erstellung ihrer monohierarchischen, kontextorientierten Provenienzfindbücher als Steckenpferd in ihrem Elfenbeintürmchen zuzugestehen, während zur intensiven Nutzung das käme, was in den Augen der Archivare eher die Ergänzung, das Bonbon für die Googlegeneration sein könnte: Die Schlagwortsuche, der Index, die Freitextsuche und ähnlich aufwändige Findsysteme für den amateurhaften Nutzer von der anderen Seite des tiefen Grabens, des so genannten „Archival Divide“.
Nein, das wäre kein Gewinn. Leider kann man die Probleme, die Historikerinnen und Historiker und erst recht andere Nutzergruppen mit unseren nach klassischen Methoden erstellten Findmitteln haben, nicht hinwegreden. Wir alle kennen sie aus eigener Erfahrung mit unseren Kunden. Und selbst wenn wir auf die erfahrensten Nutzer sehen: Wie viele unserer Findbücher wurden als Repräsentanten ihres Genre, also in allen ihren Teilen, studiert, wer liest die Verwaltungs- und Bestandsgeschichten oder gar die Erläuterungen zum Erschließungsprozess und die Erschließungsrichtlinien, bevor er sich an die Titelliste macht? Ist die Stufenerschließung nach ISAD(G) eine Anleitung, treffsicher Einschlaflektüre zu generieren, die nie gelesen wird? Wir kommen also nicht umhin, uns mit den veränderten Nutzeranforderungen eingehend auseinanderzusetzen und unsere Methoden ergebnisoffen zu hinterfragen.
Kontextstiftende Ordnung und konzeptuelle Einheiten
In der archivischen Erschließung wird meist zwischen den Prozessen der Ordnung und der Beschreibung unterschieden. In der deutschen Erschließungstradition ebenso wie in den Ausprägungen der nationalen Traditionen in den bekannteren internationalen Standards wie dem ISAD(G) oder dem DACS wird Erschließung auf der Grundlage eines Bestands, eines Fonds, vorgenommen und ist eine vom Allgemeinen zum Besonderen hinabsteigende mehrstufige hierarchische Repräsentation von Verzeichnungseinheiten als einer größeren Einheit. Wichtig ist es, die Bedeutung des Bestands oder Fonds als die maßgebende kontextstiftende Einheit in einem Archiv zu begreifen. Ich sage bewusst „kontextstiftend“ und nicht „kontextwahrend“, weil in den meisten Fällen Bestände nicht konzeptuell, sondern pragmatisch als physisch abgegrenzte Einheiten innerhalb eines Archivs, also eher als Schellenberg’sche Record Group denn als Fonds, verstanden werden. Dann aber sind sie vom methodischen Ansatz her bereits ein Stückweit dekontextualisiert, so dass die Erhellung der in ihnen bewahrten Kontexte bereits, ebenfalls ein Stückweit, zu einer Rekontextualisierung durch den Archivar werden kann.
Geoffrey Yeo nennt solche Bestände daher generell Collections.[1] Jennifer Meehan umschreibt die Wirkung der Fonds-Bezogenheit der Erschließung in ihrem 2014 erschienenen Aufsatz „Arrangement and Description: Between Theory and Practice“ und damit die Wirkung der traditionellen Standards geradezu entlarvend mit den folgenden Worten:
„[…] the fonds has served to codify archival description as a singular, fixed representation of a whole and its parts and as a linear, top-down process, which doesn’t adequately reflect or address the complex realities of recordkeeping.“[2]
Der Fonds steht demnach Modell für ein fixiertes Abbild, das in seiner Akkuranz den Anspruch der Singularität erhebt.
Der Abschnitt 3.5.3 des ISAD(G) zu den Related Units of Description im eigenen und in auswärtigen Archiven weicht diese Starre zwar auf, verharrt aber ebenfalls in der Vorstellung des Bestands als abgeschlossener Einheit in der Struktur der Tektonik eines Archivs. Dass der Fonds aber vielmehr eine konzeptuelle Einheit ist, ergibt sich bereits aus der Definition des Committee on Descriptive Standards des ICA im terminologischen Abschnitt des ISAD(G):
“The whole of the records, regardless of form or medium, organically created and/or accumulated and used by a particular person, family, or corporate body in the course of that creator’s activities and functions.”
