Neue Perspektiven einer Kulturgeschichte der Heraldik: Der Blog Heraldica Nova erweitert sein Angebot

Die Jesus Christus zugeschriebenen Wappen in der Hyghalmen Wappenrolle aus dem 15. Jahrhundert. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Jesus_Coat_of_Arms_1.jpg

Die Jesus Christus zugeschriebenen Wappen in der Hyghalmen Wappenrolle, heute im College of Arms, aus dem 15. Jahrhundert. Quelle: Wikimedia Commons 

Von der Geschichtswissenschaft ist die Heraldik lange kaum beachtet worden. Zu sehr, so empfanden Historikerinnen und Historiker, beschränkte sich die Disziplin auf das Systematisieren und Kategorisieren der Quellen, zu wenig bediente die klassische Heraldik die neuen, kulturwissenschaftlichen Interessen der historischen Forschung an den Interpretationen und Konstruktionen vormoderner Gesellschaften. Dabei waren heraldische Zeichen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft allgegenwärtig und können deshalb gerade dort vollkommen neue Perspektiven eröffnen, wo die Geschichtswissenschaft historische Diskurse, symbolische und visuelle Kommunikation und Repräsentation zum Ansatz hat und Themen wie Identität und Mentalität, Verwandt- und Gefolgschaft, das Imaginäre oder Gender in den Mittelpunkt stellt.[1]

Chancen und Potenziale einer neuen Heraldik

Die Potenziale heraldischer Quellen für die kulturwissenschaftliche Forschung sind Kern des von der VolkswagenStiftung geförderten Projektes “Die Performanz der Wappen” an der Universität Münster. Dort werden in einem interdisziplinären Vorgehen historische, kunsthistorische und philologische Ansätze zusammengeführt,  um der Transmedialität heraldischer Zeichen gerecht zu werden. Physische Abbildungen, Artefakte und Architektur werden dabei ebenso zur Quelle wie die schriftliche Überlieferung zu Wappen. Zum einen soll erforscht werden, wie und inwiefern heraldische Zeichen ein solch omnipräsentes und potentes Mittel visueller Kommunikation der vormodernen Gesellschaft werden konnten. Zum anderen soll herausgestellt werden, wie dieses Kommunikationsmedium im gesellschaftlichen Alltag funktionierte und wie es von den Zeitgenossen – quer durch alle Schichten – verstanden und genutzt wurde. Eine transmediale und interdisziplinäre neue Heraldik soll damit ein omnipräsentes Phänomen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kultur und Mentalität erschließen und einen geschichtswissenschaftlichen Beitrag zum fächerübergreifenden Forschungsdiskurs zur visuellen Kultur leisten.

Aktuelle Forschung im Netz

Der Blog Heraldica Nova wurde im Jahr 2013 von Torsten Hiltmann als Präsentations- und Kommunikationsplattform dieser “neuen Heraldik” gegründet. Im Mittelpunkt stand seitdem vor allem der Auf- und Ausbau des Blogs zu einem internationalen Online-Netzwerk für Forscherinnen und Forscher, die sich mit Geschichte und Heraldik befassen und auf dem Blog ihre Forschungsideen und -ergebnisse in eigenen Posts zur Diskussion stellen. Indem aktuelle Arbeiten und laufende Projekte an einem zentralen Ort im Internet zusammengeführt werden, sollen die einzelnen Forschungsvorhaben sichtbar gemacht und miteinander in Kontakt gebracht werden, die sich allmählich zu einer neuen Forschungsrichtung formieren. Mit kompakten und exemplarischen Einzelbeiträgen möchte der Blog dabei zugleich auch mit der breiteren, außeruniversitären Öffentlichkeit über diese neuen Perspektiven auf heraldische Quellen in Dialog treten und Einblick in aktuelle Tendenzen der akademischen Forschung geben.

Seit der Veröffentlichung im vergangenen Jahr blickt der Blog bereits auf eine erfolgreiche Entwicklung zurück: Mehr als 100 Beiträgen gewähren Einsicht in die laufende kulturwissenschaftlich-heraldische Forschung, die von rund 3.000 Besuchern pro Monat gelesen und kommentiert werden. Diese erfolgreiche Entwicklung hat jetzt man zum Anlass genommen, Heraldica Nova weiterzuentwickeln.

