Erschließung von Beziehungsgeflechten mit MidosaXML – Teil 1: Einleitung

Vorbemerkung

Dieser Text entspricht weitgehend den neuen Erschließungsrichtlinien des Universitätsarchivs Bayreuth, deren Erarbeitung im Juni dieses Jahres vorläufig abgeschlossen wurde. Sie sind den konkreten Umständen geschuldet, die die Praxis im Universitätsarchiv beeinflussen und können sicher nicht ohne Weiteres auf die Verhältnisse anderer Archive unverändert übertragen werden. Das Universitätsarchiv in Bayreuth ist sehr jung, das vierzigjährige Jubiläum der Universität steht 2015 ins Haus und will gefeiert werden, die laufenden Aussonderungen sind jeweils die ersten überhaupt und der Personalbestand, aus dessen Reichtum die damit verbundenen Aufgaben zu bewältigen sind, ließe sich aus medizinisch-anatomischen Gründen kaum noch reduzieren. Das Provisorium des Leistbaren auf eine solide und strategisch zielorientierte methodisch einwandfreie Basis zu stellen, war die große Herausforderung der vergangenen sechzehn Monate, und das insbesondere hinsichtlich des Gebiets der archivischen Erschließung. Mit einem gewissen Stolz konnte das Archiv Anfang Mai bekannt geben, dass mit Ausnahme der ältesten Bestände das gesamte Archiv, also alle Zugänge seit seiner Errichtung, mit Hilfe von Online-Findmitteln recherchier- und benutzbar ist. Dies war nur dadurch möglich, dass das Archiv mit einem parallelen Findmittelsystem arbeitet, das sich in Archivrepertorien und Akzessionsverzeichnisse unterteilt, wobei beide akkurat und für die Öffentlichkeit bestimmt geführt werden. Auf diese Weise konnte das Universitätsarchiv mittels eines umfassenden Akzessionsverzeichnisses und eines zusätzlichen vorläufigen Findbuchs für die Verwaltungsbestände den Zugriff auf alle Bereiche seines Magazins innerhalb kürzester Zeit ermöglichen. Die Findmittel befinden sich auf der Internetpräsenz des Universitätsarchivs www.uni-bayreuth.de/universitaetsarchiv und im Archivportal Europa (www.archivesportaleurope.net).
Da im Universitätsarchiv aus mehreren stichhaltigen Gründen bislang keines der großen Archivinformationssysteme eingeführt wurde, muss es sich bei der Erschließung mit einer Übergangslösung behelfen. MidosaXML heißt das „Zauberwort“, das diese Not zur Tugend werden ließ. Dutzende von Archiven haben in den letzten beiden Jahrzehnten diese für kleinere und mittlere finanzschwache Archive entwickelte und modernen Erschließungsstandards als Minimallösung weitgehend entsprechende Software bei sich eingeführt. Im Universitätsarchiv Bayreuth wurde nun ein Versuch unternommen, die eigenen Ansprüche an eine moderne Methode der Erschließung mit den Möglichkeiten einer weitverbreiteten, allein auf die Erschließungstätigkeit fokussierten Standardsoftware in Einklang zu bringen. Natürlich konnte das Ergebnis nur ein Kompromiss sein. Die Ergebnisse aus der Anwendung dieses Kompromisses sind so angelegt, dass sie von Software mit umfassenderen Möglichkeiten auf der Grundlage erprobter Austauschformate nachnutzbar sind und weiter vervollkommnet werden können.

A. Einleitung

Die Grundlage für die Erschließung im Universitätsarchiv Bayreuth ist ein Metadatenmodell, das auf der obersten Ebene aus den Entitäten „Akteure“, „Funktionen“, „Archivgut“ und „Repositorium“ besteht. Für jede der Entitäten hat der Internationale Archivrat (ICA) Beschreibungsstandards veröffentlicht. Sie bilden den Orientierungsrahmen für die Erschließungsrichtlinien.

 

Institutionelles Provenienzprinzip

Mit der ISAD(G)-konformen oder an diesen Standard angelehnt normierten Erschließungspraxis wird Archivgut in Kontextkategorien beschrieben und präsentiert. Traditionell bildet die Erschließung primär den Kontext der körperschaftlichen Provenienz ab, indem die Abgrenzung und Gliederung der Archiveinheiten der unterschiedlichen Verzeichnungsstufen von der Absicht bestimmt ist, die Einheit und Struktur von Schrifgutbildnern im Archiv und in den Findmitteln zu spiegeln. Auf diese Weise verfolgt die Erschließung das Ziel, den Entstehungszusammenhang von Archivgut transparent und methodisch einfach nachvollziehbar zu machen, woraus sich für den Nutzer eindeutige Kriterien für eine erfolgreiche Recherche ableiten lassen.

Durch die Integration von Angaben zu Vorprovenienzen in die Verzeichnung nähert sich die Erschließung einer weiteren Kontextbeschreibung. Das Augenmerk richtet sich dabei auf die Dokumentation der historischen Entwicklung des ursprünglichen Gebrauchs der Unterlagen, bevor sie ins Archiv gelangten. So geben die Informationen über Provenienzen Auskunft über die Entstehung und Nutzungsgeschichte des Archivguts.

Funktionen im Findmittelsystem

Fragt man danach, wofür Archivgut ursprünglich gebraucht wurde, so fragt man nach Funktionen und Aufgaben der Schriftgutbildner, deren Wahrnehmung die Entstehung von Unterlagen verursacht hat. Johannes Papritz forderte, dass die archivische Titelaufnahme „allein auf Erkenntnis und Wiedergabe des Entstehungszweckes ausgehen“ dürfe.[1] Diese Form der Verzeichnung kommt der Beantwortung der Frage schon sehr nahe. Indem bei der Verzeichnung der Betreff einer Archiv- oder Archivalieneinheit wiedergegeben wird, spiegeln sich dabei idealerweise die Funktionen, die der Schriftgutbildner im Einzelnen wahrgenommen hat, und zwar unabhängig davon, ob er dazu ein Mandat hatte oder nicht. Funktionen und Mandate bilden einen Kontextbereich, den zu kennen für das Verständnis von Archivgut essentiell ist. Auf seine Darstellung und Recherchierbarkeit muss die archivische Erschließung daher besonderen Wert legen. Eine Annäherung in der Formulierung der Titel reicht dafür nicht aus. Die Funktion muss klar und einheitlich an einer dafür bestimmten Stelle im Findmittel(system) benannt werden. Um sie übergreifend recherchierbar zu machen, muss ihre Bezeichnung und Beschreibung in standardisierter Weise erfolgen. Die traditionelle Erschließung sieht das nicht vor.[2] Auch ISAD(G) beinhaltet außerhalb des weiten Sektors der Verwaltungsgeschichte (Abschnitt 3.2.2) keinen klar definierten Bereich für die Aufnahme von Funktionen. Im derzeitigen EAD-Profil der Software MidosaXML ist seit einiger Zeit ein „Kompetenzenindex“ verfügbar, der in XML als <function> kodiert wird. Im APEx-Projekt wird die Integration von Funktionen ins Findmittelsystem diskutiert. Ein EAC(CPF)-Profil, das derzeit für das Archivportal Europa erarbeitet wird, beinhaltet demnächst ebenfalls ein <function>-Feld. Jedoch hat sich die parallele Erschließung von Archivgut in EAD- und Beschreibung von Schriftgutbildnern in EAC-Normdateien in Deutschland bislang nicht ansatzweise durchgesetzt. Als Instrumentarium müsste demnach zur Beschreibung jenes Kontextbereichs bis auf Weiteres eine geeignete Stelle innerhalb des klassischen Findbuchs dienen, möglicherweise in einer Art, die der derzeitigen Lösung in MidosaXML ähnelt oder entspricht.

Die skizzierten und in gegenseitiger Wechselwirkung stehenden Kontextbereiche „Entstehung“, „Gebrauch“, „Funktionen“ werden bei der traditionellen Erschließung in der Findbucheinleitung dargestellt. Die Entstehungs- oder Verwaltungsgeschichte (bei Nachlässen die Biographie), die Bestandsgeschichte sowie der Abschnitt über die Ordnung des Bestands sind die dafür einschlägigen Kapitel.

Den Hauptteil des klassischen Findbuchs bildet die Titelliste oder das Inhaltsverzeichnis eines Bestands. Durch seine klassischerweise hierarchische Strukturierung priorisiert es bestimmte Kontextkategorien gegenüber anderen. Ist der Bestand nach solcher Manier äußerlich durch die Gemeinsamkeit der institutionellen Provenienz abgegrenzt, so wird er nach innen gewöhnlich entweder nach oder in Orientierung an dem Registratur- oder dem Fondsprinzip gegliedert.