In der Praxis weichen wir von der Theorie insofern ab, als wir eher selten dazu neigen, unsere Bestände nur als Teilbestände umfassenderer relationaler Korpora zu begreifen oder gar darzustellen. Vielmehr sehen wir zu ihrer Abgrenzung auf die physische Aggregation von Archivalieneinheiten in unseren jeweiligen Archiven. In Wirklichkeit aber ist es durchaus nicht selbstverständlich, dass das, was wir als Archivbestand ansehen, mit der Gesamtheit des Materials übereinstimmt, das vom selben Registraturbildner stammt. Wir alle kennen die Zerstreuung von Archivgut amtlicher Provenienzen auf staatliche Archive und Nachlässe in den Stiftungsarchiven der Parteien oder die weit verstreute historische Überlieferung des Reichssicherheitshauptamts, des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt sowie der Kolonial- und Besatzungsbehörden, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Die aufkeimenden Archivportale geben geeignete Instrumente, um dieser Verstreuung von Archivgut durch einen Rechercheverbund zu begegnen.
Wir verharren an dieser Stelle unserer Betrachtungen immer noch in der Betonung der institutionellen Herkunft als bestandsbildendem Kriterium, haben uns aber mit der Akzeptanz des Fonds als einer konzeptuellen Größe in der Frage der „kodifizierten archivischen Erschließung als singuläre und fixe Repräsentation“ desselben insoweit bewegt, als sich diese Repräsentation über die physische Archivgutaggregation in unseren Magazinen hinaus auf ein durch die gemeinsame Relation zum Bestandsabgrenzungskriterium „institutionelle Provenienz“ definiertes Rekonstrukt ausgeweitet hat.
Das eingangs erwähnte Forschungsdepartment wird auch an dieser Stelle noch einwerfen können, dass unsere Erschließung in diesem Stadium des Ordnungsprozesses in Gestalt der Beständeabgrenzung in ihrem Kern immer noch keine Anstalten macht, eine themenbezogene Herangehensweise zu unterstützen.
Terry Cook bezeichnete den Fonds als ein intellektuelles Konstrukt.[3] Er sagte dies angesichts sich schnell verändernder Strukturen und komplexer Muster im Verwaltungsaufbau und im Verwaltungsablauf in modernen Organisationen. Peter Scott kam bereits in den 1960er Jahren zu einer ähnlichen Anschauung und wurde zum Vater des australischen „Series System“.[4] Ausgehend von häufig wechselnden Strukturen und Aufgabenverteilungen, sah er, dass die Federführung bei langfristig laufenden Aktenserien häufig wechselte. Er stellte fest, dass solche Serien dadurch mehrere Registraturbildner erhielten. Daraus folgte die Einsicht, dass es möglicherweise weniger die Organisationseinheiten sind, die für die Schriftgutentstehung verantwortlich sind, als vielmehr die Aufgaben und Funktionen, die in deren Mandat liegen. Das australische Series System implizierte, dass eine Serie mehreren Fonds zuzuordnen war.
Begreifen wir Aufgaben und Funktionen als Urheber von Aktionen und Prozessen und das Archivgut als deren Repräsentation, so müssen wir unser Verständnis von Provenienz über die an Organisationen gebundene hin zu einer an Funktionen gebundenen erweitern. Wir müssen die „funktionale Provenienz“ als Bestandsabgrenzungskriterium akzeptieren.[5] Und, was unsere Traditionen weit mehr erschüttern kann: Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass Archivgut mehreren Beständen angehören kann, dass demnach auch die Erschließung nicht mehr eine ihrem Wesen nach einzigartige Repräsentation eines in jeder Hinsicht einmaligen und fix strukturierten Bestandes zum Ziel hat. In Anlehnung an Terry Cook bedeutet die Zuweisung von Archivgut zu jeweils einem einzigen Bestand die Verdunkelung von Kontexten, da es seine Existenz vielfältigen entstehungsursächlichen Beziehungsgemeinschaften verdankt. Diese Vielfalt gilt es bei der Erschließung sichtbar zu machen.