Stand anfangs noch die mittelalterliche Heraldik allein im Mittelpunkt, so hat sich gezeigt, dass das Phänomen  der Wappen in seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung keineswegs auf das Mittelalter beschränkt ist.[2] Künstliche Epochengrenzen verstellen den Blick dafür, dass sich die  mittelalterliche Heraldik bis weit in das 16. und 17. Jahrhundert kontinuierlich weiterentwickelt hat. Aus diesem Grund lädt der Blog nun auch explizit Forscherinnen und Forscher zur Veröffentlichung ein, die sich mit Heraldik in der Frühen Neuzeit beschäftigen. Auch epochenübergreifende Fragestellungen und Diskussionen sollen so angestoßen werden.

Wegweiser: Forschung, Diskurse, Hilfsmittel

Gerade der Einstieg in die Heraldik – wie der Umgang mit den Hilfswissenschaften überhaupt – hält oft erhebliche Hürden für Interessierte bereit. Hier will der Blog durch Materialien und Ressourcen helfen, die bei den ersten Schritten und grundlegenden Fragestellungen der Heraldik begleiten und in die Erforschung heraldischer Zeichen einführen sollen. So gibt es nun erste Übersichten zu den wichtigsten Zeitschriften und Bibliografien sowie Datenbanken und Werkzeugen, die bei der hilfswissenschaftlichen Bestimmung von Wappen und dem Umgang mit heraldischen Begrifflichkeiten helfen können. Eine stetig wachsende Sammlung digitalisierter Wappenbücher bietet einen direkten Einstieg in eine wichtige Quellengattung der heraldischen Forschung. Den Fortgeschrittenen dienen Überblicke und Rezensionen als Wegweiser im laufenden Forschungsdiskurs.

Vernetzung als Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit

Der Blog Heraldica Nova versteht sich als Plattform, die sowohl Forscherinnen und Forschern als auch Interessierten außerhalb der Wissenschaft einen zentralen Informations- und Kommunikationsort zur heraldisch interessierten Kulturgeschichte bietet. Wer seine eigene Forschung auf dem Blog veröffentlichen und zur Diskussion stellen möchte, dem steht eine redaktionelle Betreuung im Rahmen des Trägerprojektes "Die Performanz der Wappen" an der Universität Münster zur Verfügung. Schließlich sind Leserinnen und Leser ausdrücklich dazu eingeladen, die Beiträge zu kommentieren und zu diskutieren. Im freien Austausch der Leserinnen und Leser mit den Verfasserinnen und Verfassern entwickeln sich so oft fruchtbare Gespräche und wertvolle Impulse für die eigene Forschung, besonders dann, wenn die mitlesende Expertencommunity unmittelbar angesprochen wird und mittels der Kommentarfunktion sofort antworten kann.[3]

Das Medium des Blogs bietet auf diese Weise nicht nur die Möglichkeit zur Vernetzung innerhalb der Fachwelt, er bietet auch die Möglichkeit, die eigene Forschung in der breiteren Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Hierfür ist der Blog nahtlos mit anderen Online-Medien vernetzt. Über RSS-Feed und Newsletter können Interessierte ebenso “am Ball bleiben” wie  über Twitter, Facebook und Google+.

Adresse des Heraldica Nova-Blogs: http://heraldica.hypotheses.org/

[1] Für eine Einschätzung der bestehenden Historiografie sowie den Potenzialen heraldischer Zeichen für die Forschung, vgl. Torsten Hiltmann, “Heraldry and History – why is there so much and at the same time so little heraldry in historical research?”, in: Heraldica Nova (blog on hypotheses.org), 23. Juli 2013, URL: http://heraldica.hypotheses.org/364 (abgerufen am 19.11.2014).

[2] Vgl. Torsten Hiltmann, Legends in doubt – the end of medieval heraldry in the 17th century: On the continuity of medieval imaginary in early modern thought, Vortrag gehalten im Rahmen der Konferenz "Kontinuitäten | Umbrüche | Zäsuren: Die Konstruktion von Epochen in Mittelalter und früher Neuzeit in interdisziplinärer Sichtung", Krems an der Donau, 14.- 17. Mai 2014.

[3] Vgl. die vielfältigen Reaktionen von Heraldikern und Historikern zu Jörg Schlarb, “Wer kennt mittelalterliche Wappensagen?”, in: Heraldica Nova (blog on hypotheses.org), 11. September  2014, URL: http://heraldica.hypotheses.org/1436 (abgerufen am 19.11.2014).

