Die Jesus Christus zugeschriebenen Wappen in der Hyghalmen Wappenrolle, heute im College of Arms, aus dem 15. Jahrhundert. Quelle: Wikimedia Commons
Von der Geschichtswissenschaft ist die Heraldik lange kaum beachtet worden. Zu sehr, so empfanden Historikerinnen und Historiker, beschränkte sich die Disziplin auf das Systematisieren und Kategorisieren der Quellen, zu wenig bediente die klassische Heraldik die neuen, kulturwissenschaftlichen Interessen der historischen Forschung an den Interpretationen und Konstruktionen vormoderner Gesellschaften. Dabei waren heraldische Zeichen in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft allgegenwärtig und können deshalb gerade dort vollkommen neue Perspektiven eröffnen, wo die Geschichtswissenschaft historische Diskurse, symbolische und visuelle Kommunikation und Repräsentation zum Ansatz hat und Themen wie Identität und Mentalität, Verwandt- und Gefolgschaft, das Imaginäre oder Gender in den Mittelpunkt stellt.[1]
Chancen und Potenziale einer neuen Heraldik
Die Potenziale heraldischer Quellen für die kulturwissenschaftliche Forschung sind Kern des von der VolkswagenStiftung geförderten Projektes “Die Performanz der Wappen” an der Universität Münster. Dort werden in einem interdisziplinären Vorgehen historische, kunsthistorische und philologische Ansätze zusammengeführt, um der Transmedialität heraldischer Zeichen gerecht zu werden. Physische Abbildungen, Artefakte und Architektur werden dabei ebenso zur Quelle wie die schriftliche Überlieferung zu Wappen. Zum einen soll erforscht werden, wie und inwiefern heraldische Zeichen ein solch omnipräsentes und potentes Mittel visueller Kommunikation der vormodernen Gesellschaft werden konnten. Zum anderen soll herausgestellt werden, wie dieses Kommunikationsmedium im gesellschaftlichen Alltag funktionierte und wie es von den Zeitgenossen – quer durch alle Schichten – verstanden und genutzt wurde. Eine transmediale und interdisziplinäre neue Heraldik soll damit ein omnipräsentes Phänomen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Kultur und Mentalität erschließen und einen geschichtswissenschaftlichen Beitrag zum fächerübergreifenden Forschungsdiskurs zur visuellen Kultur leisten.
Aktuelle Forschung im Netz
Der Blog Heraldica Nova wurde im Jahr 2013 von Torsten Hiltmann als Präsentations- und Kommunikationsplattform dieser “neuen Heraldik” gegründet. Im Mittelpunkt stand seitdem vor allem der Auf- und Ausbau des Blogs zu einem internationalen Online-Netzwerk für Forscherinnen und Forscher, die sich mit Geschichte und Heraldik befassen und auf dem Blog ihre Forschungsideen und -ergebnisse in eigenen Posts zur Diskussion stellen. Indem aktuelle Arbeiten und laufende Projekte an einem zentralen Ort im Internet zusammengeführt werden, sollen die einzelnen Forschungsvorhaben sichtbar gemacht und miteinander in Kontakt gebracht werden, die sich allmählich zu einer neuen Forschungsrichtung formieren. Mit kompakten und exemplarischen Einzelbeiträgen möchte der Blog dabei zugleich auch mit der breiteren, außeruniversitären Öffentlichkeit über diese neuen Perspektiven auf heraldische Quellen in Dialog treten und Einblick in aktuelle Tendenzen der akademischen Forschung geben.
Seit der Veröffentlichung im vergangenen Jahr blickt der Blog bereits auf eine erfolgreiche Entwicklung zurück: Mehr als 100 Beiträgen gewähren Einsicht in die laufende kulturwissenschaftlich-heraldische Forschung, die von rund 3.000 Besuchern pro Monat gelesen und kommentiert werden. Diese erfolgreiche Entwicklung hat jetzt man zum Anlass genommen, Heraldica Nova weiterzuentwickeln.