Kontextwahrende Beschreibung in relationalen Modellen
Die Beschreibung von Beziehungsformen, Beziehungsgemeinschaften und die ergänzende Berücksichtigung entstehungsursächlicher Funktionen kann zu einer Erschließung führen, die in der Tat eine themenbezogene Herangehensweise seitens des Nutzers unter Wahrung der Konnotation zu den Entstehungskontexten begünstigt. Entsprechende Metadaten können zugewiesen und in Normdateien erläutert werden. Durch eine verstärkte Betonung der Beschreibung von Beziehungen und Eigenschaften der Entitäten des angewandten Metadatenmodells lassen sich die Grundlagen dafür legen, die so entstehenden Erschließungsprodukte mit den Rechercheinstrumenten des Semantic Web zu nutzen. Der bestandsbildende und damit die äußere Ordnung schaffende Prozess verlagert sich auf die Identifikation dieser Beziehungen und Eigenschaften und wird damit Bestandteil des analysierenden Prozesses der Beschreibung von Archivgut.
Peter Horsman weist in seinem Aufsatz „The Last Dance of Phoenix“ darauf hin, dass bereits Peter Scott mit seinem Seriensystem die Beschreibung von Archivgut gegenüber dem physisch nachvollziehbaren Ordnungsprozess den Vorzug einräumt:
Scott added an important conceptual element by stressing the power of description, indeed, by eventually preferring description to arrangement [6]
Horsman zeigt ferner auf, dass die Diskussion darüber, ob die Bestandsabgrenzung durch den Beschreibungsprozess und nicht durch eine starre Form des Arrangement erfolgen sollte, bereits bis zum Internationalen Archivarskongress in Brüssel im Jahr 1910, der ein Meilenstein für die internationale Durchsetzung des Provenienzprinzips werden sollte, zurückreicht und in Deutschland von dem Archivar Gustav Wolf bereits frühzeitig thematisiert wurde. Dennoch bedurfte es vor allem eines Terry Cook, um diesem Ansatz in der jüngeren Archivwissenschaft erneut Beachtung zu schenken. Nun, letztlich kommt Horsman zu dem Schluss, dass die Gestalt von Archivbeständen, von Fonds, er benutzt diesen Term, durch den beschreibenden Prozess der Erschließung erfolgt. Er definiert einen Fonds quasi mit einer mathematischen Formel, indem er sagt:
A fonds (F) is any set of relationships (r1, r2, r3, etc.), where a record (a1, a2, a3, etc.) is an element in any of the identified (and non-identified) relationships. Evidently, a record can be part of two or more relationships, and two or more fonds.[7]
Damit haben wir eine neue Ebene erreicht. Um Bestände auf diese Weise identifizieren zu können, müssen die Einzelteile potentieller Fonds mit Metadaten versehen werden, deren Auswertung Beziehungsgemeinschaften zur Grundlage visualisierbarer Archivkörper machen kann. Wir benötigen dafür standardisierte Metadatensets, die maschinenlesbar sind. Geoffrey Yeo weist in einem 2012 erschienen Beitrag in der Zeitschrift „Archivaria“ darauf hin, dass es ein Proprium gerade unseres digitalen Zeitalters sei, Objekte durch das Arrangement von Metadaten zu ordnen, und nimmt dafür Bezug auf David Weinbergers Theorie der „Third Order of Order“, die gerade dadurch geschaffen wird:
This is Weinberger’s ‚third order of order,’ in which resources can be arranged into as many sequences as may be desired and users can organize their work independently of the limitations imposed by analog systems.[8]
Rufen wir uns nun erneut ins Gedächtnis, dass sich Fonds durch Beziehungsgemeinschaften abgrenzen lassen und je nach der Priorisierung dieser Gemeinschaften andere Grenzen haben, die über die einzelnen Archive hinausgehen, so ist die Standardisierung der Metadaten eines der Erfordernisse, um den Nutzern mit neuen Konzepten begegnen zu können, die einen Mehrwert für die Auswertbarkeit von Archivgut bringen; Nutzern, die längst begonnen haben, selbst Quellen zu entdecken und mit Hilfe breit angelegter Projekt zu erschließen und der Forschergemeinschaft zugänglich zu machen. Ich nenne Projekte wie CENDARI, DARIAH, EHRI und nicht zuletzt die Europeana als Pionierin im Aufbau und Einsatz wegweisender Metadatenmodelle. Wir haben es mit Nutzern zu tun, die als Historiker und Vertreter verwandter Disziplinen sich nicht nur im aktiven Zugang sondern auch in der Zugänglichmachung von Archiv- und Kulturgut emanzipiert haben, die Aufgaben übernommen haben, die ursprünglich auf dem ureigenen Terrain der Archivare lagen, die aber dabei auch umfassendere Formen der Erschließung vornehmen konnten, für die den Archiven die Ressourcen fehlten.