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/4930

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Mit den Greifen über Schweden

Malmö Aviation auf dem Flughafen von Umeå Foto: CC-BY Michael Meichsner

Malmö Aviation auf dem Flughafen von Umeå
Foto: CC-BY Michael Meichsner

Gullydeckel der Kommune Malmö im Museum Malmöhus slott Foto: CC BY Michael Meichsner

Gullydeckel der Kommune Malmö im Museum Malmöhus slottFoto: CC-BY Michael Meichsner

 

Auf meinem letzten Inlandsflug in Schweden war der pommersche Greif ein Begleiter, den ich nicht unbedingt erwartet hatte. Die schwedische Fluggesellschaft Malmö Aviation trägt den gekrönten pommerschen Greifen in ihrem Firmenlogo und auch die Bordzeitung des Unternehmens trägt den kurzen Titel Grip, also Greif.

Bei genauerer Betrachtung ist der Greif in und um Malmö ein ständiger Begleiter: Er wird von weiteren Firmen genutzt, die ihren Sitz in Schonen haben bzw. hatten: Die Lundenser Studentenverbindung Malmö Nation nutzt ihn als Symbol und benennt ihre Studentenzeitung auch nach dem Greifen. Die Suche schweift von der Luft zum Boden – auch die Gullydeckel in Malmö zeigen den Greifen.

Der Anfang dieser Darstellungsbegeisterung ist in der Wappenverleihung Eriks von Pommern an Malmö 1437 zu suchen. In dem erhaltenen Privileg heißt es, die Gemeinde Malmö solle für immer die beschriebenen Wappen und Kleinodien auf ihrem Siegel und Schild führen. Folgend wurde das Wappen näher beschrieben: auf weißem Feld ein roter Greifenkopf mit rotem Hals und roten Ohren mit einer goldenen Krone auf dem Haupt sowie auf dem Helm ebenso ein rotes Greifenhaupt mit einer goldenen Krone sowie einem Busch weißer und roter Straußenfedern. Zur genaueren Beschreibung findet sich auf dem Wappenprivileg eine Zeichnung dieses Wappens.

 

Wappenbrief Malmös vom 23.04.1437, Stadtarchiv Malmö Foto: CC BY-SA Sven Rosborn

Wappenbrief Malmös vom 23.04.1437, Stadtarchiv Malmö
Foto: CC-BY-SA Sven Rosborn

Nach einer kurzen Recherche zeigt sich, dass das Malmöer Wappen heute das einzige offizielle Kommunalwappen in Schweden ist, das den Greifen zeigt und somit auf die Zeit des ersten Unionskönigs der Kalmarer Union zurückgeht. Auf der Ebene der schwedischen Regionen findet sich noch das Wappen Schonens, das ebenso den Greifen zeigt. Dieses geht jedoch auf spätere Entwicklungen zurück, als Schonen nach 1658 an Schweden fiel und kein eigenes Wappen hatte. Zur Repräsentation der neugewonnenen Landschaft auf dem Begräbnis Karls X. Gustav 1660 wurde kurzerhand ein neues geschaffen, wobei man sich an dem Wappen Malmös orientierte. In Dänemark findet sich kein einziges Kommunalwappen, welches auf die Herrschaft des Greifen Erich von Pommern zurückzuführen ist.

Die Privilegierung Malmös steht in Zusammenhang mit einer Konzentration des Königs aus dem Greifengeschlecht auf die Öresundregion. Seit März 1413 stärkte Erik von Pommern diese Region in wirtschaftlicher, militärischer und politischer Hinsicht. Er gründete die Stadt Landskrona, befestigte die östliche Seite des Öresunds mit der Festung Krogen und verlagerte die Stadt Helsingör. Darüberhinausgehend erwarb er Kopenhagen für das dänische Königtum. In Malmö verlieh er dem Rat weitere Privilegien und sorgte für die Befestigung der Stadt.