Bestand als beziehungsbegründetes Konzept

Ob zuerst der Auftragsnehmer oder der Auftrag existierten, ist so unerheblich wie der gleichartige Streit über die Existenz von Henne und Ei, wenn es darum geht, Bestandsabgrenzungskriterien zu formulieren. Immerhin ist es nicht vorstellbar, dass Archivgut nicht aus der Wahrnehmung einer definierbaren Aufgabe oder Funktion entstanden ist. Genauso unvorstellbar ist es, dass bei der Entstehung des Archivguts – und damit bei der Ausübung einer entstehungsursächlichen Funktion – kein Akteur beteiligt gewesen sei. Die Abgrenzung eines Bestands nach institutioneller oder funktionaler Provenienz sollte demnach zwei gleichberechtigte, sich gegenseitig ergänzende Alternativen für die Tektonik eines Archivs bedeuten. Indem diese Gleichberechtigung anerkannt wird, wird offenbar, dass es letztlich Beziehungen und Beziehungsformen sind, die einen Bestand als solchen abgrenzen und definieren. Die vielseitigen Entstehungs- und Nutzungskontexte eröffnen aber eine Vielzahl weiterer provenienzbegründeter Kontextkategorien, so dass die Tatsache, dass ein Archivale einer kaum begrenzbaren Zahl von Beziehungsgemeinschaften angehören kann, zur Kausalität dafür wird, dass der Bestandsbegriff ein konzeptualer ist, nicht aber eine fixe physische Aggregation von Archivgut meint. Es ist nicht zwingend nötig, seitens des Archivs bestimmte Kontextkategorien durch die Bildung von Tektonikstrukturen zu priorisieren. Sofern die technischen Voraussetzungen gegeben sind, kann die Generierung von Textoniken, von Beständen und Bestandsstrukturen auf der Grundlage von nutzungsvorhabensspezifischen Beziehungspriorisierungen weitgehend oder ganz dem Nutzer überlassen werden.[3] Bis auf weiteres wird das Universitätsarchiv aber Tektoniken erzeugen und sie als (Einstiegs-)Angebote zur Verfügung stellen.

Indexierung und Charakter der Verzeichnungsstufen

Um Beziehungsgemeinschaften visualisierbar mit Hilfe einfacher Erschließungswerkzeuge zu erfassen, kann man sich mit einer umfänglicheren Indexierung behelfen. So sollte jede Verzeichnungseinheit mindestens mit Angaben zu End- und zu Vorprovenienzen sowie zu Funktionen, Subfunktionen und Aufgaben, die für die Entstehung des Archivale ursächlich waren, versehen werden. Damit wird gewährleistet, dass eine virtuelle Ordnung des Bestands wenigstens nach Funktionen und Provenienzen auch bestandsübergreifend und auf der Basis der Verzeichnungsdaten jedes einzelnen Archivale (und nicht nur auf der Grundlage von Verzeichnungsdaten auf der Ebene des Bestands) ermöglicht werden kann. Auch ist das die Basis dafür, dass die Archivalien in ein Recherchesystem eines Conceptual Reference Model (CRM) sinnvoll einbezogen werden können, was bei der Bereitstellung der Erschließungsdaten in Portalanwendungen eine Rolle spielen kann. Um Archivgut zahlreichen Relationen eindeutig und darstellbar zuordnen zu können, ist es wichtig, die Verzeichnungseinheiten nicht zu weitläufig abzugrenzen, sondern eine Definition in eher kleineren Einheiten vorzunehmen, ggf. mit Untereinheiten wie File und Subfile oder Akt und Vorgang zu arbeiten. Es sollte bedacht werden, dass die Einrichtung einer Klasse oder Gliederungsstufe nach Möglichkeit nicht den Rang einer Serie einnimmt, sondern dass sie der angewandten Seriendefinition gerade nicht entspricht. Während eine Serie als archivalische Kompositionsstufe eine genuine Archivalien- oder Archivguteinheit darstellt, ist die Klasse oder Gliederungsstufe eine sekundär definierte Archiveinheit. Wird eine Registraturtektonik als Bestandstektonik übernommen, ist zu prüfen, ob die dadurch entstehenden Klassifikationseinheiten den Rang von Archivgutkompositionen haben. Dann sollen sie wie Kompositionsstufen behandelt und ggf. als Serien verzeichnet werden. Andernfalls dienen sie der Erhellung des weiteren Nutzungskontexts und spiegeln die Verwaltung und Organisation des Records Management und seine Grundsätze.[4] Als solche sind sie keine Kompostionsstufen von Archivgut, sondern Kontextinformation zur Bestandsgeschichte, die der Erläuterung der ursprünglichen Ordnung und Nutzung dient. Sie werden bei der Verzeichnung als Altsignaturen mit den dazu gehörenden Erläuterungen und in den Verweisen auf Registraturschemata festgehalten. Sobald der Archivar demnach eine Einheit zu verzeichnen hat, die als Ganze eine Komposition darstellt, die selbst als Archivale (und nicht als Tektonikeinheit) verstanden werden soll bzw. muss, soll er in MidosaXML mit den Verzeichnungsstufen Serie, Akt und Vorgang arbeiten und Klasse und Teilbestand nicht verwenden. Die Klassifikation aus Tektonikeinheiten des Archivs bzw. der Registratur soll sich im Index und in den Sortierfeldern befinden (analog einer externen Klassifikation, wie sie teilweise in anderen Softwareprodukten üblich ist; vgl. das frühere MidosaOnline).

Kleinste funktionale Einheit als kleinste Identifikationseinheit

Als nächstes gilt es abzuwägen, ob das Verhältnis von Serie und Akt oder von Akt und Vorgang jeweils besser geeignet ist, um dem Ziel der Verzeichnung im Einzelfall zu entsprechen. Dabei muss man sich von der Vorstellung lösen, dass die deutsche Bezeichnung dieser drei Verzeichnungsstufen mit den gleichnamigen Kompositionsstufen von Archivgut identisch sein müsse. Besser entsprechen die englischen Begriffe Series, File und Subfile einer neutralen Terminologie der Verzeichnungsstufen. In der Praxis werden die für Signaturen vorgegebenen Einstellungen der benützten Erschließungssoftware Einfluss auf diese Entscheidung haben. Daher sollte man sich mit seinem Softwareanbieter abstimmen, ob Signaturfelder auf den Ebenen Serie, Akte und Vorgang vorhanden sind und ob sie – idealerweise – optional aktiviert oder deaktiviert werden können. Die Vergabe von Signaturen ist geeignet, ein Archivale im Findmittelsystem als nicht mehr weiter aufzuspaltende Einheit zu konstituieren. Das kann Folgen für die Zuordnungen von Funktionen und Beziehungen haben. Sie können für tiefere Kompositionsebenen des mit einer Signatur versehenen Archivale nicht mehr mit eindeutig identifizierbarem Archivgut verknüpft werden. In der digitalen Archivierung ist dies bei der Abgrenzung der AIPs zu bedenken. Geht man von der Annahme aus, dass es das Wesen von Akten (records) sei, einzelne Handlungen (transactions) oder bloße Informationsfixierungen (documents) in eine inhaltliche und zielgerichtete Beziehung zueinander zu setzen, ja dass dadurch erst Akten entstehen und als solche bezeichnet werden können, so ergibt sich daraus die Notwendigkeit, als kleinste unteilbare archivalische Einheit den Umfang vorgangs- oder gar nur dokumentenartigen Niederschlags zu identifizieren (und demzufolge mit einem Identifikator zu versehen), der vollständig aus der Wahrnehmung je einer von potentiell gleichzeitig beliebig vielen ebenso zutreffenden Funktionen (oder Subfunktionen) entstanden ist. Die Vielzahl der möglichen Relationen, die auf eine solche Archivalieneinheit zugreifen, ergeben die Vielzahl der „archival bonds“, in denen sie steht, und damit die Vielzahl konzeptualer Akten (records), die die Handlungen und Handlungskontexte der sich darin findenden Akteure greifbar machen.[5] Diese Zusammenhänge der Identifizierung von Archivalien- und Archiveinheiten lassen sich auch auf andere Kompositions- und Verzeichnungsstufen übertragen. Die Identifikation von kleinsten funktional bestimmten Kompositionsformen und die Identifikation ihrer archival bonds können als die beiden Pfeiler gelten, die die Praxis der archivischen Erschließung bestimmen sollen. Archivische Erschließung schafft auf diese Weise die Voraussetzungen für ein endnutzerorientiertes digitales Informationsmanagement. Hier werden pragmatische Kompromisse einzugehen sein, so dass diese Wegweiser eher strategischen oder Grundsatzcharakter hinsichtlich der Formulierung der Richtlinienspezifikationen für die jeweiligen Erschließungsvorhaben beweisen werden.