Die Standards zu formulieren und die erforderlichen Metadatensets vorzuhalten ist die Aufgabe der Archivare, um eine Erschließung zu gewährleisten, die sich nicht in Beliebigkeit verliert, die nicht Beziehungsgemeinschaften konstruiert, sondern in ihnen Kontexte identifiziert; eine mögliche Fehlentwicklung übrigens, die Jennifer Meehan als die Regel in der weithin gängigen Erschließungspraxis brandmarkt.[9] Die praktische Anwendung der Sets im Prozess der Beschreibung der einzelnen Archivguteinheiten ist eine Aufgabe, an der sich der emanzipierte Nutzer beteiligen kann, ja wohl beteiligen muss, um sie angesichts der kaum veränderbaren Ressourcenknappheit überhaupt ernsthaft angehen zu können.
Um Beziehungen und Eigenschaften von Entitäten eines Metadatenmodells standardisiert identifizieren und beschreiben zu können, bedarf es der Festlegung der Entitäten, mit denen man arbeiten möchte, der Beschreibung der Entitäten als Objekte, etwa in Gestalt von Normdateien (Authority Records) und eines Katalogs von Beziehungsformen und Eigenschaften, mittels derer die Verbindungen der Entitäten untereinander beschrieben werden können. Auf diese Weise gelangt man zu einem Findmittelsystem in der Gestalt eines so genannten Entity-Relationship Model (ERM), ähnlich dem im Museumsbereich angewandten CIDOC Conceptual Reference Model, das mit einem Katalog arbeitet, der auf die Verhältnisse musealer Objekte abgestimmt ist.[10] Im Bereich der Archive muss hier wohl das Conceptual Model for Archival Description in Spain von 2012 hervorgehoben werden.[11] Ansätze für die Umsetzung solcher Modelle in Datenaustauschformate finden sich zum Teil bereits im EAD-Schema, insbesondere im neuen EAD3, in dem der Beschreibung von Rollen der Entitäten größeres Gewicht eingeräumt wird.[12] Beispielsweise kann Archivgut mit Funktionen in Beziehung stehen, die einerseits entstehungsursächlich waren oder andererseits einen Nutzungskontext bezeichnen, in den das Archivgut bei einer späteren Nachnutzung zu anderen als den Ursprungszwecken gestellt wurde. Das ist mit Rollenbeschreibung gemeint. Die konsequente Durchsetzung eines Conceptual Reference Model gibt jede den Nutzer bevormundende Priorisierung des einen oder des anderen Beziehungs- oder Kontextstranges auf, beseitigt monohierarchische Tektoniken, arbeitet mit Ontologien und lässt den Nutzer an seinem PC selbst entscheiden, welche Beziehungsformen für sein konkretes Nutzungsvorhaben welche Priorität bekommen soll. Er befindet sich sozusagen vor einem Bausteinkasten von Geschichten und Namen, von stories and names, wie Wendy M. Duff und Verne Harris ihren Aufsatz über archival description as narrating records and constructing meanings betitelten, und stellt nun legitime Verknüpfungen zwischen den Bausteinen her, wodurch historische Narrative wieder aufleben.[13] Auf diese softwarebasierte Priorisierung von Information durch den Nutzer folgt die Generierung einer virtuellen Kollektion, in der Kontexte und Hierarchien zusammen mit den Archivgutbeschreibungen und den digitalen Repräsentationen angezeigt werden, möglicherweise in der äußeren Gestalt eines Findbuchs, wenn auch als temporäres und nutzungsfallbezogenes Erzeugnis.