Die visuelle Anbindung Malmös an das Herrscherhaus der Greifen ist in Spannungen innerhalb der Kalmarer Union zu suchen. Erik von Pommern entstammte dem Geschlecht der pommerschen Herzöge aus der Seitenlinie der Herzöge von Pommern-Stolp und erhielt zunächst den typischen Namen Bogislaw. Durch dynastische Zufälle und die energische Politik seiner Ziehmutter Margrete I. von Dänemark avancierte der junge Pommer zum Thronfolger in Dänemark, Schweden und Norwegen als Erik VII., Erik XII. und Erik III. Ab 1397 war er Regent der Kalmarer Union, die diese drei Königreiche zusammenfasste. Nach dem Tod Margaretes I. 1412 war Erik Alleinregent, wobei er die Interessen der verschiedenen Reichsräte stets in seine Politik mit einkalkulieren musste. Solange der Interessenausgleich funktionierte waren keine größeren Spannungen innerhalb der Union festzustellen. Dies wandelte sich jedoch in den 1430er Jahren. In Schweden brach 1434 ein Aufstand aus, der sich zunächst gegen eine Erhöhung von Abgaben richtete. Diesem Aufstand schlossen sich schwedische Hochadlige an, wobei nun v.a. die zentralistische Regierungsweise Eriks mit der Bevorzugung nichtschwedischer Adliger für schwedische Reichsgüter und dessen Thronfolgepläne für die drei nordischen Königreiche im Mittelpunkt standen. Zunehmend vehementer versuchte der König eine pommersche Thronfolge für die Unionsreiche durchzusetzen. Ins Auge fasste er dabei seinen Cousin Bogislaw IX., der auch im oben erwähnten Wappenbrief Malmös als Thronfolger genannt ist. Angesichts dieser Politik einer Bevorzugung pommerscher Verwandter des Königs – Bogislav wurde mit bedeutenden Burgen und Besitzungen in Dänemark bedacht – brach auch Unmut im dänischen Reichsrat aus.

Auch wenn 1436 ein Ausgleich zwischen Erik und dem schwedischen Reichsrat erzielt werden konnte, waren die Probleme, die Erik mit dem Adel seiner Reiche hatte, nicht vollständig ausgeräumt. Auch in Dänemark wuchs 1438 die Unzufriedenheit mit Eriks zentralistischem Regierungsstil und seinen Plänen, die Greifen als Erben der Unionskönigswürde zu installieren. Der Konflikt zwischen den Mitgliedern der Reichsräte und Erik von Pommern kulminierte schließlich 1439 in der aufeinander folgenden Absetzung Eriks  als König in Dänemark und Schweden. Die Norweger schlossen sich dieser Entscheidung später an – die Union zwischen den Reichen sollte aber fortbestehen. Die Wappenverleihung an Malmö ist in diesem Kontext als Versuch des Königs zu verstehen, in einer schwierigen Zeit Verbündete in einer der wichtigsten Handelsstädte der Öresundregion zu gewinnen.

Um den Konflikten in seinen Reichen zu entgehen und um eine zentrale Position im Ostseeraum einzunehmen, zog sich Erik 1438 nach Gotland zurück. Von dort aus versuchte er bis 1449 weiterhin Einfluss auf die Entwicklungen innerhalb der Kalmarer Union zu nehmen. Gotland war auch schon vorher ein sicherer Hafen für Erik. Das Privileg für Malmö wurde1437 so auch auf der Visborg abgefasst – seit dem ersten Viertel des 15. Jahrhunderts eine der bedeutendsten Burganlagen des Ostseeraums. Seinen Lebensabend verbrachte Erik schließlich wieder als Herzog von Pommern-Stolp, er starb 1459 in Rügenwalde/Darłowo.

An die Zeit des Unionskönigs aus dem Greifengeschlecht erinnern also noch heute der Greif im Stadtwappen Malmös oder die Fluggesellschaft Malmö Aviation. Auch wenn Erik von Pommern seine Königswürde am Ende verlor, ist es noch möglich mit dem König  über Schweden und die Ostsee zu reisen…

Malmö Aviation über Schweden Fotos: CC BY Michael Meichsner

Malmö Aviation über Schweden
Fotos: CC BY Michael Meichsner

Quelle: http://nordichistoryblog.hypotheses.org/2715

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#wbgavie | Torsten Hiltmann: Heraldica Nova

Gastbeitrag von Torsten Hiltmann (Münster) anlässlich des Workshops „Bloggen in Geschichtswissenschaft und Archivwesen“, der am 10. November 2014 in Wien stattgefunden hat.

Die Heraldik wurde von Historikerinnen und Historikern für lange Zeit oft nur als selbstreferentielle Hilfswissenschaft betrachtet, die sich auf das Systematisieren und Kategorisieren von Wappen beschränkt. Dass jedoch das omnipräsente Phänomen der Wappen und die überlieferten Quellen mit Blick auf Kommunikation, Mentalitäten und Kultur des europäischen Mittelalters und der Frühen Neuzeit ein enormes Erkenntnispotenzial mitbringen, hat erst in jüngerer Zeit das Interesse der Forschung gefunden. Seitdem versuchen Forscherinnen und Forscher der Heraldik und der Geschichtswissenschaft im gegenseitigen Austausch gemeinsam, das Phänomen der heraldischen Zeichen aus der Perspektive der neuen Kulturgeschichte in ihren gesellschaftlichen Performanzen und Funktionen zu untersuchen. Durch das interaktive Medium des Blogs will das Heraldikportal „Heraldica Nova“ der Forschung zur Geschichte der heraldischen Kommunikation als Sprachrohr zur interessierten Öffentlichkeit dienen und den Aufbau eines internationalen Forschungsnetzwerkes fördern, indem es eine zentrale Kommunikationsplattform für den heraldisch-historischen Forschungsdiskurs anbietet.