Stand anfangs noch die mittelalterliche Heraldik allein im Mittelpunkt, so hat sich gezeigt, dass das Phänomen der Wappen in seiner gesamtgesellschaftlichen Bedeutung keineswegs auf das Mittelalter beschränkt ist.[2] Künstliche Epochengrenzen verstellen den Blick dafür, dass sich die mittelalterliche Heraldik bis weit in das 16. und 17. Jahrhundert kontinuierlich weiterentwickelt hat. Aus diesem Grund lädt der Blog nun auch explizit Forscherinnen und Forscher zur Veröffentlichung ein, die sich mit Heraldik in der Frühen Neuzeit beschäftigen. Auch epochenübergreifende Fragestellungen und Diskussionen sollen so angestoßen werden.
Wegweiser: Forschung, Diskurse, Hilfsmittel
Gerade der Einstieg in die Heraldik – wie der Umgang mit den Hilfswissenschaften überhaupt – hält oft erhebliche Hürden für Interessierte bereit. Hier will der Blog durch Materialien und Ressourcen helfen, die bei den ersten Schritten und grundlegenden Fragestellungen der Heraldik begleiten und in die Erforschung heraldischer Zeichen einführen sollen. So gibt es nun erste Übersichten zu den wichtigsten Zeitschriften und Bibliografien sowie Datenbanken und Werkzeugen, die bei der hilfswissenschaftlichen Bestimmung von Wappen und dem Umgang mit heraldischen Begrifflichkeiten helfen können. Eine stetig wachsende Sammlung digitalisierter Wappenbücher bietet einen direkten Einstieg in eine wichtige Quellengattung der heraldischen Forschung. Den Fortgeschrittenen dienen Überblicke und Rezensionen als Wegweiser im laufenden Forschungsdiskurs.
Vernetzung als Forschungs- und Öffentlichkeitsarbeit
Der Blog Heraldica Nova versteht sich als Plattform, die sowohl Forscherinnen und Forschern als auch Interessierten außerhalb der Wissenschaft einen zentralen Informations- und Kommunikationsort zur heraldisch interessierten Kulturgeschichte bietet. Wer seine eigene Forschung auf dem Blog veröffentlichen und zur Diskussion stellen möchte, dem steht eine redaktionelle Betreuung im Rahmen des Trägerprojektes "Die Performanz der Wappen" an der Universität Münster zur Verfügung. Schließlich sind Leserinnen und Leser ausdrücklich dazu eingeladen, die Beiträge zu kommentieren und zu diskutieren. Im freien Austausch der Leserinnen und Leser mit den Verfasserinnen und Verfassern entwickeln sich so oft fruchtbare Gespräche und wertvolle Impulse für die eigene Forschung, besonders dann, wenn die mitlesende Expertencommunity unmittelbar angesprochen wird und mittels der Kommentarfunktion sofort antworten kann.[3]
Das Medium des Blogs bietet auf diese Weise nicht nur die Möglichkeit zur Vernetzung innerhalb der Fachwelt, er bietet auch die Möglichkeit, die eigene Forschung in der breiteren Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Hierfür ist der Blog nahtlos mit anderen Online-Medien vernetzt. Über RSS-Feed und Newsletter können Interessierte ebenso “am Ball bleiben” wie über Twitter, Facebook und Google+.
Adresse des Heraldica Nova-Blogs: http://heraldica.hypotheses.org/
[1] Für eine Einschätzung der bestehenden Historiografie sowie den Potenzialen heraldischer Zeichen für die Forschung, vgl. Torsten Hiltmann, “Heraldry and History – why is there so much and at the same time so little heraldry in historical research?”, in: Heraldica Nova (blog on hypotheses.org), 23. Juli 2013, URL: http://heraldica.hypotheses.org/364 (abgerufen am 19.11.2014).
[2] Vgl. Torsten Hiltmann, Legends in doubt – the end of medieval heraldry in the 17th century: On the continuity of medieval imaginary in early modern thought, Vortrag gehalten im Rahmen der Konferenz "Kontinuitäten | Umbrüche | Zäsuren: Die Konstruktion von Epochen in Mittelalter und früher Neuzeit in interdisziplinärer Sichtung", Krems an der Donau, 14.- 17. Mai 2014.
[3] Vgl. die vielfältigen Reaktionen von Heraldikern und Historikern zu Jörg Schlarb, “Wer kennt mittelalterliche Wappensagen?”, in: Heraldica Nova (blog on hypotheses.org), 11. September 2014, URL: http://heraldica.hypotheses.org/1436 (abgerufen am 19.11.2014).