Nachdem ein solcher Katalog von Beziehungen und Eigenschaften erstellt bzw. ein entsprechendes Datenset als dafür geeignet identifiziert und nach Möglichkeit als Linked Open Data übergreifend nutzbar ist, gilt es, um zu dem skizzierten Ergebnis zu gelangen, User zu adressieren, die sich eignen und Interesse haben, in passender technischer Umgebung den Archivalien solche Metadaten zu attributieren und möglicherweise auch selbst zur Vervollkommnung dieses Katalogs beizutragen. Von der Vorgehensweise handelt es sich dabei um eine Art von Indizierung mit vorgegebenen Werten durch den Nutzer. Weiters kann ihm erlaubt werden, zusätzliche Werte für den Katalog der Beziehungen und Eigenschaften vorzuschlagen. Diese Form der Interaktion zwischen Archiv und Nutzer, der Partizipation des Nutzers an der Erschließung, benötigt visuelle Repräsentationen des Archivguts. Ohne dass die in Frage kommenden Archivalien digitalisiert vorliegen, ist diese Form der Erschließung ebenso wenig möglich wie jede andere Art des onlinebasierten Crowdsourcing.
Die Attributierung von Eigenschaften in der geschilderten Weise muss sich übrigens nicht zwangsläufig an den Grenzen physischer Archivalieneinheiten orientieren. Das Modell des konzeptuellen Fonds ließe sich womöglich mikrokosmisch auf die konzeptuelle Archivalieneinheit ausweiten. Wenn man aber tatsächlich Beziehungsgemeinschaften zwischen Vorgängen, Dokumenten und Einträgen in die Erschließung einbeziehen möchte, so bekämen die Digitalisate eine neue Qualität. Die metadatengesteuerte Komposition von Subfile-Elementen schüfe neue semantische Einheiten, wenn man möchte, virtuelle Repräsentationen intellektueller Rekontextualisierungen. Denn es entstünden quasi Archivguteinheiten, die weder in analoger noch in digitaler Form so jemals vorgelegen hatte. Im Archiv würden auf diese Weise mehr oder weniger filigrane Informationskollektionen gebildet.
Partizipatorische Erschließung mit Social Communities
Wer könnten nun die Adressaten partizipatorischer Erschließungsformen sein?
Die zeitgleiche Arbeit am selben Archivbestand war Gegenstand eines interinstitutionellen Erschließungsprojekts von Beständen des Internationalen Suchdienstes, das ich koordiniert habe. Die adressierten Teilnehmer an der Erschließung waren in jenem Projekt Spezialisten in den Archiven von Yad Vashem und dem USHMM in Washington, D.C.
Eine Möglichkeit der Erschließung in Zusammenarbeit mit Dritten sind demnach geschlossene Kreise, die sich beispielsweise in Form der Mitarbeiter in einer kooperierenden Institution oder in Gestalt der Glieder irgendeiner anderen, unter Mitwirkung des Archivs zu konstituierenden Community konkretisieren können. Ein offenes Crowdsourcing, ein Anzapfen der „Schwarmintelligenz“, wird je unmöglicher, je höher die Anforderungen an die Qualität der Crowd sind.
Möchten wir vielleicht (lieber) von Addressed Sourcing sprechen und diesen Begriff verwenden, wenn es das Ziel ist, soziale Communities zu identifizieren, die bei der Erschließung interaktiv mit dem Archivar kooperieren? Der Schwerpunkt liegt auf dem Identifizieren und dem Kooperieren als beidseitigen Aktionen. Damit wäre dem Prosumentengedanken des Web 2.0 – wie ich meine – sehr gut Rechnung getragen. Anders als bei Crowdsourcing-Projekten, bei denen die Nutzer oft lediglich die Möglichkeit haben, Information zu rezipieren und neue Information hinzuzufügen, wären sie beim Addressed Sourcing ebenso auf die Rückmeldung des Archivars angewiesen, wie der Archivar auf die des Nutzers. Addressed Sourcing ist insofern eine dialogische, interaktive und durative Kooperation. Sie kann sich nicht auf ein punktuell fassbares Kommunikationsereignis beschränken, sondern funktioniert nur durch steten Austausch innerhalb einer längeren Verlaufsdauer.