Kulturgeschichte der Heraldik – neue Ansätze für alte Quellen

Der Blog „Heraldica Nova“, ins Leben gerufen 2013 von Torsten Hiltmann als Teil des von der VolkswagenStiftung geförderten Dilthey-Projektes „Die Performanz der Wappen“ an der Universität Münster, möchte die Chancen einer kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit heraldischen Zeichen mittels eines offenen Blogs dem akademischen und öffentlichen Diskurs zugänglich machen. Seit der Veröffentlichung im vergangenen Jahr kann der Blog bereits auf eine erfolgreiche Entwicklung zurückblicken: In mehr als 80 Beiträgen sind Einblicke in die laufende kulturwissenschaftlich-heraldische Forschung gegeben worden, die von rund 3.000 Besucherinnen und Besuchern pro Monat gelesen und kommentiert werden. Dies haben die Macher zum ersten Jubiläum als Anlass genommen, den Blog in seiner inhaltlichen Ausrichtung und seinen Angeboten gründlich zu überarbeiten und zu erweitern. Beschränkte sich der Blog anfangs auf mittelalterliche Heraldik, sind angesichts der epochenübergreifenden Bedeutung von Wappen für die vormoderne Gesellschaft nun auch frühneuzeitliche Forschungen ausdrücklich willkommen.

Inhalte: Projekte, Debatten, Hilfsmittel

Als Plattform einer neuen kulturwissenschaftlichen Heraldik versteht sich der Blog durch Ankündigungen und Berichte von Konferenzen sowie durch Überblicke und Rezensionen zu aktueller Literatur zum einen als Wegweiser im laufenden Forschungsdiskurs. Darüber hinaus werden nun auch Materialien und Ressourcen zur Verfügung gestellt, die bei der Erforschung heraldischer Zeichen von Nutzen sein können und einen Einstieg in die wenig bekannte Materie geben. Dies schließt neben einem Überblick über die wichtigsten Zeitschriften und Bibliografien auch Datenbanken und Werkzeuge mit ein, die bei der Bestimmung von Wappen und dem Umgang mit heraldischen Begrifflichkeiten helfen können. Sammlungen digitalisierter Wappenbücher bieten einen einfachen Einstieg in die Quellen der heraldischen Forschung.

Online-Kommunikation als Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit

Vor allem aber versteht „Heraldica Nova“ sich als Plattform, auf der interessierte Forscherinnen und Forscher ausdrücklich aufgefordert sind, ihre eigenen Erkenntnisse zu veröffentlichen, neue Ideen vorzustellen und aktuelle Forschung und Literatur im Online-Gespräch mit den Kolleginnen und Kollegen zu diskutieren. Das Trägerprojekt „Die Performanz der Wappen“ an der Universität Münster stellt dabei nicht nur die notwendigen Ressourcen, sondern auch eine redaktionelle Betreuung der Beiträge sowie wissenschaftliche Ansprechpartner zur Verfügung. Der akademische Diskurs auf der Plattform des Blogs soll so die Potenziale der kulturwissenschaftlich-heraldischen Forschung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen und ihre Vertreterinnen und Vertreter miteinander vernetzen. Leserinnen und Leser sind ausdrücklich dazu aufgerufen, diese Beiträge zu kommentieren. Im freien Austausch der Blog-Lesenden mit den Verfasserinnen und Verfassern entwickeln sich so oft fruchtbare Gespräche und wertvolle Impulse für die eigene Forschung, besonders dann, wenn das Wissen der mitlesenden Expertengemeinde unmittelbar angesprochen wird und über die Kommentarfunktion sofort antworten kann.

Sichtbarkeit durch Vernetzung

Das Medium des Blogs bietet auf diese Weise die Möglichkeit, nicht nur die Sichtbarkeit der eigenen Forschung zu erhöhen, sondern auch deren Vernetzung innerhalb der Fachwelt zu fördern. Dies gelingt, weil das Blog nahtlos mit anderen Online-Medien vernetzt und erreichbar ist: Über RSS-Feeds und Newsletter können Interessierte ebenso „am Ball bleiben“ wie über Twitter, Facebook und Google+.