Instrumente für die Erschließungspraxis

Um archivische Erschließung in der Praxis (bereits kurzfristig) ausführen zu können, werden folgende Instrumente benötigt:

  1. Identifikation von Funktionen:
    Die Funktionen und Subfunktionen des Schriftgutbildners müssen ermittelt und beschrieben werden. Es muss festgelegt werden, mit welchem Begriff oder Sigel sie einheitlich in der Archivgutbeschreibung zitiert werden, zum Beispiel bei der Indizierung. Die Beschreibungen der Funktionen dienen als Normdatensätze. Deshalb ist es wichtig, den Prozess der Funktionsidentifikation mit gleichartigen Archiven oder Repositorien ähnlicher Schriftgutbildner zusammen anzugehen und die so entstandenen Normdateien übergreifend verfügbar zu machen (linked open data, ISDF).
  2. Identifikation von Akteuren und Akteursgruppen:
    Vor und während der Archivgutverzeichnung sind Akteure zu kennzeichnen, die in Normdatensätzen beschrieben und mit dem Archivgut verknüpft werden sollen. Die ausgewählten Akteure werden Beschreibungsobjekte des Findmittelsystems, indem ihre Beziehungen zu Funktionen und Archivgut ebenfalls beschrieben werden.
  3. Relationenkatalog:
    Zur Beschreibung der Beziehungen zwischen Funktionen, Akteuren und Archivgut untereinander und innerhalb der eigenen Gruppe ist ein Katalog von Eigenschaften und Handlungen vonnöten. Zahlreiche Ansätze dafür sind in den traditionellen Findmitteln bereits in anderer Gestalt enthalten. So bedeutet die Inbeziehungsetzung von Provenienzstelle und Archivgut beispielsweise, dass eine Institution bei der Ausübung einer Funktion das Archivgut erzeugt hat. Wird hier die betreffende Funktion in den Kompetenzenindex aufgenommen, so sind die wichtigsten Aussagen über das Verhältnis zwischen einem Akteurs, einer Funktion und einem Archivale getroffen. Komplizierter wird es bei einer ebensolchen Beschreibung für einen Akteur, der nicht Schriftgutbildner ist und damit in die klassischen, den traditionellen Findmitteln inhärenten konkludenten Beziehungsmodelle nicht hineinpasst. Spätesten hier erscheint es sinnvoll, RDF-Komponenten in die Erschließungspraxis zu übernehmen.

Um mit der Erschließung im dargelegten Sinne kurzfristig beginnen zu können, kann zunächst auf den Relationenkatalog verzichtet und die wichtigsten Relationen über die Nutzung der üblichen Indextypen und Felder zur Provenienzangabe festgehalten werden. Insofern kann der Relationenkatalog zunächst mit einem Thesaurus der möglichen Indexbegriffe kompensiert werden.

[1] „Für die archivische Titelaufnahme bedeutet das, daß sie im Sinne des Provenienzprinzips und der sich daraus ergebenden Konsequenzen allein auf die Erkenntnis und Wiedergabe des Entstehungszweckes ausgehen darf. Entsprechen alte Titel ausnahmsweise dieser Forderung nicht, so müssen sie entsprechend verändert oder ergänzt werden.“ (Johannes Papritz, Archivwissenschaft, Bd. 3, Marburg, 2. Aufl., 1983, S. 265 (Nachdruck von 1998 = Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Nr. 3).

[2] Dies ist angesichts der großen Bedeutung, die den Funktionen Im Rahmen der Archivgutbeschreibung in der Archivwissenschaft seit langem zugemessen wird, umso erstaunlicher (vgl. u.a. bereits Jenkinson, Scott und viele andere).

[3] Vgl. hierzu den Hinweis Greg Bak’s (Continuous classification: capturing dynamic relationships among information resources, Archival Science (2012) 12:287-318; hier: S. 308)  auf die Rekonzeptualisierung von Provenienz in Chris Hurley’s Theorie von der parallelen Provenienz („parallel provenance“), nachzulesen u.a. in: Hurley, Parallel provenance (if these are your records, where are your stories?). – Online-Publikation des Autors, 2005: http://infotech.monash.edu/research/groups/rcrg/publications/parallel-provenance-combined.pdf.

[4] Peter Horsman bezeichnet die beiden Kontextbereiche als „Documenting“ einerseits und „Recordkeeping System“ andererseits und weist auf ihre gegenseitige Nähe und Verschränkung hin (Horsman, Wrapping Records in Narratives. Representing Context through Archival Description. – Bad Arolsen, 2011: https://www.its-arolsen.org/fileadmin/user_upload/Dateien/Archivtagung/Horsman_text.pdf).

[5] Vgl. Luciana Duranti: „Documents that are expressions of a transaction are not records until they are put into relation with other records, while documents that are not expressions of a transaction become records at the moment when they acquire an archival bond with other documents participating in the same activity.“ Die Generierung konzeptualer Akten findet sich bereits 1996 in der Argumentation von David Bearman, der forderte, dass Akten in elektronischen Dokumentenmanagementsystemen (DMS) erst auf eine spezifische Anfrage hin aus den einzelnen Dokumenten zusammengesetzt werden sollten (Bearman, Item level control and electronic recordkeeping. Arch Mus Info 10(3): 195-243). Clive Smith beschrieb den digitalen „virtual file“ bereits 1995: „In such an electronic environment, the correspondence file or dossier takes on a new dimension. It no longer exists physically, but only as a collection of electronic documents that are assembled through some search criteria, and it exists only as long as the search is maintained. A single document may participate in several such virtual files.” (Smith, The Australian series system. Archivaria 40:86-93; hier: S. 92). Dazu ist zu ergänzen, dass es entscheidend für die Aussagekraft des „virtual file“ ist, dass den von Smith erwähnten „search criteria“ geeignete und bei den „search“-Vorgängen fortzuschreibende Metadaten zugrunde liegen. In ähnlicher Tradition vertrat zuletzt u.a. Greg Bak die Ansicht, elektronischem Records Management und digitaler Archivierung entspräche wesensmäßig ein “item-level management” am besten (Bak, Continuous classification: capturing dynamic relationships among information resources, Archival Science 12.2012, S. 287-318).

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1758

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Rezensionsorgan für Digitale Editionen / IDE launches Review Journal for Digital Editions

logo-ide-1Das Institut für Dokumentologie und Editorik e.V. (IDE) freut sich, die Publikation der ersten Ausgabe einer neuen Rezensionszeitschrift, RIDE, bekannt zu geben. RIDE ist digitalen Editionen und Ressourcen gewidmet und will ein kritisches Forum zur Besprechung digitaler Editionen schaffen. Es soll helfen, die gängige Praxis zu verbessern und die zukünftige Entwicklung voranzutreiben. RIDE-Rezensenten sind deshalb angehalten, nicht nur die traditionellen Leistungen und Probleme von Editionen im Allgemeinen zu besprechen, sondern auch die sich weiter entwickelnde Methodologie und ihre technischen Implikationen zu berücksichtigen.
Die erste Ausgabe wurde soeben veröffentlicht und enthält Rezensionen zu folgenden Editionen:

Alle Rezensionen und weitere Informationen finden Sie hier: http://ride.i-d-e.de

Mehr zu RIDE, unseren Zielen und unserer Vorgehensweise, finden Sie im Editorial: http://ride.i-d-e.de/about/editorial/

Wir freuen uns außerdem über Beiträge für die nächsten Ausgaben. Alle Informationen finden Sie hier: http://ride.i-d-e.de/reviewers/

 

 

In the past decades, many digital scholarly edition projects have been published and are available, often for free, online. Most of these editions are arguably the best editions of their documents or texts available, and many of them offer features enhancing research in the respective fields to a considerable degree.

Despite these facts, digital editions are often neglected by the established review institutions. This neglect has a number of consequences: digital editions are somewhat outside the established peer-control process; digital editors in spe cannot rely on criticisms that projects similar to their own have received; the methodology of digital editions not only needs to incorporate traditional issues of textual criticism but also has to be thoughtful of the closely related technical and methodologic issues.

In order to address these issues, we have founded RIDE, a review journal dedicated to digital editions and resources. RIDE aims to direct attention to digital editions and to provide a forum in which expert peers criticise and discuss the efforts of digital editors in order to improve current practices and advance future developments. It will do so by asking its reviewers to pay attention not only to the traditional virtues and vices of any edition, but also to the progressing methodology and its technical implications. Editors of existing digital editions will be able to improve their work by addressing criticism and digital editors in spe will be able to learn from previous problems both of a general nature as well as specific to their fields.

Moreover, RIDE will help scholars working on the methodology and the development of the field of digital editing by collecting formal data about each project that is being reviewed. The reviews and factsheets will also provide a snapshot of a project at the time of the review, so that later developments can be compared – an important feature in a world that is characterised by a much higher dynamic than the print-world exhibits.