Schluss
Web 2.0-Technologien einzusetzen, um Dritte an der archivarischen Arbeit teilnehmen zu lassen ist ein entscheidender Schritt zu einem erneuerten Ressourcenmanagement in den Archiven. Web 2.0, Addressed Sourcing, Standardisierung und emanzipierte Nutzer sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Partizipation. Damit gelingt die Integration der User in das archivarische Kerngeschäft. Die Nutzung von Web 2.0 und Web 2.0-Technologie führte nicht dazu, dass Nebenaufgaben aufgebläht oder völlig neue Arbeitsbereiche an Land gezogen werden, vielmehr führte sie zum Ressourcengewinn für die zentralen Aufgaben. Derartige Partzipationsformen lassen sich vermutlich auch auf andere Bereiche übertragen, etwa auf eine partizipatorische Bewertungspraxis. Wir gelangen somit vielleicht bei dem an, was man „Archiv 2.0“ nennen darf. Ich schließe mit einem Satz von Jennifer Meehan, in dem sie, anknüpfend an die Erläuterung des Begriffs Archives 2.0 durch Kate Theimer am Ende Joy Palmer zitiert:[14]
Rather, an ‚Archives 2.0‘ mode of description might encompass participatory archives, which ‚posits a more radical user orientation, where both archivists and users collaborate to build the archive itself’.
[1] „We can perceive that a collection has physicality, but a fonds, as Cook affirmed, should be seen as an intellectual construct.“ (Geoffrey Yeo, The Conceptual Fonds and the Physical Collection. In: Archivaria 73 (2012), S. 53.
[2] Jennifer Meehan, Arrangement and description: between theory and practice. In: Archives and recordkeeping: theory into practice, hg. v. Caroline Brown, London, 2014, S. 63-99; hier: S. 75.
[3] Vgl. u.a.: Terry Cook, The Concept of the Archival Fonds in the Post-Custodial Era. In: Archivaria 35 (1993).
[4] Vgl. u.a.: Peter J. Scott, The Record Group Concept: a case for abandonment. In: American Archivist 29 (1966).
[5] Die Theorie ist keineswegs neu, hat sich aber als Kriterium zur äußeren Beständeabgrenzung im deutschsprachigen Raum wenig etabliert; vgl. David Bearman, Archival Methods: Archives and Museum Informatics Technical Report. In: Archives and Museum Informatics, Pittsburgh, 1989; Ders., Electronic Evidence: Strategies for managing records in contemporary organizations. In: Archives and Museum Informatics, Pittsburgh, 1994. Im “International Standard for Describing Functions” (ISDF) wird Provenienz wie folgt definiert: “The relationships between records and the organizations or individuals that created, accumulated and/or maintained and used them in the conduct of personal or corporate activity. Provenance is also the relationship between records and the functions which generated the need of the records.” (First Edition, 2007, S. 10; http://www.ica.org/10208/standards/isdf-international-standard-for-describing-functions.html).
[6] Peter Horsman, The Last Dance of Phoenix – The De-Discovery of the Archival Fonds“. In: Archivaria 54 (2002), S. 1-23; hier: S. 15.
[7] Ebd., S. 17.
[8] Geoffrey Yeo, Bringing Things Together: Aggregate Records in a Digital Age. In: Archivaria 74 (2012), S. 43-91; hier: S. 58. Vgl. David Weinberger, Everything is Miscellaneous: The Power of the New Digital Disorder, New York, 2007.
[9] Jennifer Meehan, Arrangement and Description, S. 76.
[10] Deutsche Fassung des CIDOC-CRM: http://cidoc-crm.gnm.de/wiki/CIDOC-CRM:Portal. Vgl. auch die Ausführungen von Geoffrey Yeo, The Conceptual Fonds, S. 71 ff.; ders, Bringing Things Together, S. 81 ff.
[11] Online-Fassung: http://www.mcu.es/archivos/MC/CNEDA/cneda2007_2012.html.
[12] Vgl. Kerstin Arnold, EAD3 and the Consequences of the New Version: http://www.apex-project.eu/index.php/en/articles/149-ead3-and-the-consequences-of-the-new-version.