Torsten Hiltmann ist Juniorprofessor für die Geschichte des Hoch- und Spätmittelalters und Historische Hilfswissenschaften am Historischen Seminar der Universität Münster. Hier leitet er u.a. das von der VolkswagenStiftung im Rahmen eines Dilthey-Fellowships geförderte Forschungsprojekt „Die Performanz der Wappen. Zur Entwicklung von Funktion und Bedeutung heraldischer Kommunikation in der mittelalterlichen Kultur (12.–15. Jahrhundert)“.

Quelle: http://bioeg.hypotheses.org/830

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Ein nicht identifiziertes Gesellschaftszeichen auf dem Grabstein des Konrad von Kraig (gest. 1398/1399) in St. Veit an der Glan, Kärnten

Im Auftrag von Prof. Dr. Werner Paravicini (Kiel) und in Anknüpfung an einen ähnlichen Post veröffentlichen wir hier gerne folgende Anfrage in unserer Rubrik “Die digitale Kaffeepause”. Sie dient explizit der Klärung offener Fragen mit Hilfe interessierten Fachpublikums, wie es oft auch die analoge Konferenzkaffeepause auszeichnet. Wer Ähnliches hier vorstellen möchte, wende sich vertrauensvoll an die Blogbetreiber.

Grabstein Konrad von Kraig

Grabstein des Konrad von Kraig in St. Veit am Glarn, Gesamtansicht (Foto: Friedrich Wilhelm Leitner, Klagenfurt)

Auf dem Grabstein des dem Herrenstand angehörenden Konrad von Kraig hängt vom Helm herab eine Kette an deren Ende ein kreisrundes Abzeichen befestig ist [s. Gesamt- und Detailansicht].1 Alle Versuche, dieses Abzeichen zu identifizieren, sind bislang fehlgeschlagen. Leider ist es unvollständig erhalten. Das Zentrum scheint eine Rose auszufüllen, über die ein Vogel (Rabe, Falke?) gelegt ist. Der kreisrunde, breite Rand ist mit einem einzigen Wort belegt, das mit “… em” endet. Es handelt sich also um eine klassische Devise, zusammengesetzt aus Bild und Wort. Keinesfalls handelt es sich um ein Wappen, etwa das seiner ersten oder zweiten Frau. Konrad von Kraig, 1357/1358, 1377 und möglicherweise öfter auf Preußenfahrt, stand 1355 in mailändischem Sold,  trat in österreichische Dienste, wurde gegen Venedig eingesetzt, war Hauptmann in Kärnten, dann auch in Krain. Er diente aber zugleich dem König Wenzel von Böhmen als Hofmeister und begegnet oft als relator in dessenUrkunden. In Wenzels Auftrag verhandelte er die Heirat Annas von Böhmen mit Richard II. von England und hielt sich deshalb in den Jahren 1381-1382 des öfteren in England auf, wobei nicht ausgeschlossen ist, daß er schon früher dorthin gekommen war (1356/1361).

Das Gesellschafts- oder Ordenzeichen könnte ihm also verliehen worden sein:

  • vom Deutschen Orden, denn er saß dort am Ehrentisch.
    ….
  • von einem Herzog von Österreich, Albert III. oder Leopold III.
  • von Wenzel von Böhmen.
  • vom einem König von England, vermutlich Richard II., aber auch Eduard III. käme in Frage, oder ein Mitglied der königlichen Familie, oder englischer Hochadel.

    Devise im Detail

    Detailansicht der Devise (Foto: Friedrich Wilhelm Leitner, Klagenfurt)

  • von einem Mitglied des Hauses Rosenberg in Böhmen (der heraldischen Rose wegen).
  • Es könnte sich aber auch um eine eigene, Kraigsche Kreation handeln.
  • Oder um einen ganz anderen Zusammenhang.

Diese Devise paßt nicht zu den Zeichen, die vom Deutschen Orden oder von den genannten Fürsten und Herren bekannt sind.

Wer kennt das Zeichen, wer kann es einordnen?

Mit Dank im Voraus für Rückmeldungen über die Kommentarfunktion.