All this, we hope, will contribute to the ongoing methodological discussions and help to establish a best practise editors can aim at as an ideal of a digital edition (aspects of this best practise, for example, touch on accuracy, citability, sustainability, long term preservation, documentation, transparency, etc.).

You can learn more about RIDE and its method from the Editorial. All reviews are available on ride.i-d-e.de.

Quelle: http://digigw.hypotheses.org/757

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Veronika Helfert: Gewalt und Geschlecht bei Protesten in Wien während des 1. Weltkriegs

Die aktuelle Ausgabe des JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung hat den Ersten Weltkrieg zum Schwerpunkt; einer der Beiträge ist online:

Helfert, Veronika: „Unter Anführung eines 13jährigen Mädchens“. Gewalt und Geschlecht in unorganisierten Protestformen in Wien während des Ersten Weltkrieges, in: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, II/2014, S. 66 - 82.

http://www.arbeiterbewegung-jahrbuch.de/wp-content/uploads/2014/06/JBzG_2014_II_Veronika_Helfert_.pdf

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/894831056/

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Stephan Steiner: Deportationen in der Habsburgermonarchie OA bei Böhlau

Stephan Steiners umfangreiche Habilitationsschrift ist nun bei Böhlau Buch geworden und Open Access downloadbar, demnächst dann wohl auch bei Phaidra:

Steiner, Stephan: Rückkehr unerwünscht. Deportationen in der Habsburgermonarchie der Frühen Neuzeit und ihr europäischer Kontext. Wien/Köln/Weimar: Böhlau, 2014. 653 S.
http://www.boehlau-verlag.com/download/163445/978-3-205-79499-8_OpenAccess.pdf

Verlags-Info:
Für die Historiographie der Habsburgermonarchie stellt die systematische Erforschung des Themenkomplexes "Deportation" völliges Neuland dar. Während die Zeitgeschichte Deportationspraktiken so behandelt, als wären sie ausschließlich eine Begleiterscheinung der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts, ergibt die Rekonstruktion ihrer „Frühgeschichte“ ein vollkommen anderes Bild: als Instrument der Bestrafung, der Machtdemonstration und der Bevölkerungspolitik wurden sie im Habsburgerreich bereits im 18. Jahrhundert weitreichend und mit erschreckender "Modernität" angewandt. Anhand von acht Fallbeispielen entsteht eine Gesamtgeschichte, die auch den europäischen Rahmen einbezieht und einen unverzichtbaren Baustein zu einer Gewaltgeschichte der Habsburgermonarchie darstellt.

Quelle: http://adresscomptoir.twoday.net/stories/894831055/

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Fünf Stellenausschreibungen der Göttinger eResearch Alliance

Die Georg-August Universität Göttingen schreibt im Rahmen der neu gegründeten Göttingen eResearch Alliance fünf Stellen aus (vgl. http://www.uni-goettingen.de/de/305402.html?cid=9242). Dabei sind vier Stellen für Leitung und Umsetzung der Göttingen eResearch Alliance vorgesehen, sowie eine weitere Stelle für das Projekt Humanities Data Centre.
Die ausgeschriebenen Stellen sind an zwei zentralen Infrastruktureinrichtungen am Campus – der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB Göttingen) und der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen (GWDG) – angesiedelt.

Kennziffer 1:  https://lotus2.gwdg.de/uni/uzdv/perso/knr_10016.nsf/bewerbung
Mitarbeiter/in für die informationswissenschaftliche Leitung der eResearch Alliance Göttingen (Vollzeit 100%, 13 TV-L)

Die Stelle ist an der Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen angesiedelt und ab dem 01.09.2014 zunächst befristet für zwei Jahre zu besetzen. Eine Entfristung der Stelle ist vorgesehen. Sofern in diesem Fall die persönlichen Voraussetzungen vorliegen, ist auch eine Verbeamtung möglich. Die Stelle ist teilzeitgeeignet.

Zu den Aufgaben gehören:

  • Beratung von Wissenschaftlern in allen Fragen der Forschungsunterstützung, wie beispielsweise zu digitalen Prozessen, Werkzeugen und Daten
  • Informationswissenschaftliche Anforderungsanalyse von wissenschaftlichen Anwendungsfällen
  • Durchführung von Schulungen zu eResearch-Themen und Forschungsdatenmanagement
  • Unterstützung bei der Koordination und Weiterentwicklung der eResearch-Infrastruktur des Göttinger eResearch Campus

Vorausgesetzt werden:

  • Abgeschlossenes Universitätsstudium (bevorzugt Promotion) mit ausgeprägter Informatik-Kompetenz
  • Langjährige Erfahrung im Bereich eResearch und IT-Unterstützung von digitalen Forschungsprozessen
  • Nachgewiesene Kenntnisse in den Bereichen Forschungsdatenmanagement und/oder digitale Objektsammlungen
  • Erfahrung in der Beratung- und Anforderungsanalyse von wissenschaftlichen Fragestellungen
  • Sehr gute organisatorische Fähigkeiten und ein ausgezeichnetes Zeitmanagement
  • Hervorragende Kommunikationskompetenz, sehr gute Englischkenntnisse und Erfahrungen im Projektmanagement

Kennziffer 2: https://lotus2.gwdg.de/uni/uzdv/perso/knr_10017.nsf/bewerbung
Wiss. Mitarbeiter/in für die technische Leitung der eResearch Alliance Göttingen
(Vollzeit 100%, 13 TVöD-B)

Die Stelle ist an der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen angesiedelt und ab dem 01.09.2014 für zunächst vier Jahre zu besetzen. Eine Entfristung der Stelle nach Ablauf der vier Jahre wird angestrebt.

Zu den Aufgaben gehören:

  • Beratung von Wissenschaftlern zu Fragen, die die technologische Unterstützung von digitalen Prozessen und Datenmanagement betreffen
  • Technologische Anforderungsanalyse von wissenschaftlichen Anwendungsfällen
  • Erarbeitung von Konzepten zur technologische Weiterentwicklung von wissenschaftlichen Diensten und Infrastruktur-Komponenten
  • Durchführung von Schulungen zu eResearch-Themen und Basis-Technologien (z.B. AAI, PID etc.)
  • Unterstützung bei der Koordination und technologischen Weiterentwicklung der eResearch-Infrastruktur des Göttingen Research Campus

Vorausgesetzt werden:

  • Abgeschlossenes Universitätsstudium im Bereich der Naturwissenschaften (bevorzugt Promotion)
  • Langjährige Erfahrung im Bereich eResearch und IT-Unterstützung von wissenschaftlichen Dienstleistungsangeboten
  • Nachgewiesene Kenntnisse in den Bereichen wissenschaftlicher Visualisierungsprozesse und -diensten
  • Erfahrung in der Beratung- und Anforderungsanalyse von wissenschaftlichen Fragestellungen (requirements engineering)
  • Wünschenswert sind Kenntnisse im Big Data Bereich und/oder verteilter IT- Infrastrukturen
  • Hervorragende Kommunikationskompetenz, sehr gute Englischkenntnisse

Kennziffer 3: https://lotus2.gwdg.de/uni/uzdv/perso/knr_10019.nsf/bewerbung
Wiss. Mitarbeiter/in für die Unterstützung von digitalen Forschungsprozessen
(Vollzeit 100%, 13 TV-L)

Die Stelle ist an der Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen angesiedelt und ab dem 01.09.2014 für vier Jahre zu besetzen. Die Stelle ist teilzeitgeeignet.

Zu den Aufgaben gehören:

  • Aufbau von fachspezifischen Publikations-Workflows für Forschungsdaten (zusammen mit externen Datenzentren/Archiven)
  • Unterstützung der Forschung bei der Anwendung bildgebender Verfahrung zur Visualisierung von Forschungsdaten
  • Erarbeitung von Informations- und Schulungsmaterialien zu Forschungsdatenmanagement, dem Umgang mit digitalen Forschungsdaten und digitalen Methoden zur Datenverarbeitung
  • Entwicklung von Beratung- und Schulungskonzepten zum Themenbereich eResearch

Vorausgesetzt werden:

  • Abgeschlossenes Universitätsstudium mit ausgewiesenen Informatikkenntnissen
  • Ein informationswissenschaftliches Profil mit entsprechenden nachgewiesenen Qualifikationen
  • Kenntnisse im Umgang mit digitalen Forschungsdaten und digitalen Forschungsprozessen
  • Expertise in der Entwicklung von Werkzeugen zum Forschungsdatenmanagement
  • Sehr gute organisatorische Fähigkeiten und ein ausgezeichnetes Zeitmanagement
  • Hervorragende Kommunikationskompetenz, sehr gute Englischkenntnisse und Erfahrungen in der Teamarbeit


Kennziffer 4: https://lotus2.gwdg.de/uni/uzdv/perso/knr_10019.nsf/bewerbung
Wiss. Mitarbeiter/in für die Dienstentwicklung für eResearch-Basisdienste
(Vollzeit 100%, 13 TVöD-B)

Die Stelle ist an der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen angesiedelt und ab dem 01.09.2014 für vier Jahre zu besetzen.