[13] Die Vielfalt der dem Archivgut innewohnenden Narrative betonte in jüngster Zeit u.a. Eric Ketelaar: „The record is full of meanings, some may be read in the record, or inferred from the intertextuality that connects it to other documents, others have to be deduced from the context of archives‘ creation and use.“ Er geht danach auch auf mögliche Instrumentalisierungen solcher Narrative ein. (Eric Ketelaar, Archives and Archivists without Borders In: Archives without borders/Archivos sin fronteras, proceedings of the international congress in The Hague, August 30 – 31, 2010 / ed. Hildo van Engen et al. – Berchem ; Vlaamse Vereniging voor Bibliotheek-, Archief- en Documentatiewezen, Sectie Archieven ; 2012 (= Archiefkunde, 12), S. 355-359.
[14] Jennifer Meehan, Arrangement and Description, S. 94; Joe Palmer, Archives 2.0: if we build it, will they come? In: Ariadne, 2009: http://www.ariadne.ac.uk/issue60/palmer.
Associated Press: USA schufen kubanischen Twitterklon
Hummingbird – Infrared (Foto: fortherock unter CC BY-SA 2.0)
Das Internet, das per Definition Ländergrenzen überwindet, ist dennoch nicht überall wirklich angekommen. Laut Statistiken der International Telecommunication Union (ITU) nutzten 2012 gerade einmal 25,6% aller KubanerInnen das Internet (in Deutschland betrug die Quote 84%). Es gibt zwar Internet-Cafés auf Kuba, aber man zahlt für eine Stunde Internetnutzung mindestens 4,50 US-Dollar. In Anbetracht des Durchschnittseinkommens, das bei rund 20 US-Dollar liegt, für viele unbezahlbar. 2008 gab es nur in 0,5% der Haushalte überhaupt einen Internetanschluss, obwohl 3,4% der Haushalte über einen Computer verfügten.
Mobiltelefone sind schon eher verbreitet, gut 15% der KubanerInnen nutzen sie. Doch auch sie unterliegen dem staatlichen Monopol. Dies machte sich laut einem Bericht der Associated Press (AP) die US-Regierung zu nutze. In einem Projekt des Entwicklungsdienstes USAID, der sich vor allem um humanitäre Hilfe in Entwicklungsländern kümmert, wurde eine Plattform entwickelt, mit deren Hilfe KubanerInnen unzensiert und ohne Beobachtung durch den Staatsapparat austauschen können. In Anlehnung an twitter wurde die Plattform „Zunzuneo“ getauft – das kubanische Wort für Kolibri. Dort sollten zunächst harmlose Nachrichten über Musik, Wetter und Sport verbreitet werden, später laut AP regierungskritische Botschaften. USAID äußert sich in einem Pressebericht zum Projekt „Zuzuneo“, gibt aber an, das Ziel sei gewesen, „eine Plattform zu entwickeln, auf der sich KubanerInnen frei austauschen können – Punkt.“
Den Bericht der AP sowie weitere Informationen (beides auf Englisch) finden Sie hier.
Quelle: http://wwc.hypotheses.org/83
Dozenten-Nähkästchen (II) – Seminarplanung
Im beginnenden Semester habe ich die Möglichkeit (wie hier berichtet), an Stelle eines meiner Pflichtkurse ein neu völlig zusammengestelltes Seminar anzubieten. Dazu ist zwar einiges an Organisation nötig, die man irgendwann vor Beginn des Semesters oder zumindest der ersten Vorlesungswoche (also vor heute) hinbekommen haben muss. Lustigerweise hatte Kathrin Passig heute auch die richtigen Tweets dazu:
Mail “betreffend der Organisation Ihres Theorie Wahlpflichtmoduls Prokrastination für die … Studierenden an der ZHdK” Ich lachte sehr.
— Kathrin Passig (@kathrinpassig) April 7, 2014
Genaugenommen werde ich darüber von jetzt bis September lachen und dann “Moment, wie, Organisation?” sagen.
— Kathrin Passig (@kathrinpassig) April 7, 2014
Nachdem ich ein Thema gefunden und geändert, mir einen Zeitslot und einen Raum ausgesucht habe, bzw. mir habe zuweisen lassen (das war auch schon ohne Großbaustelle an der Uni Köln schwer genug, ist mir aber wider Erwarten doch einigermaßen schnell gelungen), konnte ich mich an die inhaltliche Planung setzen, in die ich hier einen kurzen Einblick geben will.