Werner Paravicini

  1. Vgl. Leitner, Friedrich Wilhelm, Die Herren von Kraig. Eine genealogische Skizze zu den Erbtruchsessen in Kärnten, in : Archiv für Diplomatik 46 (2000), S. 225-275, hier  S. 245 u. S. 268, Abb. 1 = Die Inschriften des Bundeslandes Kärnten. Teil 2: Die Inschriften des Politischen Bezirkes St. Veit an der Glan, bearb. v. Friedrich Wilhelm Leitner [Die Deutschen Inschriften, 65 = Wiener Reihe 2/2], Wien 2008, S. 62, n° 71 und Abb. 61

Quelle: http://mittelalter.hypotheses.org/4551

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Fünf Fragen an … Laurent Hablot (Poitiers)

Herr Hablot, vielen Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, ein Interview mit uns für die Veranstaltungshomepage zu führen. Wir sind die Mitglieder des Kurses von Herrn Hiltmann. In diesem Kurs beschäftigen wir uns mit den Themen der Veranstaltungsreihe. Wie … Continue reading

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/1191

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Pofallas Briefkopf – Aktenkunde und zeitgenössische Dokumentenfälschungen

Die Diplomatik, hier verstanden als klassische Urkundenlehre, war zuerst eine praktische Wissenschaft, bevor sie eine Hilfswissenschaft der Geschichtsforschung wurde. Discrimen veri ac falsi, die Entlarvung von Urkundenfälschungen, war in der Frühen Neuzeit eine Kunst von eminentem politischem und staatsrechtlichem Wert.

Auf den ersten Blick mag es scheinen, dass die Aktenkunde als jüngere Schwester der Diplomatik diese Entwicklungsstufe übersprungen habe. In der Tat sorgt bereits die Überlieferung im Registraturzusammenhang dafür, dass der Echtheitsbeweis für das einzelne Aktenschriftstück bei der historischen Auswertung kaum je angetreten werden muss. Ganz verloren hat sich diese Aufgabe freilich nicht, und das Instrumentarium ist dafür vorhanden.

Im Februar 2013 berichtete die „Zeit“ über ein angeblich vom Chef des Bundeskanzleramtes, Ronald Pofalla, stammendes Schreiben an die Vorsitzende des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages. Folgt man dem Wortlaut, so hätte Pofalla massiven Druck auf den Ausschuss ausgeübt. Das Bundeskanzleramt wie die Ausschussvorsitzende bezweifelten umgehend die Echtheit des Stücks, und auch die “Zeit” blieb skeptisch. Es wurde Strafanzeige wegen Urkundenfälschung erstattet.

Die Argumentation gründet zum einen im Registraturzusammenhang (Pofalla sei nach Aktenlage nie mit dem Thema befasst gewesen), zum anderen auf formalen Merkmalen, mit denen wir in den Bereich der Aktenkunde kommen. Auch ohne das Stück zu kennen, lässt sich das discrimen veri ac falsi an diesem Beispiel zeitgeschichtlicher Aktenkunde ansatzweise durchspielen.

Wie also hat muss man sich das Schriftstück anhand des „Zeit“-Berichts vorstellen? Das Layout von Schreiben Oberster Bundesbehörden ist allgemein bekannt: Links oben im Kopf müsste das Signet der Bundesregierung stehen: Ganz links der Bundesadler in der 1997 eingeführten „dynamischen“ Gestaltungsvariante (Laitenberger/Bassier 2000: 13), rechts daneben ein schmaler, schwarz-rot-goldener Balken und wiederum rechts daneben die Behördenfirma, hier also „Bundeskanzleramt“, sofern nicht die personalisierte Variante mit der Amtsbezeichnung „Der Chef des Bundeskanzleramtes“ gewählt wird. Folgt man der „Zeit“, so stand „Bundeskanzleramt“ im Kopf. Während bei normalen Schreiben der obersten Bundesbehörden nur der Name des zeichnenden Bearbeiters genannt wird, gibt es für Schreiben hoher Amtsträger eine Personalisierungsmöglichkeit durch ein Namensfeld am rechten Rand im oberen Seitendrittel. Hier wäre zu erwarten „Ronald Pofalla MdB, Bundesminister“, oder ähnliches.

In jedem Fall firmiert der „ChefBK“ auf dem Kopfbogen seines Amtes selbstverständlich mit dessen Adresse (Willy-Brandt-Str. 1). Das der „Zeit“ zugespielte Schreiben führte, der Berichterstattung zufolge, als Absenderangabe aber das Mitglied des Deutschen Bundestages Pofalla mit seinem Abgeordnetenbüro an (im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages, Platz der Republik 1). Den Praktikern im Bundeskanzleramt ist dieser Fehler natürlich sofort aufgefallen. Um einen zentralen Forschungsbegriff zu verwenden: Das Stück ist offensichtlich nicht kanzleigemäß. Unter der Kanzleimäßigkeit eines Schriftstücks verstehen wir die „Übereinstimmung mit den jeweils aktuellen Normen der ausstellenden Kanzlei“ (Vogtherr 2008: 63).