Zu den Aufgaben gehören:

  • Weiterentwicklung von Basisdiensten für eResearch Infrastrukturen wie beispielsweise Autorisierungs- und Authentifizierungsinfrastrukturen
  • Aufbau und Pflege eines Portals für die Göttingen eResearch Alliance inklusive der Entwicklung anwendungsbezogener Portlets
  • Aufbau einer Bilddatenbank
  • Beratung zu technischen eResearch-Themen

Vorausgesetzt werden:

  • Universitätsabschluss in der Informatik oder mit nachgewiesenen vergleichbaren Kenntnissen der genannten Aufgabengebiete
  • Nachgewiesene Erfahrungen mit komplexen AAI Architekturen und den entsprechenden Technologien
  • Nachgewiesene Programmierkenntnisse in der Softwareentwicklung mit Java, weitere Kenntnisse vom Vorteil
  • Wünschenswert sind Erfahrungen mit komplexen CMS Systemen, wie beispielsweise Liferay, oder mit Visualisierungsverfahren und Werkzeugen (insbesondere 3D und Multi-Layer-Darstelllungen)
  • Sehr gute organisatorische Fähigkeiten, gutes Zeitmanagement;
  • Hohe Kommunikationskompetenz, sehr gute Teamfähigkeit und Englischkenntnisse.


Kennziffer 5: https://lotus2.gwdg.de/uni/uzdv/perso/knr_10020.nsf/bewerbung
Wiss. Mitarbeiter/in für das eResearch Projekt Humanities Data Centre
(Vollzeit 100%, 13 TVöD-B)

Im Forschungsverbund “Humanities Data Centre: Forschungsdatenzentrum für die Geisteswissenschaften” werden die Grundlagen für den Aufbau eines geisteswissenschaftlichen Forschungsdatenzentrums gelegt. Dieses Zentrum wird in Zusammenarbeit mit Fachwissenschaftlern digitale geisteswissenschaftliche Forschungsdaten übernehmen, langfristig aufbewahren und für die Nachnutzung bereitstellen. Zudem werden die dazu notwendigen Arbeitsabläufe spezifiziert und Dienstinfrastrukturen bereitgestellt.

Die Stelle ist an der Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen angesiedelt und ab dem 01.09.2014 für zwei Jahre zu besetzen.

Zu den Aufgaben gehören:

  • Koordination der Projektarbeitsgruppen und Organisation übergreifender Aktivitäten
  • Berichterstattung im Rahmen der Projekte
  • Erarbeitung von Datenmanagement und Langzeitarchivierungskonzepten
  • Aufbau eines Repositoriums für Forschungsdaten
  • Entwicklung der Architektur standortübergreifender Infrastrukturen
  • Bedarfsanalyse und Implementierung von Services und Policies
  • Präsentation von Ergebnisse auf nationalen und internationalen Konferenzen, sowie bei den Projektpartnern

Vorausgesetzt werden:

  • Universitätsabschluss in der Informatik oder mit nachgewiesenen vergleichbaren Kenntnissen der genannten Aufgabengebiete
  • Nachgewiesene Programmierkenntnisse in der Softwareentwicklung mit Java, weitere Kenntnisse sind vom Vorteil
  • Zudem Kenntnisse in wenigstens einem der folgenden Gebiete:
  • Erfahrung in großen Verbundprojekten
  • Datenmanagement
  • Langzeitarchivierung
  • Programmierung von Webanwendungen und Web-Services mit Java Enterprise Technologien
  • Administration von Linux-Servern
  • Sehr gute organisatorische Fähigkeiten, gutes Zeitmanagement;
  • Hohe (interkulturelle) Kommunikationskompetenz, sehr gute Teamfähigkeit und Englischkenntnisse.


Fragen bezüglich der Kennziffern 1 und 3 beantwortet Ihnen Frau Dr. Heike Neuroth, E-Mail: neuroth@sub.uni-goettingen.de und bezüglich Kennziffer 2, 4 und 5 Herr Dr. Philipp Wieder, E-Mail: philipp.wieder@gwdg.de.

Bitte reichen Sie Ihre Bewerbung mit allen wichtigen Unterlagen bis zum 13.07.2014 ausschließlich über das Bewerbungsportal unter der bei der Kennziffer angegebenen URL ein. Im Ausnahmefall können Sie ihre Unterlagen auch in Kopie unter der Angabe der Kennziffer an Herrn Direktor Dr. Horstmann, Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Papendiek 14, 37073 oder bei direkten Rückfragen info@eresarch.uni-goettingen.de kontaktieren. Die Bewerbungsgespräche werden innerhalb der Kalenderwochen 30 – 31 stattfinden.

Die Unterlagen werden nach einer Aufbewahrungsfrist von fünf Monaten nach Abschluss des Verfahrens vernichtet. Eine Rücksendung erfolgt nur, wenn der Bewerbung ein ausreichend frankierter und adressierter Rückumschlag beigefügt ist.

Die Universität Göttingen strebt in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, eine Erhöhung des Frauenanteils an und fordert daher qualifizierte Frauen ausdrücklich zur Bewerbung auf. Schwerbehinderte Menschen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3656

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Deutschland-Akte: Wir präsentieren die ausländischen Domains, die nicht überwacht werden (netzpolitik.org)

Von Andre Meister | Veröffentlicht: 19.06.2014 um 15:39h | 21 Antworten Der BND überwacht ja am DE-CIX und weiteren Orten riesige Datenmengen den Internetverkehrs, allein im Jahr 2010 37 Millionene E-Mails.. Da der Auslandsgeheimdienst keine Deutschen überwachen darf, werden einfach Mail-Adressen mit der Top-Level-Domain .de herausgefiltert. Wir bei netzpolitik.org fallen da ja nicht drunter und […]

Quelle: http://www.einsichten-online.de/2014/06/5191/

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Léonard Dauphant (Metz): Macht in ihrem Raum. Für eine politische « Raumgeschichte » des Königreichs Frankreich am Ende des Mittelalters

Deutschsprachige Zusammenfassung des Vortrages vom 23. Juni 2014: Un pouvoir dans son espace. Pour une « géohistoire » politique du royaume de France à la fin du Moyen Âge. Einführung : Raumgeschichte und politische Geschichte In meinen Forschungen versuche ich, die … Continue reading

Quelle: http://jeunegen.hypotheses.org/1271

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Open Access, Creative Commons und das Posten von Handschriftenscans

Auf dem anregenden Workshop “Neues Werkzeug des Historikers: Blogs und Social Media für Mediävisten” in Rom referierte ich am 17. Juni 2014 über: Open Access, Creative Commons und das Posten von Handschriftenscans. Ein Video ist auf YouTube einsehbar, das Twitter-Feedback dank Maria Rottlers Storify benutzbar. Ich lege im Folgenden eine Schriftfassung vor.

Zunächst einige Banalitäten: Wissenschaft ohne Wissenschaftskommunikation ist sinnlos. Wissenschaftliche Erkenntnisse müssen veröffentlicht und verbreitet werden.

Wissenschaft muss überprüfbar sein. Je besser die Forschungsdaten, das Rohmaterial der Wissenschaft, verfügbar sind, um so besser steht es um die Überprüfbarkeit.

Open Access ist das Versprechen auf umfassende Chancengleichheit, was den digitalen Zugang zu Forschungsergebnissen und Forschungsdaten angeht. Open Access hat zwei Dimensionen:

  • die Beseitigung von finanziellen Hürden: gratis Open Access
  • die Beseitigung von urheberrechtlichen Barrieren im Sinne vollständiger Nachnutzbarkeit: libre Open Access

Realisiert wird dieser Libre Open Access vor allem durch Creative Commons Lizenzen.

Die Wissenschaft muss viel “flüssiger” werden (“liquid science”). Digitale Kommunikation, insbesondere Blogs und Wikis, ermöglichen diese Dynamisierung.

Idealerweise sollten alle Belege in Form von Hyperlinks auf Online-Publikationen und Digitalisate gegeben werden. Ein Blogger, der ein gedrucktes Buch zitiert, von dem es eine retrodigitalisierte Fassung gibt, sollte also immer die Fundstelle seitengenau verlinken.

Wissenschaftsblogs sind gratis Open Access, aber zu selten libre Open Access. Hier im Redaktionsblog habe ich ein Plädoyer für die Lizenz CC-BY veröffentlicht, die Standardlizenz der führenden Open Access Verlage.