Der formale Rahmen einer Uni-Veranstaltung wird meist dadurch vorgegeben, dass man 16 Doppelstunden zur Verfügung hat, die man auf eine Art füllen muss, welche die Studierenden weder langweilen noch überfordern sollte. Und am Ende mit dem Gefühl zurücklässt, dass sie inhaltlich und methodisch etwas dazugelernt haben.
Als erstes braucht man ein Thema, das eine Klammer um das bildet, was man im Kurs beabsichtigt zu tun. Wie es aussieht, habe ich gerade einen Auftrag für unser Institut an Land gezogen, bei dem es genau um die Evaluierung unterschiedlicher Text-Mining-Methoden geht. Dieser ist noch nicht ganz in trockenen Tüchern, deswegen kann ich hier noch keine konkreten Angaben machen. Vage geht es darum, aus einem sehr großen Korpus relativ homogener Texte Informationen zu extrahieren, um diese in strukturierter Form (Datenbank) abzulegen. Die dort zu behandelnden Texte haben eine Art von Binnenstruktur, d.h. sie zerfallen in der Regel in drei Teile. Es ist einfacher, Informationen aus ihnen zu extrahieren, wenn man weiß, in welchem der drei Textteile man zu suchen hat. So bietet sich an, vor der Informationsextraktion eine Textklassifikation vorzunehmen, in der man versucht, diese Teile im Gesamttext auszumachen und zu labeln (Demnächst vielleicht mal etwas konkreter).
Nun ist es durchaus sinnvoll, die beiden Aufgaben – Projektbetreuung und Seminarangebot – miteinander zu verknüpfen, so dass beide Aufgaben davon profitieren können. In diesem Fall ist es auch durchaus legitim, da die von mir angebotene Übung zum Modulslot ”Angewandte Sprachverarbeitung” wie die Faust aufs Auge passt. Es bleibt aber noch zu überlegen, wie das Seminar aufgebaut sein kann, so dass die Studierenden davon auch bestmöglich profitieren.
Einerseits braucht es natürlich eine Einführung in den Bereich Text Mining und seine Unterdisziplinen Information Extraction und Text Categorization. Dafür galt es einführende Literatur zu finden, an der ich mich im Unterricht orientieren kann und die damit von den Studierenden als Grundlage für meine Ausführungen herangezogen werden kann (ich könnte denen ja sonstwas erzählen). Es gibt inzwischen eine Reihe recht annehmbarer Lehrbücher zu den Themen, deswegen wurde ich dort relativ schnell fündig. Allerdings setzen die entsprechenden Kapitel meist eine gewisse Grundbildung in induktiver Statistik voraus, wenn man die angewendeten Methoden tatsächlich auch von Grund auf verstehen will. Für die Studierenden kann ich das nicht unbedingt voraussetzen weswegen ich noch eine Einführung in dieses Thema angesetzt habe. Ein dritter – in unserem Studiengang sehr wichtiger Bereich – betrifft die konkrete Umsetzung des Gelernten in einer Software-Lösung.
Zusammengefasst besteht das Seminar aus aus drei Oberthemen – dem konkreten Anwendungsfall (aus dem Bereich Text Mining), dem zugrundeliegenden Handwerkszeug (induktive Statistik) sowie der Art und Weise der Umsetzung (Software Implementierung). Nach dieser Grob-Strukturierung entschloss ich mich erst einmal eine Mind Map anzulegen1, welche speziellen Themen behandelt werden müssten und wie diese zusammenhängen. Das erste Resultat ist dieses hier gewesen:
Diese Mind Map gibt mir einen Überblick darüber, was ich in den zur Verfügung stehenden 16 Semesterwochenstunden ansprechen sollte und hilft mir bei der Gliederung des Seminars und der Verteilung von Aufgaben, die durch die Studierenden in Form von Kurzreferaten übernommen werden können. Damit bin ich zwar noch nicht ganz durch, aber es bleiben ja auch noch ein paar Stunden Zeit bis zur ersten Sitzung…
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