Wäre Pofalla in seinem Amt als MdB Urheber des Schreibens, so würde dies einen weiteren, augenfälligen Verstoß gegen die Kanzleiregeln implizieren: einen falschen Adler.

Heraldisch gibt es nur „den“ Bundesadler. Die moderne Staatssymbolik weicht insofern von der klassischen Heraldik ab, als dass sie für einzelne Anwendungsbereiche unterschiedliche gestalterische Ausführungen des Wappens bzw. des Wappenbildes vorsieht. Das „Grundmodell“ des Bundesadlers wurde durch eine Bekanntmachung des Bundespräsidenten festgelegt und ist identisch mit dem Weimarer Reichsadler. Für die Ausführung zu amtlichen Zwecken sind „die im Bundesministerium des Innern verwahrten Muster … maßgebend“ (Bundesgesetzblatt 1950 S. 26. Vgl. Hattenhauer 1990: 121 f.). Diese Muster zeigen den 1927 von Tobias Schwab gestalteten Weimarer Reichsadler (Laitenberger/Bassier 2000: Tafel I. Vgl. Hartmann 2008: 501). Die leicht abgewandelte Variante für das heutige Signet unterscheidet sich auf den ersten Blick nur durch das ausgestellte Gefieder, das schon in Heuss’ Bekanntmachung für die Darstellung des Adlers außerhalb des Wappenschilds vorgeschrieben wird (auf der Website des BMI lässt sich der Signet-Adler oben links gut mit dem Adler des Bundeswappens vergleichen).

Während die Bundesbehörden also Schwabs Ausführung verwenden, nutzen der Bundestag und seine Mitglieder als Signet aber eine grafische Umsetzung der 1953 von Ludwig Gies für die Stirnwand des Plenarsaals geschaffenen Adlerplastik – der sogenannten „Fetten Henne“ (Hartmann 2008: 503–505). In einem Schreiben des MdB Pofalla wäre also dieser Parlamentsadler zu erwarten, dessen Kombination mit der Behördenfirma „Bundeskanzleramt“ im selben Kopfbogen nun völlig kanzleiwidrig wäre.

Wenn wir die heraldischen Elemente pragmatisch unter den „weichen“ Regeln der Staatssymbolik der Gegenwart betrachten, so gilt auch für heutige Behördenschreiben mutatis mutandis die Feststellung: „Insgesamt bildet die Heraldik des Schreibens und die Art ihrer Plazierung einen wichtigen Teil jenes ggf. territorial differenzierten Comments, der als ‚Kanzleistil‘ firmiert“ (Kloosterhuis 1999: 499, Preprint: 29).

Natürlich ist dies alles eine Trockenübung. Der Beweis der Fälschung wird über ordnungsgemäß geführte Akten in der Registratur des Bundeskanzleramtes geführt. Aber stellen wir uns vor, im Abstand von Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten wäre die amtliche Überlieferung ganz oder teilweise verloren gegangen, durch Katastrophen oder auch nur archivische Bewertung, und unsere ganze Quellengrundlage zu dem Vorfall sei das der „Zeit“ zugespielte Stück, das im Nachlass eines Journalisten überdauert habe. Spätestens müsste jetzt mit aktenkundlicher Methodik die inneren Merkmale des Schriftstücks untersucht werden.

Discrimen veri ac falsi – eine Aufgabe auch der zeitgeschichtlichen Aktenkunde.

 

Literatur

 

Hartmann, Jürgen 2008: Der Bundesadler. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 56: 495–509 (Abstract).

Hattenhauer, Hans 1990: Geschichte der deutschen Nationalsymbole. 2. Aufl. München.

Kloosterhuis, Jürgen 1999: Amtliche Aktenkunde der Neuzeit: Ein hilfswissenschaftliches Kompendium. In: Archiv für Diplomatik 45: 465–563 (Preprint).

Laitenberger, Birgit/Bassier, Maria 2000: Wappen und Flaggen der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. 5. Aufl. Köln u. a.

Vogtherr, Thomas 2008: Urkundenlehre: Basiswissen. Hannover.

Quelle: http://aktenkunde.hypotheses.org/38

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