Wissenschaft braucht Nachnutzbarkeit, sie muss auf früheren Erkenntnissen aufbauen können. Daher ist eine Einschränkung “keine Bearbeitung” (CC-BY-ND) keine wünschenswerte Option.

Kontraproduktiv ist aber auch der Ausschluss kommerzieller Nutzung (CC-BY-NC). Die meisten Zeitschriften erscheinen in kommerziellen Verlagen. Bilder und Grafiken unter CC-BY-NC können in diesen Medien also nicht genutzt werden, was ersichtlich nicht im Sinne der Wissenschaftler-Urheber sein kann.

Nur CC-BY (oder CC-BY-SA) kommt also für wahren Open Access in Betracht. Bei Forschungsdaten (wenn sie denn überhaupt urheberrechtlich geschützt sind) ist aber bereits CC-BY zu restriktiv, sie sollten Public Domain bzw. Creative Commons Zero sein.

Wer Open Access in diesem Sinne konsequent unterstützen will, sieht sich aber juristischen Hürden gegenüber, also vor allem einem für die Wissenschaft nicht tauglichen Urheberrecht.

 

Zwar diskutiert man gerade ein wenig über eine allgemeine Wissenschaftsschranke, aber bis zu ihrer Realisierung ist es wohl noch ein weiter Weg.

In meiner Archivalia-Artikelserie Blog&Recht habe ich versucht, Rechtsfragen des Bloggens verständlich darzustellen:

Auf Twitter fragte Johannes Waldschütz:

 

Die Antwort lautet – wie im Urheberrecht allzu häufig: Kommt darauf an.

Eine sehr einfache Karte (z.B. banal gestaltete Verbreitungskarte) ist urheberrechtlich nicht geschützt und darf daher frei verwendet werden.  Dann ist zu fragen: Gibt es eine Erlaubnis durch Nutzungsbedingungen? In Büchern wohl kaum (außer diese haben freie Inhalte – etwa von der Wikipedia oder Open Street Map – lizenzkonform genutzt), aber online immer häufiger. Exkurs zu Flickr: Wenn ein Bild dieses riesigen Bilderpools für das Sharing freigegeben ist, darf es mit dem Einbetten-Feature geteilt werden. Die wenigsten Flickr-Nutzer haben diese Option deaktiviert. Das folgende Bild ist auf diese Weise eingebettet.

The T-O type map in the Armenian language

Vorsicht bei Stadtplandiensten! Von einem Akteur aus dem Bereich der Geschichtswissenschaft weiß ich, dass eine Kanzlei 2009 über 500 Euro Abmahnung für eine im Netz vergessene Anfahrt-Hilfe bei einer Veranstaltung verlangte.

Wichtig ist im Wissenschaftlichen Kontext das Zitatrecht (§ 51 UrhG). Die Karte muss als Beleg, zur Erläuterung des Inhalts dienen, sie darf nicht bloße Illustration sein.

Allerdings gilt, dass die Abmahngefahr bei der Übernahme einer Karte aus einem Buch in einem wissenschaftlichen Werk verschwindend gering ist.

Nun zum Posten von Handschriftenscans. Die (mittelalterlichen) Handschriften sind ja gemeinfrei, aber ihre Reproduktionen?

In der Europeana-Charta von 2010 heißt es:

Die Digitalisierung von gemeinfreien Inhalten schafft keine neuen Rechte über diese Inhalte: Alle Werke, die in analoger Form als Gemeingut vorliegen, sind auch nach ihrer Digitalisierung
weiterhin Gemeingut.

Auch die EU-Kommission hat wiederholt betont, dass Gemeinfreies nach der Digitalisierung gemeinfrei bleiben soll. Den “Grundsatz, dass gemeinfreies Material nach seiner Digitalisierung gemeinfrei bleiben sollte” hat der europäische Gesetzgeber (EU-Parlament und Rat) in den Erwägungsgründen zur PSI-Richtlinie vom Juni 2013 klar ausgesprochen. Alle öffentlichen Institutionen sind folglich gehalten, nicht gegen dieses Prinzip zu verstoßen. Der Trend geht eindeutig zum Open Access – man denke etwa an die Public-Domain-Freigaben des Getty-Museums oder der British Library. Schon die Berliner Erklärung für Open Access 2003 hat ausdrücklich auch die kulturgutverwahrenden bzw. Gedächtnisinstitutionen adressiert und diese aufgerufen, ihre Schätze Open Access – und das heißt: beliebig (auch kommerziell) nachnutzbar – zu publizieren.

Es spricht alles dafür, dass Handschriftenreproduktionen bzw. generell Wiedergaben von Flachware nicht durch EU-Urheberrecht (und Schweizer Urheberrecht) geschützt sind, da ihnen die “Originalität” fehlt. Ansonsten wären sie 70 Jahre nach dem Tod des Reproduzierenden geschützt, was absurd wäre.

In Deutschland und Österreich gibt es aber sogenannte einfache Lichtbilder. Aber auch bei ihnen vertrete ich die Ansicht, dass nach deutscher Rechtslage – also vor allem nach der Rechtsprechung des BGH – originalgetreue Wiedergaben zweidimensionaler Vorlagen nicht als einfache Lichtbilder geschützt sind. So ist auch die – von Rechteinhabern nicht gerichtlich angefochtene – Praxis der Wikipedia bzw. auf Wikimedia Commons.

Copyfraud bedeutet: Nicht überall ist Copyright drin, wo Copyright draufsteht. Reproduktionen gemeinfreier alter Fotos sind gemäß der Entscheidung Bibelreproduktion des BGH definitiv nicht vom Urheberrecht geschützt. Trotzdem werden sie zuhauf im Netz insbesondere von Archiven mit Wasserzeichern “verziert”.

Die Rechteinhaber verlegen sich auf FUD (Fear, Uncertainty and Doubt) und schaffen eine Zone der Unsicherheit, mit der sie ihre finanziellen und “Herrschaftswissen”-Interessen zur Geltung bringen wollen. Schon oft habe ich mich gemäß der Devise Kulturgut muss frei sein gegen das “Zwingherrentum” kultureller Institutionen ausgesprochen.  Vielfach sind sie mit ihrem Copyfraud erfolgreich, da ihre Nutzer zu ängstlich sind.

Nicht selten ist es durchaus vernünftig, opportunistisch zu sein und es sich nicht mit mächtigen Institutionen zu verderben. Aber auch da gibt es Hintertüren, etwa wenn man nach der Wikipedia-Devise “Sei mutig” Bilder anonym auf Wikimedia Commons postet und von dort zitiert oder auch nur verlinkt.

 

Paläographische Datierungen und Schriftvergleiche brauchen Handschriftenabbildungen in guter Auflösung, die kostenlos im Netz stehen. Weil Felicitas Noeske mir erlaubte, Bilder eines deutschsprachigen Fragments aus der von ihr betreuten Christianeums-Bibliothek in Archivalia zu posten, konnte wenige Stunden nach dem Erscheinen dieses Beitrags Stephen Mossmann den unbekannten Text identifizieren.

Neu ist folgende Meldung:

Baden-Württembergs wissenschaftliche Bibliotheken sind überein gekommen, ihre Digitalisate künftig unter eine Creative Commons Lizenz zu stellen. Konkret wurde die Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0-Lizenz in deutscher Übertragung ausgewählt (CC-BY-SA 3.0 DE).

Das ist natürlich höchst begrüßenswert, aber strenggenommen auch Copyfraud, da nur das unter CC gestellt werden kann, was urheberrechtlich geschützt ist.

Abschließend drei Forderungen:

  • ForscherInnen sollten sich vehement für offene Inhalte einsetzen und Copyfraud bekämpfen. Ruhig den Dienstvorgesetzten des sich stur stellenden Archivbeamten oder das Stadtparlament immer wieder in höflicher Form auf das genannte EU-Prinzip “Gemeinfreies muss auch nach der Digitalisierung gemeinfrei bleiben” hinweisen!
  • ForscherInnen sollten mutig sein und sich bei 2-D-Vorlagen über Beschränkungen hinwegsetzen.
  • Bei eindeutig geschützten Abbildungen (z.B. von Skulpturen) sollte man das Zitatrecht einsetzen, um dem Publikum den Werkgenuss zu ermöglichen.

 

Quelle: http://redaktionsblog.hypotheses.org/2417

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Eine europäische Strategie für soziale Investitionen: Colin Crouch im Interview auf “Der (europäische) Föderalist”

„Wenn Sie eines an der Funktionsweise der EU ändern könnten, was wäre es?“ Diese Frage habe ich dem Soziologen Colin Crouch gestellt, der durch seine Bücher Postdemokratie (2008), Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus (2011) und Jenseits des Neoliberalismus (2013) einem breiten Publikum als scharfsinniger Fürsprecher einer „durchsetzungsfähigen Sozialdemokratie“ bekannt geworden ist. In dem Interview auf meinem Blog Der (europäische) Föderalist kritisiert Crouch die wirtschaftspolitische Ausrichtung der Europäischen Union in den letzten Jahren:

Was an der Funktionsweise der EU derzeit am dringendsten geändert werden muss, ist ihr Fokus auf eine rein märkteschaffende Agenda und ihre daraus folgende Vernachlässigung der ausgleichenden Sozialagenda, die dafür notwendig ist.

Als wichtigsten ersten Schritt einer solchen Sozialagenda sieht Crouch die Entwicklung einer „europäischen Strategie für einen sozial investierenden Wohlfahrtsstaat“ – auch und gerade in den Ländern, die von der Eurokrise am härtesten getroffen wurden:

Soziale Investitionen, nicht die bloße Zerstörung existierender Sozialpolitiken muss die Aufgabe sein, die Ländern wie Griechenland gestellt wird, welche Hilfe von den europäischen Institutionen benötigen.

Doch dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche und soziale Aspekte. Auch für die Entstehung eines europäischen Wir-Gefühls sieht Crouch die Entwicklung eines europäischen Wohlfahrtsstaats als wichtige Voraussetzung.

Derzeit gibt es sehr wenig, worauf man zeigen und sagen könnte: „Ich habe einen Anspruch darauf, weil ich ein Bürger der EU bin.“ Rechte, die auf den Leitgedanken der Sozialinvestitionsstrategie beruhen, könnten eine moderne Form von Sozialpolitik sein, die für diesen Zweck sehr geeignet ist.

Ob sich die EU dabei zurzeit auf dem richtigen Weg befindet, scheint Crouch zufolge jedoch zweifelhaft. Eine „intolerante Form des Neoliberalismus“ forciere den Abbau und die Privatisierung des Sozialstaats sowohl in den einzelnen Mitgliedstaaten als auch auf gesamteuropäischer Ebene. Durch die Europawahl wurden allerdings christdemokratische und liberale Parteien geschwächt, während die Sozialdemokraten ihre Sitzzahl in etwa halten konnten und die Linksparteien sogar deutlich zugewinnen konnten. Rückt die EU in den nächsten Jahren also nach links? Oder werden vielmehr die rechtspopulistischen Europaskeptiker mit ihrer Einwanderungsfeindlichkeit die öffentliche Debatte dominieren?

Das volle Interview mit Colin Crouch findet sich hier.

Quelle: http://etatsocial.hypotheses.org/235

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Quellen zur Geschichte der St. Sebastianus Schützenbruderschaft Linz

Notariatsinstrument des Johannes Hess, 1480

Notariatsinstrument des Johannes Hess, 1480

Obwohl die schriftliche Überlieferung erst im 15. Jahrhundert einsetzt, ist zu vermuten, dass spätestens Mitte des 14. Jahrhunderts Bruderschaften in Linz bestanden haben. Nicht selten kam es vor, dass eine oder mehrere Bruderschaften in einem Testament bedacht wurden. Diesem Umstand ist auch die erste schriftliche Erwähnung der Sebastianusbruderschaft zu verdanken, denn der Linzer Bürger Johannes Schmitz vermachte im Jahr 1480 je 12 Weißpfennig ad fraternitatem corporis Christi, ad fraternitatem spiritus sancti und ad fraternitatem sancti Sebastiani. Die Marienbruderschaft soll vier Sester Weizen erhalten (Notariatsinstrument des Johannes Hess de Linß, Pergament, ca. 42 x 27 cm, Signatur: StAL Urk. Nr. 82). Handelte es sich bei der Marien-, der Corpus-Christi- und der Heilig-Geist-Bruderschaft um geistliche Laiengemeinschaften, ist der heilige Sebastian traditionell der Patron der Schützen, die durch regelmäßiges Üben erfahren im Umgang mit Armbrust und Feuerwaffe wichtiger Bestandteil der städtischen Verteidigung waren. 1533 zählte die Bruderschaft mehr als 100 Mitglieder, die jährlich uff sent Sebastianij dagh (20. Januar) zwei neue Brudermeister wählten, denen die Verwaltung der Finanzen übertragen wurde.
Bruderschaftsbuch der Sebastianer, 1489
Bruderschaftsbuch, Eintrag von 1494

Das Bruderschaftsbuch der Schützen, ein in braunes Leder gebundenes Schmalfolioheft aus knapp 70 Papierbögen, dessen stark beschädigten und abgegriffenen Umschlag u.a verblasste Zeichnungen von (gekreuzten) Pfeilen, einer Armbrust sowie dem Linzer Stadtwappen zieren (Signatur: StAL K 12) gibt des Weiteren Auskunft über die offensichtlich bereits lange Tradition des Vogelschießens, denn 1494 erwähnt das Buch, daß man de papagey na aldem herrkommen geschossen hat.

1601 gibt sich die eine geraume Zeitt hero Wegen des Collnischen Kriegs hinderpliebene lobliche Schützengesellschaft neue Statuten, die in einem eigens dafür begonnenen Buch (Signatur StAL K 13) niedergeschrieben sind. Der 155 Papierseiten starke ledergebundene Band von ca. 20 x 15 cm beginnt mit einer Auflistung abgestorbener und noch lebender Schützennahmen zugleich. Folgens der abgestorbener alleine, dern selen gott gnade. Dan zum drittenn der noch lebender und zukommender nahmen, wonach die Bruderschaft 1613 gut 70 Mitglieder hatte, darunter der Amtmann, der Schultheiß, Schöffen, der Bürgermeister und zahlreiche Ratsverwandte sowie Zöllner und Zollschreiber. Die anschließende Schützenordnüngh regelt zunächst in acht Punkten den Ablauf des Bruderschaftsmahls, dem sogenannten braden essen, bei dem neben Braten aufgefahren werden sollte ein hammels Pastell, Salat, Botter, Keeß, ein Roghenbroth und Was an Obs Zeittigh Und zu bekommen.

Bruderschaftsbuch und Schützenbuch der Sebastianer 1601-1733 (rechts), jeweils vor der Restaurierung
Schützenbuch, Einträge um das Jahr 1620
Schützenordnung

Ähnlich üppig war das Mahl, das der neue Schützenkönig nach dem Ausschießen am Fronleichnamstag ausrichten musste, wobei sich jeder Schütze mit ½ Reichstaler an den Auslagen beteiligte: Wein 3 Ohmen, Weiß und Roghenbrodtt, Fleisch gereuchett 4 Pfund, Schinkenn 4 Pfund, Gronfleisch 50 Pfund. Die Stange (bezeichnet als Rute: Rodt) mit dem Vogel wurde am Leetor aufgerichtet, unter dem Tor empfing der König seine Insignien, die aus einem angeblich 1577 von Schützenkönig Freiherr Wolff Metternich dotierten silbernen Vogel, einem goldenen Schild und zahlreichen silbernen Königsschilden bestand. So heißt es im Schützenbuch beispielsweise: Anno 1655 den 19 Maij Zwischen 3 undt 4 Uhren nachmittags ist der Vogell von Johannes Reidt perfect und volkommen mit der armbröst herunder geschossen, undt darauff ihme der Silbere Vogell von abgestandenen Königen, welcher ohne den Krämpen und den guldenen viereckigen schildt in Sieben undt Viertzigs stuck bestanden, alten Brauch nach von denen Loblichen Schützenbruderen under der Lewen pforten extradirt undt uberliebert worden. Die Zahl der Schilde schwankte, da nicht selten einige von ihnen verkauft wurden, um die Kasse der Bruderschaft aufzustocken, oder dem Wirt als Pfand für ein noch nicht bezahltes Gelage dienten.

Schützenkette der Sebastianer - Königsschild

Schützenkette der Sebastianer – Königsschild

Heute besteht die Schützenkette (Depositum im Stadtarchiv Linz) aus einem ca. 180 cm langen und 14 cm breiten Bandelier aus schwarzem Leder, das auf der Innenseite z.T. mit Stoff ausgebessert ist. Daran hängt der Vogel mit aufgestelltem linken Flügel (der rechte Flügel fehlt), um den Hals eine goldfarbene Krone, an den Schnabel gehängt eine Armbrust. Den Ast, auf dem der Vogel sitzt, ziert vorne eine ebenfalls goldfarbene Figur des hl. Sebastian. An den Schwanzfedern hängen zwei identische Medaillons, die vorne den hl. Sebastian und die Umschrift DER HEILIGE SEBASTIANUS und hinten das Linzer Stadtwappen sowie die Umschrift *ST. SEBASTIANUS BRUDER & SCHÜTZENGESELLSCHAFT IN LINZ A RH. tragen.

Ein vormals an der dritten, vorderen Öse befestigtes Stadtwappenschild fehlt. Auf dem Bandelier befestigt sind 37 größtenteils silberne Königsschilder beginnend mit dem Jahr 1824 sowie ein älteres großes Schild von ca. 25 x 21 cm Größe, das die Namen der verstorbenen Könige von 1578 bis 1714 trägt: Nomina Regum Defunctorum Ex Confraternitate Sancti Sebastiani Linty Ad Rhenum = 1578 = Johannes Freiling Zollschr. 1583 = Johannes Zimmermann Senat. 1601 = Peter Voitz. 1602 = Johannes Theod. Mohr Zöllner. 1603 = Johannes Klinckhammer. 1604 = Johannes von Dillenburgh. 1605 = Wilhelmus Bramhaes. 1606 = Jacob Reichman. 1607 = Bernardus Odendahl Senat. 1608 Et 18 = Johannes Naes. 1609 = Goderied Saltzfas Prät. 1611 = Pet. Hohn. 1612 Et 13 = Christian Kessel Cons. 1614 = Adamus Wolff. 1617 = Jacob Reichman. 1620 = Theod. Thynnen. 1624 = Herm. Saltzfas. 1631 = Henr. Simonis Senat. 1641 = Peter Deutz Nachgän. 1653 = Sebastian Hilberath. 1654 = Bernard Muller. 1655 Et 58 = Johannes Reidt Cons. 1650 = Johannes Bernart. 1668 = Hubert Giesen. 1669 Et 70 = Michael Krade. 1671 = Theod. Weinreichs. 1680 = Johannes Hartman. 1681 = Henr. Hartman. 1682 = Marcus Ignat. Flocker Vice Satrap. 1683 = Adam Hoffman Senat. 1684 = Michael Urmacher. 1686 = Max Henr. Bielstein Canon. 1697 = Arnold Path. 1698 = Henr. Becker. 1699 Et 70 = Castenholtz Licent. 1701 = Herm. Wiffel. 1708 = Johannes Zundorff. 1710 = Wolffgang Esch. 1714 = Henr. Wilhelmi Senat.

Vogel der Schützenkette

Vogel der Schützenkette

Auf der Vorderseite des Bandeliers befinden sich über und unter der eben erwähnten Platte folgende Königsschilder: Jos Hoffmann – König bei die Schützen zu Linz 1829; nachträglich eingraviert: und sein Sohn Georg Hoffmann 1898 Franz Conrads Chirurgus und Jagdliebhaber alt 72 Jahre wurde Schützenkönig bei der Schützengesellschaft in Linz am Rhein 1835 (Schild ähnelt der Form eines Eisernes Kreuzes) Johann Zimmermann Bierbrauer und Beckermeister wurde König bei der Schützengesellschaft zu Linz am Rhein 1825Anno 1824 Rex Georg Eiberwisser Architectus LinzensisSchützenkönig H. P. Bondong 1964-65 1973-74 1991-92 (Schild in Form eines Posthorns) ● Joh. Gottfr. Sterl in Linz 1831 (Schild in Form einer Taschenuhr mit eingraviertem Zifferblatt) ● Schützenkönig 1929 Peter Rechmann genannt (Schild im Form eines Eimers) ● Schützenkönig Andreas Siebertz 1982-83 (Schild mit Kranz und Krone) ● Bürgermeister Willibrord Thiesen Präfect der St. Sebastianus Bruderschaft zu Linz am Rheine 1857 – Vogelkönige: Josef Münch 1857, Peter Josef Wirtz 1858, Wilhelm Heckner 1899, Heinrich Vogt 1900, J. J. Nußbaum 1901 Hammer bei Linz am Rhein – Scheibenkönige: Prinz Friedrich von Preußen 1857, Franz Fasbender jr. 1858, Johann Josef Kaufmann 1879 (Schild mit Kranz und Linzer Stadtwappen) ● 1873 Der St. Seb. Bruderschaft als 25 jähr. Rendant gewidmet J. J. Kaufmann 18981847 Ferd. Unkel der St. Seb. Bruderschaft als 50 jähr. Mitglied gewidmet 1897Antonius Unkel Gastwirth zum Englischen Hof wurde 1832 Koenig bei der Schützen Gesellschaft zu LinzAnno 1828 wurde Joh. Gottfr. Sterl König bei der Schützen=Gesellschaft in Linz (auf dem Schild ein Zifferblatt) ● Johann Wilhelm Nolden Rothgerbermeister wurde 1833 König bei der Schützengesellschaft in Linz 1830 wurde J. Bertram Münch zum zweitenmahl König bei der Schützengesellschaft in LinzZum Andenken meiner Königswürde beim vierhundertjährigen Jubiläum der St. Sebastianus Schützengesellschaft gewidmet von Georg Hoffmann Linz am Rhein am 16 und 17. im 8. 1907 (Schild mit Kranz und Krone) ● Anno 1826 wurde Johannes Bertram Münch König in Linz (Schild mit eingraviertem Anker) ● Joh. Hildebrand Schützenkönig St. Seb. Schütz. Ge. Linz a/Rh. 29.08.05 (Schild mit Kranz und Krone) ● Anton Coeln wurde Koenig 1836 bei der Sebastiani-Schuetzengesellschaft zu LinzZur Erinnerung an die Vollendung meines 50. Lebensjahres Emil Underberg (Schild mit Reiter, gekreuzten Gewehren, Fahnen, Trommel) ● Ludw. Baur Schützenkönig 19251827 wurde Jacob Keller König bei der Schützengesellschaft zu LinzKönig 1953 Nikl. Balzer Schützenkönig 1928 Lay OberzollsekretärJos. Eberle Schützenkönig d. St. Seb. Schütz. Ge. Linz a/Rh. 27.08.06 (Schild mit Kranz und Krone) ● Bartholomäus Zimmermann Wirth und Bäckermeister wurde 1834 König bei der Schützengesellschaft in Linz (auf dem Schild Weinreben) ● Schützenkönig 1952 Peter Reufels (Schild mit Eichenlaub, Krone und Zielscheiben) ● König Josef Adams am 43. Geburtstag 20. Juni 1957 (Schild mit Eichenlaub, Krone, eingraviert die Linzer Burg, der Rhein und das Stadtwappen) ● Michael Adams König 1956 (viereckiges Schild mit Lokomotive) ● Königsplatte der St. Sebastianus Bruder- und Schützengesellschaft e. V. Linz a. Rh. – Nikolaus Küpper 1931 – Arnold Küper 1932 – Karl Weinand 1933 – Nikolaus Küpper 1934 – Josef Nussbaum 1935 – Johann Öllig 1936 – Johann Fossemer 1937 – Josef Otten 1938 – Winand Nelles 1948 – Josef Fleischer 1949 – Michael Adams 1950 – Peter Schultz 1951 – Peter Reufels 1952 – Nikolaus Balzer 1953 – Franz Saal 1954 – Johann Selbach 1955 – Michael Adams 1956 – Josef Adams 1957 – Egidius Minning 1958 – Anton Brug 1959 – Hermann Renneberg 1960 – Josef Hoppen 1961 – Franz Murawski 1962 – Jakob Schneider 1963 – H. P. Bondong 1964 – P. Zimmermann 1965 – Seb. Stahl 1966 – Josef Bier 1967 – Alois Faus 1968Schützenkönig Franz Murawski 1962 (Schild mit Eichenlaub und Krone) ● Heinr. Löhr Schützenkönig 1921 (Schild mit Krone) ● Johann Kill wurde Schützenkönig der St. Sebastianus Bruder- & Schützengesellschaft in Linz Rhein am 20. Juni 1909 und 26. Mai 1910 (auf dem Schild ein Anker) ● Josef Hoppen Koenig 1961 (auf dem Schild Schere, Kamm und Becken) ● Anton Brug St. Sebastianus Schuetzenkoenig Anno 1960 (im Schild drei kleine Schilde entsprechend dem Wappen der Malerinnung)

- nach:
Andrea Rönz, Die Marien- und die Sebastianer Schützenbruderschaft, in: Denise Steger, 800 Jahre katholische Pfarrkirche St. Martin in Linz im Spiegel der Kunst. Festschrift und Katalog zur Ausstellung „Die Kunstschätze der Pfarrei” anlässlich des 800-jährigen Jubiläums der Grundsteinlegung der Martinskirche, Linz am Rhein 2006, S. 165-168.

Zur Geschichte der Bruderschaft siehe auch die ausführliche Chronik auf der Homepage des Vereins.

Das Archiv der St. Sebastianus Schützenbruderschaft wurde vor gut zehn Jahren dem Stadtarchiv Linz übergeben und auch in die Online-Datenbank des Stadtarchivs aufgenommen.

Quelle: http://archivlinz.hypotheses.org/